Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995

A. Problem und Ziel

Der Solidaritätszuschlag ist eine Ergänzungsabgabe im Sinne des Artikels 106 Absatz 1 Nummer 6 des Grundgesetzes zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer. Das Aufkommen steht allein dem Bund zu. Der Solidaritätszuschlag wurde durch das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944) mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1995 an eingeführt. Er dient, flankiert von anderen Maßnahmen eines Gesamtkonzepts, der Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms im Rahmen der Wiedervereinigung.

Als Ergänzungsabgabe hat der Solidaritätszuschlag den Zweck, einen aufgabenbezogenen Mehrbedarf des Bundes zu finanzieren. Er kann solange fortgeführt werden, wie ein solcher Mehrbedarf besteht. Der Bund hat weiterhin einen wiedervereinigungsbedingten zusätzlichen Finanzierungsbedarf, etwa im Bereich der Rentenversicherung, beim Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz, für den Arbeitsmarkt sowie für andere überproportionale Leistungen aus dem Bundeshaushalt für die ostdeutschen Bundesländer (bisheriger Korb II des Solidarpakts II) .

Die Mittel, die bisher zur Überwindung der Folgen der deutschen Teilung aufgewendet worden sind, übersteigen das durch den Solidaritätszuschlag erzielte Aufkommen. Das Aufkommen des Solidaritätszuschlags 1995 bis 2016 betrug etwa 275 Mrd. Euro. Hingegen beliefen sich allein die Ausgaben des Bundes aus dem Solidarpakt I und II bis 2016, dem Bundesanteil für den "Fonds Deutsche Einheit" und das vom Bund übernommene Defizit der Treuhandanstalt auf insgesamt 383 Mrd. Euro. Die Bundesregierung geht davon aus, dass auch der fortgeführte Teil der Ergänzungsabgabe die fortbestehenden Lasten nicht vollständig decken wird.

Trotz dieser fortbestehenden Lasten wird der Zuschlag und die mit ihm verbundene zusätzliche Belastung der Steuerpflichtigen nunmehr in einem ersten Schritt zu Gunsten niedrigerer und mittlerer Einkommen zurückgeführt. Durch den schrittweisen Abbau des Solidaritätszuschlags durch eine erhebliche Anhebung der Freigrenze beim Solidaritätszuschlag in einem ersten Entlastungsschritt wird der Verteilung der zusätzlichen Steuerlast nach der Leistungsfähigkeit in besonderem Maße Rechnung getragen.

Hierbei sind sozialstaatliche Erwägungen maßgebend, da höhere Einkommen einer stärkeren Besteuerung unterliegen sollen, als niedrigere Einkommen. Die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte rechtfertigt es auch, einen Teil der Einkommensteuerpflichtigen nicht zu erfassen (BVerfGE 32, 333 [339]).

Eine "Milderungszone" im Anschluss an die Freigrenze vermeidet einen Belastungssprung und stellt einen kontinuierlichen Anstieg der Gesamtbelastung durch Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag sicher.

Im Hinblick auf einen späteren vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags wird ab 2021 der Zuschlag in einem ersten Entlastungsschritt für niedrige und mittlere Einkommen zurückgeführt. Dies stellt zudem eine wirksame Maßnahme zur Stärkung der Arbeitsanreize, Kaufkraft und Binnenkonjunktur dar. Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und niedrigen Einkommen haben eine deutlich höhere Konsumquote als Spitzenverdienende, d.h. sie sind typischerweise gezwungen, deutlich mehr von ihrem Einkommen für Güter und Dienstleistungen auszugeben. Demgegenüber erhöhen Spitzenverdienende bei zusätzlichem Nettoeinkommen ganz überwiegend ihre Ersparnisse. Von einer Abschaffung des Solidaritätszuschlags für die Spitzenverdienenden würde deshalb auch ein deutlich geringerer konjunktureller Impuls ausgehen als von der Abschaffung für Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und niedrigen Einkommen.

