Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen
Entschließung des Bundesrates zur Verringerung der Anzahl durchgeführter Versorgungsunterbrechungen und zur Abmilderung der Folgen steigender Energiekosten

Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen
Düsseldorf, den 31. Mai 2013

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Stromgrundversorgungsverordnung und der Gasgrundversorgungsverordnung* sowie den als weitere Anlage mit Begründung beigefügten Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Niederspannungsanschlussverordnung und der Niederdruckanschlussverordnung**

mit dem Antrag vorzulegen, der Bundesregierung die Vorlagen gemäß Artikel 80 Absatz 3 GG zuzuleiten.

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat ferner beschlossen, dem Bundesrat den als weitere Anlage beigefügten Antrag für eine Entschließung des Bundesrates zur Verringerung der Anzahl durchgeführter Versorgungsunterbrechungen und zur Abmilderung der Folgen steigender Energiekosten zuzuleiten.

Ich bitte, die Vorlagen gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 7. Juni 2013 aufzunehmen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angelica Schwall-Düren

Entschließung des Bundesrates zur Verringerung der Anzahl durchgeführter Versorgungsunterbrechungen und zur Abmilderung der Folgen steigender Energiekosten

Einkommensschwache Haushalte sind infolge der steigenden Energiekosten immer häufiger nicht in der Lage, ihre Rechnungen für Energielieferungen zu bezahlen. Ohne Strom und Gas aber ist ein menschenwürdiges Leben in der heutigen Gesellschaft nicht möglich. Häufig sind Kinder betroffen. Es sind dringend verschiedene Maßnahmen erforderlich, die dazu beitragen, dass in weniger Haushalten Energieschulden anfallen und die Anwendungshäufigkeit der Unterbrechung der Versorgung mit Strom und oder Gas langfristig reduziert wird.

Begründung zu 1)

Für ein effektives Vorgehen gegen Energiearmut ist es erforderlich, für Energieversorgungsunternehmen außerhalb der Grundversorgung Informations- und Hinweispflichten verbindlich in einer Verordnung festzulegen. Bisher regeln die Unternehmen, die nicht auch Netzbetreiber und daher von der Niederspannungsanschluss- bzw. der Niederdruckanschlussverordnung nicht erfasst werden, Voraussetzungen für Versorgungsunterbrechungen häufig in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Die Vorschrift des § 41 Abs. 5 EnWG sieht eine Ermächtigung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zum Erlass einer Rechtsverordnung vor, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf. In dieser Verordnung können nähere Regelungen für die Belieferung von Haushaltskunden mit Energie außerhalb der Grundversorgung getroffen sowie Rechte und Pflichten der Vertragspartner festgelegt werden. Hierbei sind die beiderseitigen Interessen angemessen zu berücksichtigen. Von dieser Verordnungsermächtigung, die aufgrund des Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 2011 in das EnWG eingeführt wurde, ist bisher noch kein Gebrauch gemacht worden.

Hier könnte die Pflicht, Kunden auf die an seinem Wohnort ansässigen Stellen für Schuldnerberatung sowie auf die Möglichkeit einer Schuldenübernahme als Darlehen für Leistungsberechtigte der Grundsicherung hinzuweisen sowie eine Vorschrift mit dem Inhalt, den Kunden über die Möglichkeit, ihm Gründe für eine Unverhältnismäßigkeit der Unterbrechung vorzutragen, zu informieren, geregelt werden. Ferner sollen das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz aufgefordert werden, für eine bessere Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Sperrandrohung eine Pflicht zur klaren und verständlichen Formulierung der Androhung in hervorgehobener Weise in eine noch zu erlassende Verordnung nach § 41 Abs. 5 EnWG aufzunehmen. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass die Kunden die Konsequenzen der Androhung und die Erforderlichkeit ihres Tätigwerdens unmittelbar erkennen. Schließlich muss in diese Verordnung auch eine Ermächtigung der Energieversorgungsunternehmen, den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende oder der Sozialhilfe bestimmte Datensätze von Kunden übermitteln zu dürfen, geregelt werden. Die Ermächtigungsgrundlage soll die Übermittlung der Daten von Kunden, die gegenwärtig von einer Sperrandrohung betroffen sind, zum Gegenstand haben. Die Ermächtigung zur Datenübermittlung hat den Zweck, drohende Versorgungsunterbrechungen - insbesondere durch Erbringung von Leistungen im Sinne SGB II und SGB XII, zum Beispiel durch eine Schuldnerberatung oder einer Übernahme der Energieschulden als Darlehen - abzuwenden.

