Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes

937. Sitzung des Bundesrates am 16. Oktober 2015

Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 7 Absatz 3 Satz 1 und 1a - neu - AsylG)

In Artikel 1 Nummer 3 § 7 Absatz 3 ist Satz 1 durch folgende Sätze zu ersetzen:

"Die Asylverfahrensakten des Bundesamts sind 20 Jahre nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens aufzubewahren. Danach sind sie zu vernichten sowie in den Datenverarbeitungssystemen des Bundesamts zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die mit der Ausführung des Asylgesetzes betrauten Behörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich ist."

Begründung:

Derzeit muss auf einen Asylfolgeantrag hin häufig ein neues Asyl(erst)verfahren durchgeführt werden, weil die Akten des ersten Asylverfahrens nicht mehr vorhanden sind und deshalb der Vortrag der Folgeantragstellerin oder des Folgeantragstellers im ersten Asylverfahren ihrem oder seinem Vortrag im Asylfolgeverfahren nicht mehr gegenübergestellt werden kann. Bei Folgeantragstellerinnen und Folgeantragstellern aus dem Westbalkan ist die Erfahrung gemacht worden, dass deren Akten aus der Zeit zwischen 1991 und 1999 häufig fehlen. Um erheblichen zusätzlichen Aufwand auch bei den Verwaltungsgerichten zu vermeiden, sollte eine Mindestspeicherdauer von 20 Jahren festgelegt und die Löschungsfrist bedarfsabhängig bestimmt werden.

2. Zu Artikel 1 Nummer 15 Buchstabe b (§ 47 Absatz 1a Satz 1 AsylG)

In Artikel 1 Nummer 15 Buchstabe b § 47 Absatz 1a Satz 1 sind das Wort "sind" durch das Wort "können" und das Wort "verpflichtet," durch die Wörter "verpflichtet werden," zu ersetzen.

Begründung:

Die in dem Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 24. September 2015 unter Nummer 4.3 zweites Tiret getroffene Vereinbarung, der zufolge "Asylbewerber verpflichtet werden können, bis zu sechs Monate und solche aus sicheren Herkunftsstaaten bis zum Abschluss des Verfahrens, in Erstaufnahmeeinrichtungen zu verbleiben" sollte in den Gesetzestext übernommen werden. Auf diese Weise wird klargestellt, dass es im Ermessen eines Landes steht, wie lange die benannte Personengruppe in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Landes untergebracht wird.

3. Zu Artikel 1 Nummer 20 Buchstabe a - neu - (§ 61 Absatz 1 AsylG)

In Artikel 1 ist Nummer 20 wie folgt zu fassen:

'20. § 61 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Mit der Änderung in Artikel 1 Nummer 15 Buchstabe a (§ 47 Absatz 1 Satz 1 AsylG-E) wird der Asylsuchende verpflichtet bis zu sechs Monate in der Erstaufnahme zu wohnen. Eine Ausweitung des Beschäftigungsverbots war nicht gewollt, lediglich eine Beschleunigung von Verfahrensabläufen aufgrund räumlicher Konzentration. Das Beschäftigungsverbot des § 61 AsylG knüpft an diese Verpflichtung an. Um die nicht gewollte Ausdehnung des Beschäftigungsverbots zu vermeiden, ist das Beschäftigungsverbot zu befristen. Das entspricht auch dem Regelungsgehalt des § 61 Absatz 2 AsylG.

4. Zu Artikel 1 Nummer 23 (§ 63a Absatz 2, 3 Satz 2, 3, Absatz 4 Satz 1 AsylG)

In Artikel 1 Nummer 23 ist § 63a wie folgt zu ändern:

Begründung:

Ausweislich der Einzelbegründung zu § 63a AsylG-E soll die neue Regelung verhindern, dass Asylsuchende, bei denen sich die Asylantragstellung über den Zeitraum von einer Woche hinaus verzögert, ohne Nachweis ihrer Eigenschaft als Asylsuchender bleiben.

Gemäß § 63a Absatz 2 AsylG-E ist die Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BüMA) auf längstens einen Monat zu befristen. Die Ausländerbehörden sollen die Befristung unter bestimmten Voraussetzungen um jeweils zwei Wochen verlängern können.