B. Lösung

Im ersten Schritt der Rückführung des Solidaritätszuschlags werden rund 90 Prozent der Zahler von Lohnsteuer und veranlagter Einkommensteuer durch Anhebung der Freigrenzen in § 3 Solidaritätszuschlaggesetz 1995 vollständig entlastet. Die Zahler von Lohnsteuer und veranlagter Einkommensteuer in der sogenannten Milderungszone werden ebenfalls, allerdings bei steigenden Einkommen mit abnehmender Wirkung, entlastet.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

GebietskörperschaftVolle Jahreswirkung 1)Kassenjahr
202020212022
2023

2024
Insgesamt- 10890-9800-11275-11705-12110
Bund- 10890-9800-11275-11705-12110
Länder
Gemeinden

1) Wirkung für einen vollen (Veranlagungs-)Zeitraum von 12 Monaten

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Der Gesetzentwurf führt nicht zu einer Veränderung des Erfüllungsaufwandes für Bürgerinnen und Bürger.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Der Gesetzentwurf führt nicht zu einer Veränderung des Erfüllungsaufwandes für die Wirtschaft. Die Änderungen beim Lohnsteuerabzug werden im Rahmen der ohnehin jährlich vorzunehmenden Anpassungen umgesetzt.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Keine.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

In den Ländern entsteht geringfügiger einmaliger technischer Umstellungsaufwand durch die Änderung zur Regelung der Freigrenze.

F. Weitere Kosten

Der Wirtschaft, einschließlich mittelständischer Unternehmen, entstehen keine direkten sonstigen Kosten.

Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 30. August 2019 Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium der Finanzen.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 11.10.19

Entwurf eines Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995

Das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (BGBl. I S. 4130), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2210) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 3 wird wie folgt geändert:

2. § 4 wird wie folgt geändert:

3. Dem § 6 wird folgender Absatz 21 angefügt:

(21) § 3 Absatz 3 und § 4 Satz 2 in der Fassung des Gesetzes vom ... (BGBl. I S. ...) [einsetzen: Ausfertigungsdatum und Fundstelle des vorliegenden Änderungsgesetzes] sind erstmals im Veranlagungszeitraum 2021 anzuwenden.

§ 3 Absatz 4 und 4a und § 4 Satz 2 und 4 in der Fassung des Gesetzes vom ... (BGBl. I S. ...) [einsetzen: Ausfertigungsdatum und Fundstelle des vorliegenden Änderungsgesetzes] sind erstmals auf den laufenden Arbeitslohn anzuwenden, der für einen nach dem 31. Dezember 2020 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, und auf sonstige Bezüge, die nach dem 31. Dezember 2020 zufließen.

§ 3 Absatz 5 in der Fassung des Gesetzes vom ... (BGBl. I S. ...) [einsetzen: Ausfertigungsdatum und Fundstelle des vorliegenden Änderungsgesetzes] ist beim Lohnsteuer-Jahresausgleich durch den Arbeitgeber ( § 42b des Einkommensteuergesetzes) erstmals für das Ausgleichsjahr 2021 anzuwenden."

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Der Solidaritätszuschlag ist eine Ergänzungsabgabe im Sinne des Artikels 106 Absatz 1 Nummer 6 des Grundgesetzes zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer. Das Aufkommen steht allein dem Bund zu. Der Solidaritätszuschlag wurde durch das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944) mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1995 an eingeführt. Er dient, flankiert von anderen Maßnahmen eines Gesamtkonzepts, der Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms im Rahmen der Wiedervereinigung.

Ziel der Gesamtkonzepts des Föderalen Konsolidierungsprogramms war es, den neuen Ländern und ihren Gemeinden dauerhaft eine angemessene Finanzausstattung zu sichern und in vertretbarer Zeit zu einer Angleichung der Lebensverhältnisse im Osten Deutschlands an die im Westen zu führen. In diesem Zusammenhang ging es neben der Finanzierung der Erblasten auch um die Integration der neuen Länder in den bundesstaatlichen Finanzausgleich und um die gesamtstaatliche Aufteilung der Vereinigungslasten.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass es weiterhin einen wiedervereinigungsbedingten zusätzlichen Finanzbedarf gibt, bspw. in der Rentenversicherung, beim Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz, für den Arbeitsmarkt sowie für andere überproportionale Leistungen aus dem Bundeshaushalt für die ostdeutschen Bundesländer, der von dem fortgeführten Teil der Ergänzungsabgabe nicht vollständig gedeckt wird.

