Antrag des Freistaates Bayern
Entschließung des Bundesrates zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln

Der Bayerische Ministerpräsident München, den 17. Juni 2008

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich die als Anlage beigefügte


mit dem Antrag, dass der Bundesrat diese fassen möge.
Ich bitte, den Entschließungsantrag unter Wahrung der Rechte aus § 23 Abs. 3 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates gemäß § 36 Abs. 2 GOBR auf die Tagesordnung der 846. Sitzung am 4. Juli 2008 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Günther Beckstein

Entschließung des Bundesrates zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, angesichts der manifest gewordenen und noch zu erwartenden Probleme beim Versandhandel mit Arzneimitteln in einem Gesetzgebungsverfahren unverzüglich, spätestens im Zuge der 15. AMG-Novelle den seit 01.01.2004 zugelassenen Versandhandel mit Arzneimitteln auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu beschränken.

Begründung

Seit dem 01.01.2004 können alle verkehrsfähigen Arzneimittel an die Verbraucherinnen und Verbraucher auch im Wege des Versandhandels abgegeben werden. Nach nunmehr fast vierjähriger Erfahrung mit dem Versandhandel ist festzustellen, dass die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung durch ein flächendeckendes Netz von Apotheken gefährdet, die Sicherheit bei der Arzneimittelabgabe, insbesondere durch neue Vertriebswege wie die Einschaltung gewerblicher Abholstellen nicht gewährleistet ist und auch keine Effizienzen für die Gesundheitsversorgung erreicht wurden.

So ist die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der sicheren und ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung dadurch in Frage gestellt, dass die überregionale Versorgung durch Versandapotheken, insbesondere aus dem europäischen Ausland den Bestand von kleineren Apotheken im strukturschwachen ländlichen Raum gefährdet.

Gesetzlich der Präsenzapotheke auferlegte Gemeinwohlpflichten wie die regionale Versorgung in dringenden Fällen, insbesondere in Notfällen (Nacht- und Wochenenddienste), die Herstellung von patientenindividuellen Rezepturen sowie die ausreichende Bevorratung mit einem Vollsortiment könnten nicht mehr gewährleistet werden.

Durch die grundsätzliche Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln konnten illegale Versandhändler ihre Vertriebsaktivitäten weiter ausbauen, was inzwischen im Bericht des Bundeskriminalamts, Erscheinungsdatum 30.10.2007, ausdrücklich festgestellt wurde. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind nämlich bei Internetbestellungen nicht in der Lage, legale von illegalen Anbietern zu unterscheiden. Insbesondere bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln stellen gefälschte Produkte, die bei illegalen Anbietern häufig erworben werden, ein großes Gesundheitsrisiko dar.

Neben der Internetbestellung hat sich die Einbindung gewerblicher Hilfsdienste etabliert, deren Rechtmäßigkeit vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt wurde. Damit schließt der Versandhandel das unkontrollierte Einsammeln von Verschreibungen sowie die unkontrollierte Ausgabe der bestellten Ware außerhalb von Apotheken mit ein. Die Sicherheit der Arzneimittel ist bei diesen neuen Vertriebswegen jedoch nicht mehr gewährleistet, insbesondere haben sich die Gefährdungspotenziale durch ggf. unsachgemäße Lagerung bei gewerblichen Abholstellen erhöht. Dies ist aber bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit ihrem die Verschreibungspflicht rechtfertigendem höherem Gefährdungspotenzial und dem damit verbundenem Beratungsbedarf nicht hinnehmbar.

Schließlich ist festzustellen, dass der innerdeutsche Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bisher keine wesentlichen Kostenersparnisse für das Gesundheitswesen gebracht hat, da auch im Versandhandel nur zum einheitlichen Apothekenabgabepreis abgerechnet werden kann. Es ist im Gegenteil eher davon auszugehen dass es zu Mehrausgaben wegen der intensiven Werbung für die Inanspruchnahme des europäischen Versandhandels mit Gutscheinen oder Zuzahlungsbefreiungen für die Besteller gekommen ist, die am Ende von der Solidargemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten getragen werden.

Den manifest gewordenen Gefahren ist durch eine Einschränkung des Versandhandels auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu begegnen. Während ein generelles nationales Verbot des Versandhandels mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 11.12.2003 Rs. C-322/01) gegen die Warenverkehrsfreiheit verstößt, hat der EuGH ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus Gründen des Gesundheitsschutzes und zur Regulierung der medizinischen Versorgung ausdrücklich als gerechtfertigt angesehen.