Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder

A. Problem und Ziel

Vor dem 1. Juli 1949 geborene nichteheliche Kinder sind im Erbrecht ehelichen Kindern nicht vollständig gleichgestellt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einer Entscheidung vom 28. Mai 2009 festgestellt, dass dies gegen die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verstößt und Deutschland deshalb zu Entschädigungszahlungen an ein betroffenes nichteheliches Kind verpflichtet ist. Der Gesetzentwurf soll die noch vorhandenen Ungleichbehandlungen, soweit möglich, beseitigen.

B. Lösung

Der Entwurf sieht vor:

C. Alternativen

Keine

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

Die vorgesehenen Regelungen führen in wenigen Fällen durch Wertersatzverpflichtungen zu Mehrbelastungen der öffentlichen Haushalte der Länder, soweit diese anstelle eines vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes Erbe geworden sind. In einigen, eher wenigen Fällen entgehen den Ländern durch die vorgesehenen Kostenbefreiungen Einnahmen. In seltenen Ausnahmefällen kann es auch zu Haushaltsbelastungen für den Bund kommen, soweit dieser gesetzlicher Erbe geworden ist.

E. Sonstige Kosten

Für die Wirtschaft, insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen, entstehen keine Kosten. Auswirkungen auf Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

F. Bürokratiekosten

Es werden keine Informationspflichten für Unternehmen oder Bürgerinnen und Bürger eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.

Es wird eine Informationspflicht für die Verwaltung eingeführt, die sich jedoch nur auf wenige Ausnahmefälle bezieht.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 13. August 2010
Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Bürgermeister
Jens Böhrnsen
Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder

Artikel 12 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1243), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 3 Absatz 2 wird wie folgt geändert:

2. § 10 Absatz 2 wird durch die folgenden Absätze 2 bis 4 ersetzt:

3. § 10a wird aufgehoben.

4. § 24 wird wie folgt gefasst:

" § 24 Übergangsvorschriften

Artikel 2
Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche

Artikel 235 § 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2494; 1997 I S. 1061), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Inkrafttreten

Artikel 1 Nummer 3 dieses Gesetzes tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Im Übrigen tritt dieses Gesetz mit Wirkung vom 29. Mai 2009 in Kraft.

Begründung:

A. Allgemeiner Teil

I. Rechtliche Ausgangssituation

Eheliche und nichteheliche Kinder werden im Erbrecht bisher nicht vollständig gleich behandelt. Das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder (NEhelG) vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1243) hat - für Erbfälle, die sich nach Inkrafttreten des NEhelG am 1. Juli 1970 ereigneten - den nichtehelichen Kindern in der damaligen Bundesrepublik ein Erb- und Pflichtteilsrecht zuerkannt. Zuvor hatten nichteheliche Kinder überhaupt kein Erbrecht nach ihrem Vater, weil sie mit diesem nicht als verwandt galten ( § 1589 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - a. F.). Von dieser Neuregelung wurden jedoch solche Kinder ausgenommen, die vor dem 1. Juli 1949 geboren und deshalb bei Inkrafttreten des NEhelG 21 Jahre alt oder älter waren. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Ausnahme seinerzeit für verfassungsgemäß erachtet (Beschluss vom 8. Dezember 1976, BVerfGE 44, 1 ff.). Es hat dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass der Gesetzgeber mit der Festlegung eines solchen Stichtags seinen Spielraum bei der Gestaltung von Übergangsregelungen nicht überschritten habe. Dies wurde zum einen mit den praktischen Schwierigkeiten bei Vaterschaftsfeststellungen in länger zurückliegenden Fällen begründet und zum anderen mit dem zumindest für einen vorübergehenden Zeitraum schutzwürdigen Vertrauen der väterlichen Familie in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage.

Erneut diskutiert wurde diese Regelung im Zuge der Wiedervereinigung, da in der DDR seit 1976 nichteheliche Kinder erbrechtlich den ehelichen vollständig gleichgestellt waren. Der Einigungsvertrag erhielt den nichtehelichen Kindern diese Rechtsstellung, wenn der Erblasser am 2. Oktober 1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der DDR hatte. Eine vollständige Abschaffung der Stichtagsregelung wurde allerdings abgelehnt. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang an seiner Entscheidung vom 8. De-zember 1976 zur Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung festgehalten (Nichtannahmebeschluss vom 3. Juli 1996, Az. 1 BvR 563/96). Auch in den Beratungen zum Erbrechtsgleichstellungsgesetz vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2968) wurde das Problem erörtert, eine Änderung aber verworfen.

