Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Europäischen Rat: Die Zeit der Reflexion und Plan D KOM (2006) 212 endg.; Ratsdok. 9393/06

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 30. Mai 2006 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).

Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 11. Mai 2006 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 910/05 (PDF) = AE-Nr. 053181,
Drucksache 102/06 (PDF) = AE-Nr. 060418,
Drucksache 349/06 (PDF) = AE-Nr. 061240 und
Drucksache 394/06 (PDF) = AE-Nr. 061257

Mitteilung der Kommission an den Europäischen Rat
Die Zeit der Reflexion und Plan D

1. Einleitung

In den letzten Jahren ist eine neuerliche, von den Unionsbürgern angestoßene Debatte über die Zukunft Europas in Gang gekommen, deren Richtung und Schwerpunkte die Europäische Union mit eigenen Beiträgen gestaltet hat. Im Dezember 2001, ein Jahr nach dem Vertrag von Nizza, verabschiedete der Europäische Rat eine Erklärung zur Zukunft der Europäischen Union, in der er bekräftigt, dass die Union demokratischer, transparenter und effizienter werden müsse.

Diese "Erklärung von Laeken" zeigte die Perspektive einer Verfassung für Europa auf und bildete die Grundlage für einen Konvent, der Regierungs- und Parlamentsvertreter aus der gesamten EU und Repräsentanten der europäischen Institutionen zusammenbrachte. Der Entwurf des Vertrags über eine Verfassung für Europa, die Basis des im Oktober 2004 angenommenen und von den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten in Rom unterzeichneten Vertrags, wurde verabschiedet.

Im vergangenen Frühjahr wurde die Verfassung, die zehn Mitgliedstaaten bereits gebilligt hatten, von der französischen und der niederländischen Bevölkerung abgelehnt. Die Motive dafür sind zwangsläufig komplex, doch erhellen Meinungsumfragen zumindest teilweise die Beweggründe der Wähler und verdeutlichen ihre Einstellung zur europäischen Einigung1. Der wichtigste Faktor für das "Nein" war in beiden Ländern die Besorgnis über die wirtschaftliche und soziale Lage des eigenen Landes. In Frankreich erklärte sich das negative Votum in erster Linie aus sozialen und wirtschaftlichen Erwägungen: Die Bürger befürchteten vor allem angesichts der wirtschaftlichen Lage und der Arbeitsmarktsituation nachteilige Auswirkungen für die Beschäftigung; außerdem bewerteten sie die Verfassung als zu liberal oder zumindest nicht hinreichend sozial ausgerichtet. In den Niederlanden stimmten viele Wähler offenbar auch deshalb mit "Nein", weil sie sich nicht über die tatsächliche Wirkung und die Bedeutung der Verfassung im Klaren waren und einen Verlust an Souveränität befürchteten. Dieses Nein bedeutet jedoch nicht, dass die Unterstützung für die EU generell nachgelassen hätte: 88 % der Franzosen und 82 % der Niederländer hatten nach wie vor eine positive Meinung von der EU. Nach den negativen Verfassungsreferenden nahm der Europäische Rat eine Erklärung zur Ratifizierung des Vertrags über eine Verfassung für Europa an, in der die Staats- und Regierungschefs eine "Zeit der Reflexion" forderten, die alle Länder für eine breite Debatte nutzen sollten, in die die Bürger, die Zivilgesellschaft, die Sozialpartner, die nationalen Parlamente und die Parteien einzubeziehen waren. Die europäischen Institutionen, insbesondere die Kommission, wurden aufgefordert, zu dieser Debatte beizutragen. Parallel dazu wurde der Ratifikationsprozess in mehreren Mitgliedstaaten fortgesetzt. Seit Juni 2005 haben fünf weitere Länder die Verfassung gebilligt, und die Entscheidung des finnischen Parlaments wird für die nächsten Monate erwartet. Somit könnten in Kürze insgesamt 16 Ratifikationen vorliegen.

