Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht

926. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2014

Der federführende Rechtsausschuss (R), der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 3a - neu - ( § 11 Absatz 3 StGB)

Nach Artikel 1 Nummer 3 ist folgende Nummer 3a einzufügen:

Begründung:

Derzeit findet der Begriff der "Schrift" mit einer Verweisung in § 11 Absatz 3 StGB in verschiedenen Straftatbeständen des Besonderen Teils im Strafgesetzbuch Verwendung.

Der Gesetzgeber hat mit dem Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz vom 22. Juli 1997 eine Gleichstellung der "Schrift" u.a. mit "Datenspeichern" vorgenommen. Mit dieser Änderung sollten auch künftige Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik bei der Auslegung des "Schriften"-Begriffs Berücksichtigung finden. In der Gesetzesbegründung wurde deshalb auch klargestellt, dass unter Datenspeichern nicht nur permanente Speicher, wie z.B. eine CD oder eine Festplatte, zu verstehen sein sollen, sondern auch der nichtpermanente Arbeitsspeicher (vgl. BT-Drucksache 013/7385, Seite 36). Ausgenommen seien lediglich Inhalte, die unmittelbar in Echtzeit oder Echtzeit entsprechend übermittelt werden (z.B. Fernsehübertragung in Echtzeit; paketweise Datenübermittlung in Echtzeit). Auch nur kurzfristige Zwischenspeicherungen, z.B. im Telekommunikationsnetz zum Zwecke der Echtzeitübermittlung, sollten danach nicht unter den Begriff des Datenspeichers fallen (a. a. O.).

Gleichwohl war in der Folgezeit umstritten, inwieweit es etwa bei der kurzfristigen Zwischenspeicherung von Daten, z.B. im Arbeitsspeicher oder Cache eines Rechners, bereits zu einer Verkörperung i.S.d. § 11 Absatz 3 StGB in seiner jetzigen Fassung in einem Datenspeicher kommt. Wie auf Seite 3 9 der Begründung zum Gesetzentwurf in BR-Drucksache 422/14 (PDF) dargestellt, wurde durch die dort näher aufgeführten Einzelentscheidungen inzwischen im Fall der vorübergehenden Speicherung von Daten im Arbeitsspeicher des Computers dies als für eine Besitzverschaffung ausreichend angesehen.

Diese weite Auslegung wird aber in der Literatur überwiegend kritisch gesehen oder gar nicht geteilt (vgl. statt aller: Fischer, StGB 61. Aufl. 2014, § 184b Rnr. 21b ff. m. w. N.), so dass keineswegs von einer geklärten Rechtsfrage auszugehen ist.

Angesichts dieser Kritik in der Literatur an der Rechtsprechung und aus Klarstellungsgründen sollte § 11 Absatz 3 StGB daher ergänzt werden, indem den Schriften neben Datenspeichern auch Daten selbst i.S.d. § 202a StGB gleichgestellt werden.

Daten sind als Tatmittel und Tatobjekt im digitalen Zeitalter besonders schützenswert. Der Begriff der "Daten" in § 202a Absatz 2 StGB ist in der Rechtspraxis bereits hinreichend konkretisiert. Eine Aufnahme von "Daten" in den "Schriften"-Begriff stellt ohne großen Aufwand sicher, dass alle Mittel der Informations- und Kommunikationstechnologie erfasst werden. Soweit Informationen in elektronischer Form mit Mitteln der Informations- oder Kommunikationstechnologie übertragen werden, geschieht dies in Form von Daten. Auch in allen anderen Normen, die auf § 11 Absatz 3 StGB Bezug nehmen, entstehen durch diese Erweiterung der "Schriften"-Definition keine Wertungswidersprüche oder ungewollte Erweiterungen der Tatbestände. Vielmehr werden auch hier bestehende Regelungslücken beseitigt, die sich aus dem zunehmenden Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechniken in den letzten Jahren ergeben haben.

Mit dieser Änderung in § 11 Absatz 3 StGB werden auch Wertungswidersprüche im gesamten Besonderen Teil des Strafgesetzbuches vermieden, indem für alle darauf Bezug nehmenden Strafvorschriften allgemein eine einheitliche Regelung gilt und keine unterschiedlichen Anwendungsbereiche für einzelne Deliktsbereiche bestehen.

Weitere Folgeänderungen sind mit diesem Vorschlag nicht verbunden, da bei den im Übrigen vorgeschlagenen Änderungen in §§ 130, 130a, 131 und 184d StGB in Bezug auf die Formulierungen "mittels Rundfunk oder Telemedien" nicht unmittelbar an den Schriften-Begriff angeknüpft wird, sondern jeweils an den Inhalt der Informationen. Diese Änderungen werden daher durch einen erweiterten "Schriften"-Begriff nicht hinfällig.

2. Zu Artikel 1 Nummer 9 Buchstabe b (§ 176 Absatz 6 StGB)

Artikel 1 Nummer 9 ist wie folgt zu fassen:

'9. § 176 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Auch für die Fälle des § 176 Absatz 4 Nummer 3 und 4 StGB ist der Versuch unter Strafe zu stellen. Bislang sind diese Fälle gemäß § 176 Absatz 6 zweiter Halbsatz StGB von der Versuchsstrafbarkeit ausgenommen. Daher können nach geltendem Recht, das durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung insoweit nicht geändert wird, Sachverhalte strafrechtlich nicht erfasst werden, in denen die Täter die Kommunikation i.S.d. § 176 Absatz 4 Nummer 3 StGB mit einer Person führen, die sie nur irrtümlich für ein Kind halten. Es besteht aber ein Strafbedürfnis für derartige Fallgestaltungen, in denen die Täter bei dem Versuch, über Chatrooms, Foren oder andere Kontaktmöglichkeiten ihre pädosexuellen Interessen zu befriedigen, zufällig an erwachsene Personen geraten sind, seien es ermittelnde Polizeibeamte, seien es Eltern oder andere Personen, die verdächtiger Kommunikation nachgegangen sind.

