Empfehlungen der Ausschüsse 813. Sitzung des Bundesrates am 8. Juli 2005
Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt

Der federführende Rechtsausschuss (R), der Finanzausschuss (Fz), der Gesundheitsausschuss (G) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zum Gesetzentwurf insgesamt

Der Bundesrat lehnt den Gesetzentwurf ab.

Begründung

Der Bundesrat verweist auf seinen am 9. Juli 2004 beschlossenen "Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt" (vgl. BR-Drs. 455/04 (Beschluss), BT-Drs. 015/3652). Eine Umsetzung der darin unterbreiteten Vorschläge ist vorzugswürdig.

2. Zum Gesetzentwurf insgesamt

Das Anliegen des Entwurfs, die Nutzung der Kapazitäten des Maßregelvollzugs zu verbessern, ist zu begrüßen.

Die in dem Entwurf vorgesehenen Regelungen zur Anpassung der Vorschriften an die Vorgaben, die sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben und zur Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sind positiv zu bewerten.

Gegen weitere vorgeschlagene Änderungen bestehen aber erhebliche Bedenken. Im Bereich des Rechts der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und in einem psychiatrischen Krankenhaus besteht außerdem Änderungsbedarf, dem mit dem vorliegenden Entwurf nur teilweise Rechnung getragen wird.

3. Der Bundesrat verweist auf seinen am 9. Juli 2004 beschlossenen Entwurf

eines Gesetzes zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (BR-Drs. 455/04 (Beschluss); BT-Drs. 015/3652) und die darin unterbreiteten Vorschläge, deren Umsetzung vorzugswürdig ist.

4. Zum Gesetzentwurf insgesamt

Der Bundesrat bittet, es im weiteren Gesetzgebungsverfahren durch Änderungen im Rechtsmittel- und Wiederaufnahmerecht zu ermöglichen, dass Fehleinweisungen in ein psychiatrisches Krankenhaus im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens durch die Anordnung von Freiheitsstrafe, gegebenenfalls auch von Sicherungsverwahrung, korrigiert werden können.

Begründung

Der Grundsatz des Verbotes der reformatio in peius gemäß § 348 Abs. 2 StPO kann zu nicht hinnehmbaren Konsequenzen führen, wenn die wegen angenommener Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB erfolgte Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach erfolgreicher Revision des Angeklagten aufgehoben werden muss. Die Tat bleibt ohne jede strafrechtliche Sanktion, wenn sich in der neuen Verhandlung herausstellen sollte, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat schuldfähig war. Eine Bestrafung würde gegen das Verbot, Art und Höhe der Rechtsfolgen zum Nachteil des Angeklagten zu ändern, verstoßen; die erneute Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus scheitert, wenn nicht wenigstens verminderte Schuldfähigkeit festgestellt werden kann. Erst jüngst hat der BGH erneut auf diese Konstellation hingewiesen (vgl. Beschluss vom 12. November 2004, 2 StR 367/04, StV 2005, 124).

Der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 9. Juli 2004 (BR-Drs. 455/04 (Beschluss); BT-Drs. 015/3652) würde diese Konsequenz durch eine Durchbrechung des Verbots der reformatio in peius vermeiden helfen. Im Falle der Aufhebung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wäre das Gericht damit nicht mehr gehindert, Strafe anstelle der Unterbringung zu verhängen. Der o.g. Gesetzentwurf des Bundesrates sieht in Artikel 1 Nr. 5 Buchstabe b und Nr. 7 sowie Artikel 2 Nr. 2 bis 7 entsprechende Regelungen vor.

§ 66b Abs. 3 StGB, eingeführt durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (BGBl. I S. 1836), ist dagegen unzureichend. Ein wegen einer Einzeltat des Mordes im Zustand der Schuldunfähigkeit in ein psychiatrisches Krankenhaus nach § 63 StGB eingewiesener Täter ohne ausreichende Vorstrafen könnte nach geltendem Recht auf seine Revision hin gerade nicht mehr bestraft werden, wenn sich herausstellen sollte, dass der Zustand der Schuldunfähigkeit nicht bestanden hat. Konsequenz wäre eine Freilassung. Dass dies ein schlechthin unerträgliches Ergebnis wäre, liegt auf der Hand.

