Gesetzesantrag des Landes Hessen
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer besonderen Verfahrensgebühr für Vielkläger im sozialgerichtlichen Verfahren

A. Problem und Ziel

Nachdem seit dem Jahr 2011 die Verfahrenseingänge in der Sozialgerichtsbarkeit rückläufig waren, sind sie im Jahr 2018 wieder stark gestiegen und bewegen sich seitdem auf einem hohen Niveau. Nicht nur deswegen ist es wichtig, dass die in der Sozialgerichtsbarkeit tätigen Richterinnen und Richter ihre Kapazitäten auf solche Verfahren konzentrieren können, denen ein echtes und nachvollziehbares Rechtsschutzbegehren zugrunde liegt.

In der Sozialgerichtsbarkeit häufen sich aber Fälle, in denen einzelne Klägerinnen oder Kläger ohne berechtigtes Rechtsschutzinteresse mit einer Vielzahl von Verfahren die Gerichte beschäftigen. Dabei werden oftmals völlig aussichtslose Anliegen verfolgt, und zwar teilweise auch wiederholt durch alle Instanzen.

Es liegt auf der Hand, dass zu diesem Umstand der in § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verankerte Grundsatz der Gerichtskostenfreiheit der allermeisten Klagen von Bürgern einen wesentlichen Teil beiträgt. So berechtigt dieser Grundsatz, der die Gewährung sozialer Rechte unabhängig von der Einkommenslage sichern soll, im Regelfall ist, so sehr wird er jedoch von einer kleinen Anzahl von Klägerinnen und Klägern missbraucht.

Dies verdeutlichen die folgenden Zahlen:

Vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2019 gingen beim Hessischen Landessozialgericht insgesamt 29.718 Verfahren ein. Davon wurden 5.843 Verfahren von nur 140 der Kostenfreiheit im Sozialgerichtsprozess unterliegenden Klägerinnen und Klägern (Versicherte, Leistungsempfänger und behinderte Menschen), die in diesem Zeitraum jeweils 10 oder mehr Verfahren angestrengt haben, geführt. Das entspricht einem Anteil von fast 20 % aller im genannten Zeitraum geführten Verfahren, während die betreffenden Vielklägerinnen bzw. Vielkläger nur einen Anteil von nicht einmal 1 % der Gesamtzahl der Rechtsschutzsuchenden ausmachen. Ein

Kläger hat allein im Jahr 2019 250 (zweitinstanzliche!) Verfahren vor dem Landessozialgericht angestrengt - die Verfahren erster Instanz gar nicht mitgerechnet.

Im gleichen Zeitraum von Anfang 2010 bis Ende 2019 sind beim Hessischen Landessozialgericht 29.487 Verfahren (alle Verfahren mit der Vergabe eines eigenen Aktenzeichens) erledigt worden. Dabei wurden 4.083 der 19.683 vollständig erfolglosen Verfahren von nur 112 kostenprivilegierten Klägern, die in diesem Zeitraum jeweils bereits mindestens 9 erfolglose Verfahren geführt hatten, angestrengt. Das entspricht einem Anteil von fast 14 % aller Verfahren und einem Anteil von mehr als 20 % aller erfolglosen Verfahren.

Bei den zugrundeliegenden sozialgerichtlichen Verfahren und bei den anderen Landessozialgerichten - und damit im gesamten Bundesgebiet - dürften die Zahlen ähnlich sein. Damit beanspruchen die Verfahren dieser Vielklägerinnen und Vielkläger einen erheblichen Anteil der Ressourcen der Justiz.

Die richterliche Erfahrung und die hohe Zahl der erfolglosen Verfahren dieser Klägerinnen und Kläger zeigt, dass in einer Vielzahl dieser Verfahren tatsächlich keine Rechtsverletzungen festgestellt werden können und dass diese Verfahren von den Klägerinnen und Klägern nur geführt werden, weil sie für sie kostenfrei sind und ihnen eine Plattform bieten, ihre oft schon mehrfach geprüften Anliegen immer und immer wieder vorzubringen.

