Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte

Der Bundesrat hat in seiner 900. Sitzung am 21. September 2012 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat begrüßt die Bestrebungen der Bundesregierung, das Verbraucherinsolvenzverfahren und das Verfahren über die Restschuldbefreiung zu reformieren. Insbesondere steht der Bundesrat den im Zentrum der Reformbemühungen stehenden Überlegungen, die derzeit sechs Jahre lange Wohlverhaltensperiode abzukürzen und redlichen Schuldnern die Möglichkeit zu verschaffen, zu einem bereits wesentlich früheren Zeitpunkt Restschuldbefreiung und damit die Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang zu erhalten, aufgeschlossen gegenüber.

Der Bundesrat teilt grundsätzlich die Auffassung der Bundesregierung, dass es sinnvoll ist, sowohl die Möglichkeit als auch das jeweilige Ausmaß einer Verkürzung der Wohlverhaltensperiode auf der Grundlage eines entsprechenden Anreizsystems in Abhängigkeit vom jeweiligen Engagement des Schuldners zu regeln. Hierzu zählt insbesondere die Anknüpfung an etwaige überdurchschnittliche oder zumindest erkennbar über einen vollständigen Forderungsverzicht hinausgehende Bemühungen um den Ausgleich der Verfahrenskosten und zumindest um die anteilige Regulierung der von der Restschuldbefreiung gegebenenfalls betroffenen Forderungen.

Der Bundesrat verkennt nicht, dass das grundsätzlich hohe Interesse der Schuldner an einer frühzeitigen schuldenfreien Rückkehr in das Wirtschaftsleben den nicht minder berechtigten Interessen und ebenso gewichtigen Grundrechten der Gläubigerschaft an einer möglichst umfassenden Regulierung ihrer Forderungen gegenübersteht. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass bei jeder diesbezüglichen Lösung bedacht werden muss, welches Signal von ihr für die generelle Zahlungsmoral ausgeht und welche Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft hiervon zu erwarten sind.

Nach Einschätzung des Bundesrates sollten die Erfahrungen mit der Anwendung des Gesetzes insbesondere in Ansehung von § 300 InsO-E gegebenenfalls nach Ablauf von mindestens fünf Jahren nach Inkrafttreten evaluiert werden. Angesichts der Tatsache, dass die Wahl einer jeden Mindesttilgungsquote der Höhe nach zwangsläufig auf einer prognostischen Einschätzung beruht, sollte nach Verstreichen eines Zeitraumes, nach welchem erstmals beurteilt werden kann, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang von der Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Verkürzung der Restschuldbefreiungsperiode Gebrauch gemacht wird, überprüft werden, ob sich die angesetzten Bezugsgrößen als grundsätzlich richtig und zweckmäßig erwiesen haben.

2. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 5 Absatz 2 Satz 1 und 2 InsO)

In Artikel 1 Nummer 3 ist § 5 Absatz 2 Satz 1 und 2 wie folgt zu fassen:

"Das Verfahren wird schriftlich durchgeführt. Erscheinen die Vermögensverhältnisse des Schuldners nicht überschaubar, sind insbesondere die Voraussetzungen des § 304 Absatz 2 nicht gegeben, kann das Insolvenzgericht anordnen, dass das Verfahren oder einzelne seiner Teile mündlich durchgeführt werden, wenn dies zur Förderung des Verfahrensablaufs angezeigt ist."

Begründung:

Die bisherige Fassung des Gesetzentwurfs gibt das beabsichtigte Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit nicht hinreichend klar wieder und lässt Raum für die Auslegung, dass auch die schriftliche Durchführung des Verfahrens zunächst einer konkreten positiven Anordnung durch das Gericht bedarf. Bereits derzeit werden Insolvenzverfahren in der Praxis überwiegend schriftlich durchgeführt, so dass es gerechtfertigt ist, die Schriftlichkeit des Verfahrens zur Regel zu machen, zumal wenn die Vorschrift allgemeine Gültigkeit auch für die zahlenmäßig häufigeren Verbraucherinsolvenzverfahren erhält.

