Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Eine erneuerte Sozialagenda: Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität im Europa des 21. Jahrhunderts KOM (2008) 412 endg.; Ratsdok. 11517/08

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 11. Juli 2008 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 3. Juli 2008 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 4. Juli 2008 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.

Hinweis: vgl. AE-Nr. 070941

1. Einleitung

Der technologische Fortschritt, die Globalisierung und die alternde Bevölkerung sorgen für einen Wandel in den Gesellschaften Europas. In den letzten Jahren hat das Tempo dieses Wandels zugenommen. Die Europäer leben länger und gesünder, in neuen Familienkonstellationen und mit neuen Arbeitsformen. Die Werte und die Beziehungen zwischen den Generationen verändern sich. Den Europäern stehen beispiellose Chancen und mehr Wahlmöglichkeiten unter verbesserten Lebensbedingungen offen. Die Europäische Union hat maßgeblich zur Schaffung dieser Chancen beigetragen, indem sie Beschäftigung und Mobilität angeregt hat - insbesondere durch die Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung, die Verbesserung der Marktintegration und die Gewährleistung makroökonomischer Stabilität.

Allerdings gibt es nach wie vor eine Schattenseite: Noch immer gibt es zu viele Nichterwerbstätige bzw. Arbeitslose und zu viele Schulabbrecher, was dazu führt, dass weiterhin zu viele Menschen (insbesondere Kinder und ältere Menschen) in Armut leben und sozial ausgegrenzt sind. Überdies sind neue Probleme hinzugekommen. So geht mit dem Wohlstand und der Alterung der Bevölkerung eine Steigerung des Altenquotienten einher, und es ist eine Zunahme von Wohlstandskrankheiten (Fettsucht, Stress) zu beobachten.

Zusätzlich zu diesen tief greifenden gesellschaftlichen Veränderungen hat 2008 eine globale Konjunkturabschwächung eingesetzt, der Wettbewerb um knappe Ressourcen wie Lebensmittel und Energieträger hat sich verschärft und auf den Finanzmärkten kommt es wiederholt zu Turbulenzen. Zwar dürfte die Wirtschaft der Europäischen Union aufgrund ihres soliden Fundaments diesen exogenen Schocks gut standhalten; jedoch geben jüngste Entwicklungen wie der drastische Anstieg der Lebensmittel- und Ölpreise Anlass zur Besorgnis. Die arme Bevölkerung wird durch diese Entwicklungen überproportional belastet.

Zudem sind die Europäer zwar Meinungsumfragen zufolge allgemein mit ihrer Lebensqualität zufrieden sie äußern sich jedoch besorgt über die Zukunft und befürchten, dass sich die Bedingungen für ihre Kinder in den nächsten Jahrzehnten verschlechtern werden.

Die Sozialpolitik muss mit diesem Wandel Schritt halten, sie muss flexibel sein und auf Veränderungen reagieren können. Alle Entscheidungsebenen müssen sich dieser Herausforderung stellen. Maßnahmen im sozialen Bereich fallen primär in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, und die Entscheidungen über solche Maßnahmen müssen möglichst bürgernah, also auf nationaler Ebene oder darunter getroffen werden. Die Befugnisse und Zuständigkeiten der EU in diesem Bereich sind beschränkt. Aufgrund der gemeinsamen Werte, die die EU verkörpert, der gemeinsamen Vorschriften und der Solidaritätsmechanismen ist die EU jedoch in einer idealen Position, um partnerschaftlich mit den Mitgliedstaaten und den Stakeholdern zu agieren und die Zusammenarbeit zur Bewältigung des sozioökonomischen Wandels, insbesondere des durch die Globalisierung und die Technologie hervorgerufenen Wandels, zu unterstützen. Die EU hat in den letzten 50 Jahren erfolgreich auf neue soziale Herausforderungen reagiert - durch die Stimulation von Wachstum und Beschäftigung unter soliden makroökonomischen Rahmenbedingungen, die Unterstützung der Gleichstellung von Männern und Frauen, die Bekämpfung von Diskriminierungen, die Förderung der Sozialpartnerschaft, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Gewährleistung des sozialen Zusammenhalts mit Hilfe von Maßnahmen, um regionale Ungleichgewichte zu beseitigen und die Anpassung an den wirtschaftlichen Wandel zu erleichtern.