Wegen der aktuell weiterhin bestehenden finanziellen Lasten des Bundes aus der Wiedervereinigung wird der Solidaritätszuschlag nur teilweise zurückgeführt.

Im Hinblick auf einen späteren vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags wird dieser in einem ersten Schritt zu Gunsten niedriger und mittlerer Einkommen zurückgeführt. So werden rund 90 Prozent aller Zahler des Solidaritätszuschlags zur Lohnsteuer und veranlagten Einkommensteuer vom Solidaritätszuschlag vollständig entlastet. Dies stellt zudem eine wirksame Maßnahme zur Stärkung der Arbeitsanreize, Kaufkraft und Binnenkonjunktur dar. Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und niedrigen Einkommen haben eine deutlich höhere Konsumquote als Spitzenverdienende, d.h. sie sind typischerweise gezwungen, deutlich mehr von ihrem Einkommen für Güter und Dienstleistungen auszugeben. Demgegenüber erhöhen Spitzenverdienende bei zusätzlichem Nettoeinkommen ganz überwiegend ihre Ersparnisse. Von einer Abschaffung des Solidaritätszuschlags für die Spitzenverdienenden würde deshalb auch ein deutlich geringerer konjunktureller Impuls ausgehen als von der Abschaffung für Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und niedrigen Einkommen.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Die Freigrenze in § 3 Solidaritätszuschlaggesetz 1995 wird angehoben von 972 Euro / 1 944 Euro (Einzel-/Zusammenveranlagung) auf 16 956 Euro / 33 912 Euro. Die Beträge für das Lohnsteuerabzugsverfahren werden dementsprechend angepasst. Insgesamt wird damit erreicht, dass rund 90 Prozent der Zahler der veranlagten Einkommensteuer und der Lohnsteuer nicht mehr mit Solidaritätszuschlag belastet werden.

III. Alternativen

Keine. Aufgrund des weiterhin bestehenden Mehrbedarfs wurde von einer sofortigen, vollständigen Abschaffung der Ergänzungsabgabe abgesehen, die später erfolgen wird.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich für die Änderung des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 aus Artikel 105 Absatz 2 erste Alternative des Grundgesetzes, da das Steueraufkommen diesbezüglich dem Bund ganz zusteht.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Unvereinbarkeiten mit höherrangigem Recht sind nicht zu erkennen.

VI. Gesetzesfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Keine.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Das Vorhaben steht im Einklang mit dem Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, indem es die Erhebung des Solidaritätszuschlags sozialverträglich zurückführt.

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

(Steuermehr- / -mindereinnahmen (-) in Mio. €)

lfd. Nr. MaßnahmeSteuerart /
Gebietskörperschaft
Volle Jahreswirkung1Kassenjahr
20202021202220232024
1 §§ 3 und 4 SolzG 1995
Insg.
- 10.890- - 9.800- 11.275- 11.705- 12.110
Abhebung der Freigrenze von derzeitSolZ- 10.890- - 9.800- 11.275- 11.705- 12.110
972€/1.944€ auf 16.956€/33.912€ und
Begrenzung der Milderungszone auf 11,9% ab Bund- 10.890- - 9.800- 11.275- 11.705- 12.110
1.1.2021SolZ- 10.890- - 9.800- 11.275- 11.705- 12.110

Länder
-- ----

Gem.
-- ----
2 Finanzielle Auswirkungen insgesamt
Insg.
- 10.890- - 9.800- 11.275- 11.705- 12.110
SolZ- 10.890- - 9.800- 11.275- 11.705- 12.110

Bund
- 10.890- - 9.800- 11.275- 11.705- 12.110
SolZ- 10.890- - 9.800- 11.275- 11.705- 12.110

Länder
-- ----

Gem.
-- ----

Anmerkungen:

1) Wirkung für einen vollen (Veranlagungs-)Zeitraum von 12 Monaten.