Dabei fällt auch auf, dass diese Klägerinnen und Kläger nicht durch Gewerkschaften oder Sozialverbände vertreten werden. Bei den innerhalb von 10 Jahren eingegangen Verfahren bzw. bei den innerhalb von 10 Jahren vollständig erfolglosen Verfahren beträgt deren Anteil an der Vertretung dieser Klägerinnen und Kläger nur 0,0065% (insgesamt 38 Verfahren) bzw. 0,0061% (insgesamt 25 Verfahren). Diese Klägerinnen und Kläger vertreten sich typischerweise selbst oder sie werden von Familienmitgliedern vertreten. Auch Rechtsanwälte werden in den seltensten Fällen eingeschaltet.

Ziel des Gesetzesentwurfs ist es, dazu beizutragen, die Ressourcen der Justiz zweckentsprechend einzusetzen. Dazu sollen diejenigen Verfahren, denen kein nachvollziehbares Begehren zugrunde liegt, reduziert werden, da die Belastung der Gerichte mit diesen Klagen enorm ist. Eine Eindämmung der beschriebenen Klageserien würde zu einer deutlichen Entlastung von Richtern und Serviceeinheiten auch deshalb führen, weil in den meisten Fällen die Beteiligten kaum noch in der Lage sind, die Vielzahl der von ihnen geführten Verfahren zu überblicken und durch eine Vielzahl von Folgeeingaben gerade die Serviceeinheiten erheblich beschäftigen.

B. Lösung

Um dies zu erreichen sieht der Gesetzesentwurf die Einführung einer besonderen Verfahrensgebühr vor, die von Vielklägern gezahlt werden muss, bevor weitere Verfahren dieser Klägerinnen und Kläger vor den Sozialgerichten bearbeitet werden. Damit sollen sie davon abgehalten werden, sozialgerichtliche Verfahren nur wegen der für sie bestehenden Gebührenfreiheit zu führen. Dieser psychologische Effekt lässt sich bereits jetzt belegen: Der für Entschädigungsklagen wegen überlanger Gerichtsverfahren zuständige Senat des Hessischen Landessozialgerichts hat die Erfahrung gemacht, dass viele der dortigen Verfahren vom Kläger nicht mehr weiterbetrieben werden, sobald die dafür anfallenden Gerichtsgebühren - diese Verfahren unterliegen nicht der Kostenfreiheit - von ihm angefordert werden. Beispielsweise gingen dort vom 1. Januar 2012 bis 31. Oktober 2019 112 Entschädigungsklagen wegen überlanger Gerichtsverfahren ein, von denen 25 nach Anforderung der anfallenden Gerichtsgebühren nicht weiterverfolgt wurden (Erledigung des Verfahrens a.a. W.). Dies ist ein Anteil von ca. 22 % und zeigt, dass eine Gebührenerhebung einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Führung von Verfahren durch die Klägerinnen und Kläger haben kann.

Dabei ist zu betonen, dass im Gegensatz zur gescheiterten Idee des Bundesrates zur Einführung einer allgemeinen Verfahrensgebühr (BT-Drs. 016/1028, siehe insbesondere § 187 des Entwurfs) nur die Einführung einer besonderen Verfahrensgebühr für Vielkläger vorgesehen ist. Im Übrigen verbleibt es bei der Gerichtskostenfreiheit im bisherigen Rahmen.

Bei dem Gesetzesentwurf handelt es sich um einen ausgewogenen Weg zwischen dem Anliegen, auch wirtschaftlich schwachen Klägerinnen und Klägern jederzeit Zugang zu den Sozialgerichten zu gewähren, und dem sicherlich in allen Bundesländern bestehenden Bedürfnis, einzelne Gerichte oder ganze Gerichtsbarkeiten vor dem Missbrauch kostenloser Rechtsbehelfe zu schützen, die von Personen erhoben werden, die ihre ganze Kraft darauf verwenden, staatliche Institutionen aus Gründen zu beschäftigen, die nicht auf einem berechtigten Rechtsschutzbegehren beruhen.