Jetzt besteht die Herausforderung für die EU darin, auf diesem soliden Fundament aufzubauen und zwar mittels einer erneuerten Sozialagenda. Die grundlegenden Ziele sind durch den EG-Vertrag vorgegeben. Nun gilt es, die Instrumente zur Erreichung dieser Ziele zu erneuern. Der Schwerpunkt muss darauf liegen, den Bürgern die Möglichkeiten und die Fähigkeiten an die Hand zu geben, um ihr Potenzial voll ausschöpfen zu können, und zugleich denjenigen, die hierzu nicht in der Lage sind, zu helfen.

Eine solche Agenda lässt sich nicht auf die klassischen Gebiete der Sozialpolitik beschränken.

Sie muss vielmehr bereichsübergreifend und mehrdimensional sein und ein breites Spektrum abdecken - von der Arbeitsmarktpolitik bis hin zu Bildung, Gesundheit, Einwanderung und interkulturellem Dialog. Es hat sich gezeigt, dass wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen auf EU-Ebene und nationaler Ebene sich gegenseitig verstärken und ergänzen. Deshalb steht diese erneuerte Sozialagenda voll im Einklang mit der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung und untermauert diese Strategie.

Die in der vorliegenden Mitteilung beschriebene erneuerte Sozialagenda stützt sich auf drei Pfeiler: Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität. Um Chancen zu eröffnen, müssen kontinuierliche Anstrengungen für mehr und bessere Arbeitsplätze und zur Steigerung des Gemeinwohls unternommen werden. Es gilt, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die Mobilität zu erleichtern, Diskriminierungen zu bekämpfen, die Gleichstellung der Geschlechter voranzubringen, Familien zu unterstützen und neuen Formen der sozialen Ausgrenzung entgegenzuwirken. Um Chancen zu nutzen, benötigen die Bürger Zugangsmöglichkeiten - zur Bildung, zur Gesundheitsversorgung und zu Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse. Sie sollten in der Lage sein, sich aktiv in die Gesellschaft, in der sie leben, einzubringen und sich zu integrieren. Menschen und Regionen, die überfordert sind und mit dem schnellen Tempo des Wandels nicht Schritt halten können, müssen unterstützt werden. Die erneuerte Sozialagenda ist somit auch eine Agenda der Solidarität, die verstärkte Bemühungen zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung vorsieht und neue Wege einschlägt, um die Bürger bei der Anpassung an die Globalisierung und den technologischen Wandel zu unterstützen. Hierzu muss die EU Neuerungen vornehmen - bei ihren Verfahren zur Festlegung politischer Rahmenkonzepte, in ihren Rechtsvorschriften, bei der Art und Weise, wie sie Menschen zum Austausch vorbildlicher Verfahren zusammenführt, und hinsichtlich ihrer Funktion als Katalysator für neue Konzepte.

In die vorliegende erneuerte Sozialagenda sind die Ergebnisse der umfassenden öffentlichen Konsultation1 eingeflossen, die die Kommission im Jahr 2007 initiiert hat, um eine Bestandsaufnahme der sozialen Wirklichkeit in Europa vorzunehmen. Die Agenda umfasst eine Reihe konkreter Maßnahmen in den prioritären Bereichen, die die Kommission kürzlich in ihrer Mitteilung Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität: eine neue gesellschaftliche Vision für das Europa des 21. Jahrhunderts2 umrissen hat.

2. Die soziale Dimension Europas - Zeit für Erneuerung und Neubelebung

Die gemeinsamen sozialen Werte sind ein maßgeblicher Bestandteil der europäischen Identität, da sich der europäische Einigungsprozess von Anfang an auf diese Werte gestützt hat. Die Politik der EU hat eine starke soziale Dimension und eine positive soziale Wirkung.

Einige Beispiele: Die Lissabon-Strategie hat zur Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen beigetragen. Die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) und der Euro gewährleisten Preisstabilität und erleichtern ebenfalls die Schaffung von Arbeitsplätzen und ein stabiles Wachstum. Durch die Kohäsionspolitik werden EU-Regionen mit Entwicklungsrückstand sowie benachteiligte Gruppen unterstützt. Der Binnenmarkt hat zahlreiche Chancen eröffnet, wobei den sozialen Auswirkungen der Marktöffnung Rechnung getragen wurde. Schließlich hat die Beschäftigungs- und Sozialpolitik der EU zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen (z.B. in Bezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz) geführt, die Chancengleichheit und die soziale Eingliederung verbessert und zur Bekämpfung von Diskriminierungen, Rassismus und Fremdenhass beigetragen.