4. Erfüllungsaufwand

4.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Der Gesetzentwurf führt nicht zu einer Veränderung des Erfüllungsaufwandes für Bürgerinnen und Bürger.

4.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Der Gesetzentwurf führt nicht zu einer Veränderung des Erfüllungsaufwandes für die Wirtschaft. Die Änderungen beim Lohnsteuerabzug werden im Rahmen der ohnehin jährlich vorzunehmenden Anpassungen umgesetzt.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Keine.

4.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

In den Ländern entsteht geringfügiger einmaliger technischer Umstellungsaufwand durch die Änderung zur Regelung der Freigrenze.

5. Weitere Kosten

Der Wirtschaft, einschließlich mittelständischer Unternehmen, entstehen keine direkten sonstigen Kosten.

Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

6. Weitere Gesetzesfolgen

Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenssituation von Frauen und Männern sind keine Auswirkungen erkennbar, die gleichstellungspolitischen Zielen gemäß § 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien zuwiderlaufen.

VII. Befristung; Evaluierung

Die Entlastungen sollen dauerhaft wirken, so dass eine Befristung der Anhebung der Freigrenze nicht in Betracht kommt. Unabhängig davon soll in einem späteren 2. Schritt die Ergänzungsabgabe vollständig abgeschafft werden.

Wegen der nicht signifikanten Auswirkungen auf den Erfüllungsaufwand ist eine Evaluation der Regelungen nicht erforderlich.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995)

Zu Nummer 1

§ 3

Mit dieser Gesetzesänderung wird die bestehende Freigrenze in § 3 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 (SolzG 1995) angehoben. Rund 90 Prozent der vom Solidaritätszuschlag betroffenen Zahler von Lohnsteuer und veranlagter Einkommensteuer werden ab 2021 vollständig vom Solidaritätszuschlag befreit. Durch den schrittweisen Abbau des Solidaritätszuschlags mit einer erheblichen Anhebung der Freigrenze (vgl. § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2) beim Solidaritätszuschlag soll der Verteilung der Steuerlast nach der Leistungsfähigkeit in besonderem Maße Rechnung getragen werden. Hierbei sind sozialstaatliche Erwägungen maßgebend, da höhere Einkommen einer stärkeren Besteuerung unterliegen sollen, als niedrige und mittlere Einkommen. Die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte rechtfertigt es auch, einen Teil der Einkommensteuerpflichtigen bei der Entlastung nicht zu erfassen (vgl. BVerfGE 32, 333 [339] mit weiteren Erläuterungen).

Dies stellt zudem eine wirksame Maßnahme zur Stärkung der Arbeitsanreize, Kaufkraft und Binnenkonjunktur dar. Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und niedrigen Einkommen haben eine deutlich höhere Konsumquote als Spitzenverdienende, d.h. sie sind typischerweise gezwungen, deutlich mehr von ihrem Einkommen für Güter und Dienstleistungen auszugeben. Demgegenüber erhöhen Spitzenverdienende bei zusätzlichem Nettoeinkommen ganz überwiegend ihre Ersparnisse. Von einer Abschaffung des Solidaritätszuschlags für die Spitzenverdienenden würde deshalb auch ein deutlich geringerer konjunktureller Impuls ausgehen als von der Abschaffung für Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und niedrigen Einkommen.

Zu Buchstabe a

§ 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2

Bei der Einführung des Solidaritätszuschlags wurde für einkommensteuerpflichtige Personen eine Freigrenze festgelegt. Nach geltendem Recht wird der Zuschlag nur erhoben, wenn die tarifliche Einkommensteuer den Betrag von 972 Euro / 1 944 Euro (Einzel-/ Zusammenveranlagung) übersteigt.