Einem Abschneiden berechtigten Rechtsschutzes wird dadurch vorgebeugt, dass die Gebührenerhebung der richterlichen Überprüfungsmöglichkeit unterliegt und außerdem im Falle des Obsiegens des Klägers oder der Klägerin die Kosten erstattet werden.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Keiner.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten:

Keine.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Es ist davon auszugehen, dass der bei der Feststellung der Voraussetzungen für die Erhebung der besonderen Verfahrensgebühr anfallende Mehraufwand mehr als ausgeglichen wird durch den Wegfall zahlreicher Verfahren bzw. die Erhebung der besonderen Verfahrensgebühren.

F. Weitere Kosten

Keine.

Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

Gesetzesantrag des Landes Hessen
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer besonderen Verfahrensgebühr für Vielkläger im sozialgerichtlichen Verfahren

Der Hessische Ministerpräsident Wiesbaden, 27. August 2020

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Hessische Landesregierung hat beschlossen, im Bundesrat die Einbringung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer besonderen Verfahrensgebühr für Vielkläger im sozialgerichtlichen Verfahren beim Deutschen Bundestag gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes zu beantragen.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 993. Plenarsitzung am 18. September 2020 aufzunehmen und sie anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Volker Bouffier

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer besonderen Verfahrensgebühr für Vielkläger im sozialgerichtlichen Verfahren

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Sozialgerichtsgesetzes

Das Sozialgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 1975 (BGBl. I S. 2535), das zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 12. Juni 2020 (BGBl. I S. 1248) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 73a Absatz 3 wird wie folgt gefasst:

(3) § 109 Absatz 1 Satz 2 und § 183 Absatz 2 bleiben unberührt."

2. § 183 wird wie folgt geändert:

3. § 193 Absatz 1 Satz 2 wird wie folgt gefasst:

"Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), und in Fällen des § 183 Absatz 2 entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat."

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeines

I. Zielsetzung und wesentlicher Inhalt des Gesetzesentwurfs

Die in der Vergangenheit erfolgten Reformen des sozialgerichtlichen Verfahrens haben ganz überwiegend darauf gezielt, die Verfahren effektiver auszugestalten. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll noch früher angesetzt werden. Es wird angestrebt, dass ein nicht unerheblicher Teil der Verfahren wegfällt, weil es sich um Verfahren handelt, die nicht auf einem nachvollziehbaren Rechtsschutzbegehren beruhen.

Dies soll dadurch erreicht werden, dass für Klägerinnen und Kläger, die eine Vielzahl von Verfahren führen, eine moderate Verfahrensgebühr erhoben wird. Es ist davon auszugehen, dass deren Erhebung in zahlreichen Fällen dazu führen wird, dass eine Klage gar nicht erst erhoben oder nach der Anforderung der Gebühr nicht weiterverfolgt wird.

Dazu muss definiert werden, wer als Vielkläger angesehen werden soll, der vor der Bearbeitung weiterer Verfahren von ihm durch die Justiz die besondere Verfahrensgebühr bezahlen muss.

Nach den Daten des Hessischen Landessozialgerichts sind vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2019 fast 20 % - also knapp 6.000 - der insgesamt knapp 30.000 eingegangenen Verfahren von nur 140 der Kostenfreiheit unterliegenden Klägerinnen und Klägern geführt wurden, die in diesem Zeitraum jeweils 10 oder mehr Verfahren geführt haben. Diese Klägerinnen und Kläger, die für fast 20 % aller Verfahren verantwortlich sind, machen nur 1 % der Gesamtzahl der Rechtsschutzsuchenden aus.

Gleichzeitig sind von den im gleichen Zeitraum insgesamt vor dem Hessischen Landessozialgericht erfolglos gebliebenen knapp 20.000 Verfahren gut 4.000 Verfahren von nur 112 kostenprivilegierten Klägerinnen und Klägern angestrengt worden, die in diesem Zeitraum bereits mindestens 9 erfolglose Verfahren geführt hatten.

