Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes über die diamorphingestützte Substitutionsbehandlung

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen

Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes über die diamorphingestützte Substitutionsbehandlung

Der Bundesrat hat in seiner 836. Sitzung am 21. September 2007 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.

Anlage
Entwurf eines Gesetzes über die diamorphingestützte Substitutionsbehandlung

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Betäubungsmittelgesetzes

Das Betäubungsmittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung des Arzneimittelgesetzes

Das Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Änderung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung

Die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung vom 20. Januar 1998 (BGBl. I S. 74, 80), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 4
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

Allgemeiner Teil

Ausgangslage

Die klinische Arzneimittelstudie "Das bundesdeutsche Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger - eine multizentrische, randomisierte, kontrollierte Therapiestudie", die in den Jahren 2001 bis 2006 gemeinsam vom Bundesministerium für Gesundheit, von den Städten Bonn, Frankfurt, Hannover, Karlsruhe, Köln und München sowie den Ländern Hamburg, Hessen, Niedersachsen, und Nordrhein-Westfalen durchgeführt und finanziert und durch die Bundesärztekammer beratend begleitet wurde und in der über 1 000 schwerst-opiatabhängige Patientinnen und Patienten behandelt wurden, hat untersucht, ob diese Zielgruppe durch eine diamorphingestützte Behandlung besser erreicht und gesundheitlich sowie sozial besser stabilisiert werden kann als durch die herkömmliche Behandlung mit Methadon. Um einen Vergleich dieser Behandlungsmethoden zu ermöglichen, wurde die Hälfte der Patientinnen und Patienten mit Diamorphin, die andere Hälfte mit Methadon behandelt. Überprüft wurde auch, inwiefern die Patientinnen und Patienten in der Behandlung gehalten und zur Aufnahme weiterführender Therapien motiviert werden können und ob das Angebot sinnvoll in das bestehende Drogenhilfesystem integriert werden kann. Neben der medikamentösen Behandlung wurden die Patientinnen und Patienten psychosozial betreut.

Die klinische Studie kam zu dem Ergebnis, dass in beiden Behandlungsgruppen eine deutliche gesundheitliche Verbesserung und ein Rückgang des illegalen Drogenkonsums erreicht wurde, dass aber die Diamorphin-Behandlung bei der speziellen Zielgruppe dieser Studie (Schwerst-Opiatabhängige) bezüglich der gesundheitlichen Verbesserung und des Rückgangs des illegalen Drogenkonsums zu signifikant größeren Effekten als die Methadonbehandlung führte.

Ziel und Gegenstand des Gesetzentwurfs

Mit dem Gesetzentwurf sollen die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Diamorphin im Falle seiner Zulassung als Arzneimittel im Rahmen der Substitutionsbehandlung von Schwerst-Opiatabhängigen eingesetzt werden kann. Zu diesem Zweck ist erforderlich,

Dabei setzt der Entwurf die Erkenntnisse der Heroinstudie um und lehnt sich bei der Ausgestaltung der Substitutionsbehandlung mit Diamorphin stark an die Behandlungsmethode der Studie an. Außerdem berücksichtigt er die Empfehlungen des Sachverständigenausschusses für Betäubungsmittel nach § 1 Abs. 2 BtMG.

1. Herstellung der Verschreibungsfähigkeit

Diamorphin soll durch entsprechende Ergänzung der Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) insoweit verschreibungsfähig gemacht werden, als es zur substitutionsgestützten Behandlung zugelassen ist. Damit bleibt die Verschreibungsfähigkeit für andere Behandlungszwecke - etwa die Schmerzbehandlung - ausgeschlossen. Diese Einschränkung folgt daraus, dass die Arzneimittelstudie nur Erkenntnisse über die Substitutionsbehandlung erbracht hat.

Daneben wird Diamorphin durch Aufnahme in die Anlage II des BtMG auch verkehrsfähig gemacht, jedoch nur zum Zweck der Herstellung des in Anlage III bezeichneten diamorphinhaltigen Substitutionsmittels.