Diese Freigrenze wird nunmehr auf 16 956 Euro / 33 912 Euro (Einzel-/Zusammenveranlagung) angehoben.

Zu Buchstabe b
Zu Doppelbuchstabe aa bis Doppelbuchstabe cc

§ 3 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und b, Nummer 2 Buchstabe a und b und Nummer 3 Buchstabe a und b

Aufgrund der Anhebung der Freigrenze in § 3 Absatz 3 Nummer 1 und 2 SolzG 1995 sind bei den Regelungen zum Lohnsteuerabzug die entsprechenden Folgeänderungen vorzunehmen. Die Erhöhung der Freigrenzen wird bei der Aufstellung der Programmablaufpläne für den Lohnsteuerabzug 2021 berücksichtigt.

Zu Doppelbuchstabe dd

§ 3 Absatz 4 Satz 2 - aufgehoben -

Der Verweis auf § 39b Absatz 4 EStG wird aufgehoben (redaktionelle Anpassung).

§ 39b Absatz 4 EStG enthält heute Übergangsregelungen zur Vorsorgepauschale, die nicht im Zusammenhang mit dem Solidaritätszuschlag stehen.

Zu Buchstabe c

§ 3 Absatz 4a - neu -

Im Lohnsteuerabzugsverfahren werden für sonstige Bezüge nach geltender Rechtslage keine Freigrenzen berücksichtigt. Diese Regelung ist vor dem Hintergrund der erheblichen

Anhebung der Freigrenze nach § 3 SolzG 1995 zu ändern. Dies stellt sicher, dass für gering oder durchschnittlich verdienende Arbeitnehmer nicht vom Arbeitgeber unterjährig ein Solidaritätszuschlag einzubehalten ist, obgleich die jährliche Freigrenze nicht überschritten wird. Es ist keine Veranlagung allein aus Gründen der Rückerstattung des Solidaritätszuschlages erforderlich.

Durch den neuen § 3 Absatz 4a Satz 1 SolzG 1995 wird die Anwendung der jährlichen Freigrenze auch bei sonstigen Bezügen sichergestellt. Für die Prüfung, ob die Freigrenze überschritten wird, ist auf die Jahreslohnsteuer im Sinne des § 39b Absatz 3 Satz 5 EStG abzustellen (Jahreslohnsteuer unter Einbeziehung des sonstigen Bezug). Die Freibeträge für Kinder (Kinderfreibetrag und Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf) werden hier für jedes Kind entsprechend der Vorgaben beim laufenden Arbeitslohn (§ 3 Absatz 2a SolzG 1995) mindernd berücksichtigt. Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Solidaritätszuschlags bleibt - wie bisher - die Lohnsteuer auf den sonstigen Bezug (§ 39b Absatz 3 Satz 8 EStG).

§ 3 Absatz 4a Satz 2 - neu -

SolzG 1995 gibt vor, dass für die Ermittlung des Solidaritätszuschlags bei sonstigen Bezügen die weiteren Berechnungsvorgaben in § 39b Absatz 3 des Einkommensteuergesetzes Anwendung finden. Danach sind hier z.B. auch die Regelungen zum Versorgungsfreibetrag und zum Altersentlastungsbetrag sowie die Besonderheiten bei ermäßigt zu besteuernden sonstigen Bezügen zu beachten.

Zu Buchstabe d

§ 3 Absatz 5

Aufgrund der Anhebung der Freigrenze in § 3 Absatz 3 Nummer 1 und 2 SolzG 1995 sind bei den Regelungen zum Lohnsteuer-Jahresausgleich durch den Arbeitgeber die entsprechenden Folgeänderungen vorzunehmen. Die Erhöhung der Freigrenzen wird bei der Aufstellung der Programmablaufpläne für den Lohnsteuerabzug 2021 berücksichtigt.

