Beschluss des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnichtraucherschutzgesetzes
(BNichtrSchG)

A. Problem und Ziel

Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in geschlossenen Fahrzeugen in Anwesenheit von Minderjährigen oder Schwangeren.

B. Lösung

Änderung des Bundesnichtraucherschutzgesetzes.

C. Alternativen

Keine.

Erwartungen, dass auf freiwilliger Basis auf das Rauchen im Auto in Anwesenheit von Minderjährigen oder Schwangeren verzichtet wird, haben sich nicht erfüllt. Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg schätzt, dass derzeit rund eine Million Minderjährige in Deutschland dem Tabakrauch im Auto ausgesetzt sind.

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand

Keine.

2. Vollzugsaufwand

Den Ländern kann ein allenfalls geringfügiger Erfüllungsaufwand aufgrund der Durchführung zusätzlicher Kontrollen entstehen, da die Überwachung der Einhaltung der geänderten Regelung im Rahmen der allgemeinen Verkehrskontrollen durchgeführt werden kann.

E. Sonstige Kosten

Keine.

F. Bürokratiekosten

Keine.

Beschluss des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnichtraucherschutzgesetzes (BNichtrSchG)

Der Bundesrat hat in seiner 981. Sitzung am 11. Oktober 2019 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen

Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnichtraucherschutzgesetzes (BNichtrSchG)

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Das Gesetz zur Einführung eines Rauchverbotes in Einrichtungen des Bundes und öffentlichen Verkehrsmitteln (Bundesnichtraucherschutzgesetz - BNichtrSchG) in der Fassung vom 20. Juli 2007 (BGBl. I S. 1595) wird wie folgt geändert:

1. In § 1 Absatz 1 Nummer 3 wird der Punkt am Ende durch ein Komma ersetzt und folgende Nummer 4 wird angefügt:

"4. in geschlossenen Fahrzeugen in Anwesenheit von Minderjährigen oder Schwangeren."

2. In § 2 werden nach der Nummer 2 folgende Nummern 2a und 2b eingefügt:

3. Dem § 5 Absatz 2 wird folgender Satz angefügt:

"Im Falle eines Verstoßes gegen § 1 Absatz 1 Nummer 4 beträgt die Geldbuße mindestens 500 und höchstens 3 000 Euro."

Artikel 2

Dieses Gesetz tritt am ... [einsetzen: Datum des auf die Verkündung folgenden Tages] in Kraft.

Begründung:

A. Allgemeiner Teil

I. Handlungsbedarf und Ziel

Dass Passivrauchen die Gesundheit gefährdet, ist hinlänglich bekannt. In verbranntem Tabak sind rund 90 nachgewiesene toxische oder krebserregende Substanzen enthalten. Die Konzentration dieser Giftstoffe ist dabei im abgegebenen Rauch sogar höher als im aktiv inhalierten. Passivrauchen ist folglich noch gesundheitsschädlicher als aktives Rauchen durch den Filter.

Nach Untersuchungen des Deutschen Krebsforschungszentrums (dkfz) werden bei Kindern eine ganze Reihe von gesundheitlichen Folgen beobachtet. Hierzu gehören die Schädigung der sich entwickelnden Lunge, Atemwegsbeschwerden und Atemwegserkrankungen, beeinträchtigte Lungenfunktion und Mittelohrentzündungen sowie eine Steigerung des Risikos eines plötzlichen Kindstods bei Säuglingen. Kinder sind von dem Passivrauchen besonders betroffen, da sie unter anderem eine höhere Atemfrequenz aufweisen und sich die Lungen bis zum 20. Lebensjahr noch entwickeln. Darüber hinaus ist ihr Entgiftungssystem nicht in dem Maße ausgereift wie dies bei Erwachsenen der Fall ist. Minderjährige, die wiederholt Tabakrauch ausgesetzt sind, erleiden daher massive Gesundheitsschäden: Sie erkranken häufiger an Lungenunterfunktion, Mittelohrentzündungen, akuten und chronischen Atemwegserkrankungen, erleiden die Verschlimmerung einer bereits vorhandenen Asthma-Erkrankung oder auch eine Erhöhung des Blutdrucks. Mediziner diagnostizieren ferner ein erhöhtes Risiko für Aufmerksamkeitsstörungen, Übergewicht und Diabetes II.

Außerdem erhöht Passivrauchen das Krebsrisiko. So erkranken Minderjährige, deren Eltern rauchen, beispielsweise häufiger an Lebertumoren oder Leukämie. Weltweit sterben jährlich 166 000 Kinder an den Folgen des Passivrauchens.

Gerade in geschlossenen Räumen sind Minderjährige und auch ungeborene Kinder dem Passivrauchen verstärkt ausgesetzt. Dies gilt insbesondere in Fahrzeugkabinen: Die Passivrauchkonzentration ist für Minderjährige nirgends so hoch wie als Mitfahrer.