2. Modalitäten der Substitution mit Diamorphin

Es ist davon auszugehen, dass die substitutionsgestützte Behandlung mit Diamorphin grundsätzlich auf der Grundlage der bestehenden Vorschriften über die Substitution erfolgt. Wegen der Besonderheit der Substanz und der Behandlungsmethode sind allerdings zahlreiche Sonderregelungen erforderlich:

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Betäubungsmittelgesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 13 Abs. 2 und 3 BtMG)

§ 13 Abs. 2 BtMG wird ergänzt, um die Abgabe von Diamorphin durch den pharmazeutischen Unternehmer unmittelbar an die mit Diamorphin substituierende Einrichtung zu regeln.

Diamorphingestützte Substitution soll nur in Einrichtungen erfolgen, die über eine von der zuständigen Landesbehörde hierfür erteilte Erlaubnis verfügen. § 13 Abs. 3 BtMG enthält den Erlaubnisvorbehalt sowie die Ermächtigungsgrundlage für die Festlegung von Mindestanforderungen an diese Einrichtungen.

Für das Verwaltungsverfahren bei der Erlaubniserteilung gelten die Verfahrensvorschriften für die Erlaubnis nach § 3 BtMG entsprechend.

Zu Nummer 2 (§ 19 Abs. 1 Satz 3 BtMG)

Folgeänderung, die sich aus dem Sondervertriebsweg für Diamorphin ergibt.

Zu Nummer 3 und 4 (§ 29 Abs. 1 Satz 1 und § 32 Abs. 1 BtMG)

Mit diesen Vorschriften wird der Straftaten- und Ordnungswidrigkeitenkatalog um die für die Diamorphinsubstitution relevanten Tatbestände ergänzt.

Zu Nummer 5 bis 7 (Anlagen I, II und III zu § 1 Abs. 1 BtMG)

Mit den Änderungen der drei Anlagen zu den Positionen "Heroin" und "Diamorphin" wird eine differenzierte Umstufung von Diamorphin vorgenommen. Mit der Einfügung in die Anlage III wird die Verschreibungsfähigkeit von Diamorphin hergestellt, jedoch nur für zugelassene Zubereitungen und nur zum Zwecke der Substitution. Das bedeutet, dass keine Verschreibungsfähigkeit für individuelle Rezepturen besteht und dass Diamorphin für andere Indikationen, zum Beispiel Schmerzbehandlung, nicht verschrieben werden darf. Mit der Einfügung in die Anlage II wird die Verkehrsfähigkeit von Diamorphin ausschließlich zur Herstellung der in Anlage III beschriebenen Zubereitungen begründet.

Zu Artikel 2 (§ 47b - neu - Arzneimittelgesetz)

Durch die Einfügung eines neuen § 47b wird für Diamorphin ein Sondervertriebsweg verankert, der den Besonderheiten dieser Substanz und der medizinischen Behandlung mit Diamorphin Rechnung trägt: Diamorphin soll nicht über den vom Arzneimittelgesetz üblicherweise vorgesehenen Vertriebsweg vom Hersteller über den pharmazeutischen Großhändler und die Apotheke, sondern unmittelbar vom pharmazeutischen Unternehmer zur behandelnden Einrichtung geliefert werden.

Durch die Regelung in Absatz 2 wird klargestellt, dass die Abgabe von Diamorphin über die Apotheke oder als Muster ausgeschlossen ist.

Die Inhaltsübersicht wird angepasst.

Zu Artikel 3 (Änderung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung)

Zu Nummer 1 (§ 1 Abs. 3 BtMVV)

Die Aufzählung der Einrichtungen, in denen lückenlose Nachweisführung von Bestand und Verbleib von Betäubungsmitteln zu erfolgen hat, wurde um Einrichtungen mit diamorphingestützter Substitution erweitert.

Zu Nummer 2 (§ 2 Abs. 1 und 3 BtMVV)

Für Diamorphin als Substitutionsmittel wird die Höchstverschreibungsmenge für die patientenbezogene Verschreibung entsprechend den Erkenntnissen der Studie festgelegt.

