Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens

Der Bundesrat hat in seiner 993. Sitzung am 18. September 2020 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 287 Absatz 2 Satz 2 InsO):

In Artikel 1 Nummer 2 sind in § 287 Absatz 2 Satz 2 nach dem Wort "Antrags" die Wörter "bereits einmal", nach dem Wort "Abtretungsfrist" die Wörter "in einem erneuten Verfahren" einzufügen und ist das Wort "und" durch ein Semikolon zu ersetzen.

Begründung:

Die vorgeschlagene Änderung in § 287 Absatz 2 Satz 2 InsO dient lediglich der besseren Verständlichkeit dahingehend, dass die verlängerte fünfjährig Abtretungsfrist für ein erneutes Restschuldbefreiungsverfahren gilt (vgl. auch Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 2). Eine inhaltliche Änderung ist mit der neuen Formulierung nicht verbunden.

2. Zu Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe a (§ 295 Absatz 1 Nummer 2 InsO):

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Neuregelung des § 295 Absatz 1 Nummer 2 InsO nicht eine Bagatellgrenze vorsehen sollte, bei deren Unterschreiten die Herausgabepflicht entfällt.

Begründung:

Gegen die neu vorgesehene Obliegenheit, Schenkungen zur Hälfte und Glückspielgewinne in voller Höhe an den Treuhänder abzutreten, bestehen zunächst keine Bedenken.

Allerdings wären nach dem Regelungstext Schenkungen und Gewinne jeglicher Art - selbst mit geringstem Sachwert (beispielsweise der auf einem Volksfest gewonnene Teddybär) - an den Treuhänder herauszugeben. Dies verursacht einerseits unverhältnismäßigen bürokratischen Arbeitsaufwand und erscheint andererseits weder aus Gläubigersicht noch zur Sicherstellung der allgemeinen gesellschaftlichen Akzeptanz des Restschuldbefreiungsverfahrens angezeigt.

Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob die Vorschrift nicht insgesamt eine Bagatellgrenze vorsehen sollte, bei deren Unterschreiten die Herausgabepflicht entfällt.

3. Zu Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe b (§ 296 Absatz 1a InsO):

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren bezüglich der geplanten Regelung in § 296 Absatz 1a InsO die Frage der funktionellen Zuständigkeit des Rechtspflegers zu überprüfen und die Einschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes klarer auszugestalten.

Begründung:

Bezüglich der geplanten Regelung des § 296 Absatz 1a InsO erscheint die Frage der funktionellen Zuständigkeit überprüfungsbedürftig. So erfasst der Richtervorbehalt gemäß § 18 Absatz 1 Nummer 4 RPflG nach seinem derzeitigem Wortlaut nur die Entscheidung über eine Versagung auf Antrag eines Gläubigers. Für eine Versagung von Amts wegen wäre mithin der Rechtspfleger zuständig.

Schon um kaum erklärbare Wertungswidersprüche zu vermeiden, ist zu erwägen, auch die (tiefgreifende) Entscheidung von Amts wegen dem Insolvenzrichter vorzubehalten.

Des Weiteren schafft § 296 Absatz 1a InsO keine Klarheit, mit welchem Aufwand eine Überprüfung bezüglich des Versagungsgrundes erfolgen muss. So gilt im Insolvenzverfahren zunächst der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 Absatz 1 InsO). Demgegenüber spricht der Gesetzentwurf davon, dass eine Versagung von Amts wegen auszusprechen ist, wenn "dem Insolvenzgericht Umstände bekannt" sind, aus denen sich eine Verletzung der Obliegenheit ergibt, was gegen eine reine Form der Amtsermittlung spricht. Offen bleibt hierbei, ob und in welcher Form das Insolvenzgericht - unabhängig von der Frage der funktionellen Zuständigkeit - während des Laufs der Abtretungsfrist zu anlasslosen Ermittlungsmaßnahmen gehalten ist.

Es gilt daher zu prüfen, ob die Vorschrift dahin zu konkretisieren ist, dass keine allgemeine und fortdauernde Verpflichtung zu routinemäßigen Ermittlungen begründet wird.

4. Zu Artikel 1 Nummer 8 (§ 301 Absatz 5 - neu - InsO), Artikel 2 Nummer 2 (Artikel 107a Absatz 1 Satz 2 EGInsO)

a) Artikel 1 Nummer 8 ist wie folgt zu fassen:

"8. Dem § 301 werden folgende Absätze 4 und 5 angefügt:

b) In Artikel 2 Nummer 2 ist Artikel 107a Absatz 1 Satz 2 zu streichen.