5. Zu Artikel 1 Nr. 01 - neu - ( § 63 StGB)

In Artikel 1 ist vor Nummer 1 folgende neue Nummer 01 einzufügen: "01. § 63 wird wie folgt gefasst:

§ 63
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit, nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge eines der in § 20 genannten Zustände, unter dessen Einfluss er die Tat begangen hat, erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Wird jemand wegen einer oder mehrerer Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit der Person oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer zu einer Freiheitsstrafe von mindestens vier Jahren verurteilt und ist nicht auszuschließen, dass er die Straftat oder die Straftaten im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangen hat, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unter den übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 an, wenn von ihm Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden." "

Begründung

Die vorgeschlagene Neufassung des § 63 StGB ermöglicht die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in engen Grenzen auch dann, wenn Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit bei der Tatbegehung nicht positiv festgestellt werden können, wohl aber feststeht, dass die Tat unter dem Einfluss eines dauerhaften psychischen Defektzustandes begangen wurde, und der Täter auf Grund dieses Defektzustandes für die Allgemeinheit gefährlich ist. Aufgegriffen wird damit der Vorschlag aus dem Gesetzentwurf des Bundesrates (Artikel 1 Nr. 1 des Gesetzentwurfs zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt, BR-Drs. 455/04 (Beschluss); BT-Drs. 015/3652). Auf die dortige Entwurfsbegründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen hingewiesen.

Die in der Stellungnahme der Bundesregierung gegen den Vorschlag geltend gemachten Bedenken (BT-Drs. 015/3652, S. 21) greifen sämtlich nicht durch:

So ist nicht ersichtlich, aus welchem Grunde die positive Feststellung zumindest verminderter Schuldfähigkeit "nach der ratio" des § 63 StGB erforderlich sein sollte. Ausschlaggebend muss vielmehr sein, ob der Täter unter dem Einfluss eines dauerhaften Defekts gehandelt hat und ob er wegen dieses Defekts für die Allgemeinheit gefährlich ist. An diesen Voraussetzungen hält der o.g. Bundesratsentwurf fest.

Richtig ist, dass Extremfälle betroffen sind. Wie aktuelle Ereignisse zeigen, sind es aber gerade solche Extremfälle, die für die Sicherheit der Bevölkerung und den Schutz individueller Opfer von essenzieller Bedeutung sind. Es erscheint nicht vertretbar, bewusst Lücken zu lassen.

Dass die Gerichte als Folge der Neuregelung weniger strenge Maßstäbe bei der Feststellung der verminderten Schuldfähigkeit anlegen könnten, erscheint völlig fernliegend. Dies gilt schon im Hinblick auf die durch den Bundesratsentwurf gewählte, außerordentlich enge Regelung, die nur seltene Fälle erfasst, für diese aber unabdingbar ist.

6. Zu Artikel 1 Nr. 1 ( § 64 Satz 1 StGB)

In Artikel 1 Nr. 1 § 64 Satz 1 ist das Wort "ordnet" durch das Wort "soll" und 1 das Wort "an" durch das Wort "anordnen" zu ersetzen.

Begründung

In den Beratungen der Arbeitsgruppe "Fragen der Maßregelvollstreckung" des Strafrechtsauschusses der Justizministerkonferenz ist deutlich geworden, dass mit einer Umgestaltung des § 64 StGB in eine Soll-Vorschrift eine Vielzahl von Problemen im Zusammenhang mit der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in einer für die Praxis befriedigenden Weise gelöst werden könnte.

7. Zu Artikel 1 Nr. 1 ( § 64 Satz 2 StGB)

In Artikel 1 Nr. 1 § 64 Satz 2 sind die Wörter "nicht unerhebliche" durch das Wort "erhebliche" zu ersetzen.

Begründung

Die vorgesehene Neufassung knüpft an die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung von 16. März 1994 (BVerfGE 91, 1; BGBl. I S. 3012) gemachten Vorgaben an.