In mehreren Erweiterungsrunden wurden neue Mitgliedstaaten aufgenommen; dadurch wurden Demokratie und Grundrechte in diesen Ländern erfolgreich gefestigt und der Wohlstand in der gesamten EU gesteigert. Mit der Stärkung der Volkswirtschaften der beigetretenen Mitgliedstaaten ging bzw. geht ein erfolgreicher Prozess der "sozialen Konvergenz" einher, der noch andauert. Eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielen die europäischen Normen und die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften und Leitlinien. Die bisherige Bilanz dieses Konvergenzprozesses zeugt von der Stärke der gemeinsamen sozialen Werte Europas und der Fähigkeit der EU, deren Entwicklung zu unterstützen. Die Erweiterung hat also erfolgreich zur Verbreitung von Chancengleichheit auf dem gesamten Kontinent beigetragen.

Die grundlegenden sozialen Ziele Europas sind unverändert geblieben. Die EU steht für harmonische von Zusammenhalt und Integration geprägte Gesellschaften, die in funktionierenden sozialen Marktwirtschaften angesiedelt sind und die die Grundrechte respektieren. Dies kommt klar in den Zielen der Gemeinschaft und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zum Ausdruck.

Die Ziele müssen aufgrund der neuen Entwicklungen somit nicht verändert werden, wohl aber die Mittel zu ihrer Erreichung. Die Globalisierung ist die prägende Kraft unserer Zeit.

Sie hat maßgebliche Auswirkungen sowohl auf die Grundprinzipien als auch auf die Ausrichtung der europäischen Sozialagenda. In den letzten Jahrzehnten wurden im Zuge der Ausweitung und Vertiefung des europäischen Binnenmarktes auch erhebliche Fortschritte in der sozialen Dimension erzielt. Die Sozialagenda wurde in den 80er-Jahren entwickelt, um mit Blick auf den industriellen Strukturwandel ein einvernehmliches Vorgehen zu gewährleisten. Entsprechend stand in der 1992 vorgestellten Agenda die Sicherung der Arbeitsplätze und die Notwendigkeit im Mittelpunkt, für einen Konsens zwischen den Sozialpartnern zu sorgen, um den Strukturwandel zu erleichtern. Heute benötigen wir eine sehr viel breiter angelegte Sozialagenda, die es Europa ermöglicht, die durch die Globalisierung eröffneten Chancen voll zu nutzen, die Bürger bei der Anpassung an den Wandel zu unterstützen und Solidarität mit denjenigen zu praktizieren, für die die Veränderungen negative Folgen haben.

Zusammen mit der Globalisierung wirkt sich auch der technologische Wandel umfassend auf die Gesellschaft aus und bringt tief greifende Folgen für die Sozialpolitik mit sich3. Er sorgt für eine steigende Nachfrage nach qualifiziertem Personal und vergrößert die Kluft zwischen qualifizierten und unqualifizierten Arbeitskräften. Die Arbeitslosenquote beträgt bei den gering qualifizierten Arbeitnehmern etwa 10 % - gegenüber 7 % in der Personengruppe mit Abschluss der Sekundarstufe II und 4 % bei den Hochschulabsolventen. Langfristig lautet die maßgebliche soziale Frage also: Wie kann man den Bürgern am besten die richtigen Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln, damit sie in der modernen Wirtschaft als Arbeitnehmer, Unternehmer und Verbraucher bessere Chancen haben? Diese Fragestellung sprengt die Grenzen der Berufsbildung im klassischen Sinne. Es muss ermittelt werden, welche Arten von Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen für einen neuen Wirtschaftstyp benötigt werden und wie man den Bürgern das Rüstzeug für den Erfolg mitgeben kann.

Deshalb investiert die EU massiv in Qualifizierungsmaßnahmen, unterstützt die Entwicklung effizienterer und nachhaltigerer Arbeitsmärkte und Sozialsysteme, in denen Flexibilität und Sicherheit miteinander vereint sind, und fördert die Mobilität in der allgemeinen Bildung, der beruflichen Weiterbildung sowie im Bereich Wissen und Innovation.

Der demografische Wandel bringt gesellschaftliche Veränderungen mit sich und erfordert innovative politische Lösungen. Die höhere Lebenserwartung ist eine der größten Errungenschaften Europas. In Verbindung mit der abnehmenden Geburtenrate führt sie jedoch zu einer Alterung der europäischen Bevölkerung, die beträchtliche Veränderungen bei der Art und Weise, wie wir leben, arbeiten und uns auf den Ruhestand vorbereiten, erfordert.

