Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2010 zu der Mitteilung der Kommission "Aktionsplan im Bereich Organspende und -transplantation (2009-2015): Verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten" (2009/2104(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 106852 - vom 7. Juni 2010.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 19. Mai 2010 angenommen.

Stellungnahme des Bundesrates: Drucksache 964/08(B) HTML PDF

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass in der EU zurzeit 56 000 Patienten auf ein geeignetes Spenderorgan warten und Schätzungen zufolge täglich 12 Patienten sterben, während sie auf ein Transplantat warten,

B. in der Erwägung, dass der Bedarf der Patienten an Transplantaten in Europa aufgrund der begrenzten Anzahl verfügbarer Organe verstorbener oder uneigennütziger Lebendspender nicht gedeckt ist,

C. in der Erwägung, dass die in den einzelnen Mitgliedstaaten verzeichneten Raten an postmortalen Organspenden - mit 34,2 Spenden pro Million Einwohner in Spanien und 1,1 Spenden pro Million Einwohner in Bulgarien - große Abweichungen aufweisen, und dass der Organmangel die Transplantationsprogramme in wesentlichem Maße beeinträchtigt,

D. in der Erwägung, dass sich die einzelstaatliche Politik und der Regulierungsrahmen für Organspenden und Transplantationen in den einzelnen Mitgliedstaaten aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen, kulturellen, administrativen und organisatorischen Gegebenheiten wesentlich voneinander unterscheiden,

E. in der Erwägung, dass Organspende und -transplantation sensible und komplexe Sachverhalte sind, die auch wichtige ethische Aspekte umfassen, zu deren Weiterentwicklung die Mitwirkung der gesamten Gesellschaft und die Einbeziehung aller maßgeblichen Akteure gefordert ist,

F. in der Erwägung, dass Organtransplantationen die Möglichkeit bieten, Leben zu retten bzw. die Lebensqualität von Patienten zu verbessern, dass sie beispielsweise bei Nierentransplantationen im Vergleich zu anderen Ersatztherapien das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis bieten und es den Patienten ermöglichen, sich stärker am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen und einer Arbeit nachzugehen,

G. in der Erwägung, dass der Organaustausch zwischen den Mitgliedstaaten bereits gängige Praxis ist, wenngleich bei der Zahl der Organe, die zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten ausgetauscht werden, große Unterschiede bestehen, sowie in der Erwägung, dass der Austausch von Organen zwischen den Mitgliedstaaten durch den Aufbau von Einrichtungen für den internationalen Organaustausch, wie Eurotransplant und Scandiatransplant, wesentlich erleichtert wurde,

H. in der Erwägung, dass es derzeit weder eine Datenbank mit Informationen zu den für Spende und Transplantation vorgesehenen Organen oder zu Lebendspendern oder postmortalen Spenden in der gesamten Europäischen Union, noch ein gesamteuropäisches Zertifizierungssystem gibt, mit dem die Legalität von dem menschlichen Körper entnommenen Organen und Geweben bescheinigt werden kann,

I. in der Erwägung, dass es außer in Spanien nur in wenigen anderen Mitgliedstaaten gelungen ist, die Zahl postmortaler Organspenden wesentlich zu erhöhen, und dass nachgewiesen werden konnte, dass solche zahlenmäßigen Steigerungen auf die Einführung ganz bestimmter organisatorischer Verfahren zurückzuführen sind, die die Erkennung potenzieller Spender durch die Systeme ermöglichen und dazu beitragen, dass sich möglichst viele Menschen zur postmortalen Organspende bereiterklären,

J. in der Erwägung, dass mit der Richtlinie 2004/23/EG ein eindeutiger Rechtsrahmen für Organspenden und -transplantationen in der Europäischen Union festgelegt wird, der dazu führen wird, dass in jedem Mitgliedstaat eine zuständige nationale Behörde geschaffen oder benannt wird, damit die Einhaltung der einschlägigen Qualitäts- und Sicherheitsstandards der EU sichergestellt wird,

K. in der Erwägung, dass es sich bei Organhandel und Menschenhandel zum Zweck der Organentnahme um schwerwiegende Verstöße gegen die Menschenrechte handelt,

L. in der Erwägung, dass zwischen illegalem Organhandel und Menschenhandel zum Zweck der Organentnahme auf der einen und dem für Organspenden geltenden Rechtsrahmen auf der anderen Seite ein enger Zusammenhang besteht, weil einerseits der bei Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften bestehende Organmangel illegalen Machenschaften Vorschub leistet, und andererseits die illegalen Machenschaften die Glaubwürdigkeit der für die Organspende geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen schwer beschädigen,

M. in der Erwägung, dass die ablehnende Haltung gegenüber Organspenden in Europa unterschiedlich stark ausgeprägt ist, und dass dies möglicherweise damit zu erklären ist, dass das Ausbildungsniveau und der Kenntnisstand des medizinischen Personals in den Bereichen Kommunikation und Angehörigenbetreuung sehr unterschiedlich sind, in Bezug auf die Einwilligung zur Organspende und deren praktische Umsetzung verschiedene legislative Ansätze zur Anwendung kommen und weitere wichtige kulturelle, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Faktoren die gesellschaftliche Wahrnehmung der Vorzüge von Organspenden und -transplantationen beeinflussen,

N. in der Erwägung, dass bei Patienten, für die kein postmortal gespendetes Organ zur Transplantation zur Verfügung steht, Lebendspenden eine wertvolle zusätzliche Möglichkeit sein können, wobei jedoch betont werden muss, dass Lebendspenden nur in Erwägung gezogen werden dürfen, wenn illegale Handlungen oder eine Bezahlung im Zusammenhang mit der Spende absolut ausgeschlossen sind,

O. in der Erwägung, dass medizinische Eingriffe nur vorgenommen werden dürfen, wenn die betreffende Person sich freiwillig und in Kenntnis der Sachlage damit einverstanden erklärt hat; in der Erwägung, dass die betreffende Person vorab angemessen über den Zweck und die Art des Eingriffs sowie über dessen Folgen und Risiken aufgeklärt werden sollte, sowie in der Erwägung, dass die betreffende Person ihre Zustimmung jederzeit freiwillig zurückziehen kann,

P. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen müssen, dass zur Transplantation bestimmte Organe beim Verstorbenen erst entnommen werden dürfen, nachdem gemäß den geltenden einzelstaatlichen Bestimmungen der Tod festgestellt wurde,

Q. in der Erwägung, dass Lebendspenden eine Ergänzung zur postmortalen Spende darstellen sollten,

R. in der Erwägung, dass die therapeutische Verwendung von Organen mit der Gefahr der Übertragung ansteckender und anderer Krankheiten verbunden ist,

S. in der Erwägung, dass die steigende Lebenserwartung zu einer Verschlechterung der Organqualität führt und dadurch - auch in Mitgliedstaaten mit einer hohen Spenderzahl - weniger Transplantate eingesetzt werden können,

T. in der Erwägung, dass das öffentliche Bewusstsein und die öffentliche Meinung für die Steigerung der Organspenderaten eine überaus wichtige Rolle spielen,

U. in der Erwägung, dass die Öffentlichkeit durch die Arbeit, die Wohltätigkeitsverbände und andere ehrenamtliche Organisationen in den Mitgliedstaaten leisten, für diese Thematik sensibilisiert wird und dass die Bemühungen dieser Organisationen letztendlich dazu beitragen, dass die Zahl der als Organspender registrierten Personen steigt,