Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. Mai 2008 zum Grünbuch zur Verbesserung der Abwrackung von Schiffen (2007/2279(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 112095 - vom 13. Juni 2008.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 21. Mai 2008 angenommen.

Stellungnahme des Bundesrates: Drucksache 383/07(B) HTML PDF

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass riesige Hochseeschiffe an südasiatischen Stränden und anderen Orten unter umweltbelastenden Verhältnissen und menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen abgewrackt werden und dass ein Teil dieser Schiffe aus der Europäischen Union kommt,

B. in der Erwägung, dass sich bei der Abwrackung von Schiffen in Ländern wie Bangladesch, Indien, Pakistan aufgrund sehr niedriger Lohnkosten, völlig unzureichender Sicherheitsvorschriften und gänzlich fehlender Umweltschutzvorschriften über die Abwrackung relativ hohe Preise für Schrott erzielen lassen, was diese Länder für viele Schiffseigner attraktiv macht,

C. in der Erwägung, dass die Kommission die Ökonomie der Schiffsabwrackung in einer 2000 durchgeführten Studie2 untersucht, aber keine Maßnahmen ergriffen hat, weil die Studie zu dem Schluss kam, dass es unter den gegenwärtigen Bedingungen äußerst schwierig wäre, Schiffe wirtschaftlich und zugleich nach soliden Umweltschutznormen zu rezyklieren, und in der Erwägung, dass die Bevorzugung kurzfristiger Gewinne gegenüber Menschenleben und Umweltschutz unannehmbar ist,

D. in der Erwägung, dass Maßnahmen leider immer erst im Zuge Aufsehen erregender Fälle in Erwägung gezogen werden, wie etwa beim Versuch der französischen Regierung, den Flugzeugträger "Clémenceau" außerhalb der Europäischen Union abzuwracken,

E. in der Erwägung, dass sowohl in Industriestaaten als auch in Entwicklungsländern politische Besorgnis besteht, nachdem die Industriestaaten immer mehr gefährliche Abfälle in Entwicklungsländer verbringen, die dort unkontrolliert und mit hohen Risiken entsorgt werden, sodass das Basler Übereinkommen 1995 dahingehend geändert wurde, dass OECD-Staaten fortan keine gefährlichen Abfälle mehr in Nicht-OECD-Staaten verbringen dürfen ("Basler Verbot"); und in der Erwägung, dass diese Änderung zwar in vollem Umfang in der Abfallverbringungsverordnung berücksichtigt wurde, aber auf internationaler Ebene leider noch nicht in Kraft getreten ist,

F. in der Erwägung, dass ein Schiff durchaus zu Abfall im Sinn von Artikel 2 des Basler Übereinkommens werden kann und zugleich aufgrund anderer internationaler Regeln weiterhin als Schiff definiert werden kann und dass diese Regelungslücke systematisch ausgenutzt wird, sodass die meisten aus der Europäischen Union kommenden Schiffe unter Umgehung des Basler Verbots und der entsprechenden Vorschriften der Abfallverbringungsverordnung in Asien abgewrackt werden,

G. in der Erwägung, dass es die Kommission 2003 aufgefordert hat, im Zuge der Überarbeitung der Abfallverbringungsverordnung Leitlinien zur Schließung dieser Regulierungslücke auszuarbeiten, was der Rat aber abgelehnt hat, der stattdessen einschlägige Maßnahmen an die gemeinsamen Bemühungen von drei internationalen Gremien (Basler Übereinkommen, Internationale Arbeitsorganisation und Internationale Seeschifffahrtsorganisation) um verbindliche Regeln auf internationaler Ebene verwiesen hat,

H. in der Erwägung, dass ein Schiff, das erhebliche Mengen gefährlicher Stoffe enthält oder aus dem gefährliche Stoffe nicht entsprechend dem OECD Waste Code GC 030 und den Listen des Basler Übereinkommens ordnungsgemäß entfernt worden sind, als gefährlicher Abfall gilt und dass deshalb die Verbringung eines solchen Schiffes zum Zweck der Abwrackung aus der Europäischen Union in einen Nicht-OECD-Staat durch die Abfallverbringungsverordnung, mit welcher das Basler Übereinkommen in Gemeinschaftsrecht umgesetzt wurde, verboten ist,

I. in der Erwägung, dass als gefährliche Abfälle geltende Schiffe in einem OECD-Staat umweltverträglich abgewrackt werden müssen oder erst nach ihrer Dekontaminierung (die so erfolgt, dass sie nicht mehr als gefährlicher Abfall gelten) in einen Nicht-OECD-Staat verbracht werden dürfen und dass systematisch gegen diese Vorschrift verstoßen wird,