Bedenken bestehen allerdings insoweit, als die Zeitspanne der Bewahrung vor einem Rückfall mit der Formulierung "nicht unerhebliche Zeit" beschrieben wird. Abgesehen davon, dass zweifelhaft ist, wie ein solcher Zeitraum definiert werden kann, besteht die Gefahr, dass damit das vom Bundesverfassungsgericht statuierte Erfordernis der hinreichend konkreten Erfolgssaussicht weit gehend obsolet wird.

Die Zeitspanne sollte deshalb mit der im Bundesratsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (BR-Drs. 455/04 (Beschluss); BT-Drs. 015/3652) vorgesehenen Formulierung "erhebliche Zeit" umschrieben werden.

8. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe c ( § 67 Abs. 4 StGB) Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe c ist zu streichen. Begründung

Der Vorschlag der Bundesregierung, die Vollstreckungsreihenfolge im Verhältnis der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu einer Freiheitsstrafe wegen therapeutischer Stagnation verändern zu können, ist abzulehnen.

Zur Unterbringung von Straftätern, die erheblich psychisch krank sind und deshalb straffällig werden, ist das psychiatrische Krankenhaus prädestiniert. Für

Fehleingewiesene und deshalb in der Psychiatrie nicht therapierbare Personen besteht die Möglichkeit der Erledigungserklärung gemäß § 67d Abs. 6 StGB. Sofern mit der Überweisung in den Strafvollzug eine begründete Resozialisierung verbunden ist, kann die Vollstreckungsreihenfolge bereits nach geltendem Recht gemäß § 67 Abs. 3 StGB entsprechend geändert werden. Weiter gehende Regelungen begründen die Gefahr einer Verschiebung "lästiger" psychisch Kranker vom Maßregel- in den Strafvollzug, wo gerade keine adäquaten Unterbringungs- und Behandlungsmöglichkeiten vorhanden sind.

9. Eine derartige Verschiebung würde zudem eine erhebliche Belastung für die Mitgefangenen darstellen.

Wenn der Entwurf auf die Fälle einer nach langer Zeit eintretenden, nicht mehr für möglich gehaltenen therapeutischen Erreichbarkeit abstellt, ist dies als später Erfolg der Maßregelbehandlung eher ein Argument für den Verbleib dieser Untergebrachten im Maßregelvollzug als für ihre Verlegung in den Strafvollzug.

Weiterhin wird in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle, auf die die Regelung abzielt, nach der Verbüßung der Freiheitsstrafe die erneute Rückverlegung in den Maßregelvollzug anstehen. Die Heilungsaussichten dürften sich in der Zeit der Inhaftierung - auch wegen der dann fehlenden Möglichkeit einer Strafrestaussetzung - verschlechtert haben; noch längere Verweildauern der Untergebrachten im Maßregelvollzug sind absehbar.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass dem Maßregelvollzug auch eine sichernde Funktion zukommt. Es ist Aufgabe der psychiatrischen Krankenhäuser, eine sichere Unterbringung zu gewährleisten.

Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe c ist daher zu streichen.

10. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe e (§ 67 Abs. 5 Satz 1 StGB)

In Artikel 1 Nr. 2 ist Buchstabe e wie folgt zu fassen:

Begründung

Der vorliegende Gesetzentwurf berücksichtigt durch ausdrückliche Verweisung auf die Fälle des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB-E nur einen Fall der Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge.

Durch die vorgeschlagene Änderung werden der vollständige und der teilweise Vorwegvollzug der Maßregel in jeder Fallkonstellation gleichgestellt und damit insbesondere auch die Fälle erfasst, in denen nach § 67 Abs. 2 Satz 1

StGB oder auf Grund späterer Änderung der Vollstreckungsreihenfolge nach § 67 Abs. 3 StGB-E ein Teil der Freiheitsstrafe vor Vollzug der Maßregel vollstreckt worden ist.