Entsprechend ist auch die Versuchsstrafbarkeit auf Fälle des § 176 Absatz 4 Nummer 4 StGB zu erstrecken. Auch hier bleiben strafwürdige Fälle bislang straflos. So musste in einem Verfahren einer bayerischen Staatsanwaltschaft eine Großzahl von Vorwürfen wegen sexuellen Missbrauchs über Chat/Webcam - unabhängig von der Frage des Vorliegens einer "Schrift" i.S.v. § 11 Absatz 3 StGB - eingestellt werden, weil nicht auszuschließen war, dass der Täter nur annahm, mit einer unter vierzehn Jahre alten Person in Kontakt getreten zu sein, während diese Person in Wahrheit älter war (die "Gesprächspartner" hatten z. T. ein geringeres als ihr tatsächliches Alter angegeben, in einem Fall hatte die Mutter für die Tochter den Chat übernommen).

3. Zu Artikel 1 Nummer 10a - neu - (§ 177 Absatz 1 StGB)

Nach Artikel 1 Nummer 10 ist folgende Nummer 10a einzufügen:

Begründung:

Bei der Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (ETS 210 - Istanbul-Konvention) in innerstaatliches Recht berücksichtigt dieser Gesetzentwurf nicht die erforderliche Novellierung des § 177 StGB. Gemäß Artikel 36 der Konvention treffen die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die dort aufgeführten vorsätzlichen, nicht einverständlichen sexuell bestimmten Handlungen unter Strafe gestellt werden.

Der Grundtatbestand des § 177 Absatz 1 StGB verlangt die Überwindung eines Widerstands des Opfers zur Vornahme einer sexuell bestimmten Handlung des Täters unter Zuhilfenahme eines der dort aufgeführten Nötigungsmittel. Kann das Opfer keinen entgegenstehenden Willen bilden, dann kommt (nur) eine Strafbarkeit nach § 179 StGB (sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen) in Betracht.

Entgegen Artikel 36 der Istanbul-Konvention wird folglich für die Begründung einer Strafbarkeit nicht auf das geforderte fehlende Einverständnis des Opfers abgestellt.

Das dritte in § 177 Absatz 1 Nummer 3 StGB enthaltene Nötigungsmerkmal "unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist" wurde seinerzeit verbunden mit der Hoffnung, nunmehr auch jene Fälle aburteilen zu können, in denen das Opfer starr vor Angst keine Gegenwehr leistet, in den Straftatbestand aufgenommen.

Die Rechtsprechung hat im Laufe der Zeit Kriterien für dieses Tatbestandsmerkmal konzipiert, die nur teilweise der Lebenswirklichkeit entsprechen. So ist dieses Nötigungsmerkmal beispielsweise dann nicht erfüllt, wenn das Opfer auf Gegenwehr verzichtet, weil es sich in einer schutzlosen Lage wähnt, die objektiv nicht gegeben ist.

Besondere negative Aufmerksamkeit erlangte das Urteil des Landgerichts Essen vom 10. September 2012 (25 KLs 10/ 12), wonach ein 31-jähriger Täter vom Vorwurf der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung frei gesprochen wurde, weil sich das Opfer nicht genug gewehrt habe. Nur einmal zu Beginn der Tat habe das Opfer seine Ablehnung verbal bekundet, aus Angst vor dem Täter jedoch auf Gegenwehr verzichtet.

4. Zu Artikel 1 Nummer 14 (§§ 184b und 184c StGB*)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen dem Bestimmtheitsgebot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.

Begründung:

Der Bundesrat begrüßt ausdrücklich die hinter den Regelungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (§§ 184b und 184c sowie § 201a Absatz 1 StGB) stehende Intention, das Strafrecht im Bereich der Kinderpornografie angemessen zu verschärfen. Die Herausforderung besteht aus Sicht des Bundesrates darin, die Neuregelung der §§ 184b, 184c, 201a StGB-E mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtssicher auszugestalten. Vor diesem Hintergrund bittet der Bundesrat die Bundesregierung, die nachfolgenden Aspekte ergänzend zu prüfen:

Einer näheren Überprüfung bedarf die Formulierung der "unnatürlich geschlechtsbetonten Körperhaltung" insbesondere darauf, ob sie den verfassungsrechtlichen Vorgaben, die aus dem Bestimmtheitsgebot für Strafgesetze folgen, entspricht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich um eine aus dem Jugendschutzgesetz (§ 15 Absatz 2 Nummer 4 JuSchG) übernommene Formulierung handelt. Strafvorschriften unterliegen mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz höheren, sich aus Artikel 103 Absatz 2 GG ergebenden Anforderungen als andere Normen.

Ähnliches dürfte hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes für die vorgesehene Regelung in § 201a Absatz 1 StGB-E gelten, wonach bestraft wird, "wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, oder unbefugt eine Bildaufnahme von einer unbekleideten anderen Person herstellt oder überträgt". Dieser Straftatbestand sollte vor dem Hintergrund des Artikels 20 Absatz 3 GG (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) dahin gehend überprüft werden, dass mit dem Mittel des Strafrechts nur Handlungsweisen erfasst werden, die sozial inadäquat sind.