Die Tabakrauchbelastung in geschlossenen Fahrgasträumen erreicht bereits beim Rauchen einer einzigen Zigarette innerhalb weniger Minuten ein Vielfaches einer stark verrauchten Gaststätte.

Nach Messungen des dkfz liegt die Schadstoffkonzentration in einem verrauchten Auto fünfmal so hoch wie in einer durchschnittlich verrauchten Bar. Das dkfz schätzt, dass rund eine Million Minderjährige in Deutschland dem Tabakrauch im Auto ausgesetzt sind.

In Raucherhaushalten werden Kinder besonders häufig Tabakrauch ausgesetzt. Der Gesetzgeber hat hier kaum eine Möglichkeit, ein Rauchverbot in Gegenwart von Kindern durchzusetzen. Durch ein Rauchverbot in Kraftfahrzeugen jedoch, in denen die Belastung aufgrund des geringen Raumvolumens auch noch besonders hoch ist, könnte ein wichtiger und effektiver Beitrag zum Schutz der Minderjährigen und des ungeborenen Lebens geschaffen werden. Auch in weiteren europäischen Ländern wie beispielsweise Österreich, Italien, Frankreich, England und Wales, Schottland, Irland, Griechenland und Zypern gibt es bereits solche Rauchverbote in unterschiedlicher Ausprägung.

II. Inhalte und Maßnahmen des Gesetzes

Künftig ist in geschlossenen Fahrzeugen in Anwesenheit von Minderjährigen oder Schwangeren das Rauchen verboten.

III. Gesetzgebungskompetenz

Artikel 74 Absatz 1 Nummer 19 des Grundgesetzes weist dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung für Maßnahmen gegen gemeingefährliche Krankheiten zu. Ein Rauchverbot in Personenkraftwagen bei Anwesenheit von Schwangeren und Kindern ist eine Maßnahme gegen eine gemeingefährliche Krankheit. Gemeingefährliche Krankheiten im Sinne von Artikel 74 Absatz 1 Nummer 19 des Grundgesetzes sind solche, die zu schweren Gesundheitsschäden oder zum Tod führen können, ohne ansteckend zu sein. Tabakrauch ist der bedeutendste und gefährlichste vermeidbare Innenraumschadstoff und die führende Ursache von Luftverschmutzung in Innenräumen, in denen geraucht wird. Tabakrauch enthält über 4 800 verschiedene Substanzen. Bei über 70 dieser Substanzen ist nachgewiesen, dass sie krebserregend sind oder im Verdacht stehen, Krebs zu erzeugen. Krebs ist nach ganz herrschender Meinung eine gemeingefährliche Krankheit im Sinne von Artikel 74 Absatz 1 Nummer 19 des Grundgesetzes (Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Artikel 74 Randnummer 211; Stern/Geerlings, Nichtraucherschutzgesetz in Deutschland, Seite 35; Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, Artikel 74 Randnummer 84). Damit ist die Gesetzgebungskompetenz des Bundes gegeben. Einer zusätzlichen Erforderlichkeitsprüfung bedarf es gemäß Artikel 72 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht.

Ergänzend kann die Gesetzgebungskompetenz des Bundes auch aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 22 des Grundgesetzes - Straßenverkehr - hergeleitet werden. Die Regelungen betreffen durch die Konzentration auf "Fahrzeuge" spezifisch den Straßenverkehr. Die Erfordernisse der Erforderlichkeitsklausel des Artikel 72 Absatz 2 des Grundgesetzes sind erfüllt. Einzelne landesrechtliche Regelungen bei einem mobilen Innenraum, in dem man sich über die Ländergrenzen hinweg bewegt, würden den Landesgrenzen überschreitenden Verkehr beeinträchtigen. Damit ist im gesamtstaatlichen Interesse eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich.

Auch eine Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Rauchverbotes in Autos bei Anwesenheit von Minderjährigen hat dargelegt, dass eine solche Regelung in Deutschland formell verfassungskonform wäre (WD3-215/15 Rauchverbot in Anwesenheit von Kindern verfassungsrechtliche Zulässigkeit - https://www.bundestag.de/service).

Zu diesem Ergebnis sind auch die Sachverständigen im Rahmen einer jüngst durchgeführten Anhörung des Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend sowie des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Landtag von Nordrhein-Westfalen gelangt.

IV. Finanzielle Auswirkungen

Keine.

V. Kosten und Preiswirkungen

Keine.

VI. Bürokratiekosten

Keine.

VII. Gleichstellungspolitische Bedeutung

Die Absicht des Gesetzgebers, Minderjährige vor den Gefahren des Passivrauchens zu schützen, betrifft Mädchen und Jungen gleichermaßen. Dies gilt ebenso für den Schutz des ungeborenen Kindes. Für schwangere Frauen ist durch das Gesetz eine geschlechtsspezifische positive Wirkung zu erwarten.