Im Oktober 2005 präsentierte die Kommission den so genannten Plan D für Demokratie, Dialog und Diskussion2, der u. a. neue Möglichkeiten zur Beteiligung der Bürger vorsah und so der Debatte über die Zukunft Europas neuen Schwung verlieh.

Dieser Plan stellt zwar eine Reaktion auf die Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden dar, ist aber nicht zur Rettung der Verfassung bestimmt. Er ist im Übrigen nicht auf die Zeit der Reflexion begrenzt, sondern steht am Beginn eines langfristigen demokratischen Reformprozesses. Das politische Ziel ist, die Bürger an den Maßnahmen der EU Teil haben zu lassen, die Maßnahmen verständlich und relevant zu konzipieren und die EU-Institutionen zur Rechenschaft und Zuverlässigkeit gegenüber jenen zu verpflichten, für die sie tätig sind. Das setzt einen Prozess voraus, der, wenn er zu greifbaren und tragfähigen Ergebnissen führen soll, eine gewisse Zeit braucht. Vor allem aber müssen sich die Mitgliedstaaten, aber auch die EU-Institutionen, ernsthaft engagieren. Ausschlaggebend für den Erfolg wird im Endeffekt sein, inwieweit die EU fähig und willens ist, zuzuhören, Feedback zu verarbeiten und politische Ergebnisse zu liefern.

In erster Linie ist es Aufgabe der Mitgliedstaaten, auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene Debatten zu veranstalten. Die Rolle der Kommission nach Plan D besteht darin, die Diskussion mit zu strukturieren und gegebenenfalls die Mitgliedstaaten finanziell und organisatorisch zu unterstützen. Eine umfassende Bestandsaufnahme der Maßnahmen, die die Kommission im Rahmen von Plan D zwischen Oktober 2005 und April 2006 durchgeführt hat, findet sich in Anhang 1.

Die Intensität der Diskussionen variiert beträchtlich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Zumindest teilweise erklärt sich dies aus dem jeweiligen Stand der Ratifizierung. So hat in Mitgliedstaaten, die die Verfassung bereits ratifiziert haben, die Debatte schon stattgefunden. Verständlicherweise sind sie weniger zu neuen Initiativen bereit, und ihre Bürger weniger neugierig auf die nächsten Schritte.

Die Zeit der Reflexion ermöglicht eine Gesamtbewertung der bis Juni 2006 vorgesehenen nationalen Debatten. Diese Mitteilung bietet eine Synthese der Diskussionen, geht insbesondere der Frage nach, welche Lehren aus Plan D gezogen werden können, und enthält Einzelheiten zu einer besonderen Eurobarometer-Umfrage3 über die Zukunft Europas. Sie ergänzt die Mitteilung der Kommission zur "Eine bürgernahe Agenda: Konkrete Ergebnisse für Europa", die ihren Beitrag zur Tagung des Europäischen Rates über die Zukunft Europas darstellt4.

2. Schwerpunkte der DEBATTEN

2.1. Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Europas

Die Eurobarometer-Umfrage diente dazu, die generelle Stimmung der Europäer zu erfassen. Wie die Umfrage ergab, sind die meisten Bürger glücklich, in ihrem eigenen Land zu leben, und empfinden ihr Familien- und Berufsleben überwiegend als befriedigend. Für die Zukunft zeigen sie sich allerdings insgesamt pessimistisch und vor allem wegen der wirtschaftlichen und sozialen Aussichten besorgt. Besonders die Arbeitslosigkeit bei jungen Menschen sehen sie weiterhin als großes Problem.