Begründung:

Zu Buchstabe a

In der Begründung zum Gesetzentwurf wird zutreffend festgestellt, dass die Erteilung der Restschuldbefreiung, obgleich sie infolge des mit ihr verbundenen Wegfalls der Abtretung der schuldnerischen Einkünfte und der Undurchsetzbarkeit der von der Restschuldbefreiung erfassten Altforderungen die Fähigkeit der Schuldnerin bzw. des Schuldners zur Erfüllung von Neuforderungen an sich positiv beeinflusst, nicht selten als ein Negativmerkmal interpretiert wird, das Wirtschaftsteilnehmer davon abhält, mit dem Schuldner zu kontrahieren.

Diese Feststellung deckt sich mit den Erfahrungen der Schuldner- und Insolvenzberatung dahingehend, dass diese gespeicherte insolvenzbezogene Information ein empfindliches Hindernis bei alltäglichen Vertragsabschlüssen über Dauerschuldverhältnisse wie etwa Telekommunikations-, Energieliefer- oder Mietverträge darstellt. Letzteres wirkt sich insbesondere in Städten oder Regionen mit ohnehin angespannten Wohnungsmärkten fatal aus.

Es ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen der Gesetzentwurf nunmehr auf die Begrenzung der Speicherung auf ein Jahr verzichtet, obwohl sich die Feststellungen nicht geändert haben.

Dieses Hindernis ist nicht länger hinnehmbar in Anbetracht der Tatsache, dass mit fortschreitendem Zeitablauf die Aussagekraft der Information über die in der Vergangenheit bewältigte Insolvenz für die Beurteilung der jetzigen Kreditwürdigkeit schwindet und das zwischenzeitliche Zahlungsverhalten der Verbraucher in diese Beurteilung einfließen kann und sollte. Folglich ist eine Speicherung über ein Jahr hinaus nach Erteilung der Restschuldbefreiung eine unangemessene Behinderung im wirtschaftlichen Neustart der Verbraucher als Wirtschaftsakteure.

Zu Buchstabe b

Eine Evaluation zu den Auswirkungen eines Eintrags "Erteilung der Restschuldbefreiung" ist unnötig, da bereits der Gesetzentwurf zutreffend feststellt, dass der Eintrag in der Praxis ein sogenanntes Negativmerkmal darstellt und die Verbraucher bei dem Abschluss von Verträgen, beispielsweise eines Mietvertrages, behindert.

Es ist auch nicht verständlich, weshalb an einem bekannten und für die Verbraucher empfindlichen Hindernis festgehalten wird, indem die Entscheidung zur Begrenzung der Speicherung unnötigerweise durch eine obsolete Evaluation hinausgezögert wird.

5. Zu Artikel 2 Nummer 2 (Artikel 107a Absatz 1 Satz 1 EGInsO)

In Artikel 2 Nummer 2 ist in Artikel 107a Absatz 1 Satz 1 die Angabe "2024" durch die Angabe "2028" zu ersetzen.

Begründung:

Die Evaluationsvorschrift dient zum einen dazu, die bereits bestehende Rechtslage zur Speicherung insolvenzbezogener Informationen durch Auskunfteien auf etwaige Hindernisse (Negativmerkmal) in der Praxis zu beleuchten und zum anderen die geplante Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens im Hinblick auf die Auswirkungen des Antrags-, des Zahlungs- und Wirtschaftsverhaltens von Verbrauchern zu beleuchten. Für die Analyse einer bestehenden Rechtslage, wie zur Speicherung durch die Auskunfteien, mag die Frist von drei Jahren und acht Monaten ausreichen um wissenschaftliche Erkenntnisse zu erzielen. Die Auswirkungen der verkürzten Restschuldbefreiung auf das Verbraucherverhalten sind dagegen in diesem Zeitraum nicht erfassbar.

Denn mit Wirkung zum 1. Oktober 2020 ist eine verkürzte Restschuldbefreiung von drei Jahren erst möglich und die Wohlverhaltensphase endet somit erst zum 1. Oktober 2023. Erst dann beginnt die Phase, in der das Antrags-, das Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten der Verbraucher im Nachgang des verkürzten Verfahrens analysiert werden kann. Dafür und für die Berichterstattung gegenüber dem Deutschen Bundestag stünden somit lediglich acht Monate zur Verfügung.

Auch ist bei der Analyse von Verhaltensänderungen stets damit zu rechnen, dass eine etwaige Verhaltensanpassung erst deutlich verzögert das "Erlebte" widerspiegelt. Ein Zeitraum von vier Jahren und acht Monaten nach erlangter Restschuldbefreiung wird somit als zweckdienlicher angesehen.

6. Zu Artikel 9 Absatz 2 (Inkrafttreten)

In Artikel 9 Absatz 2 ist die Angabe "2025" durch die Angabe "2029" zu ersetzen.

Begründung:

Der im Gesetzentwurf vorgesehene Zeitraum von vier Jahren und neun Monaten ist im Verhältnis zur Verfahrensdauer der Restschuldbefreiung von drei Jahren zu kurz um das Instrument "verkürzte Restschuldbefreiung für Verbraucher" in der Wirtschaft mit den zahlreichen Wirtschaftsakteuren zu erproben.