Zum anderen ist gerade aufgrund der Tatsache, dass die derzeitige Fassung des Gesetzentwurfs insoweit nicht (mehr) zwischen Verbraucher- und Regelinsolvenz unterscheidet, zu erwarten, dass die Änderung auch Auswirkungen auf die Handhabung von Regelinsolvenzverfahren haben wird. Hier bestehen derzeit bei den Gerichten gänzlich unterschiedliche Handhabungen, was zu Unsicherheiten führen kann. Aus diesem Grund sollte auch eine klare gesetzliche Vorgabe dafür eingefügt werden, in welchen Fällen von Überschaubarkeit auszugehen ist. Insoweit bietet sich die vorgeschlagene Anknüpfung an § 304 Absatz 2 InsO an.

3. Zu Artikel 1 Nummer 3a - neu - (§ 9 Absatz 4 - neu - InsO)

Nach Artikel 1 Nummer 3 ist folgende Nummer 3a einzufügen:

Begründung:

Die Streichung der §§ 312 ff. InsO begegnet insoweit Bedenken, als die Begründung des Gesetzentwurfs hinsichtlich des ebenfalls entfallenden § 312 Absatz 1 Satz 1 InsO keine nachvollziehbaren Gründe nennt. Die Regelung war durch das Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2710) mit der Begründung eingefügt worden, dass "die Frage der Publizität in diesem Verfahren nicht den Stellenwert wie in einem Regelinsolvenzverfahren hat". Es ist nicht ersichtlich, weshalb hieran nicht festgehalten werden soll.

4. Zu Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb (§ 26a Absatz 1 Satz 2 InsO)

In Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb ist § 26a Absatz 1 Satz 2 wie folgt zu fassen:

"Die Festsetzung erfolgt gegen den Schuldner; hat ein Gläubiger den Eröffnungsantrag gestellt, erfolgt die Festsetzung gegen ihn, wenn dies unter Berücksichtigung der Erfolgsaussicht seines Antrags billigem Ermessen entspricht."

Begründung:

Vergütung und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters fallen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht unter die Kosten des Verfahrens, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet wird. Nach der derzeitigen Regelung in § 26a InsO können sie nur gegen den Schuldner festgesetzt werden. Dies kann zu unangemessenen Ergebnissen führen, wenn ein Gläubiger den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat und sich sein Antrag als unzulässig oder unbegründet erweist oder der Antrag zurückgenommen wird. Nicht in jedem Fall eines als unbegründet abgewiesenen Gläubigerantrags erscheint es allerdings gerechtfertigt, dem Gläubiger die Kosten des vorläufigen Insolvenzverwalters aufzuerlegen; dies ergibt sich schon aus der Wertung des § 14 Absatz 3 InsO. Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgeschlagene Regelung erscheint daher einerseits zu weitgehend, da sie stets den Gläubiger mit den Kosten des vorläufigen Insolvenzverwalters belastet, wenn sein Antrag als unbegründet zurückgewiesen wird. Andererseits greift sie zu kurz, indem sie die Fälle der Antragsrücknahme und der nachträglich festgestellten Unzulässigkeit des Antrags nicht abdeckt. Statt ihrer wird daher eine Formulierung vorgeschlagen, die sämtliche Fallgestaltungen erfassen soll und es einer Prüfung des Einzelfalls überlässt, ob der Gläubiger ausreichenden Anlass hatte, einen Eröffnungsantrag zu stellen, oder ein solcher Anlass fehlte. In letzterem Fall sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

5. Zu Artikel 1 Nummer 19 Buchstabe a (§ 287 Absatz 1 Satz 3 InsO), Buchstabe b (§ 287 Absatz 2 Satz 2 InsO)

Artikel 1 Nummer 19 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

§ 287 Absatz 1 Satz 3 InsO-E ist Anknüpfungspunkt für den insoweit ebenfalls neu gefassten Versagungstatbestand des § 290 Absatz 1 Nummer 6 InsO-E. Der Schuldner sollte die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner entsprechenden Angaben versichern müssen. Dies könnte sowohl als an den Schuldner gerichteter Hinweis auf die Bedeutung der Angaben dienen als auch als Warnung vor falschen Angaben. Zudem sollte auch ein Gleichlauf mit § 305 Absatz 1 Nummer 3 InsO erzielt werden.

Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen über eine der Dauer nach auf sechs Jahre legaldefinierte und dementsprechend festgeschriebene Abtretungsfrist harmonieren nicht widerspruchsfrei mit den an die solchermaßen definierte Abtretungsfrist anknüpfenden weiteren Regelungen des Gesetzentwurfs.