Zu Nummer 2

Zu Buchstabe a

§ 4 Satz 2

Die Milderungszone vermeidet einen Belastungssprung, indem beim Überschreiten der Freigrenze die Durchschnittsbelastung durch den Solidaritätszuschlag allmählich an die Normalbelastung herangeführt wird. Die Begrenzung der zusätzlichen Grenzbelastung in der Milderungszone auf 11,9 Prozent führt zu deren Streckung. Ein kontinuierlicher Anstieg der Gesamtbelastung durch Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag bleibt sichergestellt.

Der neue Verweis auf " § 3 Absatz 3, 4 und 5" stellt sicher, dass bei der Ermittlung des Solidaritätszuschlags auf sonstige Bezüge (§ 3 Absatz 4a - neu - SolzG 1995) die Milderungsregelung nicht anzuwenden ist. Es ist - wie bisher - der Solidaritätszuschlag mit 5,5 % zu erheben, dies jedoch nur, wenn auch die jährliche Freigrenze von 16 956 Euro bzw. 33 912 Euro überschritten wird.

Dies vermeidet komplizierte Schattenberechnungen und führt zu keinen weiteren Belastungen der Arbeitgeber bei der Lohn-, Gehalts- und Bezügeabrechnung. In den meisten Fällen ist der mit 5,5 % auf die Lohnsteuer des sonstigen Bezugs ermittelte Solidaritätszuschlag ohnehin geringer als ein gemilderter Solidaritätszuschlag auf die gesamte Lohnsteuer des Arbeitnehmers.

Zu Buchstabe b

§ 4 Satz 4

Die Änderung betrifft die Ermittlung des Solidaritätszuschlags auf sonstige Bezüge (§ 3 Absatz 4a - neu - SolzG 1995) und steht im Zusammenhang mit der Änderung von § 4 Satz 2 SolzG 1995 (s. entsprechende Einzelbegründung).

Zu Nummer 3

§ 6 Absatz 21 - neu - Der neue Absatz 21 regelt die erstmalige Anwendung der angehobenen Freigrenze im Veranlagungsverfahren ab 2021 und beim Lohnsteuerabzug im Kalenderjahr 2021. Die Änderungen betreffen auch die Erhebung des Solidaritätszuschlages durch den Arbeitgeber und werden bei der Aufstellung der Programmablaufpläne für den Lohnsteuerabzug 2021 berücksichtigt.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Regelung bestimmt, dass das vorliegende Gesetz am Tag nach der Verkündung in Kraft tritt.

->

Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Absatz 1 NKRG: NKR-Nr. 4940, Bundesministerium der Finanzen: Entwurf eines Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des oben genannten Regelungsvorhabens geprüft.

I. Zusammenfassung


Bürgerinnen und Bürger
kein Aufwand
Wirtschaft

Jährlicher Erfüllungsaufwand:

Einmaliger Erfüllungsaufwand:

kein Aufwand geringfügig
Verwaltung
Länder

Jährlicher Erfüllungsaufwand:

Einmaliger Erfüllungsaufwand:

kein Aufwand geringfügig
Das Ressort hat den Erfüllungsaufwand nachvollziehbar dargestellt. Für die Wirtschaft und die Verwaltung entsteht ein geringfügiger einmaliger Erfüllungsaufwand im Zusammenhang mit den ohnehin jedes Jahr vorzunehmenden automationsgestützten Anpassungen beim Lohnsteuerabzug bzw. durch die automationstechnische Umsetzung der Freigrenzen. Indes sieht der NKR nicht die zeitlichen Maßgaben gewahrt, die für die Beteiligung innerhalb der Bundesregierung sowie von Ländern, kommunalen Spitzenverbänden, Fachkreisen und Verbänden in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien vorgesehen sind. Eine angemessene und frühzeitige Beteiligung ist auch mit Blick auf eine umfassende Würdigung der Gesetzesfolgen notwendig. Eine Beteiligung binnen weniger Tage ist nicht ausreichend. Derart kurzfristige Abstimmungsprozesse traten zuletzt aus Sicht des NKR gehäuft auf; dadurch wird auch die Prüfung der Gesetzesvorhaben durch den NKR erschwert. Die Vorgehensweise des Bundesministeriums der Finanzen entspricht bei diesem Vorhaben angesichts der zeitlichen Abläufe aus Sicht des NKR nicht den Prinzipien der besseren Rechtsetzung.

