Antrag der Länder Niedersachsen, Bayern,
Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes - Antrag des Freistaates Bayern - Punkt 5 der 970 Sitzung des Bundesrates am 21. September 2018

Der Bundesrat möge beschließen, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes in nachstehender Fassung beim Deutschen Bundestag einzubringen:

Zum Gesetzentwurf insgesamt

"Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes

A. Problem und Ziel

In § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2a des Tierschutzgesetzes (TierSchG) ist für das Kastrieren männlicher Ferkel im Alter von unter 8 Tagen eine Ausnahme vom Amputationsverbot festgeschrieben. Eine generelle Ausnahme von der Betäubungspflicht für diesen Eingriff ist in § 5 Absatz 3 TierSchG nicht vorgesehen.

Die Übergangsregelung in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Tierschutzgesetzes lässt den Eingriff noch bis zum 31. Dezember 2018 ohne Betäubung zu. Danach muss die Kastration unter wirksamer Schmerzausschaltung erfolgen.

Eine Verschiebung der Frist ist zwingend erforderlich, da die derzeit verfügbaren Alternativen zur betäubungslosen Kastration den Anforderungen der Praxis und des Marktes nicht gerecht werden.

Darüber hinaus soll eine begleitende Schmerzbehandlung bei der Kastration männlicher Ferkel im Sinne einer Konkretisierung der allgemeinen Vorgabe des § 5 Absatz 1 Satz 6 sowie auch analog zu § 6 Absatz 1 Satz 5 TierSchG verbindlich vorgeschrieben werden.

B. Lösung

Änderung des Tierschutzgesetzes.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Keiner.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Keiner.

F. Sonstige Kosten

Keine.

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Das Tierschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S.1206, 1313), das zuletzt durch Artikel 141 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S.626) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 6 Absatz 1 Satz 5 wird wie folgt gefasst:

"Im Rahmen der Kastration eines Schweines sind zur Linderung der mit dem Eingriff verbundenen Schmerzen schmerzstillende Tierarzneimittel einschließlich Betäubungsmittel bei dem Tier anzuwenden."

2. In § 18 Absatz 1 wird nach Nummer 8 folgende Nummer 8a eingefügt:

"8a. entgegen § 6 Absatz 1 Satz 5 ein Schwein kastriert, ohne die dort genannten Tierarzneimittel anzuwenden,"

3. § 21 Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

(1) Eine Betäubung ist abweichend von § 5 Absatz 1 Satz 1 nicht erforderlich für das Kastrieren von unter acht Tage alten männlichen Schweinen

soweit kein von der normalen anatomischen Beschaffenheit abweichender Befund vorliegt. Ist eine Betäubung nach Satz 1 nicht erforderlich, gilt § 5 Absatz 1 Satz 6 mit der Maßgabe entsprechend, dass insbesondere schmerzstillende Tierarzneimittel anzuwenden sind. Das Bundesministerium gibt das Vorliegen der Voraussetzung nach Satz 1 Nummer 1 im Bundesgesetzblatt bekannt."

Artikel 2

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung:

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

1. Erweiterung der Regelung des § 6 Absatz 1 Satz 5 - Schmerzbehandlung

Die bisherige Regelung in § 6 Absatz 1 Satz 5 dient der Umsetzung der Regelung "Eine Kastration oder ein Kupieren der Schwänze nach dem siebten Lebenstag darf nur durch einen Tierarzt unter Anästhesie und anschließender Verwendung schmerzstillender Mittel durchgeführt werden" in Anhang I, Kapitel I Nr. 8 Satz 7 der Richtlinie 2008/120/EG (Abl. EU L 47/5 vom 18.02.2009) in nationales Recht. Die praktische Bedeutung dieser Regelung ist bislang gering.

Die regelmäßige Durchführung einer begleitenden Schmerzbehandlung bei der Kastration von Ferkeln im Alter von unter 8 Tagen zur Reduzierung postoperativer Schmerzen wurde in verschiedenen Gremien mit Beteiligung der Wirtschaft national und auf EU-Ebene vereinbart (Düsseldorfer Erklärung 2008, Brüsseler Erklärung 2010). Eine Umsetzung in das Tierschutzrecht ist bislang nicht erfolgt, sanktioniert wird die Kastration ohne Einsatz von Schmerzmitteln derzeit privatrechtlich in Betrieben, die am QS-Kontrollsystem (Qualität und Sicherheit GmbH) teilnehmen. Mit der Verschiebung der Frist in § 21 Absatz 1 TierSchG soll eine Schmerzbehandlung für in der Übergangszeit weiterhin ohne Betäubung kastrierte Tiere verbindlich vorgesehen werden. Auf Dauer ist diese Regelung auch für die Schmerzbehandlung im Anschluss an die Betäubung beizubehalten.