VIII. Gesetzesfolgen

Eine Gesetzesfolgenabschätzung zu diesem Gesetz wird nicht für notwendig erachtet, da zu den positiven Auswirkungen von Rauchverboten auf den Gesundheitszustand zahlreiche internationale Studien vorliegen.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Bundesnichtraucherschutzgesetz)

Zu § 1 (Rauchverbot)

Zu Absatz 1 Nummer 4

Tabakrauch ist ein Gemisch aus zahlreichen giftigen und krebserregenden Stoffen. Wie durch das Rauchen werden auch durch das Passivrauchen schwere Erkrankungen ausgelöst. Minderjährige und auch ungeborene Kinder sind besonders durch das Passivrauchen gefährdet und können sich dem nicht selbständig entziehen. Rauchen im Auto führt zudem zu deutlich höheren Schadstoffkonzentrationen in der Atemluft als Rauchen in Räumen. Kinder und Schwangere werden dadurch entsprechend hoch belastet. Daher ist es notwendig, dass der Staat Regelungen schafft, um diese Personengruppe möglichst umfassend vor dem Passivrauchen zu schützen.

Zu § 2 (Begriffsbestimmungen)

Zu Nummer 2a

Der Begriff "Fahrzeug" wird in § 315c StGB und in § 316 StGB verwandt. Fahrzeuge im Sinne dieser Vorschriften sind alle Fahrzeuge, die zur Beförderung von Personen oder Sachen dienen und am Verkehr auf der Straße teilnehmen (Schönke/Schröder/Cramer, StGB, 30. Auflage, § 315c Randnummer 5). Erfasst werden alle Verkehrsarten einschließlich des Eisenbahn-, Schiffs- und Luftverkehrs, soweit dieser bodengebunden ist. Dabei ist es letztlich gleichgültig, ob sich die Fahrzeuge mit eigener Kraft bewegen oder auf andere Weise fortbewegt werden können. Nicht zu den Fahrzeugen im Sinne der §§ 315c und 316 StGB gehören die besonderen Fortbewegungsmittel des § 24 StVO.

Zu Nummer 2b

In zahlreichen Studien wurde nachgewiesen, dass bereits beim Rauchen einer Zigarette die Konzentration der Tabakrauchpartikel im Fahrzeuginneren aufgrund des geringeren Raumvolumens rapide ansteigt und selbst bei leicht geöffnetem Fenster Werte ähnlich wie in einer Raucherkneipe erreicht werden.*

Der Fahrzeugschein, ausgestellt von der Kraftfahrzeugzulassungsbehörde, unterscheidet bei der Art des Aufbaus zwischen Personenkraftwagen "geschlossen" und "offen". "Offen", bedeutet hier, dass das jeweilige Auto zur Kategorie Kabrio-Limousine gehört oder leicht in eine Kabrio-Limousine umgebaut werden kann (Verzeichnis zur Systematisierung von Kraftfahrzeugen und ihren Anhängern (SV 1) des Kraftfahrtbundesamtes).

Zu § 5 (Bußgeldvorschrift)

Zu Absatz 2 Satz 2

Grundlage für die Zumessung der Geldbuße sind die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. Durch das Rauchen im Kraftfahrzeug in Anwesenheit von Minderjährigen und ungeborenen Kindern werden diese gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt, denen sie sich nicht eigenständig entziehen können. Demgegenüber kann der Raucher im Kraftfahrzeug durchaus aufs Rauchen verzichten oder die Fahrt zu diesem Zweck unterbrechen.

Angesichts der Tatsache, dass die Giftstoffbelastung im Auto selbst bei leicht geöffnetem Fenster bis zu fünfmal so hoch ist, wie in einer Raucherkneipe, betroffene Kinder ein um 50 bis 100 Prozent erhöhtes Risiko für Infektionen der unteren Atemwege, für Asthma, Bronchitis oder Lungenentzündung haben, die Schadstoffe bei Kleinkindern zu Mittelohrentzündungen führen, den Geruchssinn sowie Herz und Kreislauf schädigen können und das Risiko für einen plötzlichen Kindstod deutlich steigt, sind zur Bestrafung, zur Normbekräftigung und Aufrechterhaltung des Rechtsbewusstseins und präventiv zur Abschreckung deutliche Geldbußen notwendig.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Artikel 2 regelt das Inkrafttreten.

* St Helen G, Jakop P, 3rd, Peng M, Dempsey DA, Hammond SK & Benowitz NL (2014) Intake of Toxic and Cardiogenic Volatile Organic Compounds from Secondhand Smoke in Vehicles. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 23: 2774-2782 Ott W, Klepeis N & Switzer P (2008) Air change rates of motor vehicles and invehicle pollutant concentrations from secondhand smoke. J Expo Sci Environ Epidemiol 18: 312-325