* Ziffern 4 und 11 werden bei gemeinsamer Annahme durch das Plenum redaktionell zusammengeführt.

5. Zu Artikel 1 Nummer 14 (§ 184b Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b StGB)

In Artikel 1 Nummer 14 ist § 184b Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b wie folgt zu fassen:

Begründung:

Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene und in ihrer Zielrichtung zu begrüßende Ausdehnung des Begriffs der kinderpornographischen Schrift (§ 184b Absatz 1 Nummer 1 StGB-E) enthält keine hinreichende, alle strafwürdigen Fälle der Kinderpornographie erfassende Erweiterung und bedarf daher der Änderung.

Soweit in der Begründung ausgeführt wird, dass durch die in § 184b Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b StGB-E vorgesehene Ausdehnung auch unwillkürlich eingenommene geschlechtsbetonte Körperhaltungen, etwa durch ein schlafendes Kind, strafrechtlich erfasst werden könnten (vgl. Begründung zu § 184b Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b StGB-E; BR-Drucksache 422/14 (PDF), Seite 33 f.), begegnet dies im Lichte des Bestimmtheitsgrundsatzes (Artikel 103 Absatz 2 GG) durchgreifenden Bedenken. Denn die Intimaufnahme eines entkleideten schlafenden Kindes muss dieses nicht notwendig in einer unnatürlichen geschlechtsbetonten Körperhaltung zeigen. Geschlechtsbetont ist vielmehr der Fokus der Aufnahme.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung berücksichtigt nicht hinreichend, dass sich die unnatürliche, geschlechtsbetonte Körperhaltung zumeist aus einer aktiven Handlung des Kindes ergibt, weswegen bereits nach geltendem Recht regelmäßig auch die Voraussetzungen einer kinderpornographischen Schrift i.S.d. § 184b StGB erfüllt sein dürften - dahingehend auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung an anderer Stelle (vgl. Entwurfsbegründung zu § 201a StGB-E; vgl. BR-Drucksache 422/14 (PDF), Seite 42 unten); nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird bereits derzeit das Posieren in sexualbetonter Körperhaltung erfasst, siehe etwa BGH, Beschluss vom 21. November 2013 - 2 StR 459/13, Rnr. 6. Umgekehrt wird auch eine solche Körperhaltung regelmäßig nicht anzunehmen sein, wenn auf der Darstellung eine Handlung des Kindes nicht festgestellt werden kann. Ungelöst bleibt damit auch das Problem der Nahaufnahmen von Genitalien, in denen eine Handlungskomponente nicht erkennbar ist, die aber zu (primär) sexuellen Zwecken aufgenommen wurden und daher dem unionsrechtlichen Begriff der Kinderpornographie unterfallen (vgl. Artikel 2 Buchstabe c Doppelbuchstabe ii der Richtlinie 2011/93/EU des Rates der Europäischen Union vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornographie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI, ABl. L 3 3 5/1 vom 17. Dezember 2011; ferner Artikel 20 Absatz 2 des Übereinkommens des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch vom 25. Oktober 2007, ETS 201).

Darüber hinaus ist die Anlehnung an die Formulierungen in § 15 Absatz 2 Nummer 4 JuSchG ("unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung") und § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 9 JMStV ("unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung") nicht unproblematisch, da die Regelungen dort in der Praxis eine sehr weite Auslegung erfahren haben. Nicht zuletzt wirft auch die im Gesetzentwurf enthaltene Formulierung des "teilweise unbekleideten Kindes" schwierige Abgrenzungsfragen auf, zu denen sich auch die Begründung des Regierungsentwurfs nicht verhält.

Zur Ergänzung des bisherigen, defizitären Begriffs der kinderpornographischen Schrift und gleichzeitig in Ersetzung der im Gesetzentwurf der Bundesregierung in § 184b Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b StGB-E vorgesehenen Fassung sollte daher eine Formulierung gewählt werden, die dem Regelungsvorschlag Bayerns für ein Gesetz zum verbesserten Schutz von Kindern bei Nacktaufnahmen (vgl. BR-Drucksache 127/14 (PDF) ) entnommen ist. Die hier vorgeschlagene Änderung schließt die Lücken des bisherigen Rechts und begegnet den bisherigen Schwierigkeiten bei der Feststellung, ob und wann sich aus der Darstellung selbst eine aktive, willensgetragene Handlung des Kindes ergibt. Zugleich berücksichtigt sie die europäischen und internationalen Vorgaben zur Strafbarkeit der Kinderpornographie.

Der Begriff der aufreizenden Darstellung stellt auf den Ersteller der Abbildung ab, also auf Aspekte wie Bildkomposition, Kameraperspektive, Bildausschnitt, Zooming und so weiter, und nicht (nur) auf die Haltung oder Handlung des abgebildeten Kindes. Ob das Kind eine Handlung vornimmt oder einfach nur in einem bestimmten "Zustand" abgebildet wird (z.B. schlafend, bewusstlos, gefesselt) spielt keine Rolle. Das Merkmal der sexuell aufreizenden Darstellung impliziert eine bewusste Wahl des Motivs und eine (primär) sexuell konnotierte Fokussierung auf das nackte Kind und dessen (vollständig) entblößte Genitalien bzw. Gesäß. In Betracht kommen insbesondere solche primär sexualbezogenzweckhaften Abbildungen, die auf die Darstellung der Genitalien bzw. des Gesäßes reduziert und von anderen Lebensäußerungen gelöst sind (vgl. BR-Drucksache 127/14 (PDF), Seite 11 ff.).

