Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. Mai 2010 zur Union für den Mittelmeerraum (2009/2215(INI))

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 20. Mai 2010 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass der Mittelmeerraum für die EU von zentraler Bedeutung ist und dass in einer multipolaren und durch Verflechtung geprägten Welt integrierte große regionale Einheiten am ehesten in der Lage sein werden, die sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen, ökologischen, demografischen, politischen und die Sicherheit betreffenden Herausforderungen zu bewältigen,

B. in der Erwägung, dass sich die Europäische Union eine strategische Vision zu Eigen machen muss, die all diesen Herausforderungen in den Beziehungen zu ihren südlichen Nachbarn Rechnung trägt, wobei der sozialen, wirtschaftlichen und demokratischen Entwicklung der Region Vorrang einzuräumen ist,

C. in der Erwägung, dass die Union nach Artikel 8 EUV besondere Beziehungen zu den Ländern in ihrer Nachbarschaft entwickelt, um einen Raum des Wohlstands und der guten Nachbarschaft zu schaffen, der auf den Werten der Union aufbaut und sich durch enge, friedliche Beziehungen auf der Grundlage der Zusammenarbeit auszeichnet,

D. in der Erwägung, dass es die Union für den Mittelmeerraum (UfM) gestattet, die regionale und multilaterale Dimension der Beziehungen zwischen Europa und den Mittelmeerländern weiter zu stärken und die Aussicht auf die Errichtung eines Raums des Friedens, der Sicherheit und des Wohlstands für 800 Millionen Bewohner wiederzubeleben, und den idealen Rahmen bietet, um die sozioökonomischen Herausforderungen zu bewältigen, die regionale Integration zu fördern und die gemeinsame Entwicklung der Partnerstaaten zu gewährleisten,

E. in der Erwägung, dass die Nachbarschaftspolitik aufgrund der vorrangigen Orientierung auf differenzierte bilaterale Beziehungen alleine nicht geeignet ist, zu einem gemeinsamen und umfassenden Reform- und Integrationsprozess in der Region beizutragen, in Erwägung der sich in diesem Rahmen durch die Gründung der UfM bietenden Gelegenheit, die Komplementarität zwischen den bilateralen Kooperationsmaßnahmen einerseits und den regionalen Maßnahmen andererseits zu verstärken, um die Ziele der Zusammenarbeit zwischen Europa und dem Mittelmeerraum, die auf der wechselseitigen Anerkennung gemeinsamer Werte wie der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der verantwortungsvollen Staatsführung und der Achtung der Menschenrechte beruhen, wirksamer umzusetzen, und in der Erwägung, dass es angebracht ist, darauf zu beharren, dass sich die Mitgliedstaaten verpflichten, die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) gemäß Artikel 8 des EUV kohärent und glaubwürdig zu verfolgen,

F. in der Erwägung, dass vom Besitzstand des Barcelona-Prozesses ausgegangen werden muss, dessen Ziele und Erfolge gemäß der Pariser Erklärung vom 13. Juli 2008 durch die UfM verstärkt werden müssen, und dass die vorhandenen politischen Instrumente und institutionellen Ebenen weder ausgeweitet noch zusammengelegt werden dürfen, damit die Effektivität und Kohärenz der zahlreichen Instrumente der Zusammenarbeit Europa-Mittelmeer gewahrt wird,

G. in der Erwägung, dass die Mittelmeerländer seit rund fünfzehn Jahren eine rasche Diversifizierung ihrer Handels- und Wirtschaftsbeziehungen (z.B. mit Russland, China, Brasilien und den Golfstaaten) erleben und dass ihre Gesellschaften wesentliche Veränderungen (Konsumverhalten, Mobilität, demografischer Übergang usw.) durchlaufen, die nicht ohne Folge für das innere Gleichgewicht, insbesondere das territoriale Gleichgewicht, bleiben,

H. in der Erwägung, dass der begrenzte kulturelle Austausch allein die Völker des Mittelmeers einander nicht näherbringen kann und dass Europa in kultureller Hinsicht für seine Mittelmeerpartner allmählich an Bedeutung einbüßt,

I. in Erwägung der erheblichen zunehmenden Ungleichheiten zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den Drittländern des Mittelmeerraums sowie der beunruhigenden strukturellen Schwierigkeiten sozioökonomischer und institutioneller Art, die im gemeinsamen Interesse aller Mitgliedstaaten der UfM nach entschlossenen gemeinsamen Antworten verlangen; in der Erwägung, dass das wirtschaftliche Wachstumspotenzial der Drittländer des Mittelmeerraums in dieser Hinsicht ermutigt; in Erwägung der Notwendigkeit einer besseren regionalen Süd-Süd-Integration,