Zuletzt hat sich der Gesetzgeber im Verfahren zum Kinderrechteverbesserungsgesetz vom 9. April 2002 (BGBl. I S. 1239) mit dieser Problematik befasst und im Ergebnis eine Aufhebung der Stichtagsregelung abgelehnt, insbesondere weil ein Vertrauen der väterlichen Familie in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage bestehe (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 014/8131, S. 7). Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt in einer Entscheidung vom 20. November 2003 (Zeitschrift für das gesamte Familienrecht - FamRZ - 2004, 433 f.), insbesondere im Hinblick auf das Vertrauen des Erblassers in die Fortgeltung der bisherigen Rechtslage, an seiner Rechtsprechung festgehalten.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat hingegen in seiner Entscheidung vom 28. Mai 2009 festgestellt, dass die dortige Beschwerdeführerin in ihren Rechten aus Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verletzt war, weil ihr als einem vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kind nach den genannten rechtlichen Bestimmungen kein Erbrecht nach ihrem Vater zustand. Der Gerichtshof hat das zum einen zwar maßgeblich mit den Umständen des Einzelfalls begründet, insbesondere mit der in diesem Fall bestehenden engen Verbindung zwischen Vater und Kind, dem Fehlen näherer Verwandter auf der väterlichen Seite und mit dem Aufwachsen des nichtehelichen Kindes in der DDR mit ihren weitergehenden erbrechtlichen Regelungen. Er hat aber auch grundsätzlich darauf hingewiesen, dass die Gleichstellung nichtehelicher mit ehelichen Kindern ein besonders wichtiger Grundsatz sei, vor dem ein etwaiges Vertrauen anderer Personen in den Fortbestand der Rechtslage zurückzutreten habe. Vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung gesellschaftlicher Wertvorstellungen könnten Bewertungen, die in früherer Zeit berücksichtigenswert gewesen seien, nicht mehr zur Rechtfertigung heutiger gesetzlicher Regelungen herangezogen werden.

Im Hinblick auf diese Ausführungen und die völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands, Verletzungen der EMRK möglichst wirksam zu unterbinden, kann die bestehende Stichtagsregelung nicht aufrechterhalten werden.

II. Probleme bei der gesetzlichen Gestaltung

1. Regelung für künftige Erbfälle

Eine Gleichstellung der erbrechtlichen Verhältnisse von nichtehelichen und ehelichen Kindern für die Zukunft, also für alle Erbfälle nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, ist durch eine Aufhebung der Stichtagsregelung in Artikel 12 § 10 Absatz 2 NEhelG zu erreichen. Da hiermit die Verweisung auf die "bisher geltenden Vorschriften", d.h. die fehlende Verwandtschaft zwischen Vater und nichtehelichem Kind entfällt, entsteht dadurch nicht nur ein Erbrecht des nichtehelichen Kindes nach seinem Vater, sondern umgekehrt auch ein Erbrecht des Vaters nach seinem nichtehelichen Kind. Auch die jeweiligen Verwandten werden erbberechtigt.

Zu erwägen ist dabei allerdings, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein schutzwürdiges Vertrauen der Väter der nichtehelichen Kinder und ihrer erbberechtigten Familienangehörigen, insbesondere der hinterbliebenen Ehefrauen, in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage besteht. Wie oben dargestellt hat der Gesetzgeber bei früheren Diskussionen diesen Gesichtspunkt als maßgeblich herausgestellt.

Hiergegen sprechen jedoch im Hinblick auf die dargestellte Entwicklung folgende Gesichtspunkte:

Im Ergebnis soll daher die Stichtagsregelung ohne weitere Einschränkungen für zukünftige Erbfälle aufgehoben werden. Anderweitige Vorstellungen muss der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen selbst umsetzen.

2. Erbfälle in der Vergangenheit

a) Grundsatz

Während eine Streichung der Stichtagsregelung für die Zukunft grundsätzlich rechtlich unproblematisch möglich ist, muss bei Erbfällen, die sich bereits vor der Geltung dieses Gesetzes ereignet haben, differenziert werden. Denn in diesen Fällen ist das Vermögen des Erblassers bereits im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die nach geltender Rechtslage berufenen Erben übergegangen. Eine Entziehung dieser Rechtsstellung würde eine echte Rückwirkung bedeuten, die verfassungsrechtlich nur in engen Ausnahmefällen möglich ist.

Hierbei ist zu unterscheiden zwischen Erbfällen, die sich nach der Entscheidung des EGMR vom 28. Mai 2009, jedoch vor einer Verkündung dieses Gesetzentwurfs ereignet haben, und Erbfällen vor der Entscheidung des EGMR.

Grundsätzlich gilt Folgendes: Eine Entziehung von Eigentum mit echter Rückwirkung ist auch unter dem Gesichtspunkt des nach Artikel 14 des Grundgesetzes (allgemeigg_ges.htm ) bestehenden Vertrauensschutzes nicht ausgeschlossen. Denn das Rückwirkungsverbot findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze (BVerfGE 101, 239, 266). Daher gilt das Rückwirkungsverbot nicht, wenn sich ausnahmsweise kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte. Davon ist unter anderem dann auszugehen, wenn der Betroffene schon zu dem Zeitpunkt, auf den sich die Rückwirkung bezieht, nicht mit dem Fortbestand der Regelung rechnen durfte (BVerfGE 95, 64, 86 f.).