J. in der Erwägung, dass Küstenstaaten nach geltendem Seerecht und aufgrund der IMO-Übereinkommen berechtigt und verpflichtet sind, sämtliche einschlägigen internationalen Rechtsvorschriften zum Umweltschutz anzuwenden; dass aber bei der Abwrackung von Schiffen das Basler Übereinkommen nur selten eingehalten wird, unter anderem weil der politische Wille fehlt, die Regelungslücken zu schließen und das insbesondere am Phänomen der Flaggenstaaten erkennbare Problem der strukturellen Abschiebung von Verantwortung in der Seeschifffahrt anzugehen,

K. in der Erwägung, dass das Basler Übereinkommen, einschließlich der Vorschriften über die Ausfuhr von Altschiffen, in der Europäischen Union zwar durch die Abfallverbringungsverordnung umgesetzt wurde; dass diese aber nicht zufrieden stellend auf die Ausrangierung von Schiffen angewendet wird, weil in europäischem Besitz befindliche oder in europäischen Gewässern eingesetzte oder unter EU-Flagge fahrende Schiffe auf eine letzte "normale" Fahrt gehen und erst dann zu Abfall erklärt werden, wenn sie europäische Gewässer verlassen haben, wobei diesem Verstoß gegen das internationale und das Gemeinschaftsrecht durch keinerlei Kontrollmechanismen oder Anleitungen zur Rechtsdurchsetzung Einhalt geboten wird,

L. unter Hinweis darauf, dass in den Erwägungen der Abfallverbringungsverordnung festgestellt wird: "Die sichere und umweltgerechte Abwrackung von Schiffen muss sichergestellt werden, um die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu schützen",

M. in der Erwägung, dass die Internationale Seeschifffahrtsorganisation gegenwärtig ein Übereinkommen zur weltweiten Lösung des Problems der Regelungslücken im Basler Übereinkommen ausarbeitet,

N. in der Erwägung, dass die Teilnehmer der siebten Tagung der Konferenz der Vertragsparteien des Basler Übereinkommens einschließlich der EU-Mitgliedstaaten die Internationale Seeschifffahrtsorganisation im Hinblick auf eine durchgreifendere Unterbindung der Ausfuhr giftstoffhaltiger Altschiffe aufgefordert haben, die Verabschiedung verbindlicher Vorschriften, einschließlich eines Systems zur Meldung von zur Abwrackung bestimmten Schiffen, weiterhin ins Auge zu fassen, um ein Kontrollniveau wie das im Basler Übereinkommen vorgesehene zu schaffen, und die Ausarbeitung verbindlicher Vorschriften über die umweltfreundliche Abwrackung von Schiffen fortzusetzen, wobei auch eine Vordekontamination vorgeschrieben werden kann,

O. in der Erwägung, dass mit der gegenwärtigen Fassung des Entwurfs des IMO-Übereinkommens über die Abwrackung von Schiffen nicht das Kontrollniveau geschaffen wird, das dem Basler Übereinkommen und der Abfallverbringungsverordnung entspricht, dass die Verbringung giftiger Abfälle in Entwicklungsländer in diesem Entwurf nicht ansatzweise unterbunden wird, dass darin nicht Mechanismen auf der Basis des Verursacherprinzips, der Grundsatz der Substitution im Hinblick auf umweltfreundliche Schiffskonstruktion, geprüfte Normen für Abwrackwerften und anderes in Betracht gezogen werden und dass keine Aussicht auf eine Ratifizierung dieses Textes durch die derzeitigen Abwrackstaaten und der bedeutenden Flaggenstaaten besteht,

P. in der Erwägung, dass man in jedem Fall davon ausgeht, dass es noch viele Jahre bis zur Verabschiedung eines solchen IMO-Übereinkommens dauern kann und dass anschließend aufgrund des langwierigen Ratifizierungsprozesses noch weitere Jahre bis zu seinem Inkrafttreten vergehen können,

Q. in der Erwägung, dass die Europäische Union zurzeit keine ausreichenden Kapazitäten zur ordnungsgemäßen Abwrackung ihrer Schiffe (unter EU-Flagge oder mit EU-Eigentümern) hat, was besonders für die Handelsflotte gilt; und dass sich dieser Mangel aufgrund der bevorstehenden beschleunigten Ausrangierung zahlreicher Einhüllentanker im Jahr 2010 bedrohlich zuspitzen wird,

R. in der Erwägung, dass äußerst dringend Rechtsvorschriften auf EU-Ebene erlassen werden müssen, damit nicht auch noch diese Einhüllentanker die südasiatischen Strände und Flussufer verschmutzen, und dass es keine Rechtfertigung für Untätigkeit gibt, zumal diese Einhüllentanker eindeutig ermittelt werden können,

S. in der Erwägung, dass der primäre Markt für die Abwrackung von Schiffen zurzeit zumeist nur sehr schlecht funktioniert, wodurch die sozial-, umwelt- und gesundheitspolitischen Grundsätze der Europäischen Union gravierend verletzt werden,