Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages

A. Problem und Ziel

Nach Bekanntwerden des "Nationalsozialistischen Untergrundes" (NSU) im November 2011 wurde offenbar, dass es dieser rechtsterroristischen Gruppierung über einen Zeitraum von fast 14 Jahren gelungen war, von den Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern unentdeckt schwerste Straftaten zu begehen. Die Untersuchung möglicher Versäumnisse der betroffenen Verfassungsschutz-, Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden in der Folgezeit brachte für den Bereich der Strafverfolgung als wesentlichen Kritikpunkt zutage, dass die Ermittlungen zu den in mehreren Ländern begangenen Taten bis zum Bekanntwerden des NSU im November 2011 weder von polizeilicher Seite noch auf justizieller Ebene zentral geführt worden waren. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages kommt in seinem Abschlussbericht (Bundestagsdrucksache 17/14600, dort insbesondere Seite 861 ff.) fraktionsübergreifend zu der Auffassung, dass Korrekturen und Reformen auch für den Bereich der Strafverfolgung dringend geboten sind.

B. Lösung

Der Entwurf setzt die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages für den Bereich der Justiz um, soweit die Bundesebene betroffen ist. Die Begründung der Zuständigkeit des Generalbundesanwalts wird vereinfacht, und es wird durch gesetzliche Änderungen sichergestellt, dass der Generalbundesanwalt frühzeitig in laufende Ermittlungen eingebunden wird, wenn sich aus diesen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass seine Zuständigkeit in Betracht kommt. Zudem wird der bisherige Lösungsmechanismus für Kompetenzkonflikte zwischen Staatsanwaltschaften verschiedener Länder in § 143 Absatz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) derart erweitert, dass er auf Antrag einer übernahme- oder abgabewilligen Staatsanwaltschaft auch zur Herstellung eines Sammelverfahrens genutzt werden kann.

Der Entwurf schlägt über die konkreten Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages für den Bereich der Justiz hinaus eine ausdrückliche Regelung vor, wonach rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe und Ziele bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Dadurch soll die Bedeutung dieser Motive für die gerichtliche Strafzumessung verdeutlicht werden. Zudem soll unterstrichen werden, dass auch die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen schon frühzeitig auf solche für die Bestimmung der Rechtsfolgen bedeutsamen Motive zu erstrecken hat.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Keiner.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Keine.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Aufgrund der vorgesehenen Änderungen bei den Vorschriften zur Zuständigkeit des Generalbundesanwalts wird es bei einzelnen - anzahlmäßig derzeit nicht belastbar prognostizierbaren - Verfahren voraussichtlich zu einer Verlagerung der Ermittlungsführung von den Ländern auf den Bund kommen. Dem damit verbundenen möglichen Mehraufwand beim Generalbundesanwalt und in voraussichtlich geringerem Umfang beim Bundeskriminalamt werden entsprechende Entlastungen bei den Staatsanwaltschaften und den Polizeibehörden der Länder gegenüberstehen, dies allerdings nicht im gleichen Umfang wie die Mehrbelastungen auf Bundesebene, weil beim Generalbundesanwalt und beim Bundeskriminalamt aufgrund der Ortsferne ihrer Sitze von möglichen Tatorten und den für eine Verhandlung zuständigen Oberlandesgerichten insbesondere in höherem Maße Reisetätigkeiten und der damit verbundene Aufwand anfallen können. Nach der Expertise des Generalbundesanwalts ist der mögliche, sich allerdings insgesamt voraussichtlich in Grenzen haltende Mehraufwand auf Bundesebene derzeit nicht belastbar prognostizier- und bezifferbar, zumal er wesentlich von der Entwicklung der Kriminalität insbesondere im Staatsschutzbereich abhängig ist. Kurzzeitig anfallende Mehrbelastungen werden der Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt mit vorhandenen Ressourcen zu bewältigen haben. Ob sich mittel- oder langfristig ein haushaltsmäßig in den Einzelplänen 06 und 07 (Innen- und Justizressort) zu berücksichtigender Mehrbedarf ergibt, ist jedoch noch nicht belastbar abzusehen; insoweit bleibt die mittel- bis langfristige Entwicklung abzuwarten, über die der Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt zu gegebener Zeit berichten werden. Etwaiger Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln soll finanziell und stellenmäßig im jeweiligen Einzelplan ausgeglichen werden.

F. Weitere Kosten

Kosten für die Wirtschaft und für soziale Sicherungssysteme werden nicht erwartet, ebenso wenig Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 29. August 2014
Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsident
Stephan Weil

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 10.10.14

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

Das Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In § 74a Absatz 2 wird die Angabe " § 120 Abs. 2 Satz 2" durch die Wörter " § 120 Absatz 2 Satz 3" ersetzt.

2. § 120 Absatz 2 wird wie folgt geändert:

3. § 142a wird wie folgt geändert:

4. § 143 Absatz 3 wird wie folgt gefasst:

(3) Können die Staatsanwaltschaften verschiedener Länder sich nicht darüber einigen, welche von ihnen die Verfolgung zu übernehmen hat, so entscheidet der Generalbundesanwalt. Er entscheidet auf Antrag einer Staatsanwaltschaft auch, wenn die Staatsanwaltschaften verschiedener Länder sich nicht über die Verbindung zusammenhängender Strafsachen einigen."

Artikel 2
Änderung des Strafgesetzbuchs

In § 46 Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch ... geändert worden ist, werden nach den Wörtern "Ziele des Täters," die Wörter "besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende," eingefügt.

Artikel 3
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am ... [einsetzen: ersten Tag des zweiten auf die Verkündung folgenden Monats] in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Nach Bekanntwerden des "Nationalsozialistischen Untergrundes" (NSU) im November 2011 wurde offenbar, dass es dieser rechtsterroristischen Gruppierung über einen Zeitraum von fast 14 Jahren gelungen war, von den Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern unentdeckt schwerste Straftaten zu begehen. Die Untersuchung möglicher Versäumnisse der betroffenen Verfassungsschutz-, Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden in der Folgezeit brachte für den Bereich der Strafverfolgung als wesentlichen Kritikpunkt zutage, dass die Ermittlungen der in mehreren Ländern begangenen Taten bis zum Bekanntwerden des NSU im November 2011 weder von polizeilicher Seite noch auf justizieller Ebene zentral geführt worden waren. Dies kann dazu beigetragen haben, dass Zusammenhänge zwischen den Taten und deren Verknüpfung mit Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus erst nach dem Bekanntwerden des NSU erkannt wurden und der Generalbundesanwalt erst dann die Ermittlungen übernahm.

Der NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages kommt in seinem Abschlussbericht (Bundestagsdrucksache 17/14600, dort insbesondere Seite 861 ff.) fraktionsübergreifend zu der Auffassung, dass Korrekturen und Reformen dringend geboten sind.