Das ist bei Erbfällen seit der Entscheidung des EGMR vom 28. Mai 2009 der Fall. Erben, die von Artikel 12 § 10 Absatz 2 Satz 1 NEhelG profitieren - also davon, dass vor dem 1. Juli 1949 geborene nichteheliche Kinder nicht gesetzlich erbberechtigt sind -, müssen seit diesem Zeitpunkt jedenfalls damit rechnen, dass sich die Rechtslage verändert und dass gegebenenfalls Gerichte Artikel 12 § 10 Absatz 2 Satz 1 NEhelG in dem durch die Entscheidung des EGMR gebotenen Umfang unangewendet lassen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann die Entscheidung des EGMR nicht unberücksichtigt bleiben: Der EMRK kommt in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland Gesetzesrang zu (st. Rspr., vgl. BVerfGE 111, 307, 315). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Behörden und Gerichte verpflichtet, eine Entscheidung des EGMR in ihre Abwägung einzubeziehen. (BVerfGE 111, 307, 324). Sie müssen, wenn sie dessen völkerrechtlicher Rechtsauffassung nicht folgen, dies nachvollziehbar begründen (BVerfG, a. a. O.). Die Bindungswirkung einer Entscheidung des Gerichtshofs erstreckt sich auf alle staatlichen Organe und verpflichtet diese grundsätzlich, ohne Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht einen fortdauernden Konventionsverstoß zu beenden und einen konventionsgemäßen Zustand herzustellen (BVerfG, a. a. O., 323, 325 f.). Seit der Entscheidung des EGMR bestand daher ein Zustand der Rechtsunsicherheit, so dass ein gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen in die Beständigkeit des bislang geltenden Rechtszustandes nicht mehr angenommen werden konnte. Gerade diese Rechtsunsicherheit - bewirkt durch eine bestimmte, die geltende Rechtslage in Frage stellende Rechtsprechung - berechtigt den Gesetzgeber, die Rechtslage zur Behebung dieser Rechtsunsicherheit rückwirkend zu ändern (vgl. BVerfGE 72, 302, 325 ff.).

Eine solche rückwirkende Gesetzesänderung ist auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des EGMR veranlasst. Ab der Verkündung der Entscheidung kann ein Festhalten an der bisherigen Rechtslage ohne Berücksichtigung einschlägiger Rechtsprechung des EGMR einen neuen Konventionsverstoß Deutschlands begründen. Dies hat der Gerichtshof bereits hinsichtlich der Gleichbehandlung von nichtehelichen und ehelichen Kindern entschieden. Nach einem Urteil des EGMR, das eine konventionswidrige Diskriminierung nichtehelicher Kinder im belgischen Recht feststellte (Marckx ./. Belgien, Nr. 6833/74, Europäische Grundrechte-Zeitschrift - EuGRZ - 1979, 454), hatte der belgische Gesetzgeber zwar die erforderlichen Gesetzesänderungen vorgenommen, jedoch für den Zeitraum von der Entscheidung des EGMR bis zum Inkrafttreten der neuen Rechtslage keine Rückwirkung vorgesehen. Der Gerichtshof stellte in einem weiteren Verfahren deshalb eine erneute Verletzung von Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 EMRK fest. Weder lägen für die belgischen Gerichte Gründe vor, die ab Verkündung maßgeblichen Ausführungen der "Marckx"-Entscheidung zu ignorieren, noch stehe es dem belgischen Gesetzgeber frei, die Anwendung der Konvention bis zum Inkrafttreten der neuen Rechtslage zu suspendieren (Vermeire ./. Belgien, Nr. 12849/87, EuGRZ 1992, 12, 13). Der Staat muss vielmehr weitere Konventionsverletzungen möglichst wirksam unterbinden. Im hier gegebenen Zusammenhang ist eine auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofs rückwirkende Rechtsänderung die am besten geeignete Möglichkeit, diesen Anforderungen nachzukommen.

b) Handlungsmöglichkeiten des Erblassers

Will der Erblasser selbst diese Änderungen des Erbrechts nicht für sich gelten lassen, so steht es ihm frei, seine Erbfolge durch Verfügungen von Todes wegen anderweitig zu gestalten und insbesondere sein nichteheliches Kind von der Erbfolge ausdrücklich auszuschließen. Allerdings hat der Erblasser diese Möglichkeit dann nicht, wenn er zum Zeitpunkt der Entscheidung des EGMR bereits testierunfähig war und so auf die sich abzeichnende Änderung der Rechtslage nicht mehr reagieren konnte. Diese Problematik ist jedoch nicht ursächlich mit der Frage der Rückwirkung verknüpft, sondern stellt sich bei jeder Änderung im Erbrecht. Es ist auch nicht möglich, sie durch eine einheitliche gesetzliche Regelung zu bereinigen. Denn eine solche wäre notwendigerweise grob vereinfachend und würde der Vielzahl möglicher Motive und Wünsche der Erblasser in keiner Weise gerecht.