6. Zu Artikel 1 Nummer 14 (§ 184b Absatz 3 StGB)

In Artikel 1 Nummer 14 ist in § 184b Absatz 3 das Wort "drei" durch das Wort "fünf" zu ersetzen.

Begründung:

Die in § 184b Absatz 3 StGB-E vorgesehene Anhebung des Strafrahmens für den Besitz und die Eigenbesitzverschaffung von kinderpornographischen Schriften auf bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe ist mit Blick auf das hochrangige Schutzgut des § 184b StGB - den (mittelbaren) Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch - und die wachsende Nachfrage nach aggressiven Formen kinderpornographischer Darstellungen auch von Klein- und Kleinstkindern immer noch zu niedrig bemessen.

Die kriminalistische Erfahrung hat gezeigt, dass aufgrund des mit dem Konsum kinderpornographischer Schriften eintretenden Gewöhnungseffekts die Suche nach neuen Stimuli die Nachfrage nach immer drastischeren Formen von Kinderpornographie provoziert. In der Praxis werden bei Konsumenten zudem nicht selten Dateien im dreistelligen Gigabyte-Bereich auf Datenträgern festgestellt. Insbesondere dann, wenn es sich um einen bereits einschlägig in Erscheinung getretenen Täter und/oder um besonders aggressive Formen kinderpornographischer Darstellungen handelt, wird der in § 184b Absatz 3 StGB vorgesehene Strafrahmen dem Unrechtsgehalt nicht mehr gerecht.

Normzweck des § 184b Absatz 3 StGB-E ist es, neben der Verhinderung von Nachahmungseffekten, den Markt für kinderpornographische Produkte zu bekämpfen. Eine Vergrößerung der Nachfrage nach kinderpornografischen Schriften - sei sie erfolgreich oder nicht - führt zu einer Vergrößerung des entsprechenden Angebots. Die Vergrößerung des Angebots führt letztlich zu einem vermehrten realen Missbrauch von Kindern.

Mit Blick auf diesen Normzweck des § 184b Absatz 3 StGB-E erscheint es aber nicht gerechtfertigt, denjenigen, der einem anderen ein kinderpornografisches Bild verschafft, anders zu beurteilen, als denjenigen der sich selbst ein solches Bild verschafft. Beide sind am Marktgeschehen in gleicher Weise beteiligt. Vergleichbar muss auch der Eigenbesitz von Kinderpornographie behandelt werden, da dem Besitz - gerade in den Fällen des massenhaften Besitzes von Kinderpornographie - regelmäßig eine Teilnahme am Marktgeschehen vorangegangen ist.

§ 184b Absatz 1 Nummer 2 StGB-E (entspricht § 184b Absatz 2 StGB) sieht jedoch für die Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Schriften einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren und § 184b Absatz 3 StGB-E für die Eigenbesitzverschaffung und den Besitz nur einen solchen von bis zu drei Jahren vor.

Eine Begründung für diese Staffelung der Strafrahmen erfolgt in der Begründung des Gesetzentwurfs nicht. Die Erhöhung des Strafrahmens von zwei auf drei Jahre soll nach der Begründung des Gesetzentwurfs den Unrechtsgehalt der Eigenbesitzverschaffung und des Besitzes kinderpornografischer Schriften stärker betonen und im Übrigen verstärkt generalpräventiv wirken. Diese beiden Ziele werden durch eine Anhebung des Strafrahmens auf bis zu fünf Jahre jedoch noch besser gewährleistet.

Angesichts des Gewichts des geschützten Rechtsguts - dem (mittelbaren) Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch - und der fehlenden Rechtfertigung der unterschiedlichen Strafrahmen erscheint daher ein einheitlicher Höchststrafrahmen von bis zu fünf Jahren für die Eigen- und die Drittbesitzverschaffung sowie den Besitz kinderpornografischer Schriften angezeigt.

Taten, die den sexuellen Missbrauch von Kindern fördern - und sei dies nur mittelbar - sollten im Übrigen deutlich als Straftaten von erheblicher Bedeutung gekennzeichnet sein.

Nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z.B. BVerfG, NJW 2009, 2431, 2435) liegt eine Straftat von erheblicher Bedeutung vor, wenn sie mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen.

Diese Merkmale sollten bei Taten, die den sexuellen Missbrauch von Kindern fördern, uneingeschränkt bejaht werden können.

Das Bundesverfassungsgericht zählt jedoch Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, nicht mehr ohne Weiteres zu dem Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung (BVerfG, a. a. O.).

Auch aus diesem Grund erscheint der Strafrahmen des § 184b Absatz 3 StGB-E änderungsbedürftig.

Mit der Qualifizierung aller in § 184b StGB aufgeführten Tatvarianten als regelmäßig "erhebliche" Straftaten würden den Strafverfolgungsbehörden weitergehende - und von der staatsanwaltlichen Praxis geforderte - strafprozessuale Möglichkeiten zur Bekämpfung der Kinderpornographie zur Verfügung stehen. Die Erhebung von Verkehrsdaten gemäß § 1 00g StPO, die zur Ermittlung der Täter meist dringend erforderlich ist, wäre demnach eher möglich.