11. Zu Artikel 1 Nr. 3 (§ 67a Abs. 2 Satz 2 StGB)

In Artikel 1 Nr. 3 ist § 67a Abs. 2 Satz 2 zu streichen. Begründung

Durch den Vorschlag des vorliegenden Gesetzentwurfs würde die Möglichkeit geschaffen, eine verurteilte Person, gegen die Sicherungsverwahrung angeordnet ist, bereits zu einem Zeitpunkt in ein psychiatrisches Krankenhaus oder in eine Entziehungsanstalt zu überweisen, zu dem sich die Person noch im Vollzug der Freiheitsstrafe befindet. Es erscheint zweifelhaft, ob eine bessere Resozialisierung dieser Personen erreicht werden kann, wenn sie keine konkrete Aussicht hätten, in absehbarer Zeit in die Freiheit entlassen zu werden. Ferner besteht die Gefahr einer nicht unerheblichen Mehrbelastung der entsprechenden Kliniken, was dem Gesetzeszweck einer Entlastung des Maßregelvollzuges zuwider 1aufen würde. Auch die Gesundheitsministerkonferenz hat sich daher nachdrücklich gegen den Vorschlag ausgesprochen.

12. Zu Artikel 1 Nr. 3 (§ 67a Abs. 4 Satz 2, 3 - neu - bis 6 - neu - StGB) In Artikel 1 Nr. 3 § 67a Abs. 4 ist Satz 2 durch folgende Sätze zu ersetzen:

Begründung

Die vorgeschlagenen Regelungen in § 67a Abs. 4 Satz 2 bis 4 StGB-E sehen in Anlehnung an einen Vorschlag der Arbeitsgruppe "Fragen der Maßregelvollstreckung" vor, dass das Gericht bei der Überweisung aus dem Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in den Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus Dauer und Überprüfungsfristen den für den Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus geltenden Regeln unterwerfen kann mit der Folge, dass - wie bei der durch das Tatgericht angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus - für die Maßregel keine Befristung gilt. Dies soll nur dann gelten, wenn der Verurteilte bereits von Anfang an die Voraussetzungen einer Unterbringung gemäß § 63 StGB erfüllt hätte. Im Übrigen bleibt der Charakter der ursprünglichen Unterbringungsanordnung unangetastet. Der primäre Besserungszweck bleibt bestehen, § 67b Abs. 5 StGB bleibt unberührt. Die Behandlung kann nur solange fortgesetzt werden, wie sie Erfolg verspricht.

Die vorgeschlagenen neuen Sätze 5 und 6 greifen den Regelungswillen des vorliegenden Gesetzentwurfs auf, die Frage einer Rückverlegung in regelmäßigen Abständen zu prüfen, stellen jedoch durch Aufnahme auch der Erledigungserklärung und anderer Entscheidungen sicher, dass die Praxis nicht mit einer übermäßigen Zahl von Prüfungen belastet wird.

13. Zu Artikel 1 Nr. 6 - neu - ( § 72 StGB)

Dem Artikel 1 ist folgende Nummer 6 anzufügen:

§ 72
Vollstreckungsreihenfolge mehrerer Maßregeln

Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Das Gericht kann die Vollstreckungsreihenfolge nachträglich ändern, wenn die Resozialisierung des Täters dadurch besser gefördert werden kann. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden." "

Begründung

Die vorstehende Neufassung des § 72 StGB greift den Vorschlag in Artikel 1 Nr. 8 des Gesetzentwurfs des Bundesrates zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (BR-Drs. 455/04 (Beschluss); BT-Drs. 015/3652) auf, und zwar aus folgenden Gründen:

Nach § 72 StGB darf das Tatgericht auch dann, wenn die Voraussetzungen mehrerer freiheitsentziehender Maßregeln gegeben sind, nur einzelne dieser Maßregeln anordnen, wenn es der Auffassung ist, dass im Hinblick auf diese Maßregeln weitere Maßregeln entbehrlich sind. Dies führt zu unnötigen Sicherheitsrisiken, die aus der Unsicherheit der prognostizierten Entbehrlichkeit einer von den Voraussetzungen her an sich anzuordnenden Maßregel herrühren. Dem erkennenden Gericht sollte deshalb nicht länger die Entscheidung aufgebürdet werden, ob eine von mehreren Maßregeln, deren Voraussetzungen gegeben sind, wegen anderer Maßregeln entbehrlich werden wird. Diese Entscheidung ist vielmehr dem Vollstreckungsverfahren zum Ende des Vollzugs der zunächst vollzogenen Maßregel und damit unter Berücksichtigung ihres tatsächlichen Erfolgs zu überantworten. Zusätzlich eröffnet der Entwurf dem Gericht die Möglichkeit, die Vollstreckungsreihenfolge nachträglich zu ändern, wenn die Resozialisierung des Täters dadurch besser gefördert werden kann. Damit eröffnet sich der Strafvollstreckungskammer die Option, auf neue Erkenntnisse während der Vollstreckung durch eine Änderung der Vollstreckungsreihenfolge zu reagieren, wie dies bisher schon im Verhältnis von Unterbringung und Freiheitsstrafe gemäß § 67 Abs. 3 StGB möglich ist.

