Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. Mai 2007 zu dem Thema "Menschenwürdige Arbeit für alle fördern" (2006/2240(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 112012 - vom 18. Juni 2007. Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 23. Mai 2007 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass der Begriff menschenwürdige Arbeit weit über den Schutz der Kernarbeitsnormen hinausgeht und produktive und frei gewählte Beschäftigung, Rechte am Arbeitsplatz, die soziale Absicherung und den sozialen Dialog sowie die Berücksichtigung von Gleichstellungsfragen im Rahmen aller vier Pfeiler beinhaltet,

B. in der Erwägung, dass die Mittel zur Verwirklichung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen an die Merkmale, den Entwicklungsstand und die Kapazitäten der einzelnen Gesellschaften angepasst werden sollten; in der Erwägung, dass die Bestrebungen, menschenwürdige Arbeit zu fördern, Arbeitnehmer in der formellen wie der informellen Wirtschaft umfassen und auch Arbeitnehmer im Agrarsektor, Selbstständige sowie Teilzeitkräfte, befristet Beschäftigte und Heimarbeitskräfte einschließen sollten,

C. in der Erwägung, dass die Förderung menschenwürdiger Arbeit für alle auf allen Ebenen ein globales Ziel sein sollte, wie von der Weltkommission für die soziale Dimension der Globalisierung sowie in der VN-Resolution zum Abschluss des Weltgipfels 2005 und der am 5. Juli 2006 vom VN-Wirtschafts- und Sozialrat angenommenen ministeriellen Erklärung gefordert; in der Erwägung, dass dieses Ziel auch Teil der Bemühungen zur Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele und der Verpflichtungen des Weltgipfels für soziale Entwicklung von 1995 in Kopenhagen sein sollte,

D. in der Erwägung, dass menschenwürdige Arbeit heute infolge der Entstehung neuer Märkte mit billigen Arbeitskräften und der damit einhergehenden Versuche, "lukratives" Sozialdumping zu betreiben, immer weniger geschätzt und immer stärker unterminiert wird,

E. in der Erwägung, dass die ILO das für die Definition und Aushandlung der internationalen Arbeitsnormen und deren gesetzliche und praktische Anwendung zuständige Gremium ist; in der Erwägung, dass eine intensivere Zusammenarbeit zwischen der ILO und allen einschlägigen Beteiligten sowie die volle Einbeziehung der ILO in die Arbeit der Welthandelsorganisation von wesentlicher Bedeutung sind, und in der Erwägung, dass die Europäische Union als Repräsentantin ihrer 27 Mitgliedstaaten ein erhebliches Gewicht besitzt und ihr eine wichtige Rolle auf diesem Gebiet sowie auf dem Gebiet der Sozialpolitik zukommt,

F. in der Erwägung, dass die ILO-Programme zur Förderung menschenwürdiger Arbeit sowie andere Anstrengungen internationaler Entwicklungsagenturen und der Vereinten Nationen zur Bewältigung der beschäftigungspolitischen Herausforderungen in einem breiteren Kontext zu nationalen und regionalen Strategien für Entwicklung, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Verringerung der Armut beitragen,

G. in der Erwägung, dass die Themen Beschäftigung, sozialer Zusammenhalt und menschenwürdige Arbeitsbedingungen während des Zeitraums 2000 bis 2006 in den meisten Programmen und Studien zur außenpolitischen Zusammenarbeit keine Berücksichtigung fanden,

H. in der Erwägung, dass menschenwürdige Arbeit zum Kernstück einer ständigen Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Kampfes gegen Arbeitslosigkeit, Armut und soziale Ausgrenzung wird,

I. in der Erwägung, dass bei Teilzeitarbeit, Unterbeschäftigung sowie innerhalb der informellen Wirtschaft, bei unangemeldeten und illegalen Tätigkeiten, einschließlich Zwangs- und Kinderarbeit, menschenwürdige Arbeitsbedingungen oft nicht gegeben sind,

J. in der Erwägung, dass Verstöße gegen menschenwürdige Arbeitsbedingungen auch bei Beschäftigten zu beobachten sind, die Teilzeitarbeit nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen verrichten und deren Einkommen vielfach unterhalb des Mindestlohns liegt,

K. in der Erwägung, dass die Wahrung der kulturellen Vielfalt, eine faire Globalisierung und die Ziele einer produktiven Vollbeschäftigung und menschenwürdigen Arbeit für alle, einschließlich Menschen mit Behinderungen, Frauen, junger und älterer Arbeitnehmer, kultureller und indigener Minderheiten, Migranten, Menschen mit geringen Qualifikationen oder solchen, die in rückständigen und benachteiligten Gebieten leben, die Hauptinstrumente zur Bekämpfung von Armut, Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung sind,