c) Rückwirkende Abwicklung von Erbfällen

Für die Abwicklung eines Erbfalles, bei dem sich die Erbenstellungen nachträglich ändern, bietet das geltende materielle Erbrecht mit dem Erbschaftsanspruch des wahren Erben gegen den Scheinerben mit den §§ 2018 ff. BGB ausreichende Vorschriften. Verfahrensrechtlich müssen allerdings Regelungen dafür getroffen werden, dass für einen vorübergehenden Zeitraum - nämlich zwischen dem 29. Mai 2009 und einer Verkündung dieses Entwurfs - Entscheidungen in Rechtskraft erwachsen können, die sich durch die rückwirkende Änderung der Rechtslage nachträglich als unrichtig erweisen.

d) Grenzen der Rückwirkung

Bei Erbfällen, die sich vor der Entscheidung des EGMR vom 28. Mai 2009 ereignet haben, greifen die oben genannten Ausnahmen vom Vertrauensschutz hingegen nicht. Der Gerichtshof verlangt mit Verweis auf das dem Konventionsrecht innewohnende Prinzip der Rechtssicherheit nicht, dass Rechtslagen vor Verkündung des Urteils in Frage gestellt werden. Eine derart rückwirkende Entziehung der Erbenstellung wäre auch verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. In diesen Fällen muss es daher hinsichtlich der Erbenstellung bei der bisherigen Rechtslage bleiben.

e) Besonderheiten beim Staatserbrecht

Betroffenen nichtehelichen Kindern, deren Väter vor dem 29. Mai 2009 verstorben sind, nützt die rückwirkende Streichung der Stichtagsregelung nichts. Es sind allerdings Fälle denkbar, in denen der Staat direkt von der geltenden Rechtslage profitiert hat. Das ist dann der Fall, wenn - bis auf die vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder - weder Verwandte noch Ehegatten noch Lebenspartner des Erblassers vorhanden waren oder berufene Erben die Erbschaft ausgeschlagen haben und damit gemäß § 1936 BGB der Staat, d.h. ein Land oder der Bund, Erbe geworden ist. In solchen Fällen erscheint es angemessen, dass der Staat den Wert dieses Vermögenserwerbs an die betroffenen nichtehelichen Kinder herausgibt. Ein rückwirkendes Eintreten des nichtehelichen Kindes in die Erbenstellung sieht der Entwurf in diesen Fällen allerdings nicht vor. In der Mehrzahl der Fälle sind die vom Staat ererbten Vermögenswerte bereits verwertet. Es ist dem betroffenen nichtehelichen Kind nicht zuzumuten, die entsprechenden Rechtsgeschäfte jeweils im Einzelnen nachzuvollziehen, gegen die Erwerber gegebenenfalls zu prozessieren oder - wenn diese beispielsweise durch Gutglaubensvorschriften geschützt sind - einzelne Bereicherungsansprüche gegen den Staat geltend machen zu müssen.

III. Ziel der Änderungsvorschläge

Der Entwurf setzt bei dem geschilderten Änderungsbedarf an und regelt unter Berücksichtigung der genannten Probleme die Rechtsstellung der vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder neu und zwar mit Rückwirkung ab dem 29. Mai 2009. Rechtstechnisch wird die in Artikel 12 § 10 Absatz 2 NEhelG festgelegte Stichtagsbestimmung durch Neuregelungen ersetzt, die den wenigen materiellrechtlichen Besonderheiten gerecht werden und zusätzlich einen Wertersatzanspruch in den Fällen vorsehen, in denen in der Vergangenheit der Fiskus geerbt hat, weil die vor dem Stichtag geborenen nichtehelichen Kinder nicht nach ihrem Vater und dessen Verwandten gesetzlich erbberechtigt waren.

IV. Gesetzgebungszuständigkeit; Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat

Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 GG (Bürgerliches Recht).

Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.

IV. Kosten; Preiswirkungen; Bürokratiekosten

Für die öffentlichen Haushalte, insbesondere diejenigen der Länder, in sehr wenigen Fällen auch für den Bund, werden Mehrkosten durch die in Artikel 12 § 10 Absatz 3 Nummer 1 Satz 1 - neu - NEhelG vorgesehene Wertersatzregelung anfallen. Eine vorab durchgeführte Befragung der Länder hat ergeben, dass keine gesicherte statistische Grundlage für die Anzahl der in Frage kommenden Fälle und die Höhe des jeweils ererbten Vermögens besteht, so dass sich diese Mehrkosten nicht quantifizieren lassen. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass Fälle, in denen der Staat erbt, im Verhältnis zur Gesamtzahl der Erbfälle generell nicht häufig sind und der neu geregelte Wertersatzanspruch außerdem nur in den Fällen greift, in denen der Staat anstelle eines nichtehelichen Kindes erbte und dieses zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes noch lebt. Für die Justizhaushalte der Länder werden weiterhin Kosten durch die - für die Beteiligten kostenfrei gestellte - Einziehung unrichtig gewordener Erbscheine und die Erteilung neuer Erbscheinen entstehen.