II. Im Einzelnen

Das Gesetzesvorhaben dient dem schrittweisen Abbau des Solidaritätszuschlags. Es handelt sich dabei um eine Ergänzungsabgabe, die insbesondere zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms im Rahmen der Wiedervereinbarung erhoben wird.

In einem ersten Schritt des Abbaus des Zuschlags soll die Freigrenze im Solidaritätszuschlagsgesetz (SolZG) ab 2021 erheblich angehoben werden von aktuell 972 Euro auf 16.956 Euro (bzw. von 1.944 auf 33.912 Euro bei Zusammenveranlagung). Dass höhere Einkommen weiterhin von dem Zuschlag betroffen sein sollen, wird unter Bezugnahme auf sozialstaatliche Erwägungen und die Verteilung der Steuerlast nach der Leistungsfähigkeit begründet.

Um oberhalb der Freigrenzen hohe Sprünge bei der Belastung mit der Abgabe zu vermeiden, wird die sog. Milderungszone erweitert (§ 4 S. 1, S. 2 SolZG-neu). Abweichend von den üblichen 5,5 Prozent soll die Höhe des zu zahlenden Solidaritätszuschlags auf 11,9 statt bisher 20 Prozent von der Differenz zwischen der maßgeblichen Bemessungsgrundlage und der Freigrenze gedeckelt sein. Dadurch profitieren mehr Steuerzahler als bisher von einer Milderung.

Der Gesetzentwurf sieht zudem einige Folgeänderungen vor. Anders als bisher sollen die Freigrenzen auch bei sonstigen Bezügen berücksichtigt werden. Damit wird vermieden, dass die Arbeitnehmer den Zuschlag hinterher über die Steuererklärung zurückfordern müssen.

Die Änderungen sollen bei der Aufstellung der Programmabläufe für 2021 berücksichtigt werden.

II.1. Erfüllungsaufwand

Bürgerinnen und Bürger

Das Regelungsvorhaben hat keine Auswirkungen auf den Erfüllungsaufwand der Bürgerinnen und Bürger.

Wirtschaft

Für die Wirtschaft entsteht kein zusätzlicher laufender Erfüllungsaufwand.

Die Änderungen führen bei der Wirtschaft jedoch zu einem geringfügigen einmaligen Erfüllungsaufwand. Praktisch entsteht dieser bei den Anbietern von Lohnsteuer-Software, da sie zum Jahr 2021 die vorgesehenen Änderungen bei den Freigrenzen umsetzen müssen. Diese Anpassungen sind wegen der Änderungen beim Einkommensteuertarif, bei den Kinderfreibeträgen und bei den Berechnungsgrößen zur Sozialversicherung ohnehin jedes Jahr notwendig. Außerdem werden die Änderungen bei der Aufstellung der Programmablaufpläne für den Lohnsteuerabzug 2021 berücksichtigt und können automationsgestützt übernommen werden. Der konkrete einmalige Mehraufwand im Zusammenhang mit diesem Vorhaben ist daher lediglich geringfügig und nicht einzeln auszuweisen.

Dies gilt auch für die Berücksichtigung der Freigrenzen bei den sonstigen Bezügen (§ 3 Abs. 4a SolZG). Diese werden auf Grundlage des Programmablaufplans des BMF ebenfalls automationsgestützt von den Software-Herstellern bzw. den Arbeitgebern übernommen. Die Arbeitgeber müssen keine manuellen Prüfungen vornehmen. Die Änderungen beim Solidaritätszuschlag betreffen erstmals den Lohnsteuerabzug 2021; es sind damit keine Korrekturen und Rückrechnungen für bereits abgerechnete Monate erforderlich.

