Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Post- und Telekommunikationssicherstellungsrechts und zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften

Der Bundesrat hat in seiner 874. Sitzung am 24. September 2010 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 (§ 1 Absatz 2 Satz 2 - neu - PTSG)

In Artikel 1 ist dem § 1 Absatz 2 folgender Satz anzufügen:

"Den Anwendungsfall stellt das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie durch Anordnung fest."

Begründung:

Im Gesetzentwurf ist nicht ausgeführt, wer das Vorliegen des Anwendungsfalles nach § 1 Absatz 2 Nummer 1 oder 2 feststellt. Eine Festlegung in dieser Hinsicht ist aber notwendig, damit die Telekommunikationsunternehmen veranlasst bzw. verpflichtet werden können, die Telekommunikationsbevorrechtigungen nach § 6 Absatz 1 jeweils konkret herzustellen bzw. die vorbereiteten Maßnahmen zu aktivieren. Die ministerielle Anordnung in § 8 Absatz 2 des Gesetzentwurfs beschränkt sich auf die Mitarbeit in Arbeitsstäben und auf das Abstellen von Fachpersonal. Im bislang gültigen PTSG ist dies in § 3 geregelt.

2. Zu Artikel 1 (§ 1 Absatz 2 Satz 3 - neu - PTSG)

In Artikel 1 ist dem § 1 Absatz 2 folgender Satz anzufügen:

"Ein nach Absatz 1 Nummer 2 verpflichtetes Telekommunikationsunternehmen kann bei Gefahr im Verzug, wenn die Telekommunikationseinrichtungen durch besondere Beanspruchung in den Fällen des Absatz 2 Nummer 1 überlastet sind und die der Situation angemessene Versorgung der Bevorrechtigten gefährdet ist, die vorbereiteten Maßnahmen zur Einräumung von Vorrechten umsetzen."

Begründung:

Entsprechend der in § 8 der bisher geltenden Telekommunikations-Sicherstellungs-Verordnung ist eine Ausnahmeregelung für Fälle einer Gefahr in Verzug vorzusehen.

3. Zu Artikel 1 (§ 1 Absatz 2 PTSG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren sicherzustellen, dass Post- und Telekommunikationsdienste in dem vom Gesetzentwurf definierten Anwendungsbereich [§ 1 Absatz 2 Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetz (PTSG-E)] auch für die Bevorrechtigten (§ 2 Absatz 2, § 6 Absatz 2 PTSG-E) gewährleistet werden, die Postdienste von nicht bundesweit agierenden Postunternehmen (§ 1 Absatz 1 Nummer 1 PTSG-E) oder die Telekommunikationsdienste von Telekommunikationsunternehmen unter 100.000 Kunden (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 PTSG-E) in Anspruch nehmen.

Begründung:

Post- und Telekommunikation gehören zur so genannten kritischen Infrastruktur, die in einer hochkomplexen Gesellschaft auch krisenfest sein muss. Die Sicherstellung von Post- und Telekommunikationsleistungen muss deshalb auch für die Bevorrechtigten gewährleistet sein, die Postdienste von nicht bundesweit agierenden Postunternehmen (§ 1 Absatz 1 Nummer 1) oder die Telekommunikationsdienste von Telekommunikationsunternehmen unter 100.000 Kunden (§ 1 Absatz 1 Nummer 2) in Anspruch nehmen.

4. Zu Artikel 1 (§ 2 Absatz 2 Nummer 2 und § 6 Absatz 2 Nummer 2 PTSG)

In Artikel 1 sind in § 2 Absatz 2 Nummer 2 und in § 6 Absatz 2 Nummer 2 jeweils nach den Wörtern "der Länder" die Wörter ", der Landkreise" einzufügen.

Begründung:

Nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 und 2 der Verordnung zur Sicherstellung von Telekommunikationsdienstleistungen sowie zur Einräumung von Vorrechten bei deren Inanspruchnahme waren Bundesbehörden, Landes-, Kreis- und Kommunalbehörden so genannte bevorrechtigte Aufgabenträger. § 2 Absatz 2 Nummer 2 und § 6 Absatz 2 Nummer 2 des Gesetzentwurfs führen demgegenüber Behörden des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände als Post- und Telekommunikationsbevorrechtigte auf. Nach § 1 Absatz 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sind Behörden alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Durch die Einschränkung der Regelung auf Behörden des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände entfallen in einigen Ländern jedoch die Landkreise/Landratsämter als Post- und Telekommunikationsbevorrechtigte, da diese weder Landesbehörden noch Gemeinden bzw. Gemeindeverbände sind. Nach den jeweiligen Landesgesetzen über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz sind die Landkreise untere Katastrophenschutzbehörden, die entsprechende Aufgaben im Katastrophenschutz wahrnehmen. Sie bedürfen daher auch einer Post- und Telekommunikationsbevorrechtigung. Eine Klarstellung unter § 2 Absatz 2 Nummer 2 und § 6 Absatz 2 Nummer 2 des Gesetzentwurfs ist aus hiesiger Sicht daher notwendig.