Zu dieser Schlussfolgerung kommen auch die Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus und die Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetze. Für den Bereich der Strafverfolgung wird einhellig gefordert, dass die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts erweitert werden soll und durch gesetzliche Änderungen sichergestellt werden soll, dass der Generalbundesanwalt frühzeitig in laufende Ermittlungen eingebunden wird, wenn sich aus diesen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine Zuständigkeit des Generalbundesanwalts in Betracht kommt. Auch der Generalbundesanwalt selbst hat sich wiederholt für eine entsprechende Erweiterung seiner Zuständigkeit ausgesprochen.

Konkrete Empfehlungen für den Bereich der Justiz zur Änderung des materiellen Strafrechts beinhaltet der Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages nicht. Er spricht jedoch für den Bereich der Polizei die Empfehlung aus, dass in allen Fällen von Gewaltkriminalität, die wegen der Person des Opfers einen rassistisch oder anderweitig politisch motivierten Hintergrund haben könnten, dieser grundsätzlich eingehend geprüft und diese Prüfung an geeigneter Stelle nachvollziehbar dokumentiert werden muss (Bundestagsdrucksache 17/14600, Seite 861, Empfehlung Nummer 1). Die sorgfältige Ermittlung und Berücksichtigung derartiger Beweggründe muss jedoch auch im weiteren Verfahren, insbesondere bei der gerichtlichen Strafzumessung, gewährleistet sein. Grundsätzlich erfüllt zwar bereits das geltende Strafrecht diese Voraussetzung, da nach § 46 des Strafgesetzbuchs (StGB) das Gericht bei der Strafzumessung neben der "Gesinnung, die aus der Tat spricht", auch "die Beweggründe und die Ziele des Täters" zu berücksichtigen hat und allgemein anerkannt ist, dass darunter rassistische oder fremdenfeindliche, aber auch sonstige menschenverachtende Beweggründe fallen (vgl. die Nachweise im Besonderen Teil zu Artikel 2).

Die ausdrückliche Aufnahme rassistischer, fremdenfeindlicher oder sonstiger menschenverachtender Beweggründe und Ziele in den Katalog der Strafzumessungsumstände des § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB soll jedoch die Bedeutung dieser Umstände für die gerichtliche Strafzumessung noch stärker hervorheben. Sie soll zudem unterstreichen, dass auch die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen schon frühzeitig solche Motive aufzuklären und zu berücksichtigen hat, da sich nach § 160 Absatz 3 der Strafprozessordnung (StPO) die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen auch auf die Umstände erstrecken sollen, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind. Schließlich spiegelt sich in dieser Hervorhebung auch die Aufgabe des Strafrechts wider, insbesondere zu Zwecken der positiven Generalprävention, für das Gemeinwesen grundlegende Wertungen zu dokumentieren und zu bekräftigen (vgl. bereits Bundestagsdrucksache 17/9345, Seite 7).

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Der vorliegende Gesetzesentwurf greift Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses auf, berücksichtigt bei der Ausgestaltung gesetzlicher Neuregelungen aber auch, dass der insoweit einschlägige Artikel 96 Absatz 5 des Grundgesetzes (GG) eine Inanspruchnahme der Oberlandesgerichte als Bundesgerichte ( § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG) - mit der Folge der Zuständigkeit des Generalbundesanwalts (§ 142a GVG) - nur auf den dort genannten Gebieten zulässt und damit einfachgesetzlichen Erweiterungen der Zuständigkeit des Generalbundesanwalts Grenzen setzt. Im Wesentlichen schlägt der Gesetzentwurf vor:

Darüber hinaus schlägt der Gesetzentwurf für den Bereich des materiellen Strafrechts vor, rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe und Ziele ausdrücklich in den Katalog der Strafzumessungsumstände des § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB aufzunehmen.

III. Alternativen

Keine.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 GG (Strafrecht, Gerichtsverfassung) und Artikel 96 Absatz 5 GG.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.

VI. Gesetzesfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Durch die gesetzliche Klarstellung und Vereinfachung der für eine Zuständigkeit des Generalbundesanwalts maßgeblichen Voraussetzungen ist zu erwarten, dass sich der Prüfungsaufwand für die beteiligten Staatsanwaltschaften und den Generalbundesanwalt verringert.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Die gesetzliche Klarstellung und Vereinfachung der für eine Zuständigkeit des Generalbundesanwalts maßgeblichen Voraussetzungen und die ausdrückliche Aufnahme rassistischer, fremdenfeindlicher oder sonstiger menschenverachtender Beweggründe und Ziele in den Katalog der Strafzumessungsumstände des § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB stehen im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie.

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Haushaltausgaben ohne Erfüllungsaufwand sind nicht zu erwarten.

4. Erfüllungsaufwand

Für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft ergibt sich kein Erfüllungsaufwand.

Aus der Erweiterung der Entscheidungsbefugnis bei Zuständigkeitskonflikten in § 143 GVG wird voraussichtlich keine messbare Mehrbelastung des Generalbundesanwalts resultieren, da die auf Länderebene etablierten Mechanismen zur Lösung von Kompetenzkonflikten hiervon nicht berührt werden und diese nach Angaben aus der Praxis regelmäßig zu einer Lösung führen. Auch die vorgesehene Überführung der Vorlagepflicht der Staatsanwaltschaften an den Generalbundesanwalt von Nummer 202 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) in den Gesetzesrang (§ 142a Absatz 1 GVG-E) dürfte zu keinem messbaren Anstieg der Vorlagen führen, nachdem die Generalstaatsanwälte der Länder dem Generalbundesanwalt bereits im Herbst 2012 die konsequente Beachtung von Nummer 202 RiStBV zugesagt haben und es keine Hinweise darauf gibt, dass dies seither nicht beachtet worden wäre (vgl. Seite 27 im Bericht der Bundesregierung über die nach dem 4. November 2011 als Konsequenz aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie der nachfolgend erkennbar gewordenen Fehler und Versäumnisse ergriffenen Maßnahmen).

