Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. April 2009 über die effiziente Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in der Europäischen Union: Transparenz des Schuldnervermögens (2008/2233(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 307653 - vom 14. Mai 2009.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 22. April 2009 angenommen.

Stellungnahme des Bundesrates: Drucksache 166/08(B) HTML PDF

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass nach den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit die Annahme eines gemeinschaftlichen Instruments im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzübergreifendem Bezug nur dann in Frage kommt, wenn nachgewiesen wird, dass es nicht möglich ist, auf einzelstaatlicher Ebene ein Hindernis zu beseitigen, das die Errichtung oder das Funktionieren des Binnenmarkts verhindert,

B. in der Erwägung, dass zu spät oder gar nicht geleistete Zahlungen die Interessen der Unternehmen wie die der Verbraucher gefährden, insbesondere wenn dem Gläubiger und den Vollstreckungsbehörden nichts über den Aufenthaltsort des Schuldners oder dessen Vermögen bekannt ist; in der Erwägung, dass dies durch das derzeitige wirtschaftliche Klima noch verschlimmert wird, in dem liquide Mittel für das Überleben von Unternehmen von wesentlicher Bedeutung sind,

C. in der Erwägung, dass die Probleme, die sich bei der Eintreibung von Forderungen in einem anderen Mitgliedstaat stellen, den freien Verkehr von Mahnbescheiden innerhalb der Europäischen Union behindern und den Zugang zum Recht beeinträchtigen können; außerdem in der Erwägung, dass die Gerechtigkeit zusammen mit den Normen der Wirtschafts- und Arbeitsethik untergraben wird, wenn gerichtliche Entscheidungen nicht vollstreckt werden können,

D. in der Erwägung, dass allgemein die Eintreibung von Forderungen ein großes Problem darstellt, das sich noch verschärft, wenn Forderungen grenzüberschreitender Art sind, insbesondere für kleine Unternehmen, die nicht über Fachanwälte oder Abteilungen für den Forderungseinzug verfügen und sich oft in der misslichen Lage befinden, für dieses Problem, anstatt für produktive Aktivitäten, Mitarbeiter einsetzen sowie knappe Finanzmittel und - vor allem - Zeit aufwenden zu müssen,

E. in Erwägung, dass es Anzeichen dafür gibt, dass die Zahlungsverzugsrichtlinie1 nicht in ausreichendem Maß beachtet wird oder bekannt ist; in der Erwägung, dass diese Richtlinie, wenn sie nun aktualisiert und ordnungsgemäß umgesetzt würde, sehr wirkungsvoll bei der Verringerung von Zahlungsverzug und Nichtzahlung sein könnte,

F. in der Erwägung, dass es sehr große Unterschiede bei den verschiedenen Systemen nationalen Vertrags- und Insolvenzrechts gibt, was die Möglichkeiten betrifft, wie Gläubiger ihre Forderungen bei Vertragsschluss absichern dürfen, insbesondere durch die Verwendung von Eigentumsvorbehaltsklauseln oder anderen solchen Mechanismen, die zuweilen wegen dieser Unterschiede umgangen werden,

G. in der Erwägung, dass die Annahme einer gemeinschaftlichen Rechtsvorschrift zur wirksamen Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen die gesamte Bandbreite der Schuldner betreffen muss, ohne vorab eine Unterscheidung zwischen zahlungswilligen und zahlungsunwilligen Schuldnern zu treffen,

H. in der Erwägung, dass verweigerten oder zu spät oder gar nicht geleisteten Zahlungen oft dadurch Vorschub geleistet wird, dass die Parteien bei ihren vorvertraglichen und vertraglichen Verhandlungen nicht sorgfältig genug vorgehen; in der Erwägung, dass es notwendig ist, einen stärkeren Schwerpunkt auf das wirtschaftliche Bewusstsein und die mögliche Verwendung von optionalen Klauseln "europäischer Art" nach dem Gemeinsamen Referenzrahmen (GRR) zu legen, was sicherstellen würde, dass die Parteien diese Fragen zu Beginn ihrer wirtschaftlichen Beziehung in angemessener Weise prüfen,

I. in der Erwägung, dass das Parlament darauf hingewiesen wurde, dass es unter Umständen ein ernstes Problem in grenzüberschreitenden Fällen mit säumigen Schuldnern gibt, das heißt mit Personen, die ihre Schulden bezahlen und ihren Verpflichtungen nachkommen könnten, dies aber nicht tun, oder Personen, bei denen die Gefahr besteht, dass sie nicht bezahlen, was sie schulden, selbst wenn eine gerichtliche Entscheidung gegen sie ergangen ist; in der Erwägung, dass solche Personen wohl oft über beträchtliche Vermögenswerte in unterschiedlichen Einrichtungen oder über verschiedene Beauftragte und Treuhandgesellschaften verfügen und dass eine erfolgreiche Vollstreckung ohne die erforderlichen Informationen nicht möglich ist; in der Erwägung, dass es vielfach notwendig ist, solche Informationen zu erhalten, ohne dass der säumige Schuldner - der oft in der Lage sein wird, Vermögenswerte kurzfristig in ein anderes Land zu verlagern - davon erfährt,

J. in der Erwägung, dass das Parlament darüber hinaus darauf hingewiesen wurde, dass bestimmte souveräne Staaten gerichtliche und schiedsgerichtliche Entscheidungen eines anderen Staates nicht vollziehen, was zum Entstehen sogenannter Geier-Fonds ("vulture funds") geführt hat, die diese staatlichen Schuldtitel erheblich unter dem Nennwert erwerben und dann versuchen, durch die Vollstreckung einen Gewinn zu erzielen; in der Erwägung, dass es wohl besser und fairer wäre, den ursprünglichen Gläubigern die Mittel an die Hand zu geben, das zu erhalten, was ihnen zusteht,