Die Folgen der Globalisierung nahmen in allen nationalen Debatten und Online-Diskussionen einen vorrangigen Platz ein. Die Teilnehmer wiesen auf deren Wirkung für Beschäftigung und Wohlstand hin und sind sich der Notwendigkeit einer größeren Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität in unseren alternden Gesellschaften bewusst. Teile der Medien, der Gewerkschaften und der Jugend sowie des Nichtregierungssektors stellten einen Zusammenhang zwischen der Europäischen Union und der Globalisierung fest. Sie befürchten, dass sie sich negativ auf den Sozialschutz auswirken und das Wohlstandsgefälle verstärken könnte. Die Eurobarometer-Umfrage hingegen ergab ein ausgeglicheneres Bild bei den Einstellungen zur Globalisierung, auch wenn der Anteil derjenigen, die darin eine Chance für die Unternehmen im eigenen Land sehen (37 %), geringer ist als die Zahl derjenigen, die sie als eine Bedrohung für die Beschäftigung und die Unternehmen wahrnehmen (47%). Ein Mangel an Dynamik in der europäischen Wirtschaft wurde in mehreren Ländern stark angeprangert.

Beim Sozialschutz richten sich die Sorgen der Bürger vornehmlich auf die Reform der Altersrenten, die soziale Sicherheit und das Gesundheitswesen. Obwohl die Liberalisierung der Dienstleistungen einen vorrangigen Platz in der Politik der EU einnimmt, messen die Befragten diesem Themenkomplex eher geringe Bedeutung bei. Insgesamt vertreten sie die Auffassung, dass die Europäische Union das europäische Sozialmodell doch zum Schutz gegen die negativen Auswirkungen der Globalisierung einsetzen könnte, was allerdings kaum in konkreten Maßnahmen sichtbar werde.

Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer war in fast allen nationalen Diskussionen ein heikles Thema. In einigen alten Mitgliedstaaten besteht weiterhin die Furcht vor dem Verlust von Arbeitsplätzen und einem Druck auf die Löhne, sobald der Arbeitsmarkt für die Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedstaaten geöffnet wird. Für die Bürger der neuen Mitgliedstaaten bedeuten die Hindernisse für die Freizügigkeit weiterhin, dass ihnen die Grundfreiheiten der EU verweigert werden.

In den neuen Mitgliedstaaten sind noch zwei weitere Themen von Bedeutung: Erstens die Aussichten auf den Beitritt zur Euro-Zone, der für die meisten Bürger ein erstrebenswertes Ziel ist. Zweitens die Anwendung des Schengen-Systems; hier wird befürchtet, dass dadurch neue Barrieren gegen die Nachbarländer von Mitgliedstaaten errichtet werden könnten.

2.2. Die Europäische Union und ihre Rolle

Tendenziell haben die nationalen Debatten das Befragungsergebnis, dass die Mitgliedschaft in der Europäischen Union insgesamt als positiv bewertet wird, bestätigt. Allerdings zeigen Umfragen aus den letzten Monaten, dass diese positive Haltung in den meisten Mitgliedstaaten abnimmt, wobei der Rückgang in Finnland, Österreich und dem Vereinigten Königreich besonders ausgeprägt ist.

In mehreren neuen Mitgliedstaaten hinterfragten die Bürger kritisch die Rolle ihres Landes in der Europäischen Union sowie die Beziehungen zwischen den alten und den neuen Mitgliedstaaten.

Häufig kamen in den Debatten die Themen EU-Finanzierung und die Verfügbarkeit von Struktur- und Kohäsionsmitteln zur Sprache. Letztere wurden von den Befragten überwiegend als Chancen angesehen, nur seien die Verfahren zu schwerfällig. Die Verringerung der EU-Fördermittel weckt insbesondere in Spanien Besorgnisse; nach Einschätzung der Bürger war Spanien bei der letzten Erweiterung der "Verlierer". Dagegen empfinden sich andere Länder wie Schweden und das Vereinigte Königreich infolge der Erweiterung als über Gebühr belastet.