(nur für das Plenum):

Dieser Entschließungsantrag versteht sich als Ergänzung zu der Verordnungsinitiative des Bundesrates zur Änderung der Stromgrundversorgungsverordnung und der Gasgrundversorgungsverordnung sowie zu dem Verordnungsentwurf zur Änderung der Niederspannungsanschlussverordnung und der Niederdruckanschlussverordnung. Bei den Adressaten der zu erlassenden Regelungen handelt es sich um diejenigen Energieversorgungsunternehmen, die nicht im Rahmen der Grundversorgung Energie liefern und daher nicht schon in den Anwendungsbereich der StromGVV bzw. der GasGVV fallen und auch nicht Netzbetreiber im Sinne der NAV bzw. der NDAV sind und. Denn auch Kundinnen und Kunden dieser - bisher nicht von einer der o.g. Verordnungen erfassten - Energieversorgungsunternehmen haben ein schutzwürdiges Interesse an Vorschriften, die der Vermeidung von Unterbrechungen der Gas- bzw. Stromversorgung dienen. Die zu erlassende Verordnung würde spiegelbildlich zu den auf Grundlage des § 39 Abs. 2 EnWG erlassenen Strom- und GasGVVen und den im Wege der Bundesratsinitiative vorgeschlagenen ergänzenden Regelungen einen Gleichlauf der Rechte und Pflichten der Energieversorgungsunternehmen - unabhängig davon ob es sich um eine Belieferung im Rahmen der Grundversorgung oder einen Netzbetreiber handelt - herbeiführen.

zu 2):

Ein linearer Stromtarif, der lediglich einen Preisbestandteil - nämlich Preis pro Kilowattstunde - umfasst, ist für Verbraucherinnen und Verbraucher transparent und einfach verständlich. Die herkömmlichen Tarife sehen jedoch eine Kombination aus verschiedenen Preisbestandteilen vor, die sich aus einem verbrauchsunabhängigen Grundpreis und dem Arbeitspreis multipliziert mit der Anzahl der verbrauchten Kilowattstunden zusammensetzen. Die Abrechnung eines festen Grundpreises schlägt bei geringem Verbrauch überproportional zu Buche. Der durchschnittliche Preis pro Kilowattstunde verringert sich dagegen bei steigendem Stromverbrauch. Demgegenüber erhöht sich der Durchschnittspreis pro Kilowattstunde, wenn weniger Strom verbraucht wird. Großverbraucher erhalten auf diese Weise praktisch einen Mengenrabatt. Die bisherigen Vorgaben zeigen keine Vorteile für das Einsparen von Energie.

Dagegen würde bei Anwendung eines linearen Strompreismodells der Grundpreis komplett entfallen und die Erlöse, die bisher über diesen Fixpreis erzielt wurden, müssten über einen höheren Arbeitspreis erwirtschaftet werden. Durch die kostenneutrale Umstellung der Tarife und die Streichung aller festen Preisbestandteile erhöht sich der Preis je Kilowattstunde und somit auch der Anreiz für die Verbraucherinnen und Verbraucher Strom einzusparen. Die Bundesregierung hat dabei zu beachten, dass die zu schaffenden Vorgaben europarechtskonform ausgestaltet werden.

Um Benachteiligungen für schützenswerte Kundengruppen innerhalb der Vielverbraucher durch die angestrebte Tarifgestaltung - wie etwa Familien - zu vermeiden, sollte zusätzlich die Einführung von Härtefallregelungen erwogen werden.

Zu 3)

Der in den Regelsätzen enthaltene Anteil zur Deckung des Haushaltsstroms für Berechtige von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie der Sozialhilfe beträgt rund 30 Euro. Der durchschnittliche Stromverbrauch eines Alleinstehenden liegt bei einem Verbrauch von rund 1500 Kilowattstunden im Jahr in der Regel bei über 40 € im Monat und damit etwa zehn Euro über dem im Regelbedarf vorgesehenen Anteil für Haushaltsstrom. Die Stromkosten sind daher mit dem vorgesehenen Regelsatz nicht abzudecken, Schulden bei den Energieversorgungsunternehmen sind häufig die Konsequenz. Denn insbesondere Haushalte von Leistungsberechtigten verfügen in der Regel über wenig effiziente Geräte, so dass der monatliche Verbrauch häufig noch deutlich über dem der Bemessung zugrunde liegenden Durchschnitt liegt und für Stromschulden in den meisten Fällen kein verschwenderisches Verhalten ursächlich ist.

Die gestiegenen Stromkosten müssen daher angemessen in der Berechnung des Regelbedarfes berücksichtigt werden.