Insbesondere enthält § 300 InsO-E keine Regelung, die besagt, dass bzw. wie die Frist nach Ablauf von drei bzw. fünf Jahren in den Fällen von § 300 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 3 InsO-E endet. Soweit § 300 InsO-E selbst von der Möglichkeit einer "vorzeitigen" Beendigung der Abtretungsfrist spricht, knüpft er damit offensichtlich lediglich an den in der vorausgehenden Vorschrift (§ 299 InsO-E) geregelten Fall der vorzeitigen Versagung der Restschuldbefreiung an. Eine anderweitige ausdrückliche Regelung zum Ende der Abtretungsfrist fehlt hingegen. Im Gegenteil lässt die Formulierung von § 300a Absatz 1 Satz 1 InsO-E eher den Schluss zu, dass die Abtretungsfrist selbst im Fall der Erteilung der Restschuldbefreiung nach drei Jahren und vor Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht endet, dass vielmehr das Ende der Abtretungsfrist und die Fälle des § 300 Absatz 1 Satz 2 InsO-E ein Gegensatzpaar bilden.

Der Bundesrat versteht die gegebenenfalls nach drei bzw. fünf Jahren bestehende Möglichkeit zur Erteilung der Restschuldbefreiung so, dass mit ihr auch die Abtretungsfrist enden muss. Anderenfalls könnte der Treuhänder nach Maßgabe von § 292 InsO-E die Verteilung stets bis zur Dauer von sechs Jahren aussetzen, wären Zwangsvollstreckungen einzelner Gläubiger nach Maßgabe von § 294 InsO-E mitunter noch lange Zeit nach Erteilung der Restschuldbefreiung unzulässig, hätte der Schuldner selbst nach Erteilung der Restschuldbefreiung nach Maßgabe von § 295 Absatz 2 Nummer 1 InsO-E Vermögen von Todes wegen zur Hälfte an den Treuhänder herauszugeben.

6. Zu Artikel 1 Nummer 26 (§ 296 Absatz 1 Satz 3 InsO)

Artikel 1 Nummer 26 ist wie folgt zu fassen:

'26. § 296 Absatz 1 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Gemäß § 295 Absatz 2 Nummer 2 in Verbindung mit § 296 Absatz 1 Satz 1 InsO-E kommt eine Versagung der Restschuldbefreiung wegen Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners (insbesondere Nichtanzeige eines Wohnsitzwechsels, Verheimlichung der von der Abtretungserklärung erfassten Bezüge, Verweigerung der Auskunftserteilung über die Erwerbstätigkeit oder die Erwerbsbemühungen sowie über die Bezüge und das Vermögen) nur dann in Betracht, wenn der Gläubiger darlegt und glaubhaft macht, dass durch die Obliegenheitsverletzung eine Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger eingetreten ist.

In der Praxis muss die Mehrzahl der auf eine Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten während des Restschuldbefreiungsverfahrens gestützten Versagungsanträge als unzulässig zurückgewiesen werden, weil es dem Gläubiger mangels Kenntnis der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners nicht gelingt, schlüssig darzulegen, geschweige denn glaubhaft zu machen, ob und in welchem Umfang den Insolvenzgläubigern infolge der Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten ein messbarer wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Dadurch wird der Schuldner, der es an einer für die Befriedigung der Gläubiger elementaren Mitwirkung hat fehlen lassen, in unangemessener Weise - und unverdient - geschützt. Eine Versagung der Restschuldbefreiung von Amts wegen nach § 296 Absatz 2 Satz 3 InsO aufgrund der Verletzung von Auskunftspflichten schafft keine hinreichende Abhilfe, weil eine derartige Versagung jedenfalls nach h.M. den zulässigen Versagungsantrag eines Gläubigers voraussetzt (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 - IX ZB 274/10 -, WM 2011, 1280). Desweiteren gehen Unklarheiten darüber, ob den Schuldner bei der Verletzung der Mitwirkungspflichten ein Verschulden trifft, im Rahmen des § 296 Absatz 2 Satz 3 InsO anders als bei § 296 Absatz 1 InsO nicht zu Lasten des Schuldners.