Wenn kinderpornografische Inhalte stärker bekämpft werden sollen, dann sollten den Strafverfolgungsbehörden auch die Mittel zur Verfügung gestellt werden, um dieses Ziel zu erreichen. Aus diesem Grund sollte der Strafrahmen des § 184b Absatz 3 StGB-E von drei auf fünf Jahre angehoben werden.

7. Zu Artikel 1 Nummer 14 (§§ 184b Absatz 4 und 184c Absatz 5 StGB)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens den Regelungsinhalt der §§ 184b Absatz 4 und 184c Absatz 5 StGB-E zu überprüfen.

Begründung:

Der Gesetzentwurf sieht in § 184b Absatz 4 StGB-E eine Regelung zur Versuchsstrafbarkeit vor, die nach dem zweiten Halbsatz nicht für Taten nach Absatz 1 Nummer 2 und 4 sowie Absatz 3 der Norm gelten soll.

Diese Formulierung ist in ihrem Regelungsgehalt nicht eindeutig.

Zu verstehen sein könnte sie dahin, dass eine Anwendbarkeit des ersten Halbsatzes ausgeschlossen werden soll. Der Wortlaut ("dies gilt nicht") lässt aber auch eine Auslegung dahin zu, dass die grundsätzlich gegebene Versuchsstrafbarkeit im Rahmen von nach Absatz 1 Nummer 2 und 4 sowie Absatz 3 als Unternehmensdelikt ausgestalteten Taten eingeschränkt wird.

Da nach der Begründung des Gesetzentwurfs ersteres gewollt sein dürfte, könnte sich eine, dies klarer zum Ausdruck bringende Formulierung anbieten.

Dieselbe Problematik stellt sich in § 184c Absatz 5 StGB-E.

8. Zu Artikel 1 Nummer 14 (§ 184b Absatz 6 Satz 2 StGB)

In Artikel 1 Nummer 14 sind in § 184b Absatz 6 Satz 2 nach der Angabe "Nummer 2" ein Komma und die Angabe "Nummer 3" einzufügen.

Begründung:

Werden kinderpornografische Schriften, die ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, hergestellt, müssen Gegenstände, die sich auf eine solche Straftat beziehen, eingezogen werden.

9. Zu Artikel 1 Nummer 14 (§ 184c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b StGB)

In Artikel 1 Nummer 14 ist § 184c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b wie folgt zu fassen:

"b) eine sexuell aufreizende Darstellung der entblößten Genitalien oder des entblößten Gesäßes einer solchen Person zum Gegenstand hat,"

Begründung:

Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene und in ihrer Zielrichtung zu begrüßende Ausdehnung des Begriffs der jugendpornographischen Schrift (§ 184c Absatz 1 Nummer 1 StGB-E) enthält keine hinreichende, alle strafwürdigen Fälle der Jugendpornographie erfassende Erweiterung und bedarf daher der Änderung.

Die Begründung des Gesetzentwurfs verweist insoweit lediglich auf die Begründung zu § 184b Absatz 1 Nummer 1 StGB-E (vgl. Begründung zu § 184c Absatz 1 Nummer 1 und Nummer 2 StGB-E; BR-Drucksache 422/14 (PDF), Seite 37). Soweit insoweit ausgeführt wird, dass durch die in § 184b Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b StGB-E erfolgte Ausdehnung auch unwillkürlich eingenommene geschlechtsbetonte Körperhaltungen, etwa durch ein schlafendes Kind, strafrechtlich erfasst werden könnten (vgl. Begründung zu § 184b Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b StGB-E; BR-Drucksache 422/14 (PDF), Seite 33 f.), begegnet dies im Lichte des Bestimmtheitsgrundsatzes (Artikel 103 Absatz 2 GG) durchgreifenden Bedenken. Denn die Intimaufnahme eines entkleideten schlafenden Kindes muss dieses nicht notwendig in einer unnatürlichen geschlechtsbetonten Körperhaltung zeigen. Geschlechtsbetont ist vielmehr der Fokus der Aufnahme.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung berücksichtigt nicht hinreichend, dass sich die unnatürliche, geschlechtsbetonte Körperhaltung zumeist aus einer aktiven Handlung des minderjährigen Opfers ergibt, weswegen bereits nach geltendem Recht regelmäßig auch die Voraussetzungen einer kinder- bzw. jugendpornographischen Schrift i.S.d. §§ 184b, 184c StGB erfüllt sein dürften (dahingehend auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung an anderer Stelle [vgl. Begründung zu § 201a StGB-E; BR-Drucksache 422/14 (PDF), Seite 42 unten]; nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird bereits derzeit das Posieren in sexualbetonter Körperhaltung erfasst, siehe etwa BGH, Beschluss vom 21. November 2013 - 2 StR 459/13, Rnr. 6). Umgekehrt wird auch eine solche Körperhaltung regelmäßig nicht anzunehmen sein, wenn auf der Darstellung eine Handlung des Opfers nicht festgestellt werden kann. Ungelöst bleibt damit auch das Problem der Nahaufnahmen von Genitalien, in denen eine Handlungskomponente nicht erkennbar ist, die aber zu (primär) sexuellen Zwecken aufgenommen wurden und daher dem unionsrechtlichen Begriff der Kinderpornographie unterfallen (vgl. Artikel 2 Buchstabe c Doppelbuchstabe ii der Richtlinie 2011/93/EU des Rates der Europäischen Union vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornographie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI, ABl. L 335/1 vom 17. Dezember 2011; ferner Artikel 20 Absatz 2 des Übereinkommens des Europarats vom 25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch, ETS 201; diese Regelungen unterscheiden nicht zwischen Minderjährigen unter vierzehn Jahren und solchen ab vierzehn Jahren, vgl. Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 2011/93/EU; Artikel 3 Buchstabe a Europaratsübereinkommen ETS 201).