K. in der Erwägung, dass angeführt wird, dass es wenige Staaten gibt, die über keinerlei Vermögenswerte außerhalb ihrer eigenen Grenzen verfügen, und dass eine effektive Rechtsdurchsetzung dann, wenn der Gläubiger nicht davon ausgehen kann, dass er eine Vollstreckung (nur) in seinem eigenen Mitgliedstaat oder in dem betreffenden Staat erlangen kann, nur durch ausländische Gerichte, insbesondere durch die Gerichte in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, möglich ist,

L. in der Erwägung, dass jeder Mitgliedstaat nach der Brüssel I-Verordnung1 über seine eigenen einstweiligen Maßnahmen, die seinem einzelstaatlichen Recht angepasst sind und diesem unterfallen, verfügt und dass eine in einem einseitigen Verfahren ergangene Anordnung nach der genannten Verordnung nicht der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung unterliegt; in der Erwägung, dass einer in einem kontradiktorischen Verfahren ergangenen Anordnung, die bei einem Gericht eingeht, von diesem mit dem ihm zur Verfügung stehenden Instrumentarium eine möglichst gleichwertige Wirkung verliehen wird,

M. in der Erwägung, dass zu den einstweiligen Maßnahmen gehören: (i) Anordnungen zur Offenlegung von Informationen über Vermögenswerte, die für Maßnahmen zur Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung infrage kommen, und (ii) Anordnungen zur Sicherung von Vermögenswerten während der Vollstreckung; diese Maßnahmen können auch (iii) die Form der Anordnung einer vorläufigen Zahlung haben, wodurch der Gläubiger eine sofortige Zahlung erhält, bevor die zu Grunde liegende Streitigkeit endgültig entschieden ist,

N. in der Überzeugung, dass einstweilige Maßnahmen nur unter Bedingungen erlassen werden sollten, die denjenigen ähnlich sind, die vom Gerichtshof angewendet werden, d. h. der Gläubiger müsste die tatsächlichen Voraussetzungen seines Anspruchs gegenüber dem Gericht glaubhaft machen (ein vollstreckbarer Titel in Form eines gerichtlichen Beschlusses oder einer Urkunde oder eines prima facie-Beweises für das Bestehen des Anspruchs - "fumus boni iuris") und nachweisen, dass Eile geboten ist (konkrete Gefährdung der Vollstreckung seiner Forderung, wenn die Pfändung nicht bewilligt wird ("Gefahr im Verzug")), und in der Erwägung, dass der Erlass solcher Maßnahmen von der Leistung einer Sicherheit abhängig gemacht werden kann,

O. in der Erwägung, dass in kleinen Fällen, insbesondere wenn die Prozesskosten andernfalls unverhältnismäßig hoch sein könnten, verzögerte Gerechtigkeit verweigerte Gerechtigkeit ist und dass in größeren Fällen der Mangel an Informationen über Vermögenswerte zum größten Hindernis werden kann; in der Erwägung, dass deshalb der Rückgriff auf die Anordnung einstweiliger Maßnahmen in beiden Fallgestaltungen wohl eine zweckmäßige Lösung darstellen könnte,

P. außerdem in der Erwägung, dass jedes Tätigwerden der Gemeinschaft zur Ermittlung von Informationen im Kontext dieser Fallgestaltungen, in denen der Mangel an Informationen zu einer beträchtlichen Ungerechtigkeit führt, auch geprüft werden muss; in der Erwägung, dass der Gläubiger nur dann in der Lage sein wird, eine gerichtliche Entscheidung vollstrecken zu lassen, wenn er über Informationen über die Vermögenswerte eines Schuldners (und vor allem eines säumigen Schuldners), auf die im Wege einer Vollstreckung Zugriff genommen werden kann, verfügt,

Q. in der Erwägung, dass in der Praxis das Problem nicht auf Fälle beschränkt ist, in denen bereits eine gerichtliche Entscheidung ergangen ist, die nicht vollzogen wurde: es kann auch auftreten, bevor Gläubiger ihre Ansprüche geltend machen,

R. allerdings unter Hinweis auf die Tatsache, dass es unbedingt notwendig ist, dass vorgeschlagene Maßnahmen verhältnismäßig sind; außerdem in der Erwägung, dass solche Maßnahmen nicht lediglich eine Reproduktion dessen sein sollten, was durch bestehende einzelstaatliche Maßnahmen bereits erreicht werden kann, dass sie auf grenzüberschreitende Ansprüche beschränkt werden sollten und dass eine unnötige und unzweckmäßige Harmonisierung vermieden werden sollte,

S. unter Hinweis darauf, dass die Befürchtung geäußert wurde, dass einige der Konzepte für eine effiziente Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in der Europäischen Union durch Transparenz des Schuldnervermögens Grundrechte, einschließlich des Rechts auf Privatsphäre (Datenschutz), verletzen, Verfahrensgarantien untergraben und den Verfassungstraditionen vieler Mitgliedstaaten zuwiderlaufen könnten,

T. in der Erwägung, dass jeder Vorschlag kosteneffizient und in andere Bereiche gemeinschaftlicher Politik integriert sein muss, um unnötige Doppelarbeit zu vermeiden,

Der Vorschlag, ein Handbuch zum Zwangsvollstreckungsrecht und zur Zwangsvollstreckungspraxis der Mitgliedstaaten zu erstellen

Erweiterung der Register und Verbesserung des Registerzugangs

Informationsaustausch zwischen Vollstreckungsbehörden

Die Offenbarungsversicherung des Schuldners

Sonstige Maßnahmen