Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft KOM (2008) 396 endg.; Ratsdok. 11252/08

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 03. Juli 2008 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 27. Juni 2008 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 27. Juni 2008 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.

Das Europäische Parlament und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss werden an den Beratungen beteiligt.


Hinweis: vgl.
Drucksache 488/89 = AE-Nr. 892062 und
Drucksache 728/97 = AE-Nr. 972778

Begründung

1. Hintergrund

In der Mitteilung der Kommission zum Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts1 wird die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen im Binnenmarkt hervorgehoben.

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) machen in der Europäischen Union mehr als 99 % der Unternehmen aus, aber lediglich 8 % treiben grenzübergreifend Handel und 5 % verfügen über Tochtergesellschaften oder Gemeinschaftsunternehmen im Ausland. Während es in den letzten Jahren einfacher geworden ist, europaweit Unternehmen zu errichten, muss noch mehr getan werden, um den Zugang der KMU zum Binnenmarkt zu verbessern, ihr Wachstum zu erleichtern und ihr Geschäftspotenzial zu entfalten.

Das Statut der Europäischen Privatgesellschaft ("Societas Privata Europaea", nachstehend "SPE") ist Bestandteil eines Maßnahmenpakets zur Unterstützung der KMU, des sogenannten "Small Business Act" für Europa (SBA). Ziel des SBA ist es, die Geschäftstätigkeit der KMU im Binnenmarkt zu erleichtern und folglich ihre Marktleistung zu verbessern. Die SPE ist eine der prioritären Initiativen des Arbeitsprogramms der Kommission für 20082.

2. Ziele des Vorschlags

Mit der Initiative wird eine neue europäische Rechtsform geschaffen, die die Wettbewerbsfähigkeit der KMU durch Erleichterung ihrer Niederlassung und Tätigkeit im Binnenmarkt erhöhen soll. Gleichzeitig hat das Statut das Potenzial, auch größeren Unternehmen und Gruppen zu Gute zu kommen.

Der Vorschlag für ein Statut der SPE ist auf die spezifischen Bedürfnisse von KMU zugeschnitten. Er gestattet den Unternehmern, in allen Mitgliedstaaten gemäß den gleichen einfachen und flexiblen Gesellschaftsrechtsvorschriften eine SPE zu gründen.

Der Vorschlag zielt auf eine Senkung der Kosten für die Einhaltung von Vorschriften für die Gründung und den Betrieb von Unternehmen ab, die sich aus den Unterschieden zwischen den nationalen Vorschriften für die Gründung und den Betrieb von Unternehmen ergeben.

Der Vorschlag geht nicht auf Fragen im Zusammenhang mit dem Arbeits- oder dem Steuerrecht, der Rechnungslegung oder der Insolvenz der SPE ein. Auch behandelt er nicht die vertraglichen Rechte und Verpflichtungen der SPE oder ihrer Anteilseigner, die über diejenigen hinaus gehen, die sich aus der Satzung der SPE ergeben. Diese Punkte unterliegen weiterhin dem nationalen Recht und gegebenenfalls den vorhandenen Gemeinschaftsinstrumenten.

Die Wahl der SPE als eine Rechtsform zur Ausübung von Tätigkeiten in der EU sollte aus steuerlicher Sicht neutral sein. Deshalb ist es wichtig sicherzustellen, dass die SPE eine ähnliche Steuerbehandlung wie vergleichbare nationale Rechtsformen erhält. Zu diesem Zweck gedenkt die Europäische Kommission, im Herbst 2008 Gespräche mit den Mitgliedstaaten aufzunehmen, um den Anwendungsbereich der folgenden Richtlinien auf die SPE auszudehnen: Richtlinie über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften (90/435/EWG)3, Fusionsrichtlinie (90/434/EWG)4 und Zinsen- und Lizenzgebührenrichtlinie (2003/49/EG)5. Ziel der Kommission ist es sicherzustellen, dass diese Maßnahmen umgesetzt sind und den SPEs von Beginn ihrer Tätigkeit an zu Gute kommen.

3. Rechtsgrundlage

Der Vorschlag stützt sich auf Artikel 308 EG-Vertrag. Diese Bestimmung schafft die Rechtsgrundlage für EU-Maßnahmen, mit denen eines der Ziele der Gemeinschaft erreicht werden soll, ohne dass im EG-Vertrag eine spezifische Rechtsgrundlage vorgesehen ist.