Verwaltung (Länder)

Bei der Finanzverwaltung der Länder entsteht einmaliger technischer Umstellungsaufwand im Zusammenhang mit der Änderung der Freigrenzenregelung. Die neuen Freigrenzen werden bei den ohnehin jährlich vorzunehmenden Anpassungen der IT-Systeme umgesetzt. Der Gesetzentwurf trifft keine Aussage über die Höhe des Aufwandes. Aus Sicht des NKR bewegt sich dieser jedoch in einem geringfügigen Bereich, sodass eine konkrete Bezifferung entbehrlich ist.

II.2. Sonstige Prüfpunkte

In Politik und Öffentlichkeit wurden im Hinblick auf die Abschaffung bzw. Rückführung des Solidaritätszuschlags verschiedene Alternativen diskutiert. Der Gesetzentwurf soll die Vereinbarung im Koalitionsvertrag umsetzen. Dies entbindet das federführende Ressort jedoch nicht von der Plicht zu einer angemessenen und frühzeitigen Beteiligung der übrigen Bundesministerien und des NKR sowie von Ländern, kommunalen Spitzenverbänden, Fachkreisen und Verbänden. Ein ausreichender zeitlicher Vorlauf ist auch mit Blick auf eine umfassende Würdigung der Gesetzesfolgen notwendig.

Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) sieht vor, die Beteiligung der Länder und Verbände "möglichst frühzeitig" einzuleiten (§ 47 Abs. 1 GGO). In diesem Fall wurde der Gesetzentwurf am Montag, dem 12. August 2019 an die Länder und Verbände mit einer Frist zur Stellungnahme bis zum darauf folgenden Werktag verschickt, mithin nur neun Tage vor der geplanten Verabschiedung durch die Bundesregierung in der Kabinettsitzung am 21. August 2019. Dies stellt keine frühzeitige Beteiligung dar. Derart kurzfristige Abstimmungsprozesse traten zuletzt aus Sicht des NKR gehäuft auf. Dadurch wird auch die Prüfung durch den NKR erschwert.

Eine besondere Eilbedürftigkeit ist bei diesem Vorhaben nicht zu erkennen; die Änderungen sollen erst ab dem Jahr 2021 gelten. Folglich hätte aus Sicht des NKR entweder ein früherer Versand erfolgen oder ein späterer Kabinetttermin gewählt werden sollen. Die Vorgehensweise des Bundesministeriums der Finanzen bei diesem Vorhaben entspricht daher aus Sicht des NKR nicht den Prinzipien der besseren Rechtsetzung.

III. Ergebnis

Das Ressort hat den Erfüllungsaufwand nachvollziehbar dargestellt. Für die Wirtschaft und die Verwaltung entsteht ein geringfügiger einmaliger Erfüllungsaufwand im Zusammenhang mit den ohnehin jedes Jahr vorzunehmenden automationsgestützten Anpassungen beim Lohnsteuerabzug bzw. durch die automationstechnische Umsetzung der Freigrenzen.

Indes sieht der NKR nicht die zeitlichen Maßgaben gewahrt, die für die Beteiligung innerhalb der Bundesregierung sowie von Ländern, kommunalen Spitzenverbänden, Fachkreisen und Verbänden in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien vorgesehen sind. Eine angemessene und frühzeitige Beteiligung ist auch mit Blick auf eine umfassende Würdigung der Gesetzesfolgen notwendig. Eine Beteiligung binnen weniger Tage ist nicht ausreichend. Derart kurzfristige Abstimmungsprozesse traten zuletzt aus Sicht des NKR gehäuft auf; dadurch wird auch die Prüfung der Gesetzesvorhaben durch den NKR erschwert. Die Vorgehensweise des Bundesministeriums der Finanzen entspricht bei diesem Vorhaben angesichts der zeitlichen Abläufe aus Sicht des NKR nicht den Prinzipien der besseren Rechtsetzung.

Dr. Ludewig Schleyer
Vorsitzender Berichterstatter