Die in der Stellungnahme der Bundesregierung gegen den Vorschlag geltend gemachten Bedenken (BT-Drs. 015/3652, S. 22) greifen nicht durch. Namentlich erweckt die Bundesregierung den Eindruck, es gehe dem Bundesrat darum, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abzuschaffen, was natürlich nicht der Fall ist (s.o.). Sodann geht die Stellungnahme der Bundesregierung an den vielfältigen Schwierigkeiten vorbei, die das geltende Recht in der Ausformung durch den Bundesgerichtshof aufwirft. Schließlich erfasst § 66b Abs. 3 StGB nur die Fälle, in denen nachträgliche Sicherungsverwahrung unter den dort genannten Voraussetzungen angeordnet werden kann, also nur einen Ausschnitt aus den relevanten Konstellationen.

14. Zu Artikel 2 Nr. 1 Buchstabe a (§ 126a Abs. 2 Satz 1 StPO)

In Artikel 2 Nr. 1 ist Buchstabe a wie folgt zu fassen:

Begründung

15. Zu Artikel 2 Nr. 1a - neu - (§ 246a Satz 1 und 2 - neu - StPO)

In Artikel 2 ist nach Nummer 1 folgende Nummer 1a einzufügen:

Begründung

Der Vorschlag entspricht Artikel 2 Nr. 1 des Gesetzentwurfes des Bundesrates vom 9. Juli 2004 (Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt, BR-Drs. 455/04 (Beschluss)).

Zum einen wird der Gesetzestext für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in der Sicherungsverwahrung klarstellend der Interpretation angepasst, die der bisherige Gesetzestext in der Rechtsprechung gefunden hat. Demnach hat die Anhörung des Sachverständigen bereits dann zu erfolgen, wenn die Anordnung der Maßregel in Betracht kommt.

Darüber hinaus greift der Antrag eine von der Gesundheitsministerkonferenz gebilligte Empfehlung der Arbeitsgruppe "Fragen der Maßregelvollstreckung" auf, verkürzt die Verfahrensdauer und schont Gutachterkapazitäten. Die Beauftragung eines Gutachters soll unter Übernahme der Formulierung des § 454 Abs. 2 Satz 1 StPO auf Fälle beschränkt werden, in denen das Gericht eine Anordnung der Unterbringung gemäß § 64 StGB konkret erwägt. Dies zieht die Konsequenz aus der Umgestaltung des § 64 StGB in eine Sollvorschrift, deren Ausfüllung nicht in jedem Fall von den Sachverständigenfeststellungen abhängig ist. Darüber hinaus gibt es Fälle, in denen zwar grundsätzlich eine Unterbringung gemäß § 64 StGB in Betracht kommt, nach den Gegebenheiten im Einzelfall vom Gericht jedoch nicht in Erwägung gezogen wird (z.B. Trunkenheitsfahrt eines trotz mehrfacher Therapieversuche in seiner Sucht verharrenden langjährigen Alkoholikers). Eine Begutachtungspflicht auch in solchen Fällen erscheint verfehlt.