Die Änderungen bei den Zuständigkeitsvorschriften des Generalbundesanwalts beseitigen bisherige Unklarheiten bei der Begründung seiner Zuständigkeit, wodurch sich der Prüfungsaufwand für die beteiligten Staatsanwaltschaften und den Generalbundesanwalt verringert. Zugleich bewirken diese Änderungen eine behutsame Erweiterung der Zuständigkeit des Generalbundesanwalts, so dass eine derzeit nicht belastbar quantifizierbare Verlagerung der Ermittlungsführung von den Ländern auf den Bund nahe liegt. Dem damit verbundenen möglichen Mehraufwand beim Generalbundesanwalt und in voraussichtlich geringerem Umfang beim Bundeskriminalamt stehen entsprechende Entlastungen bei den Staatsanwaltschaften und den Polizeibehörden der Länder gegenüber, dies allerdings nicht in einem gleichen Umfang wie die Mehrbelastungen auf Bundesebene, weil beim Generalbundesanwalt und beim Bundeskriminalamt aufgrund der Ortsferne ihrer Sitze von möglichen Tatorten und den für eine Verhandlung zuständigen Oberlandesgerichten insbesondere in höherem Maße Reisetätigkeiten und der damit verbundene Aufwand anfallen können. Nach der Expertise des Generalbundesanwalts ist der mögliche, sich allerdings insgesamt voraussichtlich in Grenzen haltende Mehraufwand auf Bundesebene derzeit nicht belastbar prognostizier- und bezifferbar, zumal er wesentlich von der Entwicklung der Kriminalität insbesondere im Staatsschutzbereich abhängig ist. Kurzzeitig anfallende Mehrbelastungen werden der Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt mit vorhandenen Ressourcen zu bewältigen haben. Ob sich mittel- oder langfristig ein haushaltsmäßig in den Einzelplänen 06 und 07 (Innen- und Justizressort) zu berücksichtigender Mehrbedarf ergibt, ist jedoch noch nicht belastbar abzusehen; insoweit bleibt die mittel- bis langfristige Entwicklung abzuwarten, über die der Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt zu gegebener Zeit berichten werden. Etwaiger Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln soll finanziell und stellenmäßig im jeweiligen Einzelplan ausgeglichen werden.

5. Weitere Kosten

Kosten für die Wirtschaft und für soziale Sicherungssysteme werden nicht erwartet, ebenso wenig wie Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau.

6. Weitere Gesetzesfolgen

Gleichstellungspolitische Auswirkungen sind ebenso wenig zu erwarten wie weitere Auswirkungen für Verbraucherinnen und Verbraucher.

VII. Befristung; Evaluation

Eine Befristung der Regelungen ist nicht sachgerecht. Eine Evaluierung ist entbehrlich. Sollte weiterer Änderungsbedarf erkennbar werden, werden die Strafverfolgungsbehörden die Justizressorts informieren.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG)

Zu Nummer 1 (§ 74a Absatz 2 GVG-E)

In § 74a Absatz 2 GVG-E ist eine redaktionelle Änderung vorgesehen. Der in § 74a Absatz 2 GVG enthaltene Verweis auf § 120 Absatz 2 Satz 2 GVG war anzupassen, da durch die Einfügung eines weiteren Satzes in § 120 Absatz 2 GVG-E aus dem bisherigen Satz 2 nunmehr Satz 3 wird.

§ 74a Absatz 2 Satz 2 GVG-E verweist folgerichtig auf § 120 Absatz 2 Satz 3 GVG-E.

Zu Nummer 2 (§ 120 Absatz 2 GVG-E)

Zu Buchstabe a (§ 120 Absatz 2 Satz 1 GVG-E)

§ 120 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 GVG ermöglicht es dem Generalbundesanwalt, Ermittlungen im Falle bestimmter schwerer Straftaten, die keine "geborenen" Staatsschutzdelikte sind (z.B. Mord, Totschlag, schwere Geiselnahme, schwere Brandstiftung), an sich zu ziehen (Evokationsmöglichkeit), wenn diese Straftaten nach den Umständen bestimmt und geeignet sind, die in § 120 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a bis d GVG genannten Wirkungen zu erzielen (Beeinträchtigung des Bestands oder der inneren Sicherheit eines Staates, Beseitigung etc. von Verfassungsgrundsätzen, Beeinträchtigung der Sicherheit bestimmter Truppen oder des Bestandes oder der Sicherheit internationaler Organisationen) und der Generalbundesanwalt die besondere Bedeutung des Falles bejaht.

Mit der zu Nummer 1 Buchstabe a vorgesehenen Änderung in § 120 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 GVG-E wird der Beurteilungsspielraum des Generalbundesanwalts für die Annahme seiner Zuständigkeit erweitert, indem es für die Begründung seiner Strafverfolgungskompetenz neben dem Verdacht des Vorliegens eines der in Nummer 3 genannten Delikte und der besonderen Bedeutung des Falles zukünftig nur noch darauf ankommt, dass die Tat objektiv staatsschutzfeindlichen Charakter hat ("geeignet ist"), nicht jedoch darauf, dass sich zusätzlich eine staatsschutzfeindliche Zielvorstellung des Täters bereits feststellen lässt ("bestimmt ist"). Damit genügt es zukünftig für eine Verfahrensübernahme durch den Generalbundesanwalt, wenn aus den objektiven Umständen der Tat ein staatsschutzfeindlicher Charakter der Tat erkennbar ist und der Generalbundesanwalt die besondere Bedeutung des Falles bejaht.

Die vorgeschlagene Änderung bewegt sich im Rahmen der Vorgaben des Grundgesetzes. Nach Artikel 30 GG haben grundsätzlich die Länder die Strafverfolgungskompetenz. Die als Ausnahmeregelung eingeführte Möglichkeit des Bundes, unter Inanspruchnahme der Gerichte der Länder Strafgerichtsbarkeit und auch Strafverfolgung auszuüben, ist abschließend in Artikel 96 Absatz 5 GG geregelt und durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 26. Juli 2002 (BGBl. I S. 2863) erweitert worden.

Im Rahmen des hier einschlägigen Artikels 96 Absatz 5 Nummer 5 GG hat es der Verfassungsgeber dem Gesetzgeber überlassen, den Begriff des Staatsschutzes durch einfaches Bundesrecht näher zu regeln (vgl. die sogenannte Eggesin-Entscheidung des Bundesgerichthofs, Urteil vom 22. Dezember 2000, 3 StR 378/00, Absatz-Nummer 14), jedoch muss er sich hierbei an den von der Verfassung vorgegebenen Rahmen des Staatsschutzstrafrechts halten. Zum Begriff des Staatsschutzes hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass der Bundesgesetzgeber "nur solche Straftaten der Strafverfolgung durch den Bund unterstellen [darf], die das staatliche Gefüge in länderübergreifender Weise betreffen und die Rechtsgüter des Gesamtstaates derart stark beeinträchtigen, dass ihre Ahndung durch die Landesjustiz der Bedeutung des Angriffs auf die bundesstaatliche Gesamtordnung nicht gerecht würde" (BGH, a. a. O. Absatz-Nummer 15).