Für die Wirtschaft, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, entstehen keine Mehrkosten. Auswirkungen auf die Verbraucherinnen und Verbraucher sind insoweit zu erwarten, als ihnen in einigen wenigen Fällen der neu geschaffene Wertersatzanspruch zustehen wird. Das Vorhaben führt zu einer weiteren Gleichberechtigung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern; im Übrigen berührt es keine Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung.

Es werden keine Informationspflichten für Unternehmen oder Bürgerinnen und Bürger eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.

Zusätzliche Bürokratiekosten für die Verwaltung werden in einigen Fällen durch die mit dem Wertersatzanspruch verbundenen in Artikel 12 § 10 Absatz 3 Satz 2 - neu - NEhelG vorgesehene Auskunftspflicht über den Wert des ererbten Vermögens entstehen. Die Kosten der Auskunft sind davon abhängig, wie der Erbfall in den entsprechenden Unterlagen dokumentiert wurde.

V. Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung

Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung sind nicht zu erwarten. B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder)

Zu Nummer 1 (Artikel 12 § 3 NEhelG)

Zu Buchstabe a und b (Artikel 12 § 3 Absatz 2 NEhelG)

Bei den vorgeschlagenen Neuformulierungen handelt es sich vor allem um redaktionelle Änderungen. Die bisherige Fassung der Vorschrift verwies auf zwischenzeitlich aufgehobene bzw. anderweitig niedergelegte oder formulierte Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch und der Zivilprozessordnung. Außerdem war entsprechend den Regelungen für den Ehegatten auch der Lebenspartner als anfechtungsberechtigte Person einzufügen. Es soll bei dem geltenden und durch die Erweiterung des Erbrechts nichtehelicher Kinder nochmals aktuell werdenden Recht bleiben: Ehegatten, Lebenspartner und nahe Verwandte des nichtehelichen Vaters sowie selbstverständlich der nichteheliche Vater selbst sollen die Möglichkeit haben, die Richtigkeit einer als Vaterschaftsfeststellung geltenden Entscheidung nach Maßgabe der heute möglichen Feststellungsverfahren zu überprüfen. Insbesondere soll auch ein DNS-gestütztes Abstammungsgutachten eingeholt werden können, damit eine unrichtige Tatsachenfeststellung keine weitreichenden Folgen hat.

Zu Nummer 2 (Artikel 12 § 10 Absatz 2 - neu -, 3 - neu - und 4 - neu - NEhelG)

Die bislang geltende Fassung des Artikels 12 § 10 Absatz 2 legt fest, dass zwischen nichtehelichen Kindern, die vor dem 1. Juli 1949 geboren sind, und ihren Vätern bzw. deren Verwandten die bisherigen - d.h. vor dem Inkrafttreten des Nichtehelichengesetzes am 1. Juli 1970 geltenden - Regelungen maßgebend bleiben. Diese sahen keine erbrechtlichen Ansprüche für nichteheliche Kinder nach ihren Vätern vor. Denn nach § 1589 Absatz 2 BGB a. F. galten nichteheliche Kinder als nicht verwandt mit ihren Vätern. § 10 Absatz 2 NEhelG wird nunmehr, mit Wirkung ab dem 29. Mai 2009, durch eine Vorschrift mit anderem Regelungsinhalt ersetzt, so dass die bisherige Stichtagsregelung vollständig aufgehoben wird. In allen Erbfällen nach Vätern nichtehelicher Kinder ab dem 29. Mai 2009 sind daher jetzt auch die vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder den ehelichen Kindern erbrechtlich im vollen Umfang gleichgestellt. Das gilt auch dann, wenn das nichteheliche Kind bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bzw. Wirksamwerden der Aufhebung der Stichtagsregelung bereits vorverstorben ist. In diesem Fall kommen die allgemeinen erbrechtlichen Vorschriften der §§ 1924 ff. BGB zur Anwendung, nach denen an Stelle eines verstorbenen Erben seine Abkömmlinge treten. Umgekehrt sind nunmehr auch der Vater des nichtehelichen Kindes nach diesem und die jeweiligen Verwandten erbberechtigt.

Hat der Erblasser über sein Vermögen bereits durch Verfügung von Todes wegen verfügt, wirkt sich die Änderung der Rechtslage hingegen nicht auf die Erbenstellung des nichtehelichen Kindes aus. Denn der Erblasser hat hiermit bereits kundgetan, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er sein nichteheliches Kind in die Erbfolge mit einbeziehen wollte. Zwar besteht nunmehr für das nichteheliche Kind - wenn es nicht als Erbe eingesetzt ist - ein Pflichtteilsrecht, mit dem der Erblasser bisher nicht rechnen musste. Allerdings werden die vom Erblasser eingesetzten Erben (z.B. die hinterbliebene Ehefrau) bereits nach geltendem Recht durch die in § 2331a BGB festgelegte Möglichkeit geschützt, unter bestimmten Voraussetzungen die Stundung des Pflichtteilsanspruchs zu verlangen. Ein noch weiter gehender Schutz dieser Erben vor Pflichtteilsansprüchen des nichtehelichen Kindes ist nicht erforderlich. Das gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass durch die zum 1. Januar 2010 in Kraft getretene Erbrechtsreform die Stundungsvorschriften bereits zum Schutze des Erben verbessert, d.h. ihr Anwendungsbereich erweitert wurde.

