Antrag der Freien und Hansestadt Hamburg
Entschließung des Bundesrates "Sexualstrafrecht zum Schutz von Kindern und für effektiven Opferschutz umfassend reformieren"

Der Präsident des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg Hamburg, 25. August 2020

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke

Sehr geehrter Herr Präsident,
der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage mit Begründung beigefügte Entschließung des Bundesrates "Sexualstrafrecht zum Schutz von Kindern und für effektiven Opferschutz umfassend reformieren" zuzuleiten.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen, mit dem Ziel der abschließenden Befassung in der Plenarsitzung am 18. September 2020.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Tschentscher
Erster Bürgermeister

Entschließung des Bundesrates "Sexualstrafrecht zum Schutz von Kindern und für effektiven Opferschutz umfassend reformieren"

Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:

Der Bundesrat begrüßt das Vorhaben des BMJV Kinder besser gegen sexualisierte Gewalt zu schützen und bittet die Bundesregierung, als wichtigen Beitrag zum besseren Schutz von Kindern sowie im Interesse eines effektiven Opferschutzes zeitnah auch eine umfassende Neuordnung und Harmonisierung des Sexualstrafrechts unter Beachtung des im Juli 2017 vorgelegten Abschlussberichts der Reformkommission zum Sexualstrafrecht zu erarbeiten.

Begründung:

In der Presseerklärung vom 1. Juli 2020 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz aus Anlass der "erschütternden sexualisierten Gewalttaten, die in den letzten Wochen aufgedeckt wurden" die Kernpunkte eines Reformpakets zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vorgestellt.

Vorgeschlagen werden im Wesentlichen punktuelle Änderungen im 13. Abschnitt des Strafgesetzbuchs, der die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zum Gegenstand hat, sowie präventive Maßnahmen und eine bessere Qualifikation der Justiz.

Die in der Presseerklärung wiedergegebene Auffassung der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, "dass der Schutz der Kinder oberste Priorität hat und die Täter mit aller Konsequenz verfolgt und bestraft werden" müssen, wird ebenso ausdrücklich geteilt wie der Ansatz, für den dringend erforderlichen umfassenden Kinderschutz nicht allein reflexhaft auf repressive Maßnahmen wie punktuelle Änderungen des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung zurückzugreifen.

Allerdings besteht nicht erst aus Anlass der kürzlich bekannt gewordenen Fälle von schwersten Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern sondern bereits seit Jahren dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf.

So hat die damalige Staatsekretärin Dr. Stefanie Hubig in ihrer Eröffnungsrede vom 20. Februar 2015 zum Auftakt der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einberufenen Reformkommission "Überarbeitung des 13. Abschnitts des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches" zutreffend ausgeführt (S. 7 und 8 des veröffentlichten Abschlussberichts der Reformkommission des Sexualstrafrechts):

"Die zahlreichen punktuellen Änderungen, die das Sexualstrafrecht insbesondere nach dem Vierten Strafrechtsreformgesetz aus dem Jahr 1973 erfahren hat, haben ihre Spuren hinterlassen und den Abschnitt unübersichtlich, kompliziert und zum Teil auch inkonsistent werden lassen. Auch müssen wir uns die Frage stellen, ob es Schutzlücken gibt, die es zu schließen gilt. Der lückenlose Schutz muss dabei für Kinder und Jugendliche gleichermaßen gewährleistet sein wie für erwachsene Menschen. [...] Ja, meine Damen und Herren, das Sexualstrafrecht ist in die Jahre gekommen. Es wird Zeit, sich seiner anzunehmen und den 13. Abschnitt aus einem Guss neu zu erdenken."

Am 19. Juli 2017, also vor über drei Jahren, hat diese aus Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis interdisziplinär zusammengesetzte Reformkommission zum Sexualstrafrecht ihren Abschlussbericht vorgelegt.

Sowohl auf ihrer Herbstkonferenz im Jahr 2017 als auch auf ihrer Frühjahrskonferenz 2019 haben die Justizministerinnen und Justizminister in ihren veröffentlichten Beschlüssen das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz darum gebeten, sich unter Einbindung der Länder des Reformvorhabens alsbald anzunehmen und zeitnah Vorschläge zur Neuordnung und Harmonisierung des Sexualstrafrechts zu unterbreiten.

Ein entsprechender Vorschlag liegt gleichwohl bis heute nicht vor.

Im Interesse eines effektiven Opferschutzes und als wichtiger Beitrag zu einem besseren Schutz von Kindern bedarf es daher neben präventiver Maßnahmen dringend einer systematischen und umfassenden Überarbeitung des Sexualstrafrechts und nicht bloß weiterer punktueller Gesetzesänderungen, die sich dem Vorwurf einer allein reaktiven Gesetzgebung ausgesetzt sehen und teilweise zu Wertungswidersprüchen innerhalb des Sexualstrafrechts führen.