Indem die vorgeschlagene Änderung mit der Streichung der Wörter "bestimmt und" unter Beibehaltung des Erfordernisses der Eignung an einem objektiven Staatsschutzbezug festhält, bewegt sie sich innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens. Die vorgeschlagene Änderung verzichtet darauf, für die Annahme einer Zuständigkeit des Generalbundesanwalts neben objektiven Anhaltspunkten, die einen Staatsschutzbezug begründen, zusätzlich hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte über die Vorstellung des Täters bei der Tatbegehung zu verlangen. Da es sich bei § 120 GVG um eine Zuständigkeitsregelung handelt, ist es auch - anders als im materiellen Strafrecht - nicht erforderlich, auf die innere Tatseite abzustellen (vgl. auch Franke, in: Löwe-Rosenberg, 26. Auflage, § 120 GVG, Rn. 12). Dies zeigt auch die Ausgestaltung der Zuständigkeitsregelung in § 120 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe a GVG, die bereits jetzt allein auf die objektiven Umstände einer Staatsschutzgefährdung abstellt ("geeignet ist, die äußere Sicherheit oder die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden").

Über die Vorstellung des Täters sind oftmals gerade zu Beginn von Ermittlungen, wenn der Täter noch nicht bekannt ist, keine gesonderten oder gar belastbaren Feststellungen möglich. Der Generalbundesanwalt ist in solchen Fällen darauf angewiesen, aus den objektiven Umständen der Tatbegehung Rückschlüsse auf die Motivation des Täters zu ziehen (vgl. auch Franke, in: Löwe-Rosenberg, § 120 GVG, Rn. 13). Gelingt ihm dies nicht, wird er eine Verfahrensübernahme nicht hinreichend begründen können. Indem nunmehr auf dieses voluntative Element für eine Verfahrensübernahme des Generalbundesanwalts verzichtet wird, wird der Generalbundesanwalt zukünftig in die Lage versetzt, auch ohne hinreichende Erkenntnisse über die Motivation des Täters Ermittlungen aufzunehmen, sobald ein Staatsschutzbezug objektiv hinreichend erkennbar ist und die besondere Bedeutung des Falles bejaht werden kann. Hierdurch wird er seine Ermittlungszuständigkeit einfacher bejahen können. Fallen vor Abschluss der Ermittlungen und der Anklageerhebung die Anhaltspunkte für einen Staatsschutzbezug der Tat oder für eine besondere Bedeutung des Falles weg, muss der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren nach den allgemeinen Grundsätzen an die Landesstaatsanwaltschaft abgeben.

Erwogen wurde, auch in § 120 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe b GVG die Wörter "bestimmt und" zu streichen. Hiervon wurde mit Blick auf die in Artikel 96 Absatz 5 Nummer 4 und Artikel 26 GG in Bezug genommene Absicht, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, Abstand genommen.

Zu Buchstabe b (§ 120 Absatz 2 Satz 2 GVG-E)

In den Fällen des § 120 Absatz 2 GVG hängt die Evokativzuständigkeit des Generalbundesanwalts jeweils auch von der Voraussetzung ab, dass der Fall besondere Bedeutung hat. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages kommt in seinem Abschlussbericht (Bundestagsdrucksache 17/14600, Seite 863, dort zu Nummer 24) zu dem Ergebnis, dass die Rechtsprechung das gesetzliche Erfordernis der besonderen Bedeutung einer Straftat eng auslegt. Dies dürfte insbesondere die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der erwähnten Eggesin-Entscheidung in Bezug nehmen (vgl. dazu auch die obigen Erläuterungen zu § 120 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 GVG-E). Darin führt der Bundesgerichtshof auch aus, dass an die Bejahung der besonderen Bedeutung strenge Anforderungen zu stellen sind, weil durch die Evokation sowohl der gesetzliche Richter (Artikel 101 GG) (mit-)bestimmt als auch die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern berührt werde (BGH, a. a. O., Absatz-Nummer 46; BGH, Beschluss vom 13. Januar 2009, AK 020/08 (PDF) , Absatz-Nummer 33; BGH, Beschluss vom 19. Januar 2010, StB 027/09 (PDF) , Absatz-Nummer 153). Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses, durch die Bildung von Regelbeispielen für das Merkmal "besondere Bedeutung der Straftat" schwerpunktmäßig deutlich zu machen, für welche Delikte eine Zuständigkeit des Generalbundesanwalts bestehen soll.

Dies greift der Gesetzentwurf durch die Einfügung eines neuen zweiten Satzes in § 120 Absatz 2 GVG auf, der in regelbeispielartiger Weise hervorhebt, dass in den Fällen des § 120 Absatz 2 Satz 1 GVG eine besondere Bedeutung auch dann anzunehmen ist, wenn eine Ermittlungszuständigkeit des Generalbundesanwalts wegen des länderübergreifenden Charakters einer Tat geboten erscheint. Dies relativiert die als streng begriffenen Anforderungen der Rechtsprechung in moderater Weise. Eine solche zentrale Ermittlungsführung mit einheitlichem Ermittlungs- und Fahndungskonzept, zentraler Informationssammlung und -bewertung, Erfahrungen und umfassendem Hintergrundwissen im Bereich terroristischer Straftaten und klaren Kommunikationsstrukturen zwischen Generalbundesanwalt und Bundeskriminalamt wird zu einer besseren Beurteilungsgrundlage führen und verspricht schnellere Aufklärung, als dies selbst im Falle eines engen Informationsverbundes zwischen dem Generalbundesanwalt und den Staatsanwaltschaften der Länder erreicht werden könnte.

Mit der Formulierung, dass auch bei einer länderübergreifenden, eine Ermittlungszuständigkeit des Generalbundesanwalts geboten erscheinen lassenden Tat eine besondere Bedeutung zu bejahen ist, wird deutlich, dass damit keine zusätzlich Anforderung für eine Zuständigkeit des Generalbundesanwalts aufgestellt wird, sondern - im Gegenteil - die Anforderungen an eine Bejahung der im Rahmen des § 120 Absatz 2 GVG stets zu prüfenden besonderen Bedeutung des Falles moderat aufgelockert werden.

Die in der Formulierung enthaltene Bezugnahme auf die Fälle des Satzes 1 verdeutlicht allerdings zugleich, dass dem jeweiligen Fall nach wie vor der verfassungsrechtlich vorgegebene, in Satz 1 vorausgesetzte und dort in den einzelnen Nummern in verschiedener Weise konkretisierte Staatsschutzcharakter zukommen muss:

Die besondere Bedeutung der Tat ist danach im Rahmen des § 120 Absatz 2 GVG ein Erfordernis, das zusätzlich zum Staatsschutzcharakter der jeweiligen Tat für eine Evokation durch den Generalbundesanwalt gegeben sein muss, freilich aber auch selbst mit Bezug auf das Staatsschutzerfordernis auszulegen ist. Erforderlich bleibt hiernach auch nach der vorgeschlagenen Änderung, dass die Gesamtwürdigung der Umstände und Auswirkungen der Tat unter besonderer Berücksichtigung des länderübergreifenden Charakters die Annahme der besonderen Bedeutung des Falles rechtfertigt. Der länderübergreifende Charakter ist dabei nicht allein ermittlungsbezogen, sondern auch rechtsgutbezogen zu verstehen. Die gesamtstaatlichen Interessen im Sinne des Staatsschutzes müssen (z.B. wegen ihres Gewichts oder ihrer Eigenart) in einer Weise betroffen sein, die eine zentrale Ermittlungstätigkeit geboten erscheinen lässt.