Frieden unter den Mitgliedstaaten und der Binnenmarkt gelten als die beiden größten Errungenschaften des europäischen Aufbauwerks. Wie Umfragen außerdem zeigen, werden die Anstrengungen der Europäischen Union zur Förderung der Zusammenarbeit in Forschung und Innovation sowie zur Förderung der Gleichbehandlung von Männern und Frauen positiv wahrgenommen. In mehreren Debatten wurden auch sicherheitsbezogene Themen angesprochen, wie Umweltsicherheit, Lebensmittelsicherheit, Verkehrssicherheit und Fahrgastrechte sowie Energieversorgung, wobei die Tätigkeit der EU großenteils - und in einigen Mitgliedstaaten sogar äußerst - positiv bewertet wurde. Gelegentlich wurde über die Notwendigkeit einer gemeinsamen Einwanderungs- und Asylpolitik, über die Themen Steuerreform, Bildung, europäische Identität und kulturelle Vielfalt sowie über Verbraucherrechte und die Zukunft des Agrarsektors diskutiert.

Überregulierung, übermäßig detaillierte Vorschriften und Bürokratie lehnen die Bürger ab. Das Bild einer bürgerfernen EU, die sich unnötig einmischt, ist immer noch sehr präsent. In vielen Ländern wurde überdies das Demokratiedefizit in den europäischen Institutionen angeprangert. Vielfach wurde eine größere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess gefordert. Schließlich besteht in mehreren Ländern der Eindruck, dass die Kommission nicht alle Mitgliedstaaten gleich behandelt. Diese Wahrnehmung ist besonders in den kleinen Ländern verbreitet: Sie sind der Ansicht, dass die Vorschriften über die übermäßigen Haushaltsdefizite und die Wettbewerbsentscheidungen nicht gerecht angewandt werden.

Ähnlich fällt die Bewertung bei der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts aus. Die Umfragen haben gezeigt, dass die Bürger nur ein sehr geringes Wissen und Verständnis des Funktionierens der Europäischen Union, ihrer Institutionen und ihrer Rolle besitzen. Doch eine Nachfrage besteht. Seit einigen Monaten bitten Studenten bei den Kommissionsvertretungen in den Mitgliedstaaten zunehmend um Informationen über die EU-Institutionen, über das Studium und über Austauschprogramme in anderen Mitgliedstaaten. Sprachen nehmen in den nationalen Debatten offenbar keinen wichtigen Platz ein, sind jedoch eindeutig ein zentrales Thema im Diskussionsforum "Debate Europe", wo die Menschen sich direkt mit Bürgern eines anderen kulturellen Hintergrunds auseinandersetzen. Die meisten Diskussionsteilnehmer forderten eine gemeinsame Zweitsprache für alle EU-Bürger. In den Debatten wurde deutlich, dass Themen, die in einem Mitgliedstaat wichtig sind, in einem anderen Mitgliedstaat eher unbeachtet bleiben: So diskutierten die Österreicher über den Zugang ausländischer Studenten zu den österreichischen Universitäten und über den Alpentransit, während es in den regionalen Debatten in Deutschland vielfach um die Subsidiarität ging. In Dänemark beschäftigten sich die Bürger mit der möglichen Abschaffung des "Opt-out". Im Mittelpunkt der Debatten stand auch die - unterschiedlich wahrgenommene - Reaktion der EU auf die Mohammed-Karikaturen. In Zypern schließlich war das Vorgehen gegenüber der Türkei ein wichtiges Thema.

2.3. Europas Grenzen und seine Rolle in der Welt

Die Erweiterung war weiterhin eines der am ausführlichsten diskutierten Themen. Durchschnittlich 55 % der Europäer befürworten sie. 63 % befürchten allerdings, dass der Beitritt weiterer Staaten die Probleme auf den nationalen Arbeitsmärkten vergrößern würde. In der EU-15 vertraten Skeptiker die Ansicht, dass die letzten Erweiterungen zu weit gegangen sind und zu schnell vollzogen wurden; eine neuerliche Erweiterung erscheint ihnen generell, insbesondere aber, wenn es um die Türkei geht, nicht wünschenswert. Diese Bürger fürchten offenbar einen Identitätsverlust in einem Europa, dessen Grenzen nicht klar definiert sind und in dem die kulturellen Unterschiede zunehmen.