Artikel 308 ist die Rechtsgrundlage für die bereits bestehenden Formen europäischer Gesellschaften, und zwar die Europäische Gesellschaft, die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) und die Europäische Genossenschaft.

4. Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit

Mit dem Vorschlag soll der Binnenmarkt den KMU zugänglicher gemacht werden, indem ihnen ein Instrument an die Hand gegeben wird, das die Ausweitung ihrer Tätigkeiten auf andere Mitgliedstaaten erleichtert. Dennoch knüpft der Vorschlag die Gründung einer SPE nicht an eine grenzübergreifende Anforderung (z.B. Anteilseigner aus verschiedenen Mitgliedstaaten oder Nachweis einer grenzübergreifenden Tätigkeit). In der Praxis gründen Unternehmer ihr Unternehmen in der Regel im eigenen Mitgliedstaat, bevor sie in anderen Ländern tätig werden. Eine grenzübergreifende Anforderung in der Startphase würde folglich das Potenzial des Instruments mindern. Eine grenzübergreifende Anforderung könnte zudem leicht umgangen werden und ihre Kontrolle und rechtliche Durchsetzung könnte die Mitgliedstaaten ungebührlich belasten.

Deshalb besteht auf EU-Ebene Handlungsbedarf, um es den KMU zu ermöglichen, in der gesamten EU die gleiche Gesellschaftsform zu verwenden. Die Mitgliedstaaten können dieses Ziel einzeln nicht voll verwirklichen. Selbst wenn sich alle Mitgliedstaaten dazu verpflichten würden ihre Rechtsvorschriften für Unternehmen unternehmerfreundlicher zu gestalten, würden die KMU immer noch mit 27 unterschiedlichen nationalen Regelungen konfrontiert sein.

Indem den KMU eine Gesellschaftsform angeboten wird, die einheitlich, rechtlich sicher und auch noch flexibel ist, würde die SPE das effizienteste und angemessenste Mittel zur Erreichung dieses Ziels sein. Eine Alternative zur Erreichung desselben Ziels würde in der Harmonisierung zumindest der Kernbestimmungen der nationalen Gesellschaftsrechtsvorschriften für Gesellschaften mit beschränkter Haftung bestehen. Dies würde eine beträchtliche und wahrscheinlich unangemessene Einmischung in das nationale Recht der Mitgliedstaaten darstellen. Im Gegensatz zur Harmonisierung lässt der vorliegende Vorschlag das nationale Recht weitgehend unberührt. Er bietet den KMU eine alternative Form, die parallel zu den nationalen Gesellschaftsformen existieren würde.

Die Schaffung einer neuen europäischen Rechtsform erfordert ein Rechtsinstrument, das unmittelbar anwendbar ist, d.h. eine Verordnung. Weder eine Empfehlung noch eine Richtlinie würden zu einer einheitlichen Regelung führen, die in allen Mitgliedstaaten anwendbar ist.

5. Anhörung interessierter Kreise

Das Statut der Europäischen Privatgesellschaft wurde ursprünglich Anfang der 90er Jahre von der Geschäftswelt und den akademischen Kreisen entwickelt und gewann im Laufe der Zeit die Unterstützung der Industrieverbände und des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses6. Es zählte auch zu den möglichen Maßnahmen des Aktionsplans zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union für die Jahre 2003-20097. Die öffentliche Anhörung im Jahr 2006 zu den künftigen Prioritäten der Kommission in den zuvor genannten Bereichen bekräftigte diese Unterstützung8.

Im Juni 2006 hielt der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments eine öffentliche Anhörung zur SPE ab und verfasste einen Initiativbericht sowie eine Entschließung, in denen die Europäische Kommission aufgerufen wurde, vor Ende 2007 einen Vorschlag für eine SPE vorzulegen9. In einer Entschließung vom 25. Oktober 0710 bekräftigte das Parlament erneut seine Unterstützung und klare Verpflichtung im Hinblick auf die Initiative. Angesichts des starken Interesses des Parlaments an diesem Vorschlag sollte es von Anfang an eng in die Arbeiten zur SPE einbezogen werden.