Zu Buchstabe c (§ 120 Absatz 2 Satz 3 GVG-E)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Nummer 3 (§ 142a GVG-E)

Zu Buchstabe a (§ 142a Absatz 1 Satz 2 und 3 GVG-E)

Die vorgesehene Ergänzung des § 142a Absatz 1 GVG um einen neuen Satz 2 berücksichtigt, dass eine Zuständigkeit des Generalbundesanwalts insbesondere zu Beginn des Ermittlungsverfahrens nicht davon abhängig sein kann, dass bereits die seine Zuständigkeit begründenden Umstände unzweifelhaft gegeben sind. Entsprechend der Regelung zum Anfangsverdacht ( § 152 Absatz 2 StPO) muss es für eine Zuständigkeit des Generalbundesanwalts genügen, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die seine Zuständigkeit begründenden Voraussetzungen gegeben sind. Dies wird mit dem neuen Satz 2 klargestellt. Der Generalbundesanwalt kann damit bereits bei einem "Anfangsverdacht für seine Zuständigkeit" Ermittlungen einleiten oder die von einer Landesstaatsanwaltschaft bereits eingeleitete Strafverfolgung übernehmen und die Ermittlungen führen. Ergibt sich vor Abschluss der Ermittlungen und der Anklageerhebung, dass die Anhaltspunkte, aufgrund derer die Zuständigkeit des Generalbundesanwalt begründet wurde, doch nicht ausreichen, so hat der Generalbundesanwalt allgemeinen Grundsätzen folgend die Sache an die zuständige Landesstaatsanwaltschaft abzugeben.

Die vorstehend erläuterte Klarstellung würde allerdings nicht weiterführen, wenn dem Generalbundesanwalt Anhaltspunkte für die seine Zuständigkeit begründenden Voraussetzungen verborgen blieben, weil etwa die mit einem Fall befassten Staatsanwaltschaften der Länder den Generalbundesanwalt davon nicht unterrichten. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages hat insoweit festgestellt, dass die Staatsanwaltschaften, die mit den Ermittlungen betraut waren, dem Generalbundesanwalt weder die Akten noch sonstige Informationen übersandt haben, anhand derer er seine Zuständigkeit hätte prüfen können (Bundestagsdrucksache 17/14600, Seite 837 f.). Eine Vorlage der Akten hat nach Nummer 202 RiStBV zu erfolgen, wenn sich der Verdacht einer zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Straftat - und daran gemäß § 142a Absatz 1 Satz 1 GVG anknüpfend die Verfolgungszuständigkeit des Generalbundesanwalts - ergibt. Der NSU-Untersuchungsausschuss empfiehlt, diese Vorlageverpflichtung als gesetzliche Regelung im Gerichtsverfassungsgesetz zu verankern (Bundestagsdrucksache 17/14600, Seite 863, dort Nummer 25; zu vergleichbaren Überlegungen kam auch die Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland in ihrem Bericht vom 28. August 2013, Seite 209 ff.).

Mit der vorgesehenen Ergänzung des § 142a Absatz 1 GVG um einen neuen Satz 3 wird dieser Empfehlung Rechnung getragen. Zwar haben die Generalstaatsanwälte der Länder dem Generalbundesanwalt inzwischen eine konsequentere Beachtung von Nummer 202 RiStBV versichert (vgl. Seite 26 f. im Bericht der Bundesregierung über die nach dem 4. November 2011 als Konsequenz aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie der nachfolgend erkennbar gewordenen Fehler und Versäumnisse ergriffenen Maßnahmen).

Die vorgesehene und gegenüber dem Wortlaut von Nummer 202 RiStBV modifizierte Verankerung der Aktenübersendungspflicht in § 142a GVG erhebt diese jedoch in Gesetzesrang und misst ihr damit ein höheres Gewicht zu. Es ist daher zu erwarten, dass diese Verpflichtung künftig dauerhaft besonders sorgfältig beachtet wird. Mit der Formulierung, dass die Übersendungspflicht bei allen Vorgängen eingreift, die Anlass zu der Prüfung einer Übernahme der Strafverfolgung durch den Generalbundesanwalt geben, wird die Übersendungspflicht nicht mehr - wie dies der bisherige Wortlaut von Nummer 202 RiStBV nahelegen könnte - auf die Bejahung eines Anfangsverdachts für eine in die Verfolgungszuständigkeit des Generalbundesanwalts fallende Straftat durch eine Landesstaatsanwaltschaft fokussiert, sondern klarstellend auch auf jene Fälle erstreckt, in denen der Generalbundesanwalt eine (eigene) Prüfung für veranlasst erachtet. Auf Erfordern des Generalbundesanwalts hat die mit einem Fall zunächst befasste Landesstaatsanwaltschaft daher dem Generalbundesanwalt die Akten zu übersenden. An dem dabei gemäß den einschlägigen Verwaltungsvorschriften einzuhaltenden Geschäftsweg (vgl. Nummer 202 Absatz 2 Satz 3 RiStBV) ändert sich durch die gesetzliche Neureglung nichts.

Zu Buchstabe b (§ 142a Absatz 4 GVG-E)

Die Ergänzung in § 142a Absatz 4 GVG-E ist eine rein redaktionelle Änderung. Dort fehlte bislang beim Verweis auf § 120 Absatz 2 GVG die Angabe des Satzes 1 im Zitat. Diese Angabe wird nun hinzugefügt.

Zu Nummer 4 (§ 143 Absatz 3 GVG-E)

Können die Staatsanwaltschaften verschiedener Länder sich nicht darüber einigen, wer von ihnen die Verfolgung zu übernehmen hat, so entscheidet nach § 143 GVG der Generalbundesanwalt. Der vom Gesetzentwurf vorgesehene neue Satz 2 in § 143 Absatz 3 GVG trägt der Empfehlung Nummer 28 des NSU-Untersuchungsausschusses (Bundestagsdrucksache 17/14600, Seite 864) Rechnung, diese Regelung um eine Bestimmung zu ergänzen, nach der sich "übernahmewillige" oder "abgabewillige" Staatsanwaltschaften zur Herstellung von Sammelverfahren (vgl. § 13 StPO) antragstellend an den Generalbundesanwalt wenden können. Hiervon unberührt bleibt die weiter bestehende Möglichkeit, entsprechende Kompetenzkonflikte auf der Ebene der betroffenen Länder zu lösen. Die Generalstaatsanwälte der Länder haben als Regelungsmechanismus vor einigen Jahren ein so genanntes Dreiergremium eingerichtet, dessen Tätigkeit sich nach Einschätzungen aus der Praxis erfolgreich und befriedigend ausgewirkt hat.