16. Zu Artikel 2 Nr. 2 Buchstabe a (§ 463 Abs. 3 Satz 3 StPO) Artikel 2 Nr. 2 Buchstabe a ist zu streichen. Begründung

Nicht nur bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung, sondern auch in den Fällen der Unterbringung nach den §§ 63 und 64 StGB hat das erkennende Gericht festgestellt, dass der Täter gefährlich ist. Deswegen ist es erforderlich, dass in allen Fällen, in denen die Aussetzung der Vollstreckung einer Unterbringung in Erwägung gezogen wird, auch künftig ein Sachverständigengutachten eingeholt wird.

17. Zu Artikel 2 Nr. 2 ( § 463 StPO)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren § 463 StPO entsprechend Artikel 2 Nr. 7 Buchstabe c Doppelbuchstabe cc des Gesetzentwurfs des Bundesrates vom 9. Juli 2004 (BR-Drs. 455/04 (Beschluss); BT-Drs. 015/3652) dahin gehend zu ergänzen, dass die Möglichkeit einer sofortigen einstweiligen Überweisung eines Verurteilten aus dem Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in den Vollzug von Freiheitsstrafe geschaffen wird.

Begründung

§ 67d Abs. 5 StGB ermöglicht dem Gericht zu bestimmen, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht weiter zu vollziehen ist, weil ihr Zweck aus Gründen, die in der Person des Untergebrachten leben, nicht erreicht werden kann. Ist neben der Unterbringung Freiheitsstrafe angeordnet, beinhaltet diese Bestimmung zugleich die Überweisung in den Vollzug der Freiheitsstrafe.

Bis zur gerichtlichen Entscheidung, dem nicht selten die Einholung eines Sachverständigengutachtens vorausgeht, verbleibt der Verurteilte im Vollzug der Unterbringung in der Entziehungsanstalt. Dies kann zu erheblichen Störungen der Arbeit in der Entziehungsanstalt führen, etwa wenn Therapieabbrecher Einfluss auf andere Patienten nehmen. Nach Erfahrungen der Entziehungsanstalten steigt nicht selten die Gewaltbereitschaft solcher Verurteilter. Entsprechend einem auch von der Gesundheitsministerkonferenz gebilligten Vorschlag der Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses "Fragen der Maßregelvollstreckung" folgend sollte daher die Möglichkeit geschaffen werden, gerichtlich die sofortige einstweilige Überweisung des Verurteilten aus dem Vollzug des § 64 StGB in den Vollzug von Freiheitsstrafe anzuordnen. Der o.g. Gesetzentwurf des Bundesrates enthält hierzu sachgerechte Regelungen.

18. Zu Artikel 2 Nr. 2 Buchstabe b ( § 463 Abs. 4 StPO) Artikel 2 Nr. 2 Buchstabe b ist zu streichen.

Begründung

Der Entwurf der Bundesregierung sieht vor, im Rahmen der Überprüfungen nach § 67e StGB nach jeweils fünf Jahren obligatorisch ein externes Sachverständigengutachten einzuholen. Der damit verbundene zeitliche und finanzielle Mehraufwand ist jedoch nicht in jedem Fall veranlasst. Gutachten externer Sachverständiger stellen regelmäßig kein besseres Erkenntnismittel für die Prognose dar, ob ein Untergebrachter künftig straffrei bleiben wird oder auf Grund seines Zustandes für Dritte erheblich gefährlich ist. Für den externen

Gutachter wird wegen der relativ kurzen Begegnung mit dem Untergebrachten ein Rückgriff auf die Vorberichte, die Stellungnahmen der behandelnden Ärzte und die Wahrnehmung des Pflegepersonals zwingend erforderlich sein. Damit ist er aber von einer Vorprognose abhängig, was letztlich nur zu einem erhöhten Aufwand führt, nicht aber zu einer qualitativ verbesserten Gutachtenerstattung. Es sollte daher den Strafvollstreckungskammern überlassen bleiben, in welchen gegebenenfalls. kritischen Fällen externe Gutachter beauftragt werden. Eine pauschale Verpflichtung hierzu - ohne dass ein besonderer Anlass besteht - erscheint nicht erforderlich.

Als Folge der vorgeschlagenen Streichung wären zudem Artikel 2 Nr. 2 Buchstabe c und Artikel 3 zu streichen und Artikel 2 Nr. 2 Buchstabe d anzupassen.