L. in der Erwägung, dass sämtliche internationalen Akteure dazu beitragen müssen, die Chancen für ältere Menschen zu erhöhen, eine menschenwürdige Arbeit zu finden und zu behalten, indem einerseits ihr Zugang zu Programmen für das lebenslange Lernen und ihre Umschulung auf neue Arten von Arbeitsplätzen verbessert wird oder ihnen andererseits ausreichende Renten, medizinische Versorgung und andere relevante soziale Dienstleistungen und Vorteile gewährleistet werden, da die soziale Absicherung ein wesentliches Element menschenwürdiger Arbeit darstellt,

M. in der Erwägung, dass junge Menschen überall das Recht haben, menschenwürdige Arbeit zu finden, sowie in der Erwägung, dass diese Anstrengungen im Rahmen eines lebenszyklusorientierten und generationenübergreifenden Ansatzes entwickelt werden sollten; in der Erwägung, dass sich eine längere Arbeitslosigkeit zu Beginn des Erwerbslebens junger Menschen dauerhaft auf die Beschäftigungsfähigkeit, das Einkommen und den Zugang zu hochwertigen Arbeitsplätzen auswirken kann,

N. in der Erwägung, dass zahlreichen Wanderarbeitnehmern in Europa möglicherweise keine menschenwürdigen Arbeitsbedingungen geboten werden,

O. in der Erwägung, dass die Frauen in vielen Teilen der Welt der Gefahr unfairer Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind, weshalb ihnen in dieser Hinsicht besondere Aufmerksamkeit zuteil werden muss,

P. in der Erwägung, dass Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung, die den Bedürfnissen der Wissensgesellschaft gerecht werden, eine entscheidende Rolle bei der Vorbereitung junger Menschen auf ihre Integration in den Arbeitsmarkt spielen und dazu beitragen, ihre Chancen zu erhöhen, eine menschenwürdige und hochwertige Arbeit zu finden,

Q. in der Erwägung, dass lebenslanges Lernen alle Menschen befähigt, die erforderlichen Fertigkeiten zur Anpassung an die sich wandelnden Anforderungen des Arbeitsmarktes zu erwerben, dass es zu ihrer Produktivität beiträgt und ihnen ermöglicht, als Bürgerinnen und Bürger aktiv an der Wissensgesellschaft teilzuhaben,

R. in der Erwägung, dass alle Mitgliedstaten im Einklang mit den beschäftigungspolitischen Leitlinien, die auf der Sondertagung des Europäischen Rates über Beschäftigungsfragen vom 20./21. November 1997 in Luxemburg angenommen wurden, nationale Beschäftigungspläne ausgearbeitet haben,

S. in der Erwägung, dass die Europäische Beschäftigungsstrategie (EBS) und die Strategien zur sozialen Absicherung und sozialen Eingliederung darauf abzielen, die beschäftigungspolitischen Prioritäten sowie die Prioritäten im Hinblick auf die soziale Absicherung und die soziale Eingliederung, denen sich die Mitgliedstaten auf EU-Ebene verschreiben sollten, zu lenken und ihre Koordinierung zu gewährleisten,

T. in der Erwägung, dass der Europäische Rat auf seiner Tagung vom 22./23. März 2005 in seiner geänderten Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung und der Europäischen Strategie für nachhaltige Entwicklung hervorhob, wie wichtig soziale Nachhaltigkeit bei der Entwicklung des Arbeitslebens ist,

U. in der Erwägung, dass die Europäische Union mit der Lissabon-Strategie sich selbst ein neues strategisches Ziel gesetzt hat, nämlich der wettbewerbsfähigste und dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt zu werden, ein Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt sowie ein hohes Umweltschutzniveau zu erreichen; in der Erwägung, dass die erwarteten Ergebnisse bisher noch nicht zu sehen sind,

V. in der Erwägung, dass es, um die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union in sozial nachhaltiger Weise zu stärken, entsprechend den beschäftigungspolitischen Leitlinien (2005-2008) (KOM (2005) 0141) notwendig ist, die Produktivität zu erhöhen mittels Förderung menschenwürdiger Arbeit und der Qualität des Arbeitslebens, einschließlich der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, einer besseren Ausgewogenheit zwischen Arbeitsplatzflexibilität und -sicherheit, lebenslangem Lernen, gegenseitigem Vertrauen und Mitbestimmung sowie einer besseren Vereinbarkeit von Privat-, Familien- und Berufsleben; in der Erwägung, dass - als integraler Bestandteil der Bemühungen, menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu schaffen - die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sowie jede andere Form von Diskriminierung zu bekämpfen und die soziale Eingliederung gefährdeter Gruppen zu fördern ist,