Aktuellen Pressemeldungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zufolge halten sich derzeit bundesweit etwa 290 000 Asylsuchende auf, die auf einen Termin zur Stellung eines förmlichen Asylantrags beim BAMF warten. Die Erfassung erfolgt in vielen Fällen erst nach zwei bis drei Monaten.

Eine für derartige Fälle vorgesehene, alle zwei Wochen vorzunehmende Verlängerung der Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender würde zu einem immensen bürokratischen Mehraufwand für die Ausländerbehörden führen. Dieser träfe die Behörden in einer Zeit, in der sie aufgrund des sehr hohen Asylbewerberzugangs bereits vielfach überlastet sind.

Darüber hinaus hat die BüMA, wie in der Gesetzesbegründung dargestellt, über den Nachweis des Status als Asylsuchender keine Wirkung. Eine Befristung ist verwaltungspraktisch daher nicht erforderlich und abzulehnen. Vielmehr wäre es zur Erfüllung des gesetzgeberischen Zwecks ausreichend, wenn die BüMA bei Ausstellung oder mit Erlöschen der Aufenthaltsgestattung eingezogen würde.

Die Befristung ist deshalb zu streichen.

5. Hilfsempfehlung zu Ziffer 4:

Zu Artikel 1 Nummer 23 (§ 63a Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 Satz 2, 3 AsylG)

In Artikel 1 Nummer 23 ist § 63a wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die beabsichtigte Regelung in § 63a Absatz 3 Satz 3 AsylG-E, der zufolge Ausländerbehörden für die Verlängerung der Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BüMA) zuständig sind, ist zu streichen. Die Aufrechterhaltung der Regelung würde bedeuten, dass zahlreiche zukünftige Asylbewerber alle zwei Wochen bei den Ausländerbehörden zur Ausstellung der BüMA vorsprechen müssten und erheblichen Verwaltungsaufwand produzierten, der nicht gewährleistet werden kann. Die Verlängerungen müssen auch deshalb vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgestellt werden, weil spätestens anlässlich der Verlängerung gleichzeitig die Registrierung erfolgen kann. Außerdem sollten diese auch bei Verlängerung für einen längeren Zeitraum gelten, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren.

6. Zu Artikel 1 Nummer 30a - neu - (§ 83a AsylG)

In Artikel 1 ist nach Nummer 30 folgende Nummer einzufügen:

Begründung:

Nach derzeitigem Recht kann das Verwaltungsgericht der Ausländerbehörde das Ergebnis eines asylprozessrechtlichen Verfahrens formlos mitteilen. Zur Beschleunigung von Abschiebungen soll die Ermessensregelung in eine Verpflichtung der Verwaltungsgerichte umgewandelt werden. Wird die Ausländerbehörde insbesondere in asylrechtlichen Eilverfahren stets unmittelbar vom Verwaltungsgericht über den Ausgang des Verfahrens informiert, baucht sie zur Durchführung der Abschiebung eine Vollziehbarkeitsmitteilung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nicht mehr abzuwarten.

7. Zu Artikel 1 Nummer 33 (§ 90 Absatz 6 AsylG)

In Artikel 1 Nummer 33 § 90 Absatz 6 sind die Wörter "des Landes zuständig, in dem die Tätigkeit ausgeübt werden soll." durch die Wörter "zuständig, die für Entscheidungen gemäß § 12 Absatz 3 der Bundesärzteordnung nach Landesrecht zuständig ist." zu ersetzen.

Begründung:

Da die "Ermächtigung zur vorübergehenden Ausübung von Heilkunde" für Asylbewerber nicht in die Bundesärzteordnung, sondern in das Asylgesetz aufgenommen werden soll, wären nach dem Gesetzentwurf die Behörden zuständig, die für den Vollzug des Asylgesetzes zuständig sind. Die "Ermächtigung zur vorübergehenden Ausübung von Heilkunde" für Asylbewerber sollte aber von den Berufszulassungsbehörden der Länder erteilt werden, die bereits für die Erteilung der Approbation und der Erlaubnis nach § 3 bzw. § 10 BÄO (das heißt auch für Ärzte mit ausländischer Berufsqualifikation) zuständig sind. Denn nur bei diesen Behörden ist die erforderliche Expertise für Berufszulassungsentscheidungen vorhanden. Nach § 12 Absatz 3 BÄO erteilt die Approbation bzw. Erlaubnis nach § 3 oder § 10 BÄO "die zuständige Behörde des Landes, in dem der ärztliche Beruf ausgeübt werden soll". Daher ist in § 90 Absatz 6 AsylG-E ein Verweis auf § 12 Absatz 3 BÄO einzufügen.