5. Zu Artikel 1 (§ 5 PTSG)

Der Bundesrat bittet zu prüfen, ob die Mindest-Datenübertragungsrate von 50 Mbit/s (§ 5 PTSG-E) für die Betreiber von Backbone-Netzen (Transportnetze) heraufgesetzt werden muss.

Begründung:

Die Mindest-Datenübertragungsrate von 50 Mbit/s für die Betreiber von Backbone-Netzen ist fachlich zwar für die Zubringer-Netze (letzte Meile zum Kunden) zu akzeptieren. Für den normalen Backbone-Betrieb sind Datenübertragungsraten im Gigabit-Bereich schon heute Standard.

6. Zu Artikel 1 (§ 8 Absatz 3 - neu - PTSG)

In Artikel 1 ist dem § 8 folgender Absatz anzufügen:

(3) Telekommunikationsunternehmen haben der Bundesnetzagentur eine Überschreitung der höchstmöglichen Anzahl der Aufträge auf Bevorrechtigungen für den jeweiligen Telekommunikationsdienst mitzuteilen, damit die Bundesnetzagentur im Benehmen mit den zuständigen Behörden des Bundes und der Länder den Kreis der Bevorrechtigten oder die bevorrechtigten Telekommunikationsdienste nach der Dringlichkeit und der Bedeutung der Aufgabenträger festlegen kann."

Begründung:

Die bislang in § 6 Telekommunikations-Sicherstellungs-Verordnung vorgesehene Erstellung einer Vorrangliste bei einer Überschreitung der Bevorrechtigungen ist in dem Gesetzentwurf nicht enthalten. Da es aber auch nach dem derzeitigen technischen Stand denkbar ist, dass Telekommunikationsunternehmen an die Grenzen ihrer Kapazitäten gelangen, ist die Erstellung einer Vorrangliste weiterhin von erheblicher Bedeutung.

7. Zu Artikel 1 (§ 9 Absatz 1 Satz 1 PTSG)

In Artikel 1 ist § 9 Absatz 1 Satz 1 wie folgt zu fassen:

"Telekommunikationsbevorrechtigte haben für jeden Anschluss, für den Vorkehrungen nach § 7 Absatz 1 Satz 1 getroffen wurden, ein einmaliges

Entgelt in Höhe von 50 Euro an das Telekommunikationsunternehmen zu entrichten."

Begründung:

Das bisherige Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetz (PTSG), das zuletzt durch Artikel 2 Nummer 3 des Gesetzes vom 2. April 2009 (BGBl. I S. 693) geändert worden ist, sah in seinem § 12 für einen bevorrechtigten Netzzugang eine einmalige Entschädigungspauschale in Höhe von 50 Euro vor. Mit dieser Entschädigung werden sämtliche Leistungen des Telekommunikationsunternehmens abgegolten. Diese Pauschale wird in dem Gesetzentwurf ohne jede Begründung deutlich erhöht.

Bei Vorkehrungen nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Gesetzentwurfs soll die Pauschale auf 100 Euro verdoppelt werden. Darüber hinaus unterscheidet der Gesetzentwurf zwischen einer Entschädigung für einen Anschluss sowie für einen Übertragungsweg. Bei strenger Auslegung des Gesetzeswortlauts würde demnach "für jeden Anschluss" und "für jeden Übertragungsweg" eine eigenständige Entschädigung von jeweils 100 Euro anfallen. Außerdem sieht der Gesetzentwurf eine weitere Entschädigung in Höhe von 50 Euro für zusätzliche technische Vorkehrungen nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 vor; insgesamt würden in diesem Fall also mindestens 150 Euro anfallen.

Das bisher geltende PTSG sieht dagegen nur eine einmalige und allgemein gehaltene Entschädigung "für jeden Netzzugang" von 50 Euro vor. Die Anhebung der Pauschale in dem dargestellten Maße ist nicht nachvollziehbar. Es soll daher an der bisherigen Entschädigungsregelung des § 12 PTSG festgehalten werden.