Für Diamorphin soll eine im Vergleich zu den anderen aufgeführten Substitutionsmitteln größere Vorratshaltung ermöglicht werden, weil dadurch die Transportfrequenz reduziert wird.

Zu Nummer 3 und 4 (§ 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 BtMVV)

Hiermit wird geregelt, dass Zahnärzte und Tierärzte kein Diamorphin verschreiben dürfen.

Zu Nummer 5 Buchstabe a (§ 5 Abs. 3 BtMVV)

Die Diamorphinbehandlung durch einen Arzt ohne entsprechende suchtmedizinische Qualifikation unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 BtMVV (sog. Konsiliarregelung) ist ausgeschlossen. Nur entsprechend qualifizierte Ärzte dürfen diese Form der Substitution durchführen.

Zu Nummer 5 Buchstabe b (§ 5 Abs. 4 BtMVV)

Diamorphin wird in die Reihe der Substitutionsmittel aufgenommen. Es wird die Verschreibungsfähigkeit von Diamorphin nur für zur Substitution zugelassene Arzneimittel ermöglicht. Die Herstellung von individuellen Rezepturen, die Diamorphin enthalten, ist ausgeschlossen.

Diamorphin darf als einziges der in Satz 1 aufgeführten Substitutionsmittel injiziert werden.

Die Bezugnahme auf die Verordnung in Satz 3 stellt klar, dass der anerkannte Stand der medizinischen Wissenschaft nicht der alleinige Maßstab für die Auswahl des Substitutionsmittels ist, sondern dass daneben die in der Verordnung festgelegten Kriterien erfüllt sein müssen.

Es wird klargestellt, dass die Absätze 6 bis 8 für die oral anwendbaren Substitutionsmittel gelten, für Diamorphin hingegen nicht. Insbesondere sind für die Substitution mit Diamorphin "Takehome"-Verordnungen und Verordnungen für die Mitnahme des Substitutionsmittels während eines Auslandsaufenthaltes ausgeschlossen.

Zu Nummer 5 Buchstabe c (§ 5 Abs. 5 BtMVV)

Folgeänderung, die sich aus dem Sondervertriebsweg für Diamorphin ergibt.

Zu Nummer 5 Buchstabe d (§ 5 Abs. 9a bis d BtMVV)

Die neuen Absätze 9a bis 9d enthalten die wesentlichen Sonderregelungen für die Substitution mit Diamorphin:

Absatz 9a regelt die Voraussetzungen, die Arzt und Patient erfüllen müssen, um an einer diamorphingestützten Substitution teilnehmen zu können. Hinsichtlich der Qualifikation der Ärzte nach Nummer 1 wird die Bundesärztekammer geeignete Weiterbildungsinhalte in die Zusatzweiterbildung "suchtmedizinische Grundversorgung" aufnehmen, so dass Ärzte, die künftig in Einrichtungen der Diamorphinbehandlung tätig werden, diese erwerben und zur Sicherung der Strukturqualität auch nachweisen müssen. Ärzte, die die bisherige Zusatz-Weiterbildung "suchtmedizinische Grundversorgung" erworben haben und Diamorphin im Rahmen der diamorphingestützten Substitution verschreiben möchten, müssen ein entsprechendes Zusatzmodul erwerben und nachweisen. Im Hinblick auf die Ärzte, die bereits im Rahmen des Modellprojektes "heroingestützte Behandlung Opiatabhängiger" mindestens sechs Monate ärztlich tätig waren, kann das Erfordernis einer diamorphinspezifischen suchttherapeutischen Qualifikation bereits als nachgewiesen gelten.