Darüber hinaus ist die Anlehnung an die Formulierungen in § 15 Absatz 2 Nummer 4 JuSchG ("unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung") und § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 9 JMStV ("unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung") nicht unproblematisch, da die Regelungen dort in der Praxis eine sehr weite Auslegung erfahren haben. Nicht zuletzt wirft auch die im Gesetzentwurf enthaltene Formulierung der "teilweise unbekleideten" Person schwierige Abgrenzungsfragen auf, zu denen sich auch die Begründung des Gesetzentwurfs nicht verhält.

Zur Ergänzung des bisherigen, defizitären Begriffs der jugendpornographischen Schrift und gleichzeitig in Ersetzung der im Gesetzentwurf der Bundesregierung in § 184c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b StGB-E vorgesehenen Fassung sollte daher eine Formulierung gewählt werden, die dem Regelungsvorschlag Bayerns für ein Gesetz zum verbesserten Schutz von Kindern bei Nacktaufnahmen (vgl. BR-Drucksache 127/14 (PDF) ) entnommen ist. Die hier vorgeschlagene Änderung schließt die Lücken des bisherigen Rechts und begegnet den bisherigen Schwierigkeiten bei der Feststellung, ob und wann sich aus der Darstellung selbst eine aktive, willensgetragene Handlung des minderjährigen Opfers ergibt. Zugleich berücksichtigt sie die europäischen und internationalen Vorgaben zur Strafbewehrung der Kinderpornographie.

Der Begriff der aufreizenden Darstellung stellt auf den Ersteller der Abbildung ab, also auf Aspekte wie Bildkomposition, Kameraperspektive, Bildausschnitt, Zooming etc., und nicht (nur) auf die Haltung oder Handlung des abgebildeten Kindes. Ob das jugendliche Opfer eine Handlung vornimmt oder einfach nur in einem bestimmten "Zustand" abgebildet wird (z.B. schlafend, bewusstlos, gefesselt) spielt keine Rolle. Das Merkmal der sexuell aufreizenden Darstellung impliziert eine bewusste Wahl des Motivs und eine (primär) sexuell konnotierte Fokussierung auf das nackte jugendliche Opfer und dessen (vollständig) entblößte Genitalien bzw. Gesäß. In Betracht kommen insbesondere solche primär sexualbezogenzweckhaften Abbildungen, die auf die Darstellung der Genitalien bzw. des Gesäßes reduziert und von anderen Lebensäußerungen gelöst sind (vgl. BR-Drucksache 127/14 (PDF), Seite 13 i.V.m. Seite 11 f.).

10. Zu Artikel 1 Nummer 18 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb (§ 201a Absatz 1 Satz 2 StGB), Buchstabe d (§ 201a Absatz 6 - neu - StGB)

Artikel 1 Nummer 18 ist wie folgt zu ändern:

'd) Folgender Absatz 6 wird angefügt:

(6) Wer Bildaufnahmen, die die Nacktheit einer Person unter vierzehn Jahren zur Schau stellen,

Begründung:

Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung in § 201a StGB-E vorgesehene Stärkung des strafrechtlichen Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen von unbekleideten anderen Personen ist zwar in ihrer Zielrichtung zu begrüßen. Die hierzu in § 201a Absatz 1 Satz 2 Alternative 2 StGB-E vorgesehene Neuregelung ruft jedoch die Gefahr einer sehr weitgehenden Kriminalisierung hervor und wird, bezogen auf den strafwürdigen marktmäßigen Austausch von Kindernacktaufnahmen, auch dem Unrechtskern entsprechender Sachverhalte nicht hinreichend gerecht. Sie bedarf daher einer ersetzenden Neuregelung in einem neuen Absatz 6 des § 201a StGB.

Die in 201a Absatz 1 Satz 2 Alternative 2 StGB-E vorgesehene Strafbewehrung der Herstellung einer Bildaufnahme von einer unbekleideten anderen Person enthält keine Begrenzung auf Kinder oder Jugendliche. Auch auf die Frage gewerbsmäßigen Handelns oder des Handelns im Rahmen von Tauschbörsen kommt es nicht an. Von der Regelung erfasst sind auch Bildaufnahmen, in denen unbekleidete Personen gleichsam beiläufig mit in das Bild kommen, z.B. bei Aufnahmen am FKK-Strand, aber auch Bildaufnahmen von einem "Flitzer" bei Sportereignissen. Insoweit ist bereits das Herstellen der Aufnahme tatbestandsmäßig. Damit wird die Aufnahme der Nacktheit situationsunabhängig umfassend unter Strafe gestellt. Der Gesetzentwurf enthält zu dieser sehr weitgehenden Kriminalisierung praktisch keine Begründung, es wird vielmehr ein begrenzter Sachverhalt (Nacktaufnahmen von Kindern zur Befriedigung pädosexueller Bedürfnisse) zum Anlass und auch als Begründung für eine sehr weitreichende Regelung genommen. Aufgrund dessen verlagert sich die Abgrenzung von straflosem zu strafbarem Verhalten auf die Rechtfertigungsebene und den Begriff der "(Un-)Befugtheit".