Die Diskussionen waren von Land zu Land anders geartet - in einigen Ländern bestanden starke Vorbehalte gegen eine erneute Erweiterung, in anderen Ländern (Slowenien, Vereinigtes Königreich) waren die Menschen positiver eingestellt. Bei der Meinungsbildung spielen historische und geografische Gründe eine Rolle. Einige Länder ziehen Kroatien und die westlichen Balkanländer der Türkei vor.

In mehreren Ländern sprechen sich die Bürger für ein starkes Europa mit gemeinsamen außenpolitischen Initiativen aus und fordern die Weiterentwicklung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die Anstrengungen der EU zur Förderung von Frieden und Demokratie finden relativ breite Anerkennung. Besonders festzuhalten ist, dass den Finnen und Letten eine umfassendere Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Russland notwendig erscheint. Gelegentlich wurden in den Diskussionen die Fähigkeit der EU zum Krisenmanagement und die Intensivierung der transatlantischen Beziehungen zur Sprache gebracht.

2.4. Die Arbeitsweise der Europäischen Union: "Mehr konkrete Maßnahmen, weniger Worte"

Die Bürger sind überzeugt, dass das Handeln der EU von wesentlicher Bedeutung ist, und sie knüpfen daran große Erwartungen. Die Vorstellung von Europa als einem politischen Projekt für Frieden und Solidarität, einem Ort, an dem die Menschen in Freiheit und Gerechtigkeit leben, wird von der überwältigen Mehrheit der Bürger anerkannt. Ihrer Ansicht nach kann die Europäische Union durchaus den Anspruch erheben, das europäische Sozial- und Gesellschaftsmodell in der Welt zu verteidigen, Terrorismus zu bekämpfen und gegen sonstige Sicherheitsprobleme anzugehen.

Umweltschutz, Lebensmittel- oder Energiesicherheit - all dies sind Themen, die den Europäern am Herzen liegen und bei denen sie die positiven Aspekte der europäischen Integration erkennen. In Bereichen, in denen die EU Erfolge vorweisen kann, befürwortet die öffentliche Meinung die Fortsetzung ihrer Arbeit und eine Stärkung ihrer Befugnisse. Dies gilt vor allem für die Förderung von Demokratie und Frieden in der Welt, die Zusammenarbeit in Forschung und Innovation und für den Umweltschutz.

Aber es herrscht auch der Eindruck, dass die Arbeitsweise der EU konkrete Maßnahmen behindert. Die Kritik der Bürger richtet sich mehr auf die Art, wie die Europäische Union handelt, als auf die Politik, die sie verfolgt. Sie wünschen sich, mehr in die Beschlussfassung der Gemeinschaft einbezogen zu werden, und wollen greifbare Ergebnisse in den Bereichen sehen, in denen sie den Mehrwert der EU-Politik anerkennen.

In den Debatten bezeichnen die Bürger institutionelle Fragen als abstrakt und komplex; sie interessieren sich mehr für konkrete Maßnahmen in Bereichen mit einem unmittelbaren Alltagsbezug, wie Beschäftigung, Umwelt oder Energie. Gleichwohl waren das Verfassungsdilemma und die Rolle der europäischen Institutionen wichtige Themen des Forums "Debate Europe", zu denen es sowohl positive als auch kritische Beiträge gab. Die Aussage, dass eine Verfassung der Zukunft Europas förderlich sei, fand die Zustimmung von 25 % der Befragten; als in diesem Zusammenhang noch wichtiger wurden aber vergleichbare Lebensverhältnisse und die Einführung des Euro in allen Mitgliedstaaten bewertet.