7. Zu Artikel 1 Nummer 29 (§ 300 Absatz 1 Satz 2 InsO)

In Artikel 1 Nummer 29 ist in § 300 Absatz 1 Satz 2 das Komma durch die Wörter "und stehen den Insolvenzgläubigern keine nach Eröffnung und außerhalb des Insolvenzverfahrens begründeten Forderungen, bei denen Verzug eingetreten ist, gegen den Schuldner zu," zu ersetzen.

Begründung:

Die Verkürzung der Restschuldbefreiung dient dem Ziel, dem redlichen Schuldner einen schnelleren Neustart zu ermöglichen. Eine Vielzahl von Schuldnern verschuldet sich aber erfahrungsgemäß während des laufenden Verfahrens neu. Eine solche Neuverschuldung konterkariert das Ziel eines schnellen Neustarts. Daher sollte, auch zum Schutz der Insolvenzgläubiger vor neuen fälligen Forderungen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzschuldner begründet werden, eine Neuverschuldung des Insolvenzschuldners während des laufenden Insolvenzverfahrens bzw. während der Wohlverhaltensphase zur Versagung der Restschuldbefreiung führen.

Die Einbeziehung des Kriteriums der Neuverschuldung in die Entscheidung über die Erteilung einer Restschuldbefreiung soll dadurch gewährleistet werden, dass in § 300 InsO als weitere tatbestandliche Voraussetzung für die Erteilung einer Restschuldbefreiung eingefügt wird, dass den Insolvenzgläubigern keine nach Eröffnung und außerhalb des Insolvenzverfahrens begründeten Forderungen, bei denen Verzug eingetreten ist, gegen den Schuldner zustehen.

8. Zu Artikel 1 Nummer 30 (§ 302 Nummer 1 InsO) Artikel 11 Nummer 2 (§ 251 Absatz 3 Satz 2 - neu - AO)

Begründung:

Im Hinblick auf die Ausgleichsfunktion des Deliktsrechts werden Schadenersatzpflichten aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen sowie

Geldstrafen und diesen gleichgestellte Verbindlichkeiten des Schuldners zwecks Bewahrung des Sanktionscharakters derartiger Anordnungen von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht umfasst, vgl. § 302 InsO. Der Schuldner soll sich durch das mit der Einführung der InsO geschaffene Verfahren der Restschuldbefreiung nicht der Erfüllung solcher Verbindlichkeiten entziehen können.

Nach dem Gesetzentwurf sollen von der Restschuldbefreiung zukünftig auch Verbindlichkeiten des Schuldners aus einem Steuerschuldverhältnis ausgenommen werden, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist.

Der Vorschlag, Forderungen, die auf eine Steuerhinterziehung zurückzuführen sind, ebenfalls von der Restschuldbefreiung auszunehmen, wird unterstützt. Es ist nicht vermittelbar, dass jemand, der Steuern vorsätzlich verkürzt und somit gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen hat, auch noch dadurch belohnt werden soll, indem der Anspruch auf Zahlung der hinterzogenen Beträge durch die Erteilung der Restschuldbefreiung erlischt.

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Beschränkung auf die Fälle der rechtskräftigen Verurteilung ist allerdings nicht gerechtfertigt und sollte daher gestrichen werden. Strafprozesse sind im Zeitpunkt der Forderungsanmeldung häufig noch nicht abgeschlossen oder es kommt aufgrund der Erteilung von Auflagen nach § 153a StPO nicht zu einer Verurteilung. Ferner kann eine rechtskräftige Verurteilung an der im Vergleich zur Festsetzungsfrist für hinterzogene Steuern (10 Jahre, vgl. § 169 Absatz 2 Satz 2 AO) kürzeren Frist für eine Strafverfolgung (5 Jahre, § 78 Absatz 3 Nummer 4 StGB in Verbindung mit § 369 Absatz 2, § 370 Absatz 1 AO) scheitern.

Auch aus systematischen Gründen ist eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer Steuerstraftat als Tatbestandsmerkmal für die Ausnahme der entsprechenden Steuerforderung von der Restschuldbefreiung nicht gerechtfertigt. Die rechtskräftige Verurteilung bei Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung wird für die Anwendung des § 302 InsO ebenfalls nicht vorausgesetzt.