Die bisherige Regelung des § 143 Absatz 3 GVG wird zu Satz 1 und bei dieser Gelegenheit angepasst: Den dort bislang erwähnten "gemeinsam vorgesetzten Beamten" für Staatsanwaltschaften verschiedener Länder gibt es nicht. Dieser wäre nur für den Fall denkbar, dass Teile von verschiedenen Ländern zu einem gemeinsamem Gerichtsbezirk vereinigt würden (vgl. Franke, in Löwe-Rosenberg, 26. Auflage, § 143 GVG Rn. 8); in diesem Fall hätte der gemeinsame Vorgesetzte aber bereits nach § 145 GVG die Entscheidungskompetenz, so dass kein Bedarf besteht, diese Fallkonstellation weiterhin in § 143 Absatz 3 GVG zu regeln.

Zu Artikel 2 (Änderung des Strafgesetzbuchs - StGB)

Aus den im Allgemeinen Teil genannten Gründen wird in § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB-E klargestellt, dass als Strafzumessungsumstände besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe und Ziele des Täters in Betracht kommen.

Damit knüpft die Regelung an die ganz vorherrschende Meinung in Literatur (vgl. Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 28. Auflage, § 46 Rn. 13; Miebach in Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 2, 2. Auflage, § 46 Rn. 79) und Rechtsprechung (vgl. die Rechtsprechungsnachweise in Bundestagsdrucksache 17/3124, Seite 8) an. Sie betont und bekräftigt eine zumindest weitgehend gängige Praxis (Krupna, Das Konzept der "Hate Crimes" in Deutschland, 2009, insbesondere Seite 197; einschränkend Glet, Sozialkonstruktion und strafrechtliche Verfolgung von Hasskriminalität in Deutschland, 2011, insbesondere Seite 241 ff.; vgl. auch die Stellungnahmen der Sachverständigen in der Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 13. Juni 2012 zu den zum hiesigen Regelungsvorschlag im Kern inhaltsgleichen Gesetzentwürfen von Bundesrat und SPD-Fraktion, Bundestagsdrucksachen 17/9345 und 17/8131).

Die ausdrückliche Benennung rassistischer Beweggründe entspricht zudem den Empfehlungen mehrerer internationaler, mit der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit befassten Gremien (vgl. Schlussbemerkungen des Ausschusses für die Beseitigung der Rassendiskriminierung - CERD - der Vereinten Nationen zu den 16. bis 18. Staatenberichten Deutschlands, CERD/C/DEU/CO/18, angenommen am 13. August 2008, Nummer 26; Bericht des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für Rassismusfragen, Githu Muigai, über seinen Deutschlandbesuch, A/HRC/14/43/Add.2, vom 22. Februar 2010, Rn. 78; Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz - ECRI - des Europarates über Deutschland, fünfte Prüfungsrunde, CRI (2014)2, veröffentlicht am 25. Februar 2014, Rn. 10). Außerdem entspricht sie - wie das geltende Recht (vgl. Bundestagsdrucksache 17/3124, Seite 8) - Artikel 4 des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (ABl. L 328 vom 6. Dezember 2008, Seite 55), wonach die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass rassistische und fremdenfeindliche Beweggründe entweder als erschwerender Umstand gelten oder dass solche Beweggründe bei der Festlegung des Strafmaßes durch die Gerichte berücksichtigt werden können.

Zur konkreten Ausgestaltung des Regelungsvorschlags zu § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB-E ist anzumerken, dass die sonstigen menschenverachtenden Beweggründe und Ziele den Oberbegriff bilden. Die übrigen Tatbestandsmerkmale dienen als Beispiele, um der Rechtsprechung Anhaltspunkte für die Auslegung des weiten Begriffs "menschenverachtend" zu geben. Die Tatbestandsmerkmale "rassistisch" und "fremdenfeindlich" wurden vor allem gewählt, weil ihre Berücksichtigung den Vorgaben von Artikel 4 des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI entspricht. Dieser enthält zwar keine Definition dieser Tatbestandsmerkmale im engeren Sinne. Sie werden jedoch im Rahmenbeschluss dadurch konkretisiert, dass unter der Überschrift "Rassistische und fremdenfeindliche Straftaten" in Artikel 1 Absatz 1 jeweils Straftaten umschrieben werden, die sich gegen eine nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationale oder ethnische Herkunft definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe richten.

Zur näheren Erläuterung der Merkmale "rassistisch" und "fremdenfeindlich" kann zudem auf weitere Definitionen verwiesen werden. So basiert "Rassismus" nach dem Deutschen Institut für Menschenrechte "auf der Vorstellung unterschiedlicher Menschengruppen in der Bevölkerung. Die Unterscheidung wird dabei anhand von Kriterien wie Herkunft, Religionszugehörigkeit, Abstammung oder körperlichen Merkmalen wie insbesondere Hautfarbe oder Gesichtszügen vorgenommen. Entstehungsgeschichtlich ist der Begriff "rassistisch" damit zu erklären, dass die für Rassismus typische Kategorisierung und Hierarchisierung von Menschen historisch mit dem Begriff "Rasse" einherging. Dem entsprechend ist der Begriff "Rasse" in Rechtstexten zum menschenrechtlichen Schutz vor Rassismus, wie etwa in Artikel 3 Absatz 3 GG oder in ICERD [Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form rassistischer Diskriminierung] in einem soziologischen Sinn zu verstehen, im Sinne einer Konstruktion" (Deutsches Institut für Menschenrechte, aktuell 003/2014, Rassistisch motivierte Straftaten: Strafverfolgung muss effektiver werden, Seite 2; abrufbar unter www.institutfuermenschenrechte.de).

Ebenso wenig wie daher der Gesetzentwurf sich mit der Verwendung des Begriffs "rassistisch" die dahinterstehende Ideologie zu eigen macht (vgl. insoweit auch die Erklärung der Europäischen Union zur Verwendung der Begriffe "Rasse" und "Rassismus", abgedruckt im Nationalen Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und darauf bezogene Intoleranz, Seite 8 f.; abrufbar unter www.bmi.de), geschieht dies mit der Verwendung des Begriffs "fremdenfeindlich". Insbesondere macht sich der Entwurf damit nicht etwa - wie gelegentlich behauptet wird - die "sprachliche Exklusion" der Täter zu eigen. Im Gegenteil verdeutlicht er mit der Verwendung dieser Formulierung, die auch international gebräuchlich ist (vgl. erneut den o.g. Rahmenbeschluss 2008/913/JI sowie die Erklärung und das Aktionsprogramm zum Abschluss der Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Intoleranz, Durban, 2001, abrufbar unter www.auswaertigesamt.de), dass entsprechende, auf Ausgrenzung abzielende Beweggründe zu verurteilen und daher im Rahmen der Strafzumessung grundsätzlich strafschärfend zu berücksichtigen sind.