Zu letzterem finden sich in dem Gesetzentwurf nur zur Frage der Einwilligung der Eltern nähere Ausführungen. Zwar wird in dem neu vorgesehenen Absatz 5 durch die Bezugnahme auf § 201 Absatz 2 Satz 3 StGB mit Blick auf die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit eine Rechtfertigung in Fällen der Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen ermöglicht. Doch erscheint dieser Maßstab zum einen überaus streng (so erscheint z.B. zweifelhaft, ob eine Fernsehreportage über das Strandleben ein überragendes öffentliches Interesse befriedigt). Zum anderen vermag er durch die Fokussierung auf "öffentliche" Interessen berechtigten privaten Belangen nicht hinreichend gerecht zu werden. Da außerhalb einer Einwilligung Rechtfertigungsgründe kaum je einschlägig sein dürften, besteht die Gefahr, dass die Strafbarkeit sich auch auf nicht strafwürdige Sachverhalte erstreckt. Abgesehen hiervon können durch die jeweilige Anknüpfung der Strafbarkeit an "unbefugtes" Handeln Nachweisschwierigkeiten gerade in den Fällen entstehen, in denen die abgebildeten Personen nicht bekannt sind und die Umstände der Herstellung, insbesondere eine etwaige Einwilligung und deren Reichweite, nicht aufzuklären sind.

Im Übrigen wäre nach dem Gesetzentwurf das Handeln der Nachfrageseite nur in den Fällen strafbar, in denen die Tathandlung des "Gebrauchens" i.S.d. § 201a Absatz 2 StGB erfüllt ist. Es erscheint zweifelhaft, ob hiermit jedenfalls für die Fälle von Kindernacktaufnahmen der Unrechtskern strafwürdigen Verhaltens erfasst ist: Bei Kindernacktaufnahmen sollte es für den Gesetzgeber entscheidendes Ziel sein zu verhindern, dass ein Marktplatz zum Handel und Austausch solcher Aufnahmen etabliert wird. Insoweit ist auch die Nachfrageseite klar zu erfassen, da aus der Nachfrage eine Verantwortlichkeit des Konsumenten für die Existenz eines entsprechenden Markts und der mit seiner Versorgung einhergehenden Rechtsverletzung erwächst. Hinsichtlich online gehandelter Aufnahmen mag man insoweit in extensiver Auslegung des - in der Rechtsprechung wenig geklärten - Begriffs des "Gebrauchens" zu sachgerechten Lösungen kommen können; zwingend ist eine solch weitgehende Auslegung auch hier jedoch keineswegs. Bei gegenständlichen Darstellungen erscheint es schwierig, sämtliche strafwürdigen Verhaltensweisen unter den Begriff des "Gebrauchens" zu subsumieren: Erwerbsbemühungen oder auch den Erwerb einer gegenständlichen Fotografie etwa wird man schwerlich als deren "Gebrauch" verstehen können.

Vor diesem Hintergrund sollte die im Gesetzentwurf der Bundesregierung in § 201a Absatz 1 Satz 2 StGB-E vorgesehene Kriminalisierung der Herstellung von Nacktaufnahmen gestrichen und einer, die strafwürdigen Sachverhalte klar umgrenzenden Neuregelung in einem neuen Absatz 6 zugeführt werden. Die hier vorgeschlagene Änderung greift die Formulierung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Verbesserter Schutz von Kindern bei Nacktaufnahmen (BR-Drucksache 127/14 (PDF) ) auf. Dieser vermeidet die vorgenannten Schwierigkeiten konsequent, indem er allein auf die Bildaufnahmen abstellt, die die Nacktheit von Kindern zur Schau stellen und insoweit auch nur bestimmte, besonders sozialschädliche Tathandlungen erfasst. Da Kinder nicht einwilligungsfähig sind und eine etwaige Zustimmung der Eltern bei einer Weiterverbreitung gegen Entgelt oder im Rahmen von Tauschsystemen rechtsmissbräuchlich wäre, kommt es auf die Frage der Befugnis zur Herstellung und Weiterverbreitung hier nicht an. Damit werden Nachweisschwierigkeiten vermieden. Zugleich wird auch die Nachfrageseite von der Strafnorm klar erfasst und damit die Entwicklung eines Marktplatzes, auf dem Nacktbilder von Kindern gehandelt und getauscht werden, verhindert. Hinsichtlich aller Einzelheiten kann auf die ausführliche Begründung des Gesetzentwurfs in BR-Drucksache 127/14 (PDF), Seite 14 ff., Bezug genommen werden.

11. Zu Artikel 1 Nummer 18 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb (§ 201a Absatz 1 StGB*)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen dem Bestimmtheitsgebot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.

Begründung:

Der Bundesrat begrüßt ausdrücklich die hinter den Regelungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (§§ 184b und 184c sowie § 201a Absatz 1 StGB) stehende Intention, das Strafrecht im Bereich der Kinderpornografie angemessen zu verschärfen. Die Herausforderung besteht aus Sicht des Bundesrates darin, die Neuregelung der §§ 184b, 184c, 201a StGB-E mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtssicher auszugestalten. Vor diesem Hintergrund bittet der Bundesrat die Bundesregierung, die nachfolgenden Aspekte ergänzend zu prüfen:

Einer näheren Überprüfung bedarf die Formulierung der "unnatürlich geschlechtsbetonten Körperhaltung" insbesondere darauf, ob sie den verfassungsrechtlichen Vorgaben, die aus dem Bestimmtheitsgebot für Strafgesetze folgen, entspricht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich um eine aus dem Jugendschutzgesetz (§ 15 Absatz 2 Nummer 4 JuSchG) übernommene Formulierung handelt. Strafvorschriften unterliegen mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz höheren, sich aus Artikel 103 Absatz 2 GG ergebenden Anforderungen als andere Normen.

