Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen
Entschließung des Bundesrates zur Erweiterung des Bergschadensrechts auf die Errichtung und den Betrieb von unterirdischen Kavernenspeichern sowie der Bergschadensvermutung auf die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen in Tagebaubetrieben und durch Tiefbohrungen

Die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen Düsseldorf, 23. September 2014

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stephan Weil

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Antrag für eine Entschließung des Bundesrates zur "Erweiterung des Bergschadensrechts auf die Errichtung und den Betrieb von unterirdischen Kavernenspeichern sowie der Bergschadensvermutung auf die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen in Tagebaubetrieben und durch Tiefbohrungen" zuzuleiten.

Ich bitte, den Entschließungsantrag gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung auf die Tagesordnung der Bundesratssitzung am 10. Oktober 2014 zu setzen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Hannelore Kraft

Entschließung des Bundesrates zur Erweiterung des Bergschadensrechts auf die Errichtung und den Betrieb von unterirdischen Kavernenspeichern sowie der Bergschadensvermutung auf die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen in Tagebaubetrieben und durch Tiefbohrungen

Begründung:

Die Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl, Erdgas und Erdwärme ist im Vergleich zur untertägigen Gewinnung von Bodenschätzen (z.B. Steinkohle oder Salzbergbau) weit weniger risikobehaftet, sogenannte Bergschäden zu erzeugen. Dennoch treten etwa seismische Ereignisse auf, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Einflüsse aus den Gewinnungstätigkeiten zurückzuführen sind. Ebenso ist bei der Errichtung und beim Betrieb von Kavernenspeicheranlagen mit Bodenabsenkungen zu rechnen, die ggf. zu Bergschäden führen können.

Durch den Betrieb von Braunkohlentagebauen selbst treten in der Regel keine Bergschäden auf. Jedoch ist für einen sicheren Betrieb von tiefen Braunkohletagebauen eine Absenkung des Grundwasserniveaus im Bereich und Umfeld dieser übertägigen Gewinnungsbetriebe erforderlich, die in besonderen Fällen zu schadenswirksamen Bodenbewegungen führen kann. Infolge dieser Grundwasserabsenkung treten in einem begrenzten Bereich gleichmäßige Bodenbewegungen auf, die grundsätzlich kaum schadensrelevant sind. Im Bereich von geologischen Anomalien (Auebereiche usw.) und hydraulisch wirksamen Störungen im Untergrund innerhalb des Einflussbereiches der Grundwasserabsenkung ist aber ein ungleichmäßiges Setzungsverhalten und damit das Auftreten von zum Teil erheblichen Bergschäden möglich. Gleiches kann auch für große Tagebaubetriebe gelten, die andere Bodenschätze gewinnen.

Das Bundesberggesetz sieht die Anwendung der Regelungen zu Bergschäden auf Kavernenspeicher nicht vor ( § 126 BBergG). Treten im Bereich der Kavernenspeicher Schäden auf, sind Schadensbetroffene allein auf die verschuldensabhängigen Schadensersatzregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs angewiesen und haben im Gegensatz zu Geschädigten etwa im Bereich der untertägigen Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen auch keinen Anspruch auf einen verschuldensunabhängigen Schadensersatz. Hinzu kommt, dass bei einem Haftungsausfall des ersatzpflichtigen Unternehmens Schadensbetroffene im Bereich der Kavernenspeicher - anders als Geschädigte im Bereich von Bergbaubetrieben, auf die das Bergschadensrecht Anwendung findet - keinen Ersatz über die Bergschadensausfallkasse erlangen können. Die im Bundesberggesetz getroffenen Regelungen zu Bergschäden sollten daher auch auf Kavernenspeicher Anwendung finden.

Das Bundesberggesetz (BBergG) enthält seit dem Inkrafttreten im Jahre 1982 klare Regelungen für Bergschäden, unter welchen Voraussetzungen beispielsweise für einen Gebäudeschaden eine bergbauliche Ursache vermutet werden kann, wenn das Gebäude im Einwirkungsbereich der untertägigen Aufsuchung oder Gewinnung eines Bergwerkes liegt ( § 120 BBergG - Bergschadensvermutung). Diese Regelungen gelten jedoch nicht für die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen durch Bohrlöcher, die Speicherung in Kavernen und die Braunkohlengewinnung, sodass im Umkehrschluss diese Bergbauzweige bisher aus dem Anwendungsbereich des § 120 BBergG ausgeschlossen sind.