Während "Rassismus" von seinem Ursprung her eher einen - vermeintlich - biologischen bzw. phänotypischen Hintergrund hat und auf einem entsprechenden Weltbild beruht (vgl. auch die Begriffserläuterung in dem vom Bundesministerium des Inneren herausgegebenen Verfassungsschutzbericht von 2005, Seite 317, sowie Reichard, Die Behandlung fremdenfeindlicher Straftaten im deutschen Strafrecht, 2009, Seite 12; Glet, a. a. O., Seite 109), wird der hier ergänzend verwendete Begriff der Fremdenfeindlichkeit oftmals in einem etwas weiteren Sinne verstanden, auch wenn sich beide Begriffe stark überschneiden. Fremdenfeindlichkeit wird danach als Verhalten umschrieben, bei dem Menschen aufgrund bestimmter Kriterien wie Aussehen, Herkunft, Sprache oder sonstiger sozialer Verhaltensweisen als "fremd" stigmatisiert werden, wobei diese Kriterien normalerweise kulturalistisch begründet werden (vgl. Heß, Fremdenfeindliche Gewalt in Deutschland, 1996, Seite 21 f.). Fremdenfeindlichkeit wohnt daher weniger das Erfordernis eines "ideologischen" Weltbildes inne und kann sich auch in einer diffusen, durch Vorurteile geprägten Ablehnung von Fremdheit jedweder Form äußern (vgl. Reichard, a.a.O., Seite 12, 15; Heß, a. a. O., Seite 18 ff.). Gemeinsam ist Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, dass vom Täter das eigene Weltbild bzw. die eigenen Vorurteile als Rechtfertigung missbraucht werden, um die universelle Geltung der Menschenrechte zu negieren und die Menschenwürde des Opfers zu verletzen (vgl. erneut die Begriffserläuterungen im Verfassungsschutzbericht 2005, Seite 312 und 317).

Bei beiden Merkmalen ("rassistisch" und "fremdendfeindlich") handelt es sich zudem um Kriterien (sogenannte Unterthemen), die aktuell für die polizeiliche Erfassung politisch motivierter Kriminalität (PMK) im Themenfeld "Hasskriminalität" maßgeblich sind. Dies ist auch für die Frage einer besseren Verknüpfung von polizeilichen und justiziellen Daten bedeutsam (dazu näher im Folgenden).

Durch das Merkmal "oder sonstige menschenverachtende" Beweggründe und Ziele sollen darüber hinaus weitere anerkannte Diskriminierungsverbote erfasst und der Strafzumessungspraxis der notwendige Raum gegeben werden, um alle Formen der Hass- und Vorurteilskriminalität sachgerecht beurteilen zu können. Es greift als Auffangmerkmal den Grundsatz auf, der bereits den im Gesetzestext explizit genannten Kriterien "rassistisch" und "fremdenfeindlich" innewohnt, wonach die vermeintliche Andersartigkeit einer Personengruppe als Rechtfertigung für die Negierung der Menschenrechte und die Verletzung der Menschenwürde der Opfer missbraucht wird (s. o.; in der Wissenschaft wird insoweit auch von "gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" gesprochen, vgl. die Nachweise bei Glet, a.a.O., Seite 50, wobei anerkannt ist, dass bei diesem Ansatz die Größe der jeweiligen Gruppe grundsätzlich keine Rolle spielt, Hass- und Vorurteilskriminalität also z.B. auch von dem Mitglied einer Minderheitengruppe gegenüber dem einer Mehrheitsgruppe begangen werden kann, vgl. Krupna, a. a. O., Seite 20 ff.). Konkret kommen als "sonstige menschenverachtende" Beweggründe und Ziele insbesondere solche in Betracht, die im polizeilichen Erfassungssystem zur PMK unter dem Themenfeld "Hasskriminalität" als weitere Unterthemen neben "rassistisch" und "fremdenfeindlich" genannt werden, wobei die Unterthemen sich teilweise auch überschneiden können. Genannt werden dort antisemitische, gegen die religiöse Orientierung, gegen eine Behinderung, gegen den gesellschaftlichen Status oder gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Beweggründe und Ziele. Mit dem Kriterium "gesellschaftlicher Status" werden beispielsweise durch ein sozialdarwinistisches Weltbild geprägte Straftaten gegen Obdachlose oder sonst sozial Schwache erfasst (zur Bedeutung dieser "Hassdelikte" vgl. Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht, Seite 134, 138, 694). Das Kriterium der "sexuellen Orientierung" umfasst auch Beweggründe und Ziele, die sich gegen die "sexuelle Identität" des Opfers richten (zur Begrifflichkeit vgl. Bundestagsdrucksache 16/1780, Seite 31, linke Spalte; zur Bedeutung dieser häufig auf einer homophoben Einstellung beruhenden Straftaten vgl. Bundestagsdrucksache 16/12634, Seite 6; Limmer, Gewalt gegen Schwule und Lesben, in Hasskriminalität - Vorurteilskriminalität, Projekt Primäre Prävention von Gewalt gegen Gruppenangehörige - insbesondere: junge Menschen; herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz, 2006, Seite 175 ff.). Die im Themenfeldkatalog PMK genannten Unterthemen sind dabei als Bezugspunkt auch insoweit von Interesse, als der NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages auch vorgeschlagen hat, einen "verbindlichen gegenseitigen Informationsaustausch zwischen Polizei und Justiz einzuführen (ggf. eine Verlaufsstatistik PMK) - zumindest bei PMK-Gewaltdelikten" (Bundestagsdrucksache 17/14600, Seite 861). Allerdings bleiben insoweit zunächst die Arbeiten zur Umsetzung dieser Empfehlung abzuwarten, namentlich zur komplexen Frage der Verknüpfbarkeit von polizeilichen und justiziellen Daten, zumal der NSU-Untersuchungsausschuss auch die grundlegende Überarbeitung des "Themenfeldkatalogs PMK" empfohlen hat (Bundestagsdrucksache a. a. O.). Da diesen im Themenfeldkatalog PMK genannten Unterthemen keine bindende oder gar abschließende Wirkung zukommt, bleibt das Gericht frei, auch andere menschenverachtende Beweggründe und Ziele zu berücksichtigen.