Es ist davon auszugehen, dass bei den zugrundeliegenden sozialgerichtlichen Verfahren und bei den anderen Landessozialgerichten - und damit im gesamten Bundesgebiet - die Zahlen ähnlich sein dürften.

Daher soll als Vielkläger angesehen werden, wer innerhalb der letzten 10 Jahre bereits 10 oder mehr Verfahren in einem Land angestrengt hat.

Um festzustellen, ob ein Kläger ein Vielkläger in diesem Sinne ist oder nicht, kann auf die in den jeweiligen EDV-Programmen der Länder gespeicherten Daten, die alle dort geführten Verfahren erfassen, zurückgegriffen werden.

Damit die besondere Verfahrensgebühr ihre gewünschte Wirkung entfaltet, wird durch den vorgelegten Gesetzesentwurf sichergestellt, dass die Ressourcen der Justiz für die weiteren Verfahren der Vielkläger erst eingesetzt werden, wenn die Gebühr entrichtet ist. Wichtig ist dabei auch, dass die Regelungen so getroffen werden, dass die Gebühr tatsächlich vom Kläger bzw. von der Klägerin selbst erbracht werden muss. Sie darf also nicht von einer etwaigen Gewährung von Prozesskostenhilfe umfasst sein.

Bei der Höhe der Gebühr muss allerdings berücksichtigt werden, dass der Kläger bzw. die Klägerin die Gebühr tatsächlich selbst aufbringen muss und ggf. auch aus Existenzsicherungsleistungen erbringen können muss. Deshalb wird eine relativ geringe Gebührenhöhe von 30 Euro pro Rechtszug festgesetzt.

Insgesamt wird dem Rechtsuchenden durch die Einführung einer geringen Gebühr weder eine Rechtsschutzmöglichkeit genommen noch wird ein berechtigtes Anliegen von einer wirtschaftlich für ihn nicht tragbaren Vorleistung abhängig gemacht. Vielmehr wird dem Missbrauch der vollständigen Kostenfreiheit entgegengewirkt und verhindert, dass Einzelpersonen mit ihren Verfahren Ressourcen der Justiz in Anspruch nehmen, die für andere Verfahren benötigt werden.

Einem Abschneiden berechtigter Rechtsschutzbegehren wird auch dadurch vorgebeugt, dass die Gebührenerhebung der Überprüfungsmöglichkeit des Gerichts unterliegt und außerdem im Falle des Obsiegens des Klägers bzw. der Klägerin die Kosten erstattet werden.

II. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Artikel 72 Abs. 1 Grundgesetz.

III. Auswirkungen

Es ist davon auszugehen, dass der bei der Feststellung der Voraussetzungen für die Erhebung der besonderen Verfahrensgebühr anfallende Mehraufwand mehr als ausgeglichen wird durch den Wegfall zahlreicher Verfahren bzw. die Erhebung der besonderen Verfahrensgebühren.

Für Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen entsteht kein Erfüllungsaufwand.

B Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1 (Änderung des Sozialgerichtsgesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 73a)

Durch die Einfügung in § 73a Abs. 3 SGG-E wird sichergestellt, dass für die besondere Verfahrensgebühr bei Vielklägern keine Prozesskostenhilfe gewährt wird. Der Vielkläger bzw. die Vielklägerin darf nicht durch die Gewährung von Prozesskostenhilfe von der Zahlung der Gerichtskosten in Form der besonderen Verfahrensgebühr freigestellt werden, sondern muss diese Gerichtskosten in jedem Fall vor der Durchführung des Verfahrens bezahlen. Die Gerichtskosten können jedoch nach Abschluss des Verfahrens auf der Grundlage einer Entscheidung des Gerichts nach § 193 SGG erstattet werden.