Die Zugangsvoraussetzungen in den Nummern 2 bis 4 stellen sicher, dass Diamorphin nur bei Schwerstabhängigen, die vorwiegend intravenös konsumieren, und nur als nachrangige Behandlungsmethode angewendet wird. Es muss beim Patienten eine aktuelle Abhängigkeit von Opiaten vorliegen, die die Kriterien der körperlichen Entzugssymptomatik und der Toleranzentwicklung mit einschließt. Die Schwere der Abhängigkeit ergibt sich insbesondere aus deren Länge (seit mindestens fünf Jahren sowie derzeit anhaltende Abhängigkeit) und aus den gesundheitlichen Begleitumständen. Der Nachweis über zwei erfolglos abgebrochene oder abgeschlossene Behandlungen der Opiatabhängigkeit mit anerkannten Behandlungsmethoden, davon eine mindestens sechs Monate andauernde Behandlung mit einem oralen Substitutionsmittel sowie begleitender psychosozialer Betreuung, muss erbracht werden. Ein derart ausgeprägtes Erkrankungsbild und Abhängigkeitsprofil kann in aller Regel erst bei Patienten erwartet werden, die mindestens 23 Jahre alt sind. Diese Altersgrenze entspricht den Vorgaben der Heroin-Arzneimittelstudie.

Absatz 9b knüpft an den neuen § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2a BtMG an, wonach eine Substitutionstherapie mit Diamorphin nur in Einrichtungen durchgeführt werden darf, denen durch die zuständige Landesbehörde eine entsprechende Erlaubnis erteilt wurde. Er nennt die Voraussetzungen für die Erteilung dieser Erlaubnis im Hinblick auf ihre Einbindung in das örtliche Suchthilfesystem und die personelle und sachliche Ausstattung der Einrichtung. Die sachliche Ausstattung schließt auch geeignete Sicherheitsvorkehrungen für die mit Diamorphin substituierenden Einrichtungen mit ein. Die näheren Einzelheiten der sachlichen Ausstattung sowie der Sicherheitsvorkehrungen sollen (möglichst einheitlich) in Richtlinien der Länder geregelt werden. Die Sicherheitsvorkehrungen sollten auf einem Sicherheitskonzept beruhen, das zwischen den örtlich zuständigen Behörden abzustimmen ist. Es muss die Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs unter Berücksichtigung der besonderen Gefährlichkeit des Stoffes Diamorphin gewährleisten und den örtlichen Gegebenheiten Rechnung tragen.

Im Rahmen der Erlaubniserteilung ist eine sachkundige Person als Verantwortlicher in dieser Einrichtung zu benennen.

Absatz 9c bestimmt dass das Überlassen und der Verbrauch von Diamorphin nur innerhalb der Einrichtung und nur unter Aufsicht des Arztes oder des sachkundigen Personals erfolgen dürfen. Die psychosoziale Betreuung, die bei der Substitution insoweit vorgeschrieben ist, als sie erforderlich ist (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 2 BtMVV), ist bei der Diamorphinbehandlung in jedem Fall während der ersten sechs Monate der Behandlung obligatorisch.

Absatz 9d dient der regelmäßigen Prüfung der Voraussetzungen, unter denen diese Therapieoption durchgeführt werden darf. Dies soll verhindern, dass die Diamorphinbehandlung ohne zeitliche Begrenzung immer weiter fortgesetzt wird. Durch die Einholung einer ärztlichen Zweitmeinung wird außerdem eine verbesserte Qualitätssicherung angestrebt. Die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Diamorphinbehandlung nicht (mehr) gegeben sind, bildet einen zwingenden Grund für den Abbruch der Behandlung.

Seitens der Bundesärztekammer ist beabsichtigt, zu medizinischen Sachverhalten - wie z.B. den näheren Umständen des Überlassens und des Verbrauchs von Diamorphin, der Verweildauer der Patienten nach Injektion in der Einrichtung - entsprechende Ergänzungen in ihre "Richtlinien zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger" aufzunehmen.

Zu Nummer 6 bis 9 (§ 8 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 2 und 4, § 13 Abs. 2 Satz 1 und § 14 Abs. 1 Satz 1 BtMVV)

Die Vorschriften zur Abgabe auf eine Verschreibung sowie zur Nachweisführung werden den spezifischen Bedingungen für die Diamorphinsubstitution angepasst.

Zu Nummer 10 und 11 (§ 16 und § 17 BtMVV)

Mit diesen Vorschriften wird der Straftaten- und Ordnungswidrigkeitenkatalog für die Diamorphin-Substitution angepasst.

Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)

Dieser Artikel regelt den Zeitpunkt des Inkrafttretens.