Die Begründung des Gesetzentwurfs, wonach dem Gericht die Feststellung der objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer solchen Steuerstraftat erspart werden soll, überzeugt nicht. Bereits seit Einführung der Insolvenzordnung zum 1. Januar 1999 sind Verbindlichkeiten aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen von der Restschuldbefreiung ausgenommen, ohne dass eine rechtskräftige Verurteilung gesetzliche Versagungsvoraussetzung wäre und die Gerichte somit bei Widerspruch des Schuldners eine eigenständige Prüfung vorzunehmen haben. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Differenzierung ist nicht gerechtfertigt.

Letztlich steht die im Gesetzentwurf enthaltene Regelung im Widerspruch zu der Protokollerklärung der Bundesregierung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (vgl. Anlage 9 zum Bericht der 890. BR-Sitzung am 25. November 2011), wonach die aus einer Steuerhinterziehung resultierenden Steueransprüche von der Restschuldbefreiung ausgenommen werden sollen. Eine Beschränkung auf Steueransprüche, denen eine rechtskräftige Verurteilung zugrunde liegt, ist der Protokollerklärung nicht zu entnehmen.

Die Änderung in § 251 Absatz 3 AO ist eine klarstellende Folgeänderung, die die Befassung der sachnäheren Finanzgerichtsbarkeit bei Streitigkeiten über das Vorliegen einer Steuerstraftat gewährleistet und auch dem Ziel der Bundesregierung entspricht, dem Gericht die Feststellung der objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer solchen Steuerstraftat zu ersparen. Die Zuständigkeit der Finanzbehörden sowie der Finanzgerichtsbarkeit über das Vorliegen des deliktischen Schuldgrundes (Steuerforderung als Gegenstand einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO) ergibt sich bereits aus § 185 in Verbindung mit § 184 InsO. Abgesehen davon entscheidet die Finanzgerichtsbarkeit über das Vorliegen von Steuerstraftaten bereits im Zusammenhang mit Fragen der Festsetzungsverjährung, die für hinterzogene Steuern zehn Jahre beträgt, vgl. § 169 Absatz 2 Satz 2 AO.

9. Zu Artikel 1 Nummer 35 Buchstabe b (§ 305 Absatz 3 Satz 2 und 3 InsO)

Artikel 1 Nummer 35 Buchstabe b ist wie folgt zu fassen:

'b) Absatz 3 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Die beabsichtigte Abkehr von der Rücknahmefiktion des § 305 Absatz 3 Satz 2 InsO ist nicht gerechtfertigt.

Ausgangspunkt der gewünschten Änderung war, dass es in der Praxis teilweise zu exzessiven Auflagenverfügungen und damit zu Verzögerungen für den Schuldner gekommen sei, gegen die sich der Schuldner wegen der Rücknahmefiktion des § 305 Absatz 3 Satz 2 InsO nicht zur Wehr habe setzen können. Durch die Beschwerdemöglichkeit sollte dieser Entwicklung der faktischen Rechtsschutzverweigerung für den Schuldner Einhalt geboten werden.

§ 305 Absatz 3 InsO-E schießt insoweit über das Ziel hinaus. Denn die neu gefasste Norm sieht ohnehin eingangs vor, dass bei einem Insolvenzantrag vom Schuldner nur noch die Angaben gefordert werden können, die in den amtlichen Formularen ausdrücklich angesprochen sind. Zusätzlich Angaben vom Schuldner darf das Gericht ohne hinreichende Anhaltspunkte nun also nicht mehr fordern. Dann aber besteht auch nicht mehr die Gefahr der überhöhten Anforderungen des Gerichts an den Schuldner. Insoweit bedarf es dann auch nicht eines Beschlusses mit Beschwerdemöglichkeit. Es sollte somit bei der jetzigen Regelung der Rücknahmefiktion und der mit ihr verbundenen Entlastung der Gerichte verbleiben.

10. Zum Verbraucherinsolvenzverfahren allgemein

Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich das mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung verfolgte Anliegen, Menschen, die in eine finanzielle Notsituation geraten sind, schneller und effektiver als bisher eine zweite Chance zu eröffnen.

Er begrüßt daher die Bestrebungen, das Verbraucherinsolvenzverfahren umzugestalten und zu straffen.