Zu Nummer 2 (§ 183)

Die Regelung in § 183 Abs. 1 Satz 7 SGG-E soll eine Ausnahme von der grundsätzlich bestehenden Kostenfreiheit ab dem 10. Verfahren bewirken. Tritt die Rechtshängigkeit einer Streitsache ein, ist zu prüfen, ob in den letzten 10 Jahren von der gleichen Person bereits neun Streitsachen im Land rechtshängig waren. Ist das der Fall, liegt eine Ausnahme von der grundsätzlichen Kostenfreiheit vor. In diesem Fall werden Gebühren nach Abs. 2 erhoben. Andernfalls bleibt es bei der Kostenfreiheit.

Dass nur auf die Rechtshängigkeit innerhalb desselben Landes abgestellt wird und Verfahren in anderen Ländern nicht einbezogen werden, dient der einfacheren Feststellung, ob jemand Vielkläger ist oder nicht, weil kein länderübergreifender Datenaustausch erforderlich ist.

Mit der Verwendung des Begriffs der Streitsache unter Hinweis auf § 184 Abs. 1 SGG soll deutlich gemacht werden, dass auch bei der Inanspruchnahme mehrerer Rechtszüge nur eine Streitsache vorliegt (siehe insbesondere die begriffliche Differenzierung in § 184 Abs. 1 Satz 2 SGG zwischen rechtshängiger Streitsache und Rechtszug). Die sich an ein erstinstanzliches Verfahren anschließenden Rechtsmittelverfahren stellen also keine weiteren Streitsachen im Sinne von Satz 7 dar.

Für die von Abs. 1 Satz 7 erfassten Fälle führt Abs. 2 eine neue besondere Verfahrensgebühr in Höhe von 30 Euro ein, die für jeden Instanzenzug erhoben wird. Die beabsichtigte Entlastungswirkung der Justiz soll durch Abs. 2 Satz 2 eintreten, da die Gerichte die Streitsachen - von der Erhebung der besonderen Verfahrensgebühr und einer ggf. erfolgenden gerichtlichen Überprüfung ihrer Erhebung abgesehen - nicht betreiben, solange die besondere Verfahrensgebühr nicht gezahlt oder festgestellt wurde, dass diese nicht zu zahlen ist.

Stellt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle eine Gebührenschuld fest, kann der Betroffene eine Überprüfung durch das Gericht verlangen. Das Gericht hat dabei das Vorliegen der Voraussetzungen für die Feststellung der Gebührenschuld zu überprüfen. In besonderen Ausnahmefällen kann es darüber hinaus die Gebührenschuld aufheben, wenn die Streitsache entgegen der pauschalierten Annahme des Gesetzes tatsächlich dazu dient, eine substantielle Rechtsverletzung abzuwehren, und eine Erhebung der Gebühr wegen der Mittellosigkeit des Betroffenen einen solchen Rechtsschutz vereiteln würde.

Außerdem wird fingiert, dass der Antrag, die Klage oder das Rechtsmittel als zurückgenommen gilt, wenn die Gebührenschuld nicht innerhalb von drei Monaten nach ihrer endgültigen Feststellung bezahlt wird. Durch die Nichtzahlung der Gebühr wird dokumentiert, dass kein ernsthaftes Interesse an der Durchführung des Verfahrens besteht. Die Fiktionswirkung tritt kraft Gesetzes ein. Ein Verfahren zur Feststellung der Wirksamkeit der Rücknahme findet nicht statt. Gilt das Verfahren wegen der Nichtzahlung der Gebühr als zurückgenommen, wird eine Gebühr nicht mehr erhoben. Dies dient dazu, weiteren Aufwand und weitere Verfahren wegen der Vollstreckung der Gebühr für die Justiz zu vermeiden. Das Ziel der Regelung, die Entlastung der Justiz, ist bereits dadurch erreicht, dass die Verfahren von den Gerichten nicht in der Sache geprüft werden müssen.

Zu Nummer 3 (§ 193)

Durch die Einfügung in § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG-E soll sichergestellt werden, dass dem Vielkläger, der Gerichtskosten in Form einer besonderen Verfahrensgebühr entrichtet hat, diese erstattet werden, wenn er in dem Verfahren dennoch obsiegt hat.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.