Nach derzeitiger Rechtslage obliegt somit die Nachweisführung bei einem Schaden (z.B. Gebäudeschaden, Vernässung landwirtschaftlicher Flächen) - hervorgerufen beispielsweise durch Tätigkeiten zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas oder Erdwärme mittels Bohrungen (Stichwort: seismische Ereignisse) oder durch den Betrieb von Kavernenspeichern (Stichwort: Bodenabsenkungen) und Braunkohletagebauen (Stichwort: geologische Anomalien und hydraulisch wirksame Störlinien innerhalb des Grundwasserabsenkungsbereichs) - dem Geschädigten. Die geltenden

Schadens- und Haftungsregelungen im Bergrecht entlasten die Schadensbetroffen lediglich im Bereich des untertägigen Bergbaus von der Nachweisführung eines Bergschadens und sind auf Speicherbetriebe - jedenfalls bei enger Anlehnung an den Wortlaut des Gesetzes - von vorn herein nicht anwendbar.

Diese Situation ist für Schadensbetroffene im Bereich des Bohrlochbergbaus, der Speicherbetriebe und im Bereich von Tagebauen, soweit damit schadenswirksame Bodenbewegungen im Umfeld der Tagebaubetriebe insbesondere durch großflächige Grundwasserabsenkungen oder Erschütterungen verbunden sind, nicht weiter hinnehmbar. Die Nachweisführung eines Bergschadens durch den Geschädigten in diesen Bereichen ist in der Regel weitaus schwieriger als im Einwirkungsbereich des untertägigen Bergbaus, da zum einen sehr komplexe unterirdische Vorgänge einen Bergschaden verursachen und zum anderen eine Vielzahl detaillierter Informationen u.a. des Bergbauunternehmers bei der Ermittlung der Schadensursache benötigt werden. Daher sollte Schadensbetroffenen im Bereich der Speicherbetriebe, des Bohrlochbergbaus und im Bereich von Tagebaubetrieben, soweit damit schadenswirksame Bodenbewegungen im Umfeld der Tagebaubetriebe insbesondere durch großflächige Grundwasserabsenkungen oder Erschütterungen verbunden sind, die gleiche Rechtsposition verschafft werden wie Schadensbetroffenen im Einwirkungsbereich des untertägigen Bergbaus. Die Ausweitung der Beweiserleichterungen ist aus Gründen der Gleichbehandlung konsequent und notwendig.

Die ggf. zusätzliche Belastung der Bergbauunternehmen ist auch nicht unverhältnismäßig. Der Umfang des auf der Grundlage der Regelungen im Bundesberggesetz zu leistenden Schadensersatzes dürfte sich kaum von dem Betrag unterscheiden, der auf der Grundlage der Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuches zu zahlen wäre. Der zusätzliche Aufwand, der Unternehmen mit einer etwaigen Entkräftung der Bergschadensvermutung entsteht, dürfte vergleichsweise gering sein, wenn für den Geltungsbereich der Bergschadensvermutung insbesondere für das Umfeld der Tagebaubetriebe angemessene und fachlich begründete Kriterien unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes festgelegt werden.

Die Festlegung, in welchen Bereichen bergbauliche Betriebe auf die Tagesoberfläche einwirken (Einwirkungsbereiche), erfolgt auf der Grundlage von § 67 Bundesberggesetz in der Bergverordnung über Einwirkungsbereiche (Einwirkungsbereichs-Bergverordnung - EinwirkungsBergV) vom 11. November 1982 (BGBl. I S. 1553, 1558). Diese bergrechtliche Verordnung ist mit der Änderung des Bundesberggesetz ebenfalls anzupassen. Diese Anpassung muss eine Erweiterung der Regelungen für die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen durch Tiefbohrungen, für den Betrieb von unterirdischen Kavernenspeichern und für solche Tagebaubetriebe, die insbesondere durch großflächige Grundwasserabsenkungen oder Erschütterungen schadenswirksame Bodenbewegungen an der Tagesoberfläche im Umfeld der Betriebe verursachen können, beinhalten.

Im Zuge der Änderung sind auch die bisherigen Regelungen für untertägige Aufsuchungs- und Gewinnungsbetriebe insbesondere des Steinkohlenbergbaus zu überarbeiten, da mittlerweile für den untertägigen Steinkohlenbergbau Erkenntnisse vorliegen, die nachweisen, dass die Einwirkungen über den prognostizierten Bodenbewegungsbereich hinausgehen können. Die in der Einwirkungsbereichs-Bergverordnung bisher bergschadenstechnisch definierten Einwirkungsbereiche für den untertägigen Steinkohlenbergbau genügen somit nicht mehr dem Stand der Technik und sind daher ebenfalls anzupassen.