Der vorliegende Gesetzentwurf verwischt allerdings die Grenzen zwischen Regel- und Verbraucherinsolvenzverfahren. Als signifikante Unterschiede zwischen Verbraucher- und Regelinsolvenzverfahren verbleiben nach dem Entwurfskonzept nur noch der Ausschluss der Eigenverwaltung und das Erfordernis eines außergerichtlichen Einigungsversuchs. Der Bundesrat gibt zu bedenken, dass der Gesetzentwurf letztlich eine Entscheidung zwischen den Möglichkeiten der völligen Abschaffung des besonderen Verbraucherinsolvenzverfahrens und der reinen Strukturreform desselben vermeidet. Nach Auffassung des Bundesrates wäre es konsequenter, entweder die Unterscheidung zwischen Regel- und Verbraucherinsolvenzverfahren vollständig aufzugeben und den Ausschluss von Eigenverwaltung sowie die außergerichtliche Einigung in den allgemeinen Vorschriften zu platzieren oder anstelle einer Öffnung des Planverfahrens für Verbraucherinsolvenzverfahren ein schlank gehaltenes, selbständiges gerichtliches Verfahren zur gerichtlichen Herbeiführung einer Einigung auf der Basis eines Schuldenbereinigungsplans zu schaffen.

Der Bundesrat befürwortet grundsätzlich die Streichung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens in seiner bisherigen Form. Dieses Verfahren hat sich in der Praxis nicht durchgesetzt. Der verwaltungstechnische und zeitliche Aufwand ist nicht geeignet, gemeinschaftliche Lösungen mit allen Gläubigern herbeizuführen.

Der Bundesrat bezweifelt jedoch, dass die Regelungen in Artikel 1 Nummer 36 bis 40 das mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung verfolgte Anliegen adäquat umsetzen können. Insbesondere sieht er in der Eröffnung des Insolvenzplanverfahrens auch für Verbraucher keine schnelle und flexible Einigungsmöglichkeit für Schuldner und Gläubiger. Die Anwendbarkeit des Insolvenzplanverfahrens wird vielmehr dazu führen, dass die im außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren gleichrangig bewerteten Gläubiger im Zweifel einer Einigung nicht zustimmen werden, weil sie im Insolvenzplanverfahren ihre Gläubigerstellung stärken können. Die Quote der erfolgreichen außergerichtlichen Einigungen, die in der Begründung des Gesetzentwurfs noch hervorgehoben worden ist, wird sinken.

Die Öffnung des Insolvenzplanverfahrens erachtet der Bundesrat als sachgerecht, weil ein zwingender Grund für den Ausschluss nicht ersichtlich ist. Doch realistisch betrachtet ist nicht mit einer nennenswerten Anzahl von Insolvenzplänen im Rahmen von Verbraucherinsolvenzverfahren zu rechnen. Der Aufwand für alle Beteiligten erscheint - etwa angesichts der Anforderungen an den Insolvenzplan nach den §§ 219 ff. InsO und an das Abstimmungsverfahren nach den §§ 235 ff. InsO unangemessen hoch. Auch ist die Abstimmung über Insolvenzpläne nach Gruppen auf Unternehmensinsolvenzen unter Beteiligung einer Vielzahl unterschiedlich gesicherter Gläubiger zugeschnitten. Der Hinweis aus der Begründung des Gesetzentwurfs darauf, dass das Planverfahren bewährt sei, ist als solcher zutreffend, lässt indes die bisherige Beschränkung auf Regelinsolvenzen außer Acht.

Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung zu prüfen, ob der im Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz vom 18. Januar 2012 vorgeschlagene Weg der Zusammenführung des gerichtlichen und außergerichtlichen Einigungsversuches nicht doch weiter verfolgt werden sollte. In diesem wird das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren aufgegeben und gleichzeitig die Möglichkeit geschaffen, nicht einigungsbereite Gläubiger unter bestimmten Voraussetzungen zum Beitritt zu dem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan zu verpflichten. Durch die ersatzlose Streichung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens könnte das Verfahren zusätzlich gestrafft und effektiver ausgestaltet werden.

Konsequenterweise könnte darüber hinaus geprüft werden, das Zustimmungsersetzungsverfahren vom Insolvenzeröffnungsverfahren zu trennen, daher den Antrag auf Zustimmungsersetzung von dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entkoppeln. Dies würde Anreize schaffen, sich außergerichtlich stärker um eine Einigung zu bemühen. Dadurch würde ein bewährtes Insolvenzinstrument weiterentwickelt und die professionelle Arbeit der anerkannten Beratungsstellen qualifiziert in den gesamten Entschuldungsprozess von Verbrauchern eingebunden.