Zu Absatz 2 - neu -:

Nach Absatz 2 der Neuregelung sollen diese Änderungen allerdings in Anlehnung an Artikel 12 § 3 Absatz 1 Satz 3 NEhelG dann nicht gelten, wenn bei Inkrafttreten dieser Änderungen, insbesondere der ab dem 29. Mai 2009 rückwirkend geregelten Aufhebung der Stichtagsregelung, alle unmittelbar Beteiligten bereits verstorben sind. Denn dann gibt es keinen Anlass, in der weiteren Verwandtschaft (z.B. im Verhältnis zwischen einem Bruder des Vaters und einem Enkel des nichtehelichen Kindes) eine Neuordnung der erbrechtlichen Beziehungen vorzunehmen: Es gilt, die Benachteiligung des nichtehelichen Kindes zu beiseitigen, nicht die seiner erbberechtigten Verwandten.

Zu Absatz 3 - neu -:

Absatz 3 Satz 1 schafft in eng begrenzten Ausnahmefällen einen eigenständigen zivilrechtlichen Wertersatzanspruch für diejenigen nichtehelichen Kinder, die wegen der bisherigen Fassung des Gesetzes trotz der Rückwirkung der Neufassung auf den 29. Mai 2009 keine erbrechtlichen Ansprüche hatten, weil sich der Erbfall noch vor diesem Tag ereignete. Ist an ihrer Stelle der Staat gesetzlicher Erbe geworden, ist er verpflichtet, den Wert des Erbes in Höhe des entgangenen erbrechtlichen Anspruchs an das nichteheliche Kind herauszugeben. Dieser vermögensrechtliche Anspruch ist vererblich und kann daher auch von den Erben des nichtehelichen Kindes geltend gemacht werden, wenn dieses nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes stirbt. Ist das nichteheliche Kind allerdings bereits vor dem Inkrafttreten verstorben, entsteht der Wertersatzanspruch gar nicht erst und kann demzufolge auch nicht auf dessen Erben übergehen, weil bei Inkrafttreten der neuen Regelung bereits kein Anspruchsinhaber mehr vorhanden war. Hat das nichteheliche Kind in besonderen Fällen bereits Leistungen aus der Erbschaft erhalten - beispielsweise Unterhalt gemäß Artikel 12 § 10 Absatz 2 Satz 2 NEhelG in der bisherigen Fassung - so muss es sich diese auf den Wertersatzanspruch anrechnen lassen. Im zweiten Satz wird zugunsten des Ersatzberechtigten ein Anspruch auf Auskunft über den Wert des vom Staat ererbten Vermögens eingeführt. Das nichteheliche Kind oder seine Erben haben im Regelfall keine andere Möglichkeit, zu erfahren, in welcher Höhe gegebenenfalls Wertersatzansprüche geltend gemacht werden können. In sehr lange zurückliegenden Fällen kann es allerdings vorkommen, dass entsprechende Unterlagen wegen Verstreichens der Aufbewahrungsfrist nicht mehr vorhanden sind. In diesen Fällen gilt der allgemeine Grundsatz für Auskunftsansprüche, dass Auskünfte nur nach Maßgabe vorhandener oder zumutbar zu beschaffender Kenntnis erteilt werden müssen (vgl. §§ 259 Absatz 2, 260 Absatz 2 BGB; BGH, NJW 2000, 2276 ff.). In Satz 3 ist festgehalten, dass für die Verjährung die Regelungen des BGB gelten. § 199 Absatz 3a BGB, der bereits eine Regelung über die Verjährung von Ansprüchen aus einem Erbfall enthält, ist jedoch nicht anzuwenden. Denn diese Vorschrift betrifft anders gelagerte Fälle: Regelmäßig entsteht ein erbrechtlicher Anspruch mit dem Erbfall. Dann ist es interessengerecht, diesen in spätestens 30 Jahren nach seiner Entstehung verjähren zu lassen. In den von diesem Entwurf betroffenen Fällen entsteht der Wertersatzanspruch jedoch erst mit Inkrafttreten dieses Gesetzes, d.h. gegebenenfalls mehrere Jahrzehnte nach dem eigentlichen Erbfall. Eine 30- jährige absolute Verjährungsfrist wäre vor diesem Hintergrund nicht interessengerecht.