In systematischer Hinsicht folgt die vorgeschlagene Ergänzung des Katalogs der Strafzumessungsumstände des § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB-E der bisher dort verwendeten Regelungstechnik. Die in § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB genannten Strafzumessungsumstände sind zwar grundsätzlich neutral formuliert und können daher im Einzelfall je nach ihrer konkreten Ausgestaltung strafschärfend oder strafmildernd berücksichtigt werden. Allerdings beinhaltet bereits der Strafzumessungsumstand "Verhalten nach der Tat" eine mit dem Wort "besonders" angefügte beispielhafte Aufzählung von Umständen, die nicht neutral gefasst sind, nämlich das Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen sowie einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen; denn diese Umstände finden ihrer Natur nach grundsätzlich strafmildernde Berücksichtigung. In diese Regelungstechnik fügt sich die vorgeschlagene Ergänzung zu den Beweggründen und Zielen des Täters ein, indem auch sie eine beispielhafte Aufzählung von besonders zu beachtenden Umständen auflistet, die ebenfalls nicht neutraler Natur sind, wobei hier eine grundsätzlich strafschärfende Bedeutung anzunehmen ist; an der neutralen Fassung des allgemeinen Umstandes der "Beweggründe und Ziele des Täters" selbst ändert diese Ergänzung nichts. Dies alles widerlegt zugleich die gelegentlich geäußerte Besorgnis, der Vorschlag würde erstmals den Grundsatz durchbrechen, wonach die in § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB aufgelisteten Strafzumessungsumstände allesamt neutral gefasst seien (vgl. Stellungnahme Nummer 023/2013 der Bundesrechtsanwaltskammer, Seite 5 unten).

Die Ausgestaltung als beispielhafte Aufzählung erlaubt es dem Gericht natürlich weiterhin, auch andere als die dort ausdrücklich genannten Beweggründe und Ziele im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. Auch ist mit ihr keine einseitige Gewichtung der rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggründe und Ziele im Vergleich zu den übrigen Strafzumessungsumständen verbunden. Es obliegt nach wie vor dem Gericht, nach den anerkannten Grundsätzen der Strafzumessung die einzelnen Strafzumessungsumstände, soweit sie zu seiner Überzeugung feststehen, je nach ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht im konkreten Einzelfall gegeneinander abzuwägen. Die ausdrückliche Benennung der genannten Motive in § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB-E verstellt daher auch nicht etwa - ebenso wenig wie dies de lege lata durch die Benennung der Bemühungen um Schadenswiedergutmachung und Ausgleich mit dem Verletzten der Fall ist - den Blick darauf, dass die Strafzumessung eine umfassende Gesamtbetrachtung von Tatgeschehen und Täterpersönlichkeit erfordert, noch werden dadurch andere Strafzumessungsumstände wie etwa die verschuldeten Auswirkungen der Tat in ihrer Bedeutung gemindert.

Die vorgeschlagene Ergänzung führt auch nicht etwa zu einer strafschärfenden Berücksichtigung einer rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Gesinnung als solcher. Denn dies widerspräche bereits dem eindeutigen Wortlaut des § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB, der lediglich die Berücksichtigung der Gesinnung gestattet, die aus der Tat spricht.

Im Übrigen ist - wie nach der bisherigen Rechtslage auch - bei solchen Tatbeständen, bei denen rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe bereits Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, das Verbot der Doppelverwertung des § 46 Absatz 3 StGB zu beachten; in diesen Fällen, wie etwa beim Straftatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB), dürfen diese Umstände also nicht nochmals im Rahmen des § 46 StGB berücksichtigt werden. Auch auf den Tatbestand des Mordes hat die vorgeschlagene Ergänzung des § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB keine Auswirkung, da bereits anerkannt ist, dass rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe regelmäßig das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe im Sinne des § 211 StGB erfüllen (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 61. Auflage, § 211 Rn. 27; Schneider in Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 4, 2. Auflage, § 211 Rn. 87, 90 jeweils m. w. N.) und sich die Frage der Strafzumessung aufgrund der Bedrohung mit lebenslanger Freiheitsstrafe ohnehin nicht stellt.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten so, dass der Praxis mindestens ein Monat ab der Verkündung verbleibt, um sich auf die Neuregelungen einzustellen.

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz: NKR-Nr. 2899:
Gesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages

Der Nationale Normenkontrollrat hat den oben genannten Entwurf geprüft.

1. Zusammenfassung

Bürgerinnen und BürgerKeine Auswirkungen
WirtschaftKeine Auswirkungen
VerwaltungDurch die Verordnung entsteht ggf. zusätzlicher laufender Erfüllungsaufwand für den Generalbundesanwalt und damit beim Bund, während bei den Ländern durch die Zuständigkeitsverlagerung der Erfüllungsaufwand sinkt.
Sonstige KostenKeine Auswirkungen
Der Nationale Normenkontrollrat macht im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen im vorliegenden Regelungsvorhaben geltend.

2. Im Einzelnen

2.1 Regelungsinhalt

Der Entwurf setzt die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages für den Bereich der Justiz um, soweit die Bundesebene betroffen ist.

2.2 Erfüllungsaufwand

Das Regelungsvorhaben hat keine Auswirkungen auf den Erfüllungsaufwand der Wirtschaft sowie der Bürgerinnen und Bürger.

Das Regelungsvorhaben hat geringfügige Auswirkungen auf den Vollzugsaufwand für Bund und Länder: Aus der Erweiterung der Entscheidungsbefugnis des Generalbundesanwalts kann eine Mehrbelastung des Generalbundesanwalts resultieren. Zudem beseitigen die Änderungen bei den Regelungen zur Zuständigkeit des Generalbundesanwalts bisherige Unklarheiten bei der Begründung seiner Zuständigkeit, wodurch es zu einer vermehrten Verlagerung der Ermittlungsführung von den Ländern auf den Bund kommen kann. Diesem möglichen Mehraufwand beim Generalbundesanwalt stehen entsprechende, Entlastungen bei den Staatsanwaltschaften der Länder gegenüber. Durch die gesetzliche Klarstellung und Vereinfachung der für eine Zuständigkeit des Generalbundesanwalts maßgeblichen Voraussetzungen ist zudem zu erwarten, dass sich der Prüfungsaufwand für die beteiligten Staatsanwaltschaften und den Generalbundesanwalt verringert.

2.3 Sonstige Kosten

Das Regelungsvorhaben hat keine Auswirkungen auf die sonstigen Kosten.

3. Bewertung durch den NKR

Der Nationale Normenkontrollrat macht im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen im vorliegenden Regelungsvorhaben geltend.

Dr. Ludewig Hahlen
Vorsitzender Berichterstatter