Hierbei würde berücksichtigt, dass Unternehmensinsolvenzen und Verbraucherinsolvenzen berechtigterweise unterschiedlichen Verfahrensabläufen zugeordnet werden müssen.

11. Zu Artikel 2 (§ 18 Absatz 1 Nummer 1 und 3 RPflG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die Landesregierungen ermächtigt werden können, die in § 18 Absatz 1 Nummer 1 und 3 RPflG-E geregelten Richtervorbehalte durch Rechtsverordnung ganz oder teilweise aufzuheben, sofern es sich um ein Verbraucherinsolvenzverfahren handelt.

Begründung:

Bereits heute obliegen dem Rechtspfleger im Verbraucherinsolvenz- und im Restschuldbefreiungsverfahren umfangreiche Aufgaben. Zur (weitgehenden) Vermeidung der bislang vorgegebenen Zuständigkeitswechsel zwischen Rechtspfleger und Richter sollte daher geprüft werden, ob die Landesregierungen (durch eine Ergänzung von § 19 Absatz 1 Satz 1 RPflG) ermächtigt werden können, die in § 18 Absatz 1 Nummer 1 und 3 RPflG-E geregelten Richtervorbehalte durch Rechtsverordnung ganz oder teilweise aufzuheben, sofern es sich um ein Verbraucherinsolvenzverfahren handelt.

Eine Übertragung der funktionalen Zuständigkeit für das Verbraucherinsolvenz- und das Restschuldbefreiungsverfahren auf den Rechtspfleger würde nicht zuletzt auch einen Ausgleich für die mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vorgenommene Übertragung der Zuständigkeit für das Insolvenzplanverfahren auf den Richter darstellen.

Eine Ermächtigung der Landesregierungen zur Aufhebung des Richtervorbehalts hat gegenüber einer bundesweit einheitlichen Aufgabenübertragung unter anderem den Vorteil, dass den unterschiedlichen personalwirtschaftlichen Belangen der einzelnen Länder Rechnung getragen werden kann. Die Landesregierungen (bzw. im Falle einer Delegation die Landesjustizverwaltungen, vgl. § 19 Absatz 1 Satz 2 RPflG) könnten frei entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang sie von der Möglichkeit Gebrauch machen. Da allein die funktionale Zuständigkeit betroffen ist, erscheint es unproblematisch, wenn diese nicht bundesweit einheitlich geregelt ist.

Sollte eine eingehende verfassungsrechtliche Prüfung gewichtige verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf den Richtervorbehalt nach Artikel 92 GG ergeben, wäre in Betracht zu ziehen, kontradiktorische Entscheidungen über die Versagung und den Widerruf der Restschuldbefreiung von der Aufhebungsmöglichkeit auszunehmen.

12. Zu Artikel 12 Nummer 3 (§ 67c Absatz 1 Nummer 2 und Absatz 2 InsO)

In Artikel 12 Nummer 3 ist § 67c wie folgt zu ändern:

Begründung:

Anders als bei gemietetem Wohnraum besteht für genossenschaftliches Wohnen kein Kündigungsverbot in der Insolvenz. Der Insolvenzverwalter ist - ebenso wie andere Vollstreckungsgläubiger - berechtigt, in der Insolvenz des Mitglieds einer Genossenschaft die Mitgliedschaft mit dem Ziel zu kündigen, den zur Insolvenzmasse gehörigen Anspruch des Schuldners auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens zu realisieren.

Wie der Bundesgerichtshof nunmehr wiederholt entschieden hat, ist das insolvenzrechtliche Kündigungsverbot für gemieteten Wohnraum aus § 109 InsO auf diesen Fall nicht entsprechend anwendbar. Dem Schuldner ist darüber hinaus der Weg verwehrt, für einen Teil des Auseinandersetzungsguthabens Vollstreckungsschutz zur Stellung einer Mietkaution zu erhalten, um so in der genutzten Genossenschaftswohnung weiter wohnen bleiben zu können. Auch dies hat der Bundesgerichtshof kürzlich entschieden. Die von einem Teil der Rechtsprechung und Literatur aufgezeigten Wege, Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften in der Insolvenz vergleichbar wie Mieter zu schützen, sind damit auf Dauer versperrt.