Ein Verstoß gegen diese Vorschrift soll in § 18 des Tierschutzgesetzes als Ordnungswidrigkeit bewehrt werden. Dies regelt die Sanktionierung durch die zuständige Behörde.

2. Änderung des § 21 Absatz 1 TierSchG

Bis zum 31. Dezember 2018 ist gemäß Übergangsregelung in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) das betäubungslose chirurgische Kastrieren unter acht Tage alter männlicher Schweine zulässig. Danach gilt die Betäubungspflicht des § 5 Absatz 1 Satz 1 TierSchG. Eine Verschiebung des Inkrafttretens dieser Regelung ist aus folgenden Gründen zwingend erforderlich:

Nach derzeitigem Stand steht für eine arzneimittel- und tierschutzrechtskonforme Schmerzausschaltung bei der Ferkelkastration lediglich die Injektionsnarkose durch einen Tierarzt/eine Tierärztin zur Verfügung. Aufgrund sehr hoher Narkoserisiken bei jungen Saugferkeln kann diese Methode für die routinemäßige Kastration männlicher Ferkel im Alter von unter 8 Tagen nicht uneingeschränkt empfohlen werden.

Für die Inhalations-Narkose mit Isofluran® liegt eine arzneimittelrechtliche Zulassung für diese Anwendung beim Schwein bislang nicht vor, wird aber in einem überschaubaren Zeitraum erwartet. Die Methode ist grundsätzlich geeignet, die tierschutzfachlichen Erwartungen an eine Kastration mittels Betäubung zu erfüllen, sobald offene Fragen zur praktischen Anwendung in Bezug auf die Dosierung des Narkosegases und das Design der Inhalati-onsmasken geklärt sind. Vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft werden aktuell Studien zur Optimierung dieses Narkoseverfahrens gefördert, die bisher weder abgeschlossen noch ausgewertet sind.

Ferner werden vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und verschiedenen Ländern Studien gefördert, mit denen die Anwendung einer Lokalanästhesie bei der Ferkelkastration überprüft wird. Die Ergebnisse aus diesen Forschungsprojekten werden nicht bis zum 1. Januar 2019 vorliegen. Ein entsprechend der Regelung in § 5 Absatz 1 Satz 4 TierSchG für die Indikation zugelassenes Tierarzneimittel steht derzeit nicht zur Verfügung.

Die Verschiebung des Inkrafttretens des Verbotes der betäubungslosen Kastration ist erforderlich, um Ergebnisse derzeit laufender Studien für die Praxis zu berücksichtigen und ggf. die zeitnahe Zulassung geeigneter Tierarzneimittel durch einen pharmazeutischen Unternehmer weiter voranzubringen. Gleichzeitig ist erklärtes Ziel, durch gemeinsame Anstrengungen von Erzeugern, Politik und Verbraucherverbänden eine breitere Akzeptanz für die Impfung gegen Ebergeruch ("Immunokastration") zu erreichen. Ein Inkrafttreten des Verbots der betäubungslosen Kastration zum 1. Januar 2019 würde erhebliche Strukturveränderungen in der Schweinehaltung zur Folge haben. Ziel ist somit auch, ein Einbrechen der Ferkelproduktion in Deutschland zu verhindern.

II. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 20 (Tierschutz) des Grundgesetzes.

III. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union

Die vorgesehene Regelung ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Tierschutzgesetzes)

Zu Nummer 1:

In § 6 Absatz 1 Satz 5 wird die Anwendung von Schmerzmitteln auch für das Kastrieren von Ferkeln im Alter von unter acht Tagen aus den unter A. I. 1 genannten Gründen festgeschrieben.

Zu Nummer 2:

In § 18 Absatz 1 Nummer 8a(neu) wird ein Verstoß gegen den neu gefassten § 6 Absatz 1 Satz 5 als Ordnungswidrigkeit aufgenommen.

Zu Nummer 3:

Die in § 21 Absatz 1 Satz 1 enthaltene Übergangsregelung wird aus den unter A. I. 2 genannten Gründen verlängert. Satz 2 dieser Vorschrift kann wegfallen, da die Regelung sich durch Zeitablauf erledigt hat.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Artikel 2 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes."

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Neben der Verlängerung der Übergangsregelung für das betäubungslose chirurgische Kastrieren ist eine Regelung zur begleitenden Schmerzbehandlung von Ferkeln im Alter von 8 Tagen zur Reduzierung postoperativer Schmerzen in den Gesetzentwurf aufzunehmen, die im Falle eines Verstoßes als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann. Diese Regelung soll auf Dauer für die Schmerzbehandlung im Anschluss an die Betäubung beibehalten werden.