8. Zu Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe b (§ 1a Absatz 2 Satz 1 AsylbLG)

In Artikel 2 Nummer 2 § 1a Absatz 2 ist Satz 1 wie folgt zu fassen:

"Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 5, für die in Vollzug der Ausreisepflicht gemäß § 58 des Aufenthaltsgesetzes ein Ausreisetermin und eine Ausreisemöglichkeit feststehen, haben ab dem auf den Ausreisetermin folgenden Tag keinen Anspruch mehr auf Leistungen nach den §§ 2, 3 und 6, es sei denn, sie waren unverschuldet an der Ausreise gehindert."

Begründung:

Nach dem Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder (Ministerpräsidentenkonferenz) vom 24. September 2015 sollen durch die Gesetzesänderung Personen von der Leistungskürzung betroffen sein, die sich einer bereits organisierten Abschiebung entzogen haben.

Mit der aktuell im Gesetzentwurf getroffenen Formulierung wird dies nicht deutlich genug definiert: Eine Leistungskürzung würde schon diejenigen Personen treffen, für die "eine Ausreisefrist abgelaufen" ist. Es bleibt aber unklar, welche Ausreisefrist konkret gemeint ist - in den einschlägigen Gesetzen werden Ausreisefristen an unterschiedlichen Stellen definiert: etwa nach § 36 Absatz 1 AsylG auch schon im Ablehnungsbescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.

Mit dem vorliegenden Änderungsvorschlag soll die Regelung im Sinne des Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz vom 24. September 2015 konkretisiert werden: Erst für vollziehbar Ausreisepflichtige, die unter keinen Umständen für ein Bleiberecht in Betracht kommen und deren Ausreisedatum und Reisemöglichkeit feststehen, ist die Leistungsgewährung auf die Zeit bis zu diesem Datum zu befristen. Nimmt der vollziehbar Ausreisepflichtige schuldhaft die Ausreisemöglichkeit nicht wahr, endet sein Anspruch nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ab dem Tag, der dem Ausreisetermin folgt, und ihm steht bis zu seiner umgehend einzuleitenden Ausreise nur noch der allgemeine Anspruch auf das unabdingbar Notwendige zu.

9. Zu Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe b (§ 1a Absatz 3 AsylbLG)

In Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe b § 1a Absatz 3 sind die Wörter "die Schweiz" durch die Wörter "ein am Verteilmechanismus teilnehmender Drittstaat, der die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 anwendet," zu ersetzen.

Begründung:

Aufgrund besonderer Assoziierungsabkommen nehmen Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein am System zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-Verordnung) teil. Die vorgenannten Staaten sind aufgrund dieser Abkommen zwar nicht verpflichtet, sich an einem durch die Organe der EU beschlossenen, von den Regelzuständigkeiten der Dublin-III-Verordnung abweichenden Mechanismus zur Verteilung von Asylsuchenden auf andere Mitgliedstaaten zu beteiligen. Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein haben aber angekündigt, sich mit gesonderten Vereinbarungen freiwillig am Verteilungsmechanismus gemäß Beschluss (EU) Nr. 2015/0209 (NLE) des Rates vom 22. September 2015 beteiligen zu wollen.

§ 1a Absatz 3 AsylbLG-E führt derzeit neben den Mitgliedstaaten der EU lediglich die Schweiz auf. Es ist nicht nachvollziehbar, warum nur für Asylsuchende, für deren Asylverfahren nach einer Verteilungsentscheidung die Schweiz zuständig ist, Leistungseinschränkungen gelten sollen, nicht jedoch für Asylsuchende, die einem anderen der vorgenannten Drittstaaten zugeordnet wurden. Daher wird der Wortlaut zugunsten einer entsprechend drittstaatsoffenen Formulierung angepasst.