Im Juli 2007 lancierte die Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen eine spezifische öffentliche Anhörung zur SPE. Mittels der Testgruppe europäischer Unternehmen11 wurde überdies bei Unternehmen in den 27 Mitgliedstaaten eine Erhebung durchgeführt.

Am 10. März 2008 hielt die Kommission eine Konferenz zur SPE ab.

Der Sachverständigenausschuss der Europäischen Kommission zur Corporate Governance und zum Gesellschaftsrecht12 legte Informationen in Bezug auf die Folgenabschätzung vor und gab Empfehlungen zum Inhalt des SPE-Statuts ab. Diese Gruppe arbeitet auch an der Abfassung von Beispielen für die Bestimmungen der Satzung einer SPE, die das Verständnis des Statutsentwurfs erleichtern soll.

6. Folgenabschätzung

Neuere Erhebungen13 und öffentliche Konsultationen zeigen, dass KMU trotz ihres großen Potenzials vor rechtlichen und administrativen Hindernissen stehen, die ihre Entwicklung im Binnenmarkt behindern. Auch wenn alle Unternehmen, die grenzübergreifend tätig werden wollen auf Rechts- und Verwaltungshindernisse stoßen, sind diese für kleine Unternehmen proportional größer, da sie finanziell und personell schlechter ausgestattet sind.

Die Schwierigkeiten, auf die Unternehmen infolge der Vielfalt von Unternehmensformen stoßen bestehen vor allem in den Kosten für die Einhaltung von Vorschriften für die Gründung eines Unternehmens (z.B. eine obligatorische Mindesteigenkapitalanforderung, Registrierungs- und Notargebühren, Kosten für Rechtsberatung) und in den Schwierigkeiten und den Kosten für die Einhaltung von Vorschriften für den Betrieb eines Unternehmens, die den Tagesbetrieb ausländischer Tochtergesellschaften kostenaufwendiger gestalten als den inländischer Tochtergesellschaften.

Die grenzübergreifende Entwicklung von KMU wird auch durch das mangelnde Vertrauen in bestimmte ausländische Gesellschaftsformen in anderen Mitgliedstaaten behindert. Dieses Problem besteht vor allem in Bezug auf die weniger bekannten Gesellschaftsformen.

In der Folgenabschätzung werden vier grundlegende politische Optionen geprüft:

7. Erläuterung des Vorschlags

Kapitel I: Allgemeine Bestimmungen

In den allgemeinen Bestimmungen werden die Hauptmerkmale der SPE festgelegt. Die SPE ist eine Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit und sie verfügt über Gesellschaftskapital. Es handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, d.h. ihre Anteilseigner können nur für den von ihnen gezeichneten Betrag haftbar gemacht werden. Da es sich bei der SPE um eine Privatgesellschaft handelt, können die Anteile an einer SPE weder öffentlich angeboten noch öffentlich gehandelt werden.

Für die Gründung einer SPE besteht keine Beschränkung. Sie kann gemäß Artikel 48 EG-Vertrag von einem oder mehreren Gründern, natürlichen Personen und/ oder Unternehmen gegründet werden. Darüber hinaus können sich auch eine Europäische Gesellschaft (SE), eine Europäische Genossenschaft, eine Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) oder eine andere SPE an der Gründung einer SPE beteiligen.

Hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Statuts und seiner Verbindung zum nationalen Recht sieht die Verordnung Folgendes vor:

Die Bestimmungen der Verordnung und die Liste der in Anhang I genannten Punkte, die von der Satzung abzudecken sind, definieren den Anwendungsbereich der EU-Vorschriften. Der Vorschlag enthält keine Standardbestimmungen, die für den Fall der Nichtabdeckung der in Anhang I genannten Punkte durch die Satzung Anwendung finden würden. Dennoch sind im nationalen Recht die Sanktionen für eine solche Unterlassung oder einen sonstigen Verstoß gegen die Verordnung vorzusehen.

Das nationale Recht regelt all die Fragen, die nicht von der Verordnung oder der Satzung der SPE im Sinne von Anhang I abgedeckt sind. Dies ist z.B. bei nicht in Anhang I genannten Punkten oder in Bereichen der Fall, die außerhalb des Gesellschaftsrechts liegen (wie Arbeits, Insolvenz- oder Steuerrecht). Das jeweils anwendbare Recht ist das Recht des Mitgliedstaats, in dem die SPE ihren eingetragenen Sitz hat und das auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung Anwendung findet. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die Bezeichnung der jeweiligen Unternehmensform mit.