Zu Absatz 4 - neu -:

§ 2079 BGB sieht vor, dass der Pflichtteilsberechtigte eine letztwillige Verfügung anfechten kann, wenn der Erblasser einen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, der ihm erst nach der Errichtung der Verfügung bekannt geworden ist oder der erst nach der Errichtung der Verfügung geboren oder pflichtteilsberechtigt geworden ist. Ausgeschlossen ist die Anfechtung dann, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser die Verfügung auch bei Kenntnis der Sachlage getroffen haben würde. Durch den Entwurf wird das nichteheliche Kind nachträglich pflichtteilsberechtigt; ihm stünde damit ein Anfechtungsrecht zu, mit der Folge, dass nach erfolgreicher Anfechtung statt der letztwilligen Verfügung die gesetzliche Erbfolge gilt. Dies erscheint unbillig. Denn § 2079 BGB zielt auf Fälle, in denen der Erblasser einen Abkömmling, Ehegatten, Lebenspartner oder Elternteil unbewusst nicht berücksichtigt hat. In den vom Entwurf betroffenen Fällen ist die Sachlage jedoch anders. Wollte ein Erblasser nach bisheriger Rechtslage sein nichteheliches Kind bzw. dessen Abkömmlinge berücksichtigen, musste er dies ausdrücklich regeln, da eine automatische Beteiligung am Nachlass durch das Pflichtteilsrecht nicht gegeben war. Wollte der Erblasser dies hingegen bewusst nicht, so hatte er auch keine Veranlassung, dies ausdrücklich in seiner letztwilligen Verfügung kundzutun. Denn diese Rechtsfolge trat schon von Gesetzes wegen ein, ohne dass es einer entsprechenden Verfügung des Erblassers bedurfte. Vor diesem Hintergrund wäre es unbillig, § 2079 BGB auf diese vom Entwurf betroffenen Fälle anzuwenden. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Beweislast dafür, dass der Erblasser auch bei Kenntnis der Sachlage die Verfügung getroffen haben würde, die der eingesetzte Erbe als Anfechtungsgegner trägt.

Zu Nummer 3 (Artikel 12 § 10a NEhelG)

Zu Nummer 4 (Artikel 12 § 24 NEhelG)

Zu Absatz 1:

Durch die vorgesehene Aufhebung der Stichtagsregelung rückwirkend zum 29. Mai 2009 kann es vorkommen, dass bis zur Verkündung dieses Entwurfs Erbscheine erteilt werden, die ein vor dem 1. Juli 1949 geborenes nichteheliches Kind - nach derzeit geltender Rechtslage zutreffend - nicht berücksichtigen. Diese Erbscheine werden mit Verkündung des Gesetzes unrichtig, weil das nichteheliche Kind rückwirkend Erbe wird. Sie sind daher gemäß § 2361 BGB von den Nachlassgerichten einzuziehen bzw. für kraftlos zu erklären. Verfahrensrechtlich sind hierbei die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden. Diese sehen ein Tätigwerden der Nachlassgerichte von Amts wegen vor. Da bei den Nachlassgerichten die Verfahren nicht gesondert danach erfasst werden, ob betroffene nichteheliche Kinder vorhanden sind, müssten ohne die vorgesehene Übergangsregelung alle Erbscheine, die ab dem 29. Mai 2009 bis zur Verkündung des Gesetzes erteilt worden sind, überprüft werden. Gegebenenfalls müssten die Nachlassgerichte auch von den Erben verlangen, die bereits gemäß §§ 2354 Absatz 1 Nummer 3, 2356 Absatz 2 Satz 1 BGB abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen nochmals zu erneuern, mit der Versicherung, dass kein vor dem 1. Juli 1949 geborenes nichteheliches Kind mit Auswirkungen auf die Erbfolge vorhanden ist oder war. Dadurch entstünde ein ganz erheblicher kostenintensiver Verwaltungsaufwand, der zum Schutz der Interessen der nichtehelichen Kinder nicht gerechtfertigt ist. Der Gesetzentwurf sieht daher vor, dass in diesen Fällen der Erbschein nur auf Antrag eingezogen bzw. für kraftlos erklärt wird.

Zu Absatz 2:

Für die Einziehung bzw. Kraftloserklärung eines Erbscheins wird vom Kostenschuldner eine Gebühr verlangt (§ 108 der Kostenordnung - KostO), wenn nicht im gleichen Verfahren ein neuer Erbschein erteilt wird. In diesem Fall entsteht nur für die Erteilung eines neuen - richtigen - Erbscheins die übliche Gebühr (§ 107 KostO). Daneben können noch Auslagen anfallen. Das erscheint in den vom Gesetzentwurf betroffenen Fällen jedoch unbillig. Denn dem Kostenschuldner ist die rückwirkende Änderung der Rechtslage, die zur Unrichtigkeit des erteilten Erbscheins führt, nicht zuzurechnen. Der Entwurf sieht daher vor, dass in diesen Fällen keine Kosten erhoben werden. Da die Regelung nur für eine Übergangszeit praktische Bedeutung haben wird, soll sie nicht in die Kostenordnung eingestellt werden.