10. Zu Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe b (§ 1a Absatz 3 AsylbLG)

In Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe b § 1a Absatz 3 sind nach den Wörtern "zuständig ist," die Wörter "oder denen in einem Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat, der die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 anwendet, bereits Schutz gewährt wurde" einzufügen.

Begründung:

Der zur Beteiligung der Länder übersandte Entwurf des § 1a Absatz 3 (Stand: 21. September 2015) hatte noch vorgesehen, dass unter diese Leistungseinschränkung nicht nur Personen fallen sollen, für deren Asylverfahren nach einer von der Dublin-III-Verordnung abweichenden Verteilung der EU ein anderer Mitgliedstaat zuständig ist, sondern auch Personen, denen in einem anderen Mitgliedstaat bereits Schutz gewährt wurde. Dadurch sollte ungerechtfertigte Sekundärmigration auch in den letztgenannten Fällen effektiv unterbunden werden. Die Tatbestandsalternative der Schutzgewährung in einem anderen Mitgliedstaat ist im vorliegenden Gesetzentwurf aber entfallen, ohne dass dafür sachliche Gründe ersichtlich sind. Wenn schon Personen, die sich in das Bundesgebiet begeben, obwohl für ihr Asylverfahren nach einer Umverteilung der EU ein anderer Mitgliedstaat zuständig ist, Leistungseinschränkungen in Kauf nehmen müssen, dann muss dies erst recht für Personen gelten, deren Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat durch Gewährung eines Schutzstatus bereits positiv abgeschlossen ist. Werden in den letztgenannten Fällen aufgrund von Sekundärmigration dennoch Asylanträge im Bundesgebiet gestellt, handelt es sich um ungerechtfertigte Anträge, die lediglich dem Wunsch der Asylsuchenden nach freier Auswahl ihres Ziellandes geschuldet sind, auf die jedoch kein Anspruch besteht. Auch hier sollten alle Drittstaaten, für die die DublinIII-Verordnung aufgrund von Assoziierungsabkommen ebenfalls gilt, in den Anwendungsbereich der Leistungseinschränkung einbezogen werden.

11. Zu Artikel 2 Nummer 3 Buchstabe a (§ 3 Absatz 1 Satz 6, 7 AsylbLG)

In Artikel 2 Nummer 3 Buchstabe a ist § 3 Absatz 1 Satz 6 und 7 wie folgt zu fassen:

"Sofern mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, sollen diese durch Sachleistungen gedeckt werden. Soweit Sachleistungen nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich sind, können auch Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden."

Begründung:

Mit der im vorliegenden Gesetzentwurf in § 3 Absatz 1 Satz 6 und 7 AsylbLG getroffenen Regelung wird das Ergebnis der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 24. September 2015 nicht zutreffend umgesetzt. Laut diesem Beschluss sollte die als "Soll-Vorschrift" ausgestaltete Regelung zur Geltung des Sachleistungsprinzips mit dem einschränkenden Vorbehalt eines vertretbaren Verwaltungsaufwands verknüpft werden. Dieser Verknüpfung wird die im aktuellen Gesetzentwurf enthaltene unbestimmte Formulierung, der zufolge andere Leistungen gewährt werden können, "wenn nach den Umständen erforderlich" nicht gerecht. Der Änderungsvorschlag bildet die von der Konferenz intendierte Regelung zutreffend ab.

12. Zu Artikel 3 Nummer 3 (§ 23a Absatz 1 Satz 3 AufenthG)

Artikel 3 Nummer 3 ist zu streichen.

Begründung:

Mit der Streichung von Nummer 3 in Artikel 3 wird der Gesetzentwurf auf das in der Besprechung der Bundeskanzlerin und den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik am 24. September 2015 Vereinbarte zurückgeführt.

Die Erweiterung der gesetzlichen Regelausschlussgründe um einen weiteren Grund ist nicht notwendig und schränkt die Regelungshoheit der Länder nach § 23a Absatz 2 Satz 1 AufenthG unnötig ein. Die Länder haben die Möglichkeit entsprechende Regelausschlussgründe in den Verordnungen auf der Grundlage des § 23a Absatz 2 Satz 1 AufenthG oder in den entsprechenden Geschäftsordnungen der Gremien zu regeln.