Kapitel II: Gründung

Die Verordnung sieht keinerlei Beschränkungen der Art und Weise vor, auf die eine SPE gegründet werden kann. Gemäß der Verordnung kann eine SPE ex nihilo gegründet werden.

Sie kann auch durch Umwandlung, Verschmelzung oder Spaltung bestehender Gesellschaften gegründet werden. Im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts kann jegliche Gesellschaftsform, die im nationalen Recht besteht (privat oder öffentlich, mit oder ohne Rechtspersönlichkeit), in eine SPE umgewandelt werden. Eine SE oder eine andere SPE können sich ebenfalls an der Gründung einer SPE beteiligen.

Auf den Namen der Europäischen Privatgesellschaft folgt der Zusatz "SPE". Die SPE ist gehalten ihren eingetragenen Sitz und Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu haben. Gemäß dem Centros-Urteil14 des Europäischen Gerichtshofs kann eine SPE ihren eingetragenen Sitz und Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in verschiedenen Mitgliedstaaten haben. Die Anteilseigner können auch beschließen den eingetragenen Sitz des Unternehmens in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen.

Die Verordnung schreibt kein spezielles Registrierungsverfahren für die SPE vor, stützt sich allerdings auf die Bestimmungen der Ersten Gesellschaftsrechtsrichtlinie (68/151/EWG) und legt einige Anforderungen fest, mittels derer die Gründung einer SPE einfacher und kostengünstiger werden soll. So muss es zum einen möglich sein, dass eine SPE einen elektronischen Antrag auf Registrierung stellt. Zum anderen enthält die Verordnung eine erschöpfende Liste von Dokumenten und Angaben, die die Mitgliedstaaten für die Registrierung der SPE anfordern können. Änderungen dieser Dokumente und Angaben sind ebenfalls zu registrieren.

Schließlich schreibt der Vorschlag eine einzige Überprüfung der Rechtsgültigkeit vor, und zwar im Rahmen der Registrierung der SPE entweder eine Kontrolle der Rechtsgültigkeit der Dokumente und Angaben durch eine Verwaltungs- oder eine Justizbehörde oder eine notarielle Beglaubigung. Den Gründern der SPE darf nicht vorgeschrieben werden, beide Bedingungen zu erfüllen.

Kapitel III: Anteile

Die Verordnung räumt den Anteilseignern einen großen Spielraum ein, wenn es um Fragen zu den Anteilen geht, insbesondere aber in Bezug auf die mit den Anteilen verbundenen Rechte und Verpflichtungen. Eine SPE kann Stammanteile oder Vorzugsanteile ausgeben.

Beschränkungen finden erforderlichenfalls nur im Interesse von Dritten oder Minderheitsanteilseignern Anwendung.

Jeder Anteilsbesitz ist in der Liste der Anteilseigner zu registrieren, die vom Leitungsorgan der SPE zu erstellen und zu führen ist. Sofern nicht anders nachgewiesen, dient diese Liste als Nachweis des Anteilsbesitzes. Anteilseigner oder Dritte können diese Liste auf Anfrage einsehen.

Die Bedingungen für die Übertragung von Anteilen sind in der Satzung festzulegen. Jede neue Beschränkung oder jedes neue Verbot von Übertragungen erfordert einen qualifizierten Mehrheitsbeschluss (Artikel 27). Zum Schutz der Interessen von Minderheitsanteilseignern macht ein solcher Beschluss die Zustimmung jedes von der Beschränkung oder dem Verbot betroffenen Anteilseigners erforderlich.

Durch die Verordnung erhalten die Anteilseigner nicht das Recht, Minderheitsanteilseigner zu verdrängen. Auch sind die Mehrheitsanteilseigner oder die SPE nicht gezwungen, die Anteile der Minderheitsanteilseigner zu übernehmen (Ausverkaufsrecht). Derartige Bestimmungen können in die Satzung aufgenommen werden. Allerdings gestattet die Verordnung unter bestimmten Umständen sowohl den Ausschluss oder das Ausscheiden eines Anteilseigners.