Prognosen zufolge wird die Bevölkerungsgruppe im Alter von 15 bis 64 Jahren bis zum Jahr 2050 um 48 Millionen schrumpfen, während sich der Altenquotient im gleichen Zeitraum mehr als verdoppeln wird4. Die öffentlichen Sozialausgaben müssen flexibel an die Alterung der europäischen Bevölkerung und an veränderte Arbeitsmuster angepasst werden. Um die langfristige finanzielle Überlebensfähigkeit der europäischen Sozialmodelle zu gewährleisten, ist es von entscheidender Bedeutung, die Effizienz und die Wirksamkeit der Sozialsysteme zu steigern - insbesondere durch Anreize, die Verbesserung von Verwaltung und Bewertung und die Festlegung von Prioritäten bei Ausgabenprogrammen. Die EU arbeitet mit den Mitgliedstaaten zusammen, um gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen und sie bei ihren Bemühungen darin zu unterstützen, Gerechtigkeit und finanzielle Nachhaltigkeit zu gewährleisten und zugleich die notwendigen Reformen in den Gesundheits- und Rentensystemen umzusetzen. Der Rat hat die Kommission und den Ausschuss für Wirtschaftspolitik der EU kürzlich aufgefordert, die Analyse der zur Gewährleistung von Gerechtigkeit, Effizienz und Effektivität erforderlichen Sozialausgaben und Reformen zu verbessern5 (siehe Begleitpapier).

Die Einwanderung leistet einen maßgeblichen Beitrag zu Beschäftigung, Wachstum und Wohlstand in der Europäischen Union. Der Bedarf an Wirtschaftsmigranten, insbesondere Arbeitskräften mit spezifischen Qualifikationen, wird in den kommenden Jahren aufgrund des demografischen Wandels und des Arbeitskräftemangels in bestimmten Branchen und Regionen voraussichtlich steigen. Die Mitgliedstaaten haben erkannt, wie wichtig ein gemeinsames Vorgehen auf EU-Ebene ist, um die mit Einwanderung und Integration verbundenen Herausforderungen anzugehen.

Die Kommission hat vor kurzem eine umfassende gemeinsame Einwanderungspolitik für Europa6 vorgeschlagen, die ein koordiniertes Handeln vorsieht und auf Wohlstand, Solidarität und Sicherheit ausgerichtet ist. Damit das Potenzial der Einwanderung ausgeschöpft werden kann muss sie von Anfang an durch Maßnahmen zur Förderung der Integration (einschließlich des Erlernens der Sprache des Aufnahmelandes) begleitet werden. Hieraus ergeben sich verschiedene weitere komplexe Herausforderungen, und es müssen Anstrengungen in unterschiedlichen Bereichen unternommen werden, z.B. im Wohnungswesen, in der Gesundheitsversorgung und in der Bildung.

Der Klimawandel und die neuen Energieverbrauchsmuster eröffnen ebenfalls Chancen, haben aber auch Folgen für die Gesellschaft. Die EU ist eine der treibenden Kräfte bei den internationalen Bemühungen zur Bewältigung des Klimawandels; zugleich analysiert sie auch dessen sozioökonomische Folgen und entwickelt Strategien zur Unterstützung von Anpassungen. Den Übergang zu einer nachhaltigen "kohlenstoffarmen Wirtschaft", d. h. einer Wirtschaft mit niedrigen Kohlendioxid-Emissionen, spielt für das Wohlergehen künftiger Generationen eine zentrale Rolle. Die EU kann - in Abstimmung mit den Sozialpartnern - dazu beitragen, dass neue Chancen für die wirtschaftliche Entwicklung genutzt werden und "grüne" Arbeitsplätze entstehen, während gleichzeitig Solidarität mit gefährdeten Gruppen geübt wird. In diesem Zusammenhang muss der Gefahr der "Energiearmut" besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

3. Ziele der erneuerten Sozialagenda für Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität

Die erneuerte Sozialagenda richtet sich an drei miteinander verbundenen Zielen von gleich hoher Bedeutung aus:

Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele fallen primär in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (nationale, regionale und lokale Ebene). Das potenzielle Aktionsgebiet ist sehr groß, so dass es nahe liegt, Prioritäten zu setzen. Deshalb ist die im folgenden beschriebene Agenda auf mehrere Schlüsselbereiche ausgerichtet, in denen Maßnahmen der EU einen klaren Mehrwert ergeben und in denen den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit voll Rechnung getragen werden kann. Diese Bereiche sind: Jugend, Humankapital, längeres und gesünderes Leben, Mobilität, soziale Eingliederung, Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit sowie Partizipation und Dialog mit dem Bürgern. Maßnahmen in allen diesen Bereichen tragen zur Erreichung der drei Ziele - Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität - bei. Bei der Umsetzung dieser Maßnahmen geht es für die EU darum, innovativ zu handeln und sich weiterzuentwickeln - hinsichtlich der Festlegung strategischer Rahmen, des Gemeinschaftsrechts, der Art und Weise, wie sie Menschen zum Austausch vorbildlicher Verfahren zusammenführt, und ihrer Funktion als Katalysator für neue Konzepte.

4. Prioritäten der erneuerten Sozialagenda für Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität

4.1. Kinder und Jugendliche - das Europa von morgen

Die Zukunft Europas hängt von seiner Jugend ab. Die Zukunftsaussichten vieler Jugendlicher sind jedoch getrübt, da es ihnen an Chancen und Zugangsmöglichkeiten zur allgemeinen und beruflichen Bildung mangelt, ohne die sie ihr volles Potenzial nicht ausschöpfen können. 19 Millionen Kinder und Jugendliche sind von Armut bedroht, und jedes Jahr gehen 6 Millionen vorzeitig von der Sekundarschule ab. Um den Teufelskreis aus Benachteiligungen in der Kindheit, ungesunder Lebensweise, schlechten schulischen Leistungen und sozialer Ausgrenzung zu sprengen, müssen Maßnahmen ergriffen werden. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die hohen Schulabbrecherquoten sowie die Arbeitsplatzunsicherheit und das Lohngefälle, mit denen Jugendliche konfrontiert werden, sind Probleme, die bewältigt werden müssen. Gleiches gilt für die Befürchtung der jungen Menschen, dass ihre Situation im Rentenalter - trotz der Verlängerung des Arbeitslebens - schlechter sein könnte als die Situation vorheriger Generationen. Alle Kinder müssen eine Bildung erhalten, die ihnen in der heutigen Welt eine faire Chance gibt. Sie müssen ermutigt werden, andere und höhere Qualifikations- und Kompetenzniveaus anzustreben als ihre Eltern.

Die EU kann dazu beitragen, neue Formen der generationsübergreifenden Solidarität zu entwickeln und die spezifischen Probleme anzugehen, mit denen junge Menschen heute konfrontiert sind, unter anderem hinsichtlich des Zugangs zur allgemeinen und beruflichen Bildung, zum Arbeitsmarkt, zu Wohnraum und zu Finanzierungsmitteln. Als gemeinsamer Bezugsrahmen für Maßnahmen der EU und der Mitgliedstaaten dient hier der Europäische Pakt für die Jugend, den der Europäische Rat im März 2005 angenommen hat. Außerdem wird die Kommission verschiedene auf Kinder und Jugendliche ausgerichtete Aktivitäten weiterführen: Berücksichtigung der Kinderrechte in den Maßnahmen der EU, Verstärkung der Anstrengungen zur Förderung und zum Schutz der Rechte von Kindern7, Aktionen zum Thema "Jugend und Gesundheit", Förderung der sicheren Nutzung des Internets8 sowie Ausbau der Maßnahmen im Bereich Straßenverkehrssicherheit.

Weiteres Vorgehen:

Die erneuerte Sozialagenda umfasst

Im weiteren Verlauf von 2008/2009 wird die Kommission:

4.2. In Menschen investieren, mehr und bessere Arbeitsplätze schaffen, neue

Kenntnisse und Fertigkeiten entwickeln Die neue Sozialagenda ist ein unmittelbarer Bestandteil der Lissabon-Strategie und der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung. Einer der besten Wege für die EU, zum Wohlergehen der Bürger beizutragen, besteht darin, Wachstum und Beschäftigung zu fördern, da eine gesunde Wirtschaft das Fundament für den Wohlstand bildet und ein Arbeitsplatz der beste Weg aus der Armut ist. Durch die Gewährleistung von Preisstabilität, die Verringerung der Arbeitslosigkeit und die Verbesserung der Produktivität tragen die Lissabon-Strategie und die WWU zur Schaffung von mehr Arbeitsplätzen bei. Der Frühjahrsprognose 2008 zufolge werden in den Jahren 2008 und 2009 3 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen, nachdem 2006/2007 bereits 7,5 Millionen hinzugekommen waren. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) spielen eine Schlüsselrolle bei der Schaffung neuer und bessere Arbeitsplätze, was auch in dem kürzlich angenommenen europäischen Grundsatzpapier für KMU ("Small Business Act")9 klar anerkannt wurde.