Dass eine Regelung für spät gestellte Anrufungen einer Härtefallkommission fehlen würde, ist auch im Rahmen der jährlich stattfindenden Erfahrungsaustausche der Härtefallkommissionen bislang nicht festgestellt worden. Die Länder haben durchaus individuelle Wege gefunden. Diese Länderkompetenz sollte nicht eingeschränkt werden.

13. Zu Artikel 3 Nummer 9 (§ 59 Absatz 1 Satz 8 AufenthG)

In Artikel 3 Nummer 9 § 59 Absatz 1 Satz 8 ist nach dem Wort "Ausländer" das Wort "grundsätzlich" einzufügen.

Begründung:

Die in § 59 Absatz 1 Satz 8 AufenthG-E vorgesehene Regelung zielt darauf, Ausreisepflichten von Menschen ohne Bleibeperspektive in der Bundesrepublik Deutschland konsequent durchzusetzen. Konsequentes Vorgehen entbindet jedoch nicht von der Verpflichtung zu sachgerechter Entscheidung im jeweiligen Einzelfall. So kann es aus familiären, gesundheitlichen oder humanitären Gründen ausnahmsweise erforderlich sein, den Abschiebungstermin gegenüber den Betroffenen bekannt zu geben. Um diesen besonderen Fallgestaltungen Rechnung tragen zu können, ist das strikte Verbot der Ankündigung durch eine Regelung zu ersetzen, die das Ankündigungsverbot als Grundsatz vorsieht, ohne Ausnahmen von Vornherein auszuschließen.

14. Zu Artikel 7 Nummer 2 (§§ 17, 18 VwGO)

Artikel 7 Nummer 2 ist zu streichen.

Begründung:

Es besteht die Gefahr, dass die Einführung des Richters auf Zeit an den Verwaltungsgerichten den mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz verfolgten Zweck in sein Gegenteil verkehren könnte. Der Einsatz von Richtern auf Zeit dürfte jedenfalls in der konkret vorgeschlagenen Form nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisenden verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt sein. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht sich diesen Bedenken letztlich nicht anschließen sollte, würde sich zunächst ein erhebliches Verzögerungspotential ergeben.

Artikel 97 GG geht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon aus, dass die Gerichte grundsätzlich mit hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richtern besetzt sind und dass die Heranziehung von nicht auf Lebenszeit ernannten Richtern nur in den Grenzen erfolgt, die sich nach verständigem Ermessen aus der Notwendigkeit Nachwuchs heranzubilden, oder aus anderen zwingenden Gründen ergeben (vgl. BVerfGE 14, 156 Rn. 12 <juris>).

Zu den "zwingenden Gründen" zählt auch ein "zeitweiliger außergewöhnlicher Arbeitsanfall", aber nicht, "wenn die Arbeitslast des Gerichts deshalb nicht bewältigt werden kann, weil es unzureichend mit Planstellen ausgestattet ist" (a.a. O. Rn. 17).

Ob § 18 VwGO-E diesen Anforderungen genügt, erscheint zumindest fraglich. Zweifelhaft ist bereits, ob mit dem unbestimmten Rechtsbegriff des "vorübergehenden Personalbedarfs" den Vorgaben des Grundgesetzes hinreichend Rechnung getragen wird. Mit dieser weiten Formulierung dürfte auch nicht ansatzweise sichergestellt sein, dass der Einsatz von Richtern auf Zeit nur aus zwingenden Gründen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgt und die Ausnahme bleibt. Die Eingrenzung und Konturierung des "vorübergehenden Personalbedarfs" als Rechtsbegriff dürfte schwerfallen. Eine Prognose, ob ein Anstieg der Verfahrenszahlen vorübergehend oder nachhaltig ist, wird regelmäßig reine Spekulation sein. Ob diese Voraussetzung von den Justizverwaltungen überhaupt in nachprüfbarer Weise dargelegt werden kann, ist zweifelhaft.