J. in der Erwägung, dass der regionale Kontext, in dem sich die UfM gestaltet, von Konflikten und politischen Spannungen gekennzeichnet bleibt, die ein Vorankommen seit dem Gipfel von Paris vom Juli 2008 untergraben und verzögert haben, in der Erwägung, dass der Friedensprozess im Nahen Osten zum Stillstand gekommen ist,

K. in der Erwägung, dass die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise die in den Partnerländern bereits bestehenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Problem der Arbeitslosigkeit, verstärkt haben; in der Erwägung, dass es im gemeinsamen Interesse dieser Länder und der EU liegt, die Arbeitslosenraten in der Region zu verringern und ihrer Bevölkerung, insbesondere den Frauen, jungen Menschen und der ländlichen Bevölkerung, Hoffnung für die Zukunft zu vermitteln,

L. in der Erwägung, dass die Wiederaufnahme des Friedensprozesses im Nahen Osten und die konkreten Aussichten auf eine dauerhafte umfassende Lösung für die Entwicklung der Beziehungen zwischen Europa und dem Mittelmeerraum sowie für das Funktionieren und die Umsetzung der Projekte der UfM von größter Bedeutung sind,

M. in der Erwägung, dass die beiden wesentlichen Neuerungen der UfM - die institutionelle (Ko-Präsidentschaft, gemeinsamer ständiger Ausschuss, Sekretariat der UfM) und die operationelle Neuerung (Integrationsprojekte) - effizient und transparent funktionieren müssen, um die Lebensbedingungen der Bürger als der wichtigsten Nutznießer dieses Vorhabens zu verbessern,

N. in der Erwägung, dass das Generalsekretariat zur treibenden Kraft des Instruments bestimmt ist, dass seine Effizienz von der Fähigkeit seines Personals, unabhängig zu arbeiten, abhängen wird und dass darüber hinaus die Anwesenheit eines hohen israelischen und eines hohen palästinensischen Beamten, die in einer internationalen Organisation auf regionaler Ebene zusammenarbeiten, beispiellos und Hoffnung versprechend ist,

O. in der Erwägung, dass die Mittelmeerregionen von den transnationalen Herausforderungen, wie nachhaltige Entwicklung, Sicherheit der Energieversorgung, Migrationsströme sowie kultureller und touristischer Austausch, direkt betroffen sind und dass sie auch mit grenzübergreifenden Problematiken wie dem Wassermanagement und dem Zugang zum Wasser, der Umweltverschmutzung, der Entwicklung der Verkehrswege konfrontiert sind und dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften daher als Schaltstellen fungieren, wenn es um die Herausbildung einer nachhaltigen und an die lokalen Besonderheiten angepassten Territorialpolitik und die Durchführung konkreter und integrativer Projekte geht,

P. in der Erwägung, dass die Landwirtschaft in den Mittelmeerländern aufgrund ihrer sozioökonomischen Bedeutung, ihrer Umweltauswirkungen und ihrer Folgen für das territoriale Gleichgewicht eine große Herausforderung darstellt,

Q. in der Erwägung, dass sich auf den Süden des Mittelmeerbeckens und den Nahen Osten 60 % der an Wassermangel leidenden Weltbevölkerung konzentrieren und nach Berichten des UNDP über die arabische Welt und dem Aktionsplan für den Mittelmeerraum ("Blue Plan") 63 Millionen Menschen bis zum Jahr 2025 von Wasserknappheit betroffen sein könnten,

R. unter Hinweis auf den Beschluss der Ministerkonferenz der UfM vom 4. November 2008 in Marseille, die digitale Kluft zwischen den beiden Seiten des Mittelmeers zu verringern, der zu dem Vorschlag für "BB-MED" (Breitbanddienste für den Mittelmeerraum) führte,

S. in der Erwägung, dass die im Rahmen der UfM angekündigten Projekte in diesem Stadium seit dem Gipfel von Paris an einer allgemeinen Unterfinanzierung leiden, die ihre Umsetzung zu verzögern droht,

T. in Erwägung der großen Migrationsströme und der verschiedenen Herausforderungen, die sie in menschlicher, sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht auf beiden Seiten des Mittelmeers mit sich bringen,

U. in Erwägung der immensen Bedeutung der Geldströme, die von den Migranten durch Rücküberweisung zu den Bevölkerungen der Länder des südlichen Mittelmeerraums fließen,

V. in Erwägung sowohl des kürzlichen Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon und der damit verbundenen institutionellen Änderungen als auch der nach wie vor ungeklärten Fragen bezüglich der Arbeitsweise und Finanzierung der UfM, die das Europäische Parlament zum Anlass nimmt, die Entwicklungen der UfM eingehend zu verfolgen, um seinen Beitrag zum vollen Erfolg des Gipfels von Barcelona zu leisten,