Angesichts der Globalisierung und des schnellen technologischen Wandels besteht eine wesentliche Aufgabe der EU darin, die Mitgliedstaaten bei der Modernisierung der Arbeitsmärkte und der Antizipierung von Wandel und strukturellen Veränderungen zu unterstützen. Die EU hat sich auf gemeinsame Flexicurity-Grundsätze und -Optionen geeinigt die flexible und sichere Arbeitsverträge, lebenslanges Lernen, aktive Arbeitsmarktpolitik und moderne Sozialsysteme umfassen, damit Arbeitsmarktübergänge erleichtert werden und Arbeit sich lohnt. Die Kommission unterstützt die Mitgliedstaaten und die Sozialpartner dabei, diese Flexicurity-Grundsätze im Rahmen der nationalen Lissabon-Reformprogramme umzusetzen. Im Hinblick auf Rechtsvorschriften ist eine rasche, positive Einigung zwischen dem Europäischem Parlament und dem Rat über die Richtlinienvorschläge zur Arbeitszeit und zur Leiharbeit von großer Bedeutung.

Der Soziale Dialog auf europäischer Ebene trägt maßgeblich zur Erleichterung des Wandels bei. Die Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats, die die Grundlage für den Dialog zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bildet, könnte jedoch noch weiter verbessert werden. Derzeit werden Partnerschaften zwischen den Sozialpartnern und staatlichen Stellen entwickelt, um den Wandel besser zu antizipieren und zu steuern.

Mit den Strukturfonds werden Mitgliedstaaten, Regionen, Kommunen, Unternehmen und Bürger bei der Antizipierung neuer Rahmenbedingungen und bei der Anpassung an diese Bedingungen finanziell unterstützt. Der 2007 eingerichtete Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) fördert die schnelle Wiedereingliederung derjenigen Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt, die wegen globalisierungsbedingten Veränderungen im Handelsgefüge ihre Stelle verloren haben. Der EGF zeigt bereits in mehreren Mitgliedstaaten eine positive Wirkung, sein Potenzial ist jedoch noch nicht voll ausgeschöpft.

Der Einwanderung kommt bereits jetzt eine wichtige Rolle dabei zu, Defizite auf dem Arbeitsmarkt und Fachkräftemängel auszugleichen. Im Zuge des demografischen Wandels wird die Nachfrage nach Migranten, insbesondere nach Personen mit spezifischen Qualifikationen, voraussichtlich weiter steigen. In ihrer vor kurzem veröffentlichten Mitteilung über eine gemeinsame Einwanderungspolitik für Europa10 skizziert die Kommission eine Reihe von Initiativen, die eine behutsame Steuerung der Wirtschaftsmigration gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und auf Basis gemeinsam vereinbarter Grundsätze ermöglichen sollen. Einer dieser Grundsätze ist die Integration.

Bildung und Investitionen in das Humankapital sind von entscheidender Bedeutung für den Arbeitsmarktzugang und die soziale Eingliederung sowie für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der EU. In dieser von schnellem Wandel geprägten Welt müssen den Bürgern an verschiedenen Punkten ihres Lebens Chancen eröffnet werden. Dies impliziert ein Engagement für das lebenslange Lernen und die fortlaufende Weiterqualifizierung entsprechend den aktuellen und künftigen Bedürfnissen des Arbeitsmarktes. Die Kommission wird - innerhalb der durch den Vertrag abgesteckten Grenzen - Initiativen zur Qualifizierung sowie zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Modernisierung ihrer Bildungssysteme vorlegen. Die Bürger benötigen ein modernes Spektrum von Kompetenzen und Fertigkeiten, das neben der digitalen, medialen und finanziellen Kompetenz auch neue Fähigkeiten einschließt die ihnen unternehmerisches Handeln ermöglichen, für eine kohlenstoffarme Wirtschaft relevant sind und ihnen die Arbeit mit Informations- und Kommunikationstechnologien erleichtern.

Die notwendigen Reformen werden im Rahmen der Lissabon-Strategie (einschließlich der Europäischen Beschäftigungsstrategie) und der offenen Methode der Koordinierung im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung umgesetzt. Außerdem werden Maßnahmen ergriffen um die Vermittlung von unternehmerischer Kompetenz und IKT-Kompetenz11 sowie die finanzielle Bildung in der EU zu unterstützen.