Das damit verbundene Risiko wiegt schwer. Da das verfassungsrechtliche Argumentationspotential auf der Hand liegt, dürfte es in der Mehrzahl der von Richtern auf Zeit (mit) entschiedenen Verfahren thematisiert werden. Es kann angenommen werden, dass es eher früher als später zu einer darauf beruhenden Richtervorlage nach Artikel 100 GG an das Bundesverfassungsgericht kommt. Dann droht nach entsprechenden Erfahrungen in anderen Fällen eine Aussetzung anhängiger Gerichtsverfahren, in denen diese Frage ebenfalls eine Rolle spielt, in großem Stil.

Zudem wäre mit auf eine Verletzung von Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 VwGO gestützten Verfassungsbeschwerden gegen von Richtern auf Zeit erlassene Eilentscheidungen in Asylstreitigkeiten zu rechnen, die angesichts der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Erlass von einstweiligen Anordnungen führen könnten.

15. Zur Amtsvormundschaft für unbegleitete minderjährige Jugendliche

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge eine vorläufige gesetzliche Amtsvormundschaft des Jugendamts in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen werden sollte.

Begründung:

Kinder und Jugendliche, die aus ihren Herkunftsländern allein in die Bundesrepublik Deutschland kommen, gehören zu den schutzbedürftigsten Personengruppen. Nach dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes der Vereinten

Nationen (VN-Kinderrechtskonvention) haben sie ein Recht darauf, dem Kindeswohl entsprechend untergebracht, versorgt und betreut zu werden (Artikel 3 und 22 VN-Kinderrechtskonvention). Nach derzeitiger Rechtslage hat das Jugendamt daher minderjährige unbegleitete Flüchtlinge (muF) in Obhut zu nehmen und unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers durch das Familiengericht zu veranlassen (§ 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und Absatz 3 Satz 4 SGB VIII). Das Familiengericht hat das Ruhen der elterlichen Sorge festzustellen (§ 1674 BGB), die Vormundschaft anzuordnen (§ 1774 BGB), den Vormund auszuwählen (§ 1779 BGB) und zu bestellen (§ 1789 BGB), wobei nach Mitteilung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz derzeit im Regelfall das Jugendamt, zuweilen auch ein auf die Belange der muF spezialisierter Vormundschaftsverein, selten eine ehrenamtlich tätige natürliche Person zum Vormund des muF bestellt wird. Da die Eltern von muF im Regelfall tatsächlich keine Möglichkeit haben, die elterliche Sorge auszuüben, hat das Gericht zugleich gemäß § 1693 BGB die im Interesse des Kindes erforderlichen Maßregeln zu treffen und kann dazu auch vorläufige Maßnahmen durch einstweilige Anordnung gemäß §§ 49f. FamFG treffen.

Die Bestellung eines Vormunds erweist sich aufgrund des starken Anstiegs unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge als zunehmend schwierig und führt nicht zuletzt zu einer zunehmenden Belastung der Gerichte. Die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik weist bei denjenigen unbegleiteten ausländischen Minderjährigen, die von den Jugendämtern in Obhut genommen wurden, bereits für das Jahr 2013 eine Steigerung von bundesweit rund 133 Prozent gegenüber dem Jahr 2010 aus. Im Jahr 2013 wurden insgesamt 6 583 unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche von den Jugendämtern in Obhut genommen. Nach einer aktuellen Abfrage der Länder befanden sich zum Stichtag 31. Dezember 2014 bundesweit 17 955 unbegleitete ausländische Minderjährige in vorläufigen Schutz- oder Anschlussmaßnahmen. Für das Jahr 2015 ist mit einer weiteren erheblichen Steigerung zu rechnen.