3. Schlussfolgerungen

Das Engagement der Kommission für Demokratie, Dialog und Diskussion wird über die Zeit der Reflexion hinaus andauern. Die Kommission wird die 13 Plan-D-Maßnahmen von Oktober 2005 weiterführen und ist offen für neue Maßnahmen, wann immer solche angebracht erscheinen. Dabei muss sie sich weiterhin auf eine enge Zusammenarbeit mit den EU-Institutionen und Mitgliedstaaten stützen können, die ihr Engagement zum Teil noch verbessern könnten.

In dieser Zeit der Reflexion haben wir Wichtiges gelernt. So ist an Positivem zu vermerken, dass offensichtlich ein großer Diskussionsbedarf über geeignete Handlungsfelder der EU besteht. Dies ergab sich deutlich aus sehr konstruktiven, zukunftsgerichteten Initiativen einiger Mitgliedstaaten, öffentlichen Debatten und Foren sowie beim aktiven Zugehen auf nationale Parlamente, die Regionen und die lokale Ebene. Mehr einzelstaatliche Initiativen dieser Art wären für die EU auf jeden Fall hilfreich.

Im Bereich der EU-Institutionen haben das vom Europäischen Parlament und dem österreichischen Parlament am 8. und 9. Mai veranstaltete interparlamentarische Forum und etliche lobenswerte Initiativen von EP-Ausschüssen die erforderliche umfassende Einbindung der Parlamente vorbereitet und so das europäische Vorhaben den Bürgern und ihren gewählten Vertretern noch näher gebracht.

Auch der Ausschuss der Regionen und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss haben Strukturen aufgebaut, die gewährleisten, dass die Regionen und die Sozialpartner nicht nur einbezogen, sondern auch wirklich gehört werden und ihre Positionen bei der Ausarbeitung der EU-Maßnahmen Berücksichtigung finden.

Diese Initiativen müssten nunmehr jedoch fester Bestandteil der Konzeption der Europapolitik werden und in Strukturen - auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene - eingehen, die ein kontinuierliches Feedback von Seiten der Bürger ermöglichen. Vor allem gilt es insbesondere, die jungen Menschen einzubeziehen, da sie eindeutig eine größere Rolle in der Weiterentwicklung der Europäischen Union spielen wollen und somit ihre aktive Bürgerschaft entwickeln.5

Während der Zeit der Reflexion ist auch deutlich geworden, dass die Bürger relativ wenig darüber wissen und sich auch nur wenig dafür interessieren, wie die europäischen Institutionen funktionieren. Gleichzeitig haben sie aber hohe Erwartungen in Bezug auf Ergebnisse und politische Inhalte. Damit sind die EU-Institutionen ernsthaft aufgefordert, die Bürger besser in die Entscheidungsprozesse auf allen Ebenen einzubinden.

Die Kommission wird hier eine besondere Rolle übernehmen und mit den Mitgliedstaaten und den übrigen EU-Institutionen, die entscheidende Beiträge leisten müssen, dafür Sorge tragen, dass der Rückmeldungsprozess ernst genommen wird und dem Gehörten konkrete Maßnahmen folgen. Sie wird prüfen, wie diese Rückmeldungen und die Initiativen von Bürgern im Zuge der politischen Entscheidungsfindung berücksichtigt werden können. Die Kommission ist bereit, dem Europäischen Rat weitere Angaben und Analysen sowie Bestandsaufnahmen ihrer diesbezüglichen kontinuierlichen Arbeit zur Verfügung zu stellen.

Anhang

Plan D - Umfassende Bestandsaufnahme der von der Kommission durchgeführten Maßnahmen Oktober 2005 - April 2006 Die Kommission hat den Mitgliedstaaten mehrere Hundert Besuche abgestattet. Darin inbegriffen sind über 100 Besuche des Präsidenten und von Mitgliedern der Kommission bei den nationalen Parlamenten. Außerdem hat sie, um mit den europäischen Bürgern einen echten Dialog in Gang zu setzen, im Rahmen ihres Plans D mehrere besondere Besuche mit hochrangigen Teilnehmern organisiert. Auf einige dieser Besuche wird weiter unten eingegangen.