Somit besteht dringender Handlungsbedarf, damit in finanzielle Not geratenen Menschen geholfen werden kann und sie in der Insolvenz wenigstens die Sicherheit haben, ihre Wohnung behalten zu können. Nur so kann auch der Nachrang der Sozialhilfe sichergestellt werden und nur so wird verhindert, dass in finanzielle Not geratene Menschen - aus Angst vor einem Wohnungsverlust für sich und ihre Familie - von der Einleitung eines Verbraucherentschuldungsverfahrens Abstand nehmen.

Mit dem Gesetzentwurf soll diese Gesetzeslücke nunmehr geschlossen werden.

Allerdings werden im Entwurf nur solche Genossenschaftsanteile geschützt, die das Vierfache der monatlichen Nettokaltmiete nicht übersteigen oder die auf diesen Betrag reduziert werden können. Wenn Genossenschaftsanteile das Vierfache übersteigen und der Schuldner nach der Satzung gehindert ist, seine Anteile durch Kündigung nach § 67b des Genossenschaftsgesetzes auf dieses Maß zu reduzieren, soll der Kündigungsausschluss der Mitgliedschaft für den Insolvenzverwalter nicht gelten. Diese Einschränkung ist nicht angemessen.

Die Annahme, dass Genossenschaftsanteile jenseits des Vierfachen der Nettokaltmiete eher den Charakter einer Geldanlage hätten und es verhindert werden müsse, dass Genossenschaftsmitglieder die Möglichkeit erhielten, Teile ihres Vermögens der Insolvenzmasse zu entziehen, wird der Wirklichkeit des Modells genossenschaftlichen Wohnens nicht gerecht.

Pflichtanteile für die Nutzung der Wohnung sind in der Regel höher als das Vierfache der monatlichen Nettomiete. Genossenschaftsanteile haben auch eine ganz andere Funktion als Mietsicherheiten. Sie bilden das Eigenkapital der Genossenschaft und ermöglichen deren Wohnungsbau. Der in der Entwurfsbegründung hergestellte argumentative Zusammenhang zwischen Genossenschaftsanteilen und einer Mietkaution vermag deshalb nicht zu überzeugen.

Schon der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. hat in einer Umfrage unter allen Mitgliedern (mit Ausnahme des Landes Bremen, das nicht betroffen ist, und der Länder Saarland und Niedersachsen, die sich nicht beteiligt haben) und anschließender Stellungnahme gegenüber dem Bundesministerium der Justiz festgestellt, dass in allen befragten Ländern eine Obergrenze der vierfachen Nettokaltmiete nicht ausreichend ist, sondern höhere Pflichtanteile bei Anmietung einer Wohnung erworben werden müssen.

Beispielhaft sichert die vierfache Obergrenze in Berlin etwa 32 Prozent der Wohnverhältnisse und in Bayern circa 37 Prozent. Selbst bei einer erhöht gewählten Obergrenze von dem Siebenfachen einer Nettokaltmiete werden in Berlin nur rund 68 Prozent, in Bayern 79 Prozent und in der Freien und Hansestadt Hamburg nur rund 40 Prozent der Wohnverhältnisse gesichert.

Das Mittel der Wahl einer Obergrenze in Höhe eines Vielfachen der Nettokaltmiete ist daher ebenso ungeeignet zur Sicherung der Wohnverhältnisse wie die Benennung einer "Obergrenze" von 2 000 Euro. Diese sichert, wenn überhaupt, überwiegend Kleinraumwohnungen, die von ein bis zwei Personen bewohnt werden.

Familien, die größeren Wohnraum beanspruchen und dementsprechend eine höhere Nettokaltmiete aufwenden müssen, werden auch zukünftig weder eine Wohnraumsicherung über die "Nettokaltmietenregelung" noch über die "Obergrenzenregelung" erhalten.

Eine Benachteiligung von Familien und größeren Bedarfsgemeinschaften ist nicht nachvollziehbar und kann ebenfalls nicht Intention des Gesetzgebers sein.

Vor diesem Hintergrund ist die vollständige Änderung des § 67c des Genossenschaftsgesetzes hin zu einer vollständigen Sicherung genossenschaftlicher Mietwohnungen erforderlich.