Kapitel IV: Kapital

Um Neugründungen zu erleichtern, legt die Verordnung die Mindestkapitalanforderung auf 1 Euro fest. Der Vorschlag weicht von dem üblichen Ansatz ab, der die Anforderung eines hohen gesetzlichen Mindestkapitals als Mittel des Gläubigerschutzes betrachtet. Aus Studien geht hervor, dass die Gläubiger heutzutage auf andere Gesichtspunkte als das Kapital schauen wie z.B. den Cashflow, die für die Solvenz relevanter sind. Mitglieder der Unternehmensleitung von kleinen Unternehmen, die gleichzeitig Anteilseigner sind, bieten ihren Gläubigern (z.B. Banken) oftmals persönliche Garantien und Lieferanten verwenden ebenfalls andere Methoden zur Absicherung ihrer Forderungen, z.B. Übertragung des Eigentums von Waren erst bei ihrer Bezahlung. Außerdem haben die Unternehmen je nach ihrer Tätigkeit einen unterschiedlichen Kapitalbedarf und deshalb ist es unmöglich, für alle Unternehmen ein angemessenes Kapital festzulegen. Die Anteilseigner eines Unternehmens sind am Besten platziert, um den Kapitalbedarf für ihre Geschäftstätigkeit zu bestimmen.

Mit der Verordnung wird nicht das Recht der Anteilseigner eingeschränkt, darüber zu befinden welche Art von Entgelt für die Anteile bei der Gründung der SPE oder bei einer Kapitalerhöhung zu leisten ist. Folglich ist in der Satzung festzulegen, ob die Gründer Bar- oder Sacheinlagen zu leisten haben. Es steht ihnen frei, darüber zu entscheiden, welches Eigentum, welche Rechte, Dienstleistungen usw. als Entgelt für die Anteile akzeptiert werden und wann sie zu zahlen oder bereit zu stellen sind. Auch ist in der Satzung festzuschreiben, ob eine Bewertung der Sacheinlage durch einen Sachverständigen zu erfolgen hat oder nicht.

Gemäß den nationalen Rechtsvorschriften haften die Anteilseigner für ihr Entgelt.

Die Verordnung enthält einheitliche Regeln für die Ausschüttungen (z.B. Dividenden, Kauf von eigenen Anteilen der SPE, Schuldenaufnahme), die in Bezug auf die Vermögenswerte der SPE an die Anteilseigner vorgenommen werden. Eine Ausschüttung kann nur dann vorgenommen werden, wenn die SPE dem Bilanztest genügt, d.h. nach der Ausschüttung decken ihre Vermögenswerte ihre Schulden voll ab. Im Vorschlag wird keine Begriffsbestimmung von "Vermögenswerten" und "Schulden" vorgenommen. Diesbezüglich gelten vielmehr die einschlägigen Rechnungslegungsvorschriften (d.h. Vierte Richtlinie (78/660/EWG) oder Verordnung (EG) Nr. 1606/2002).

Da die Vorbereitung eines Solvenztests für die Ausschüttungen derzeit nur in wenigen Mitgliedstaaten besteht, macht dieser Vorschlag sie für die SPE auch nicht verbindlich.

Dennoch gestattet er den Anteilseignern ausdrücklich die Festschreibung eines Solvenztests in der Satzung, und zwar zusätzlich zu dem von der Verordnung geforderten Bilanztest. Wenn die Anteilseigner das Leitungsorgan auffordern, eine Solvenzbescheinigung vor der Ausschüttung zu unterzeichnen, haben sie auch die damit verbundenen Anforderungen zu definieren (z.B. Gründe und Kriterien) und die Bescheinigung ist zu veröffentlichen.

Zum Schutz des Gesellschaftsvermögens kann die SPE dem Vorschlag zufolge unter bestimmten Bedingungen ihre eigenen Anteile erwerben. Vor dem Erwerb ihrer eigenen Anteile muss die SPE einen Bilanztest durchführen sowie einen Solvenztest, sofern dieser in der Satzung vorgeschrieben ist. Die Anteilseigner entscheiden über den Erwerb. Die an die jeweiligen Anteile gebundenen nicht geldlichen Rechte (vor allem Stimm- und Bezugsrechte) werden ausgesetzt. In der Satzung können zusätzliche Bedingungen und weitere Beschränkungen festgelegt werden.