Weiteres Vorgehen:

Im Rahmen dieser Sozialagenda legt die Kommission Folgendes vor:

Im weiteren Verlauf von 2008/2009 wird die Kommission Folgendes vorlegen:

4.3. Mobilität

Die Freizügigkeit bietet den Bürgern vielfältige Chancen und trägt zur Steigerung des Wirtschaftswachstums und der Wettbewerbsfähigkeit bei. Dementsprechend werden die Europäer immer mobiler. Die EU verfügt über einen soliden Rechtsrahmen, der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer vorsieht. Zudem bietet die EU praktische Unterstützung, um die Mobilität zu erleichtern und potenzielle Hindernisse zu beseitigen; so fördert sie beispielsweise die Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Rahmen ihres Aktionsplans für berufliche Mobilität.

Darüber hinaus unterstützt die EU im Rahmen verschiedener länderübergreifender europäischer Programme (z.B. Erasmus) die Mobilität von Schülern, Studierenden und jungen Menschen, wodurch ihre sprachlichen und interkulturellen Kompetenzen sowie ihre Beschäftigungsfähigkeit verbessert werden und sie zukünftiger beruflicher und geografischer Mobilität aufgeschlossener gegenüberstehen.

Die Entsendung von Arbeitnehmern von einem Mitgliedstaat in einen anderen wirft eine Reihe von Fragen in Bezug auf die Anwendung der geltenden europäischen und nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren auf die entsandten Arbeitnehmer auf. Die Kommission hat kürzlich eine Empfehlung zur Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit12 angenommen, um nicht angemeldete Erwerbstätigkeit zu bekämpfen und für ein hinreichendes Vertrauen unter den Mitgliedstaaten zu sorgen.

Wegen mehrerer Urteile des Europäischen Gerichtshofes (Rechtssachen Laval, Viking und Rüffert) wurde kürzlich über einige Fragen intensiv diskutiert. Sofern die Mitgliedstaaten die Möglichkeiten der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern wirksam nutzen, können diese Entwicklungen im Rahmen der bestehenden Richtlinie bewältigt werden. Die Kommission wird die Mitgliedstaaten in diesem Prozess unterstützen, die Entwicklungen weiter analysieren und mit den Sozialpartnern und den Mitgliedstaaten erörtern, wie sich schwierige Fragen am besten lösen lassen - u. a. im Herbst 2008 auf einem speziell hierzu anberaumten Forum. Ferner wird die Kommission dafür sorgen, dass keine Widersprüche zwischen den Grundfreiheiten des Vertrags und dem Schutz der Grundrechte auftreten, und sie wird aufkommende Fragen eingehend prüfen, erörtern und beantworten, erforderlichenfalls auch mit Hilfe von Leitlinien zur Auslegung der Vorschriften.

In diesem Zusammenhang begrüßt die Kommission auch, dass sich der Ministerrat in seinem Gemeinsamen Standpunkt vom 9. Juni 2008 für die Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern ab dem ersten Tag der Beschäftigung (sofern die Sozialpartner nichts anderes vereinbaren) ausgesprochen hat.

Weiteres Vorgehen:

Im Rahmen dieser Sozialagenda

4.4. Länger und gesünder leben

Die Alterung der Gesellschaft erfordert, dass die Politik in verschiedensten Bereichen tätig wird. Das Spektrum reicht von der Unterstützung der Wissenschaft bei der Untersuchung, inwieweit die Informationstechnologie die Gesundheit und das Wohlergehen älterer Menschen verbessern kann, bis hin zur Klärung der Frage, welche Reformen in den Gesundheits- und Rentensystemen erforderlich sind, um den Bedürfnissen einer alternden Bevölkerung gerecht zu werden, ohne dass dies die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gefährdet.

Die EU sollte den Zugang aller Bürger zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung fördern.

Hierbei spielt die Stärkung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung eine wichtige Rolle. Die Patientenrechte müssen klar geregelt sein, und es werden Rahmenbedingungen benötigt, die zugleich gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten - unter Berücksichtigung der finanziellen Nachhaltigkeit - weiter eigenständig über ihre Gesundheitssysteme entscheiden können. Zudem sollte die Mobilität von Patienten und Arbeitskräften durch die Erleichterung der grenzüberschreitenden Interoperabilität elektronischer Patientenakten (unter Beachtung des Datenschutzes) unterstützt werden.