Ähnliches dürfte hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes für die vorgesehene Regelung in § 201a Absatz 1 StGB-E gelten, wonach bestraft wird, "wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, oder unbefugt eine Bildaufnahme von einer unbekleideten anderen Person herstellt oder überträgt". Dieser Straftatbestand sollte vor dem Hintergrund des Artikels 20 Absatz 3 GG (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) dahin gehend überprüft werden, dass mit dem Mittel des Strafrechts nur Handlungsweisen erfasst werden, die sozial inadäquat sind.

12. Zu Artikel 1 Nummer 18 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb (§ 201a Absatz 1 Satz 2 StGB)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die in § 201a Absatz 1 Satz 2 StGB-E vorgesehene Formulierung alle strafwürdigen Fälle von Bildaufnahmen, wie insbesondere Aufnahmen unter den Rock von Frauen oder das Fotografieren von Unfall- oder Gewaltopfern, erfasst.

Begründung:

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung verfolgt mit der vorgesehenen Ergänzung der Regelung in § 201a Absatz 1 StGB-E die zu begrüßende Zielsetzung, den Schutz der Persönlichkeitsrechte zu stärken. Gleichwohl bleibt insoweit zweifelhaft, ob die gewählte, in ihrer Unbestimmtheit und Weite nicht unbedenkliche Formulierung auch tatsächlich geeignet ist, die durch die räumliche Begrenzung in § 201a Absatz 1 StGB-E gelassenen Strafbarkeitslücken nicht nur partiell zu schließen. Zwar betrifft sie auch Bildaufnahmen außerhalb geschützter Räumlichkeiten, erfasst aber nicht Fallgestaltungen, in denen zwar (außerhalb von Nacktaufnahmen) der höchstpersönliche Lebensbereich verletzt ist, den Bildaufnahmen jedoch nicht die Eignung immanent ist, "dem Ansehen erheblich schaden zu können".

Dies gilt insbesondere für die praktisch bedeutsamen Fälle, in denen Personen außerhalb von gegen Einblicke besonders geschützter Räumlichkeiten Frauen unter deren Rock fotografieren oder filmen, etwa auf Rolltreppen oder bei Volksfesten. Auf der Grundlage geltenden Rechts haben Gerichte dieses Verhalten teilweise als strafbare Beleidigung gewertet, wohl überwiegend aber die Täter freigesprochen oder nur wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 118 OWiG verurteilt (vgl. etwa OLG Nürnberg, NStZ 2011, 217 f.). Entsprechendes Verhalten erscheint jedoch strafwürdig und strafbedürftig und sollte daher in einer Strafvorschrift zweifelsfrei unter Strafe gestellt werden. Auf der Grundlage der mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgeschlagenen Ergänzung des Absatzes 1 von § 201a StGB erscheint dies jedoch nicht sicher gewährleistet. Entsprechende Bildaufnahmen stellen zwar eine erhebliche Persönlichkeitsverletzung dar, dürften aber nicht notwendig als ansehensschädlich im Sinne des Gesetzentwurfs einzuordnen sein (es geht um Befriedigung voyeuristischer Triebe, nicht um blamierende, bloßstellende Bildaufnahmen; außerdem ist fraglich, ob dem Ansehen eines Opfers geschadet werden kann, wenn es auf der Aufnahme nicht erkennbar ist).

Eine weitere praktisch wichtige Fallgruppe betrifft Bildaufnahmen, die Opfer von Gewalttaten oder Unfällen zum Gegenstand haben. Laut der Begründung (BR-Drucksache 422/14 (PDF), Seite 42) soll die in § 201a Absatz 1 StGB-E vorgesehene Ergänzung zwar auch Aufnahmen von Opfern von Gewalttaten erfassen, die verletzt und blutend auf dem Boden liegen. Ob dies durch die gewählte Formulierung gewährleistet ist, erscheint jedoch ebenfalls zweifelhaft. Denn auch wenn durch eine solche Abbildung die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen massiv beeinträchtigt werden, wird dadurch nicht notwendig seinem Ansehen geschadet, da es nicht ehrenrührig ist, Opfer einer Gewalttat zu sein. Gleiches gilt etwa für Fälle verletzter Unfallopfer, die nach Berichten aus der staatsanwaltschaftlichen Praxis immer häufiger gegen ihren Willen noch am Unfallort fotografiert oder gefilmt werden.

In diesem Zusammenhang muss überdies sichergestellt sein, dass auch Fälle strafrechtlich verfolgt werden können, bei denen der Betroffene (von Anfang an) nicht erkennbar ist, namentlich weil - wie in den Fällen der Aufnahmen unter den Rock - nur intime (Detail-)Aufnahmen vorliegen (vgl. zur in der Literatur umstrittenen Frage der Erkennbarkeit der "anderen" Person i.S.d. § 201a StGB: LK-Valerius, StGB, 12. Aufl. 2010, § 201a Rnr. 11; MüKo-Graf, StGB, 2. Aufl. 2012, § 201a Rnr. 20 einerseits; Koch, GA 2005, 589, 594 f.; Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, 2011, S. 34 f., andererseits).

* Ziffern 4 und 11 werden bei gemeinsamer Annahme durch das Plenum redaktionell zusammengeführt.