1. Beispiele für seit Oktober 2005 durchgeführte Maßnahmen

Anregung einer umfassenderen öffentlichen Diskussion

Förderung der Bürgerbeteiligung am demokratischen Leben

2. Bewertung

Plan D ist keine Rettungsmaßnahme für die Verfassung

Mit Plan D wird das Ziel verfolgt, "eine weit reichende Diskussion zwischen den EU-Organen und den Bürgern zu fördern". Es soll eine Methode entwickelt werden, um den Bürger in den europäischen Entscheidungsprozess einzubeziehen. Die Inhalte der im Rahmen von Plan D angestoßenen Debatten können Ideen sowohl politischer Art, als auch im Hinblick auf neue Wege und Mittel hervorbringen, die zum Teil mit einer effizienten und verantwortungsvollen Entscheidungsfindung verbunden sind.

Eine notwendige Beteiligung der Mitgliedstaaten

Die Kommission sieht sich selbst im Wesentlichen als Mittlerin. Sechs Monate nach der Verabschiedung von Plan D muss darauf hingewiesen werden, dass die Rolle der Mitgliedstaaten bei der Ingangsetzung einer nationalen Debatte nach wie vor uneinheitlich ist.

Eine langfristige Verpflichtung

Mit den Maßnahmen im Rahmen von Plan D wurde im ersten Halbjahr 2006 begonnen. Daher ist es noch zu früh für aussagekräftige Ergebnisse. Plan D ist eine langfristige Verpflichtung, die neue Methoden der Kommunikation mit den Bürgern nutzt. Die Einrichtung eines konstruktiven Dialogs geschieht nicht von heute auf morgen. Darüber hinaus kann dieser Dialog nicht allein auf Initiative der EU-Organe und/oder von Brüssel aus geführt werden. Er muss vor Ort stattfinden und die aktive Unterstützung und Beteiligung der Mitgliedstaaten finden.

Mehrsprachigkeit

Von Seiten der Kommission finden die Maßnahmen im Rahmen von Plan D in allen EU-Amtssprachen statt (Online-Diskussionsforum, "Europäischer Frühling"), während die von den Vertretungen der Kommission in den Mitgliedstaaten auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene durchgeführten Initiativen in der jeweiligen Landessprache stattfinden. In diesem Zusammenhang muss hervorgehoben werden, dass die Mehrsprachigkeit ein entscheidendes Mittel ist, um einen wirklichen Dialog mit den Bürgern zu fördern. Die Kommission und ihre Partner auf der institutionellen Ebene sind deshalb bemüht, die Webinformationen für die breite Öffentlichkeit in möglichst vielen Sprachen bereitzustellen.


1 Flash Eurobarometer 171 und 172 - European Constitution: postreferendum survey (Frankreich bzw. Niederlande).
2 Der Beitrag der Kommission in der Zeit der Reflexion und danach: Plan D für Demokratie, Dialog und Diskussion - KOM (2005) 494.
3 Eurobarometer 65.1 "Zukunft Europas" - Mai 2006.
4 KOM (2006) 211 vom 10.5.2006.
5 "Die Jugend ergreift das Wort" - Bedenken und Erwartungen an die Europäische Union, Analyse aus dem Standard-Eurobarometer 63, veröffentlicht im Dezember 2005.
6 KOM (2006) 35.
7 http://www.europa.eu.int/comm/communication_white_paper/charter_code/index_de.htm
8 http://europa.eu.int/comm/dgs/communication/grants/index_de.htm
9 http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/regexp/
10 http://europa.eu.int/debateeurope/