Kapitel V: Aufbau der SPE

Vorbehaltlich der Verordnung haben die Anteilseigner der SPE bei der Festlegung des Aufbaus der SPE einen großen Spielraum. Artikel 27 enthält eine nicht erschöpfende Liste der von den Anteilseignern zu fassenden Beschlüsse. Im Sinne von Artikel 27 muss die Satzung die erforderliche Mehrheit und die Beschlussfähigkeit festlegen. Dieser Artikel sieht nämlich vor dass einige dieser Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit zu fassen sind (d.h. mindestens 2/3 der Stimmrechte der SPE, aber die Satzung kann auch eine größere Mehrheit vorschreiben z.B. 3/4).

Es besteht keine Pflicht, dass die Anteilseigner auf Hauptversammlungen physisch anwesend sein müssen. In der Satzung ist jedoch die Beschlussfassungsmethode der Anteilseigner festzulegen. Hinsichtlich der Geschäftstätigkeit der SPE haben die Anteilseigner große Informationsrechte. Ihr Recht auf kollektive Beschlüsse unterliegt dem nationalen Recht.

Die Verordnung sieht zwei spezifische Minderheitsrechte für die Anteilseigner vor: das Recht auf Fassung von Beschlüssen der Anteilseigner und das Recht auf Bestellung eines unabhängigen Sachverständigen (insbesondere eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers) durch das zuständige Gericht bzw. die zuständige Verwaltungsbehörde.

Sämtliche nicht in der Verordnung oder in der Satzung genannten Beschlüsse fallen in die Zuständigkeit des Leitungsorgans der SPE, das für die Geschäftsführung zuständig ist. Die Satzung legt die Managementstruktur der SPE fest (ein oder mehrere Mitglieder der Unternehmensleitung, monistisches oder dualistisches System). Wird in der SPE jedoch Arbeitnehmermitbestimmung praktiziert, muss die gewählte Managementstruktur die Ausübung dieses Rechts ermöglichen.

Die Anteilseigner der SPE entscheiden über die Ernennung und Entlassung von Mitgliedern der Unternehmensleitung. In der Satzung sind die Laufzeit der Mandate der Mitglieder der Unternehmensleitung und etwaige Auswahlkriterien festzulegen. Die Verordnung untersagt jedem der in einem Mitgliedstaat für die Ausübung der Aufgabe eines Mitglieds der Unternehmensleitung als ungeeignet erklärt wurde, als Mitglied der Unternehmensleitung einer SPE tätig zu werden.

Die Verordnung schreibt den Mitgliedern der Unternehmensleitung vor, im bestmöglichen Interesse des Unternehmens zu handeln. Folglich stehen die Mitglieder der Unternehmensleitung der SPE gegenüber in der Pflicht und ihre Verpflichtungen können nur seitens des Unternehmens rechtlich durchgesetzt werden. Die Verordnung verleiht einzelnen Anteilseignern oder Gläubigern nicht das Recht, die Mitglieder des Leitungsorgans direkt zu verklagen.

Indem von den Mitgliedern der Unternehmensleitung verlangt wird, mit der Sorgfalt und der Eignung, die vernünftigerweise für die Ausübung der Tätigkeit gefordert werden können, zu handeln schreibt die Verordnung eine allgemeine Sorgfaltspflicht vor. Die nationalen Gerichte können diese Bestimmung interpretieren. Während in der Verordnung auch die wichtigsten spezifischen Pflichten der Mitglieder der Unternehmensleitung (z.B. Vorschlag von Ausschüttungen) vorgeschrieben werden, können in der Satzung noch weitere Pflichten verankert werden. Die Mitglieder der Unternehmensleitung sind gehalten, jeglichen aktuellen oder potenziellen Interessenkonflikt zu vermeiden. In der Satzung können jedoch Situationen vorgesehen werden, in denen derartige Konflikte zulässig sind.

Die Verordnung sieht die Haftung der Mitglieder der Unternehmensleitung für jeglichen Verlust oder Schaden vor, den eine SPE aufgrund der Nichterfüllung ihrer Verpflichtungen erleidet die in der Verordnung, der Satzung oder in einem Beschluss der Anteilseigner festgeschrieben sind. Andere Aspekte der Haftung, z.B. die Folgen der Nichterfüllung der Pflichten oder ein jegliches Urteil über das Geschäftsgebaren, unterliegen dem nationalen Recht.