Vor diesem Hintergrund sollte die Einführung einer vorläufigen gesetzlichen Amtsvormundschaft des Jugendamts in den Fällen, in denen noch kein Vormund in Person bestellt werden kann, geprüft werden. Sie war bereits im Eckpunktepapier des Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vom 7. Oktober 2014 vorgesehen und in einem der der 86. Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister 2015 in Stuttgart vorliegenden Beschlüsse enthalten. Aufgabe des vorläufigen gesetzlichen Amtsvormunds soll insbesondere sein, dem Gericht alsbald einen geeigneten Vormund vorzuschlagen, der nach Anhörung der Beteiligten im Nachgang bestellt werden kann. Mit dem Eintritt der vorläufigen Amtsvormundschaft kraft Gesetzes würde das Verfahren durch Wegfall einer gesonderten richterlichen Entscheidung vereinfacht und beschleunigt. Der richterliche Entscheidungsspielraum wird dabei nicht unangemessen eingeschränkt, da die vorläufige gesetzliche Amtsvormundschaft durch eine abweichende richterliche Entscheidung beendet wird, was gegebenenfalls durch die konkrete Fassung des Normtextes zweifelsfrei klargestellt werden kann. Indem die rechtliche Vertretung des Minderjährigen zeitnah sichergestellt wird, bleibt Raum für weitere Ermittlungen des Sachverhalts, auch hinsichtlich anderer Personen, die als Vormund in Betracht kommen könnten. Von der gerichtlichen Praxis wurde der Vorschlag zur Einführung einer vorläufigen gesetzlichen Amtsvormundschaft befürwortet, da er eine geeignete und angemessene Regelung im Hinblick auf die rechtliche Vertretung der absehbar weiter steigenden Zahlen der muF darstelle.

Der derzeit im Deutschen Bundestag befindliche Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher (vgl. BR-Drucksache 349/15 (PDF) ) steht einer vorläufigen gesetzlichen Amtsvormundschaft nicht entgegen. Die Einführung einer gesetzlichen bundesweiten Aufnahmepflicht der Länder entlastet zwar die Jugendämter bzw. örtlichen Träger der öffentlichen Fürsorge, die an bestimmten Einreiseknotenpunkten liegen und nach bisherigem Recht (§ 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, § 87 SGB VIII) überproportional stark belastet sind. Das in diesem Gesetz neu geregelte Zuweisungs- und Verteilungsverfahren lässt jedoch die Aufgaben der vor und nach der Zuweisung örtlich zuständigen Jugendämter (§ 88a SGB VIII) und Gerichte unberührt. Nach der ausdrücklichen Regelung in § 88a Absatz 4 SGB VIII hat vielmehr das jeweils während der vorläufigen Inobhutnahme, der Inobhutnahme und der Leistungsgewährung zuständige Jugendamt auch weiterhin die Bestellung eines Vormunds bei Gericht zu veranlassen. Dass infolge der Neuregelungen im Achten Buch Sozialgesetzbuch sich mittelbar auch die örtliche Zuständigkeit der Familiengerichte für die im Rahmen der Vormundschaft zu treffenden Maßnahmen ändert, lässt den Handlungsbedarf im Bereich der vorläufigen gesetzlichen Amtsvormundschaft daher auch ab dem 1. Januar 2016 nicht entfallen.

16. Zur Einrichtung von Wartezentren

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Einrichtung von Wartezentren so schnell wie möglich gesetzlich zu regeln. Insbesondere sind Klarstellungen zur Trägerschaft und Kostentragungspflicht des Bundes, zur Anrechnung auf die Quote nach dem Königsteiner Schlüssel und zur Anwendbarkeit des Leistungsrechts (AsylbLG, SGB VIII) zu treffen. Ferner ist für eine begrenzte Zeit Gewahrsam anzuordnen, um das Ziel geordneter Verfahren zu erreichen.

Begründung:

Die vom Bund errichteten Wartezentren sind "besondere Einrichtungen des Bundes". Diese Einrichtungen sind jedoch gesetzlich nicht normiert. Damit werfen sich im Vollzug viele Fragen auf. So stellt sich beispielsweise die Frage nach Leistungsansprüchen von Personen, die noch nicht in EASY (Erstverteilung von Asylbegehrenden) registriert wurden, womit auch das für die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständige Land noch nicht definiert ist. Asylsuchende drohen daher unversorgt zu bleiben bzw. es drohen Unklarheiten und Streitigkeiten über die Kostentragung und die Rechtsträgerschaft, wenn notwendige medizinische Behandlungen vorgenommen werden.

Die Erfahrungen mit dem Warteraum in Feldkirchen (Landkreis Straubing) zeigen ferner, dass das mit den Wartezentren verfolgte Ziel, geordnete Verfahren zu schaffen, mit der derzeitigen rechtlichen Ausgestaltung nicht erreicht werden kann. Etwa die Hälfte der Personen entfernt sich aus dem Wartezentrum, ohne dass eine geordnete Verteilung oder Registrierung erfolgen konnte.