Zu Absatz 3:

Die rückwirkende Aufhebung der Stichtagsregelung betrifft auch Zivilprozesse über ein Erbrecht, an denen ein vor dem 1. Juli 1949 geborenes nichteheliches Kind beteiligt ist. Nach geltender Rechtslage ist im Urteil festzustellen, dass das nichteheliche Kind keine erbrechtlichen Ansprüche hat. Das betrifft auch Fälle, die einen Erbfall seit dem 29. Mai 2009 betreffen und die vor Verkündung dieses Gesetzes entschieden werden. Mit Verkündung des Gesetzes ändert sich jedoch rückwirkend die Rechtslage und die Entscheidung wird unrichtig. Ist die Entscheidung bereits in Rechtskraft erwachsen, hätte das nichteheliche Kind keine Möglichkeiten mehr, diese unrichtige Entscheidung korrigieren zu lassen. Um dieses unbillige Ergebnis zu vermeiden, sieht Absatz 3 vor, dass in diesen Fällen in einem erneuten Rechtsstreit der Einwand der Rechtskraft hinsichtlich des Erbrechts nicht erhoben werden kann.

Zu Artikel 2 (Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche)

Es handelt sich um eine Folgeregelung zu Artikel 2. Die Regelung in Artikel 235 § 1 Absatz 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) gewährleistete bisher, dass nichteheliche Kinder, deren erbrechtliche Verhältnisse sich zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung nach dem Recht der DDR richteten, durch die mit der Wiedervereinigung verbundene Rechtsangleichung nicht schlechter gestellt wurden, und ordnete an, dass insoweit die Vorschriften über die erbrechtlichen Verhältnisse eines ehelichen Kindes gelten. Mit der Aufhebung der Stichtagsregelung für die vor dem 1. Juli 1949 geborenen Kinder wird diese Regelung für alle künftigen Erbfälle gegenstandslos, da nichteheliche Kinder mit ehelichen Kindern erbrechtlich fortan ohnehin vollständig gleichgestellt sind.

Diese Aufhebung führt allerdings nicht dazu, dass die Sonderregelungen im neuen Artikel 12 § 10 Absatz 2 NEhelG auch für die nichtehelichen Kinder gelten, die bisher der Regelung in Artikel 235 § 1 Absatz 2 EGBGB unterfielen. Denn diese neuen Vorschriften gelten ausdrücklich nur für solche nichtehelichen Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren sind und denen vor dem 29. Mai 2009 kein gesetzliches Erbrecht nach ihrem Vater oder dessen Verwandten zustand.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Sie sieht vor, dass die durch dieses Gesetz eingefügten Änderungen, insbesondere die Aufhebung der Stichtagsregelung, bereits ab dem 29. Mai 2009, dem Tag nach der Entscheidung des EGMR, gelten. Der Entwurf lässt sich insoweit vom Rechtsgedanken des § 187 Absatz 1 BGB leiten: Fällt ein Ereignis (hier: Verkündung der Entscheidung des EGMR) in den Lauf eines Tages, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist nicht mitgezählt. Für den Zeitraum bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes bedeutet dies eine echte Rückwirkung: Die Rechtsstellung der bisherigen Erben wird entweder ganz entzogen, indem das nichteheliche Kind an ihrer Stelle rückwirkend Erbe wird, oder zumindest teilweise entzogen, indem das nichteheliche Kind rückwirkend als Miterbe auf Kosten der Quote der bisherigen Erben hinzutritt. Diese Rückwirkung ist aus verfassungsrechtlicher Sicht zulässig, da seit dem Zeitpunkt der Entscheidung des EGMR kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der geltenden Rechtslage mehr bestand. Sie ist auch erforderlich, weil Deutschland verpflichtet ist, weitere Konventionsverstöße umgehend und möglichst wirksam zu unterbinden (vgl. die Ausführung oben unter A. II. 2.). In derartigen Fällen kann die Abwicklung des Erbfalls gemäß den §§ 2018 ff. BGB nach den Regelungen des Erbschaftsanspruchs des wahren Erben gegen den Scheinerben erfolgen.

Das rückwirkende Inkrafttreten soll sich jedoch nicht auf die Aufhebung des Artikels 12 § 10a NEhelG beziehen. Denn Vereinbarungen zwischen Vater und nichtehelichem Kind nach dieser Vorschrift, die in der Zeit zwischen dem 29. Mai 2009 und der Verkündung dieses Gesetzes geschlossen wurden, sollen nicht nachträglich unwirksam werden. Insoweit tritt das Gesetz daher erst am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 1117:
Zweites Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder

Der Nationale Normenkontrollrat hat den o.g. Gesetzentwurf auf Bürokratiekosten geprüft, die durch Informationspflichten begründet werden.

Mit dem Gesetz werden keine Informationspflichten für die Wirtschaft sowie Bürgerinnen und Bürger eingeführt, geändert oder aufgehoben. Für die Verwaltung wird eine Informationspflicht begründet, die aber nur selten einschlägig sein dürfte und nur zu marginalen bürokratischen Belastungen führt.

Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages daher keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

Catenhusen Bachmaier
Stellv. Vorsitzender Berichterstatter