Kapitel VI: Arbeitnehmermitbestimmung

Die Arbeitnehmermitbestimmung in kleinen Unternehmen besteht in nur wenigen Mitgliedstaaten (z.B. Schweden und Dänemark).

Generell gilt das aus der Richtlinie über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften (2005/56/EG) herrührende Prinzip, dass die SPE den Arbeitnehmermitbestimmungsregeln des Mitgliedstaats unterliegt, in dem sie ihren eingetragenen Sitz hat. Diesbezüglich wird die SPE also ebenso attraktiv sein wie vergleichbare inländische Unternehmen.

Grenzübergreifende Fusionen mit SPEs fallen unter die zuvor genannte Richtlinie. Im Falle der Verlegung des eingetragenen Sitzes einer SPE sind jedoch spezielle Bestimmungen erforderlich.

Kapitel VII: Verlegung des eingetragenen Sitzes der SPE

Unter Wahrung ihrer Rechtspersönlichkeit und ohne Zwang zu einer Auflösung der Gesellschaft kann eine SPE ihren eingetragenen Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen.

Zum Schutz der Interessen Dritter gestattet die Verordnung keine Verlegung des eingetragenen Sitzes einer SPE während einer Auflösung, einer Liquidation oder ähnlichen Verfahren.

Das Verlegungsverfahren richtet sich nach den Bestimmungen für die Verlegung des eingetragenen Sitzes der SE-Verordnung.

Die Verordnung sieht eine besondere Regelung für den Fall vor, in dem eine SPE, die die Arbeitnehmermitbestimmung praktiziert, ihren eingetragenen Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, in dem keine Arbeitnehmermitbestimmung existiert oder nur ein niedrigeres Niveau an Arbeitnehmermitbestimmungsrechten vorhanden ist oder in dem nicht vorgesehen ist, dass Arbeitnehmer von Niederlassungen einer SPE in anderen Mitgliedstaaten das gleiche Recht auf Ausübung dieser Arbeitnehmermitbestimmungsrechte wie vor der Sitzverlegung haben. In solchen Fällen, in denen mindestens ein Drittel der SPE-Arbeitnehmer im Herkunftsmitgliedstaat beschäftigt sind, müssen Verhandlungen zwischen dem Leitungsorgan und den Arbeitnehmervertretern stattfinden, um eine Vereinbarung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer zu erzielen. Sollte keine Einigung erzielt werden, werden die Vereinbarungen über die Mitbestimmung im Herkunftsmitgliedstaat beibehalten.

Kapitel VIII: Umstrukturierung, Auflösung und Ungültigkeit

Der Verordnung zufolge unterliegt die Auflösung oder die Umwandlung einer SPE in eine nationale Gesellschaftsform dem nationalen Recht. Zudem kann die SPE mit anderen Unternehmen verschmelzen oder aufgespalten werden. Diese Verfahren haben gemäß den für Gesellschaften mit beschränkter Haftung geltenden Regeln zu erfolgen.

Kapitel IX: Zusätzliche Bestimmungen und Übergangsbestimmungen

Artikel 42 gestattet den SPE, die in einem Mitgliedstaat außerhalb der Eurozone registriert sind ihr Kapital und ihre Abschlüsse in der nationalen Währung dieses Mitgliedstaats offen zu legen. Dennoch kann eine solche SPE ihr Kapital und/ oder ihre Abschlüsse auch in Euro offen legen.

Kapitel X: Schlussbestimmungen

Die Verordnung schreibt die Annahme bestimmter Vorschriften durch die Mitgliedstaaten vor. So sind insbesondere die Verfahrensvorschriften für die Registrierung, die Verlegung des eingetragenen Sitzes der SPE und Sanktionen für den Verstoß gegen die Verordnung und die Satzung zu verabschieden.

Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft (Text von Bedeutung für den EWR)

Der Rat der europäischen Union -gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 308, auf Vorschlag der Kommission15, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments16, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses17, in Erwägung nachstehender Gründe:

Hat folgende Verordnung erlassen:

Kapitel I
Allgemeine Bestimmungen

Artikel 1
Gegenstand

Artikel 2
Begriffsbestimmungen

Artikel 3
Voraussetzungen für die Gründung einer SPE

Artikel 4
Auf eine SPE anwendbare Bestimmungen

Kapitel II
Gründung

Artikel 5
Gründungsmöglichkeiten

Artikel 6
Name der Gesellschaft

Artikel 7
Gesellschaftssitz

Artikel 8
Satzung

Artikel 9
Eintragung

Artikel 10
Formalitäten für die Eintragung

Artikel 11
Publikationspflichten

Artikel 12
Haftung für Handlungen vor Eintragung einer SPE

Artikel 13
Zweigniederlassungen

Kapitel III
Anteile

Artikel 14
Anteile

Artikel 15
Verzeichnis der Anteilseigner

Artikel 16
Übertragung von Anteilen

Artikel 17
Ausschluss eines Anteilseigners

Artikel 18
Ausscheiden eines Anteilseigners

Kapitel IV
Kapital

Artikel 19
Gesellschaftskapital

Artikel 20
Für die Anteile zu entrichtendes Entgelt

Artikel 21
Ausschüttungen

Artikel 22
Rückforderung von Ausschüttungen

Artikel 23
Eigene Anteile

Artikel 24
Kapitalherabsetzung

Artikel 25
Abschlüsse

Kapitel V
Organisation der SPE

Artikel 26
Allgemeine Bestimmungen

Artikel 27
Beschlüsse der Anteilseigner

Artikel 28
Informationsrechte der Anteilseigner

Artikel 29
Recht auf Beantragung eines Beschluss und auf Bestellung eines unabhängigen Sachverständigen

Artikel 30
Mitglieder der Unternehmensleitung

Artikel 31
Allgemeine Pflichten und allgemeine Verantwortung von Mitgliedern der Unternehmensleitung

Artikel 32
Geschäfte mit nahe stehenden Unternehmen und Personen

Artikel 33
Vertretung der SPE gegenüber Dritten

Kapitel VI
Arbeitnehmermitbestimmung

Artikel 34
Allgemeine Bestimmungen

Kapitel VII
Verlegung des eingetragenen Sitzes der SPE

Artikel 35
Allgemeine Bestimmungen

Artikel 36
Verlegungsverfahren

Artikel 37
Überprüfung der Rechtsgültigkeit der Verlegung

Artikel 38
Vereinbarungen über die Mitbestimmung von Arbeitnehmern

Kapitel VIII
Umstrukturierung, Auflösung und Ungültigkeit

Artikel 39
Umstrukturierung

Artikel 40
Auflösung

Artikel 41
Ungültigkeit

Kapitel IX
Zusätzliche Bestimmungen und Übergangsbestimmungen

Artikel 42
Verwendung der Landeswährung

Kapitel X
Schlussbestimmungen

Artikel 43
Wirksame Anwendung

Artikel 44
Sanktionen

Artikel 45
Meldung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung

Artikel 46
Verpflichtungen der für die Register zuständigen Behörden

Artikel 47
Überprüfung

Artikel 48
Inkrafttreten


Geschehen zu Brüssel am
In Namen des Rates
Der Präsident

Anhang I

Die Satzung einer SPE muss zumindest Folgendes regeln:

Kapitel lI - Gründung

Kapitel III - Anteile

Kapitel IV - Kapital

Kapitel V - Organisation der SPE

Anhang II
Meldeformular für die Registrierung der Verlegung des eingetragenen Sitzes einer SPE

Mitteilung der Registrierung der Verlegung des eingetragenen Sitzes einer Europäischen Privatgesellschaft (SPE)

[Name und Anschrift des neuen Registers/ der zuständigen Behörde]

unterrichtet hiermit

[Name und Anschrift des alten Registers/ der zuständigen Behörde],

dass die folgende Verlegung des eingetragenen Sitzes einer SPE in das Register

aufgenommen wurde:

[Name der SPE]

[Neuer eingetragener Sitz der SPE]

[Neue Registernummer]

[Datum der Registrierung der Sitzverlegung]

Im Einklang mit der Verordnung ...über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft wird die folgende SPE aus ihrem alten Register nach Erhalt dieser Meldung gestrichen:

[Name der SPE]

[Alter eingetragener Sitz der SPE]

[Alte Registernummer]

Geschehen zu am [...]

[unterzeichnet]