Die EU unterstützt die Bemühungen der Mitgliedstaaten, um die finanzielle Tragfähigkeit der Sozialschutzsysteme (einschließlich der Gesundheitsversorgung) sicherzustellen, um für angemessene Renten auch in der Zukunft zu sorgen und um die Qualität und die Zugänglichkeit der Dienstleistungen zu erhalten. Finanzielle Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit sind seit 2006 gemeinsame Ziele der in diesem Bereich angewandten offenen Methode der Koordinierung. Darüber hinaus analysieren die Kommission und die Mitgliedstaaten derzeit die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der Alterung und der Reformen in den Renten- und Gesundheitssystemen.

Armut, Arbeitslosigkeit, geringes Bildungsniveau, genetische Risiken und Behinderungen - all dies sind Faktoren, die mit Gesundheitsproblemen in Verbindung stehen. Die im Oktober 2007 angenommene Gesundheitsstrategie18 der EU unterstreicht die gemeinsamen Wertvorstellungen für die Gesundheitsversorgung - flächendeckende Versorgung, Zugang zu qualitativ hochwertiger Versorgung, Verteilungsgerechtigkeit und Solidarität - und sieht Maßnahmen vor, um die durch die Alterung der Bevölkerung und wachsende Benachteiligungen im Gesundheitsbereich entstehenden Herausforderungen zu bewältigen.

Auf dem EU-Gesundheitsportal finden Bürgerinnen und Bürger sowie Stakeholder Informationen über wichtige Gesundheitsfragen.

Die ebenfalls im Jahr 2007 von der Kommission verabschiedete Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz19 unterstützt die Bürger dabei, länger erwerbsfähig zu bleiben, indem ihr Schutz vor Risiken am Arbeitsplatz verbessert wird. Mit Hilfe der Strategie soll bis 2012 die Gesamtinzidenz der Arbeitsunfälle um 25 % verringert werden.

Weiteres Vorgehen:

Die Kommission wird

4.5. Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung

Rund 78 Millionen Europäer, d. h. 16 % der Gesamtbevölkerung der EU, sind von Armut bedroht. Die Armut trifft insbesondere Arbeitslose, Menschen mit Behinderung sowie ältere Menschen, und bei Frauen ist das Armutsrisiko unverhältnismäßig hoch. Selbst ein Arbeitsplatz ist keine Garantie, der Armut zu entkommen, denn bereits jetzt sind 8 % der Erwerbstätigen von Armut bedroht. Aufgrund von Barrieren und mangelnden finanziellen Anreizen sind bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht dazu motiviert oder in der Lage, einen vollen Zugang zu Beschäftigung, Berufsbildung, Wohnraum und Gesundheitsfürsorge zu erlangen. Mit Blick auf die Armutsbekämpfung wirkt die EU an der Koordinierung der Bemühungen mit, um die aktive Eingliederung (einschließlich der Eingliederung in den Arbeitsmarkt) zu fördern, Arbeit lohnend zu machen und lebenslanges Lernen zu unterstützen insbesondere bei denjenigen, die am weitesten vom Arbeitsmarkt entfernt sind.

Außerdem wirkt die Kommission darauf hin, dass die Binnenmarkt- und Wettbewerbsvorschriften die Entwicklung qualitativ hochwertiger, leicht zugänglicher und tragfähiger sozialer Dienstleistungen - einschließlich Dienstleistungen von Unternehmen der Sozialwirtschaft (z.B. Genossenschaften, Gesellschaften auf Gegenseitigkeit) - erleichtern.

Weiteres Vorgehen:

Die Kommission legt im Rahmen dieser Agenda den ersten Zweijahresbericht über Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse vor und wird im weiteren Verlauf von 2008/2009

4.6. Diskriminierungsbekämpfung

Um Chancen eröffnen zu können, ist es unverzichtbar, Diskriminierungen sowie Rassismus und Fremdenhass systematisch zu bekämpfen. Neben dem seit langem rechtlich festgeschriebenen Schutz vor Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts verfügt die EU auch über Rechtsvorschriften, die - in Beschäftigung und Beruf - Diskriminierungen aufgrund der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sowie - in den Bereichen Beschäftigung, Bildung, Sozialschutz und Zugang zu Waren und Dienstleistungen - Diskriminierungen aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft verbieten. Um diesen Rechtsrahmen zu vervollständigen, wird als wesentliches Element dieser erneuerten Sozialagenda eine Richtlinie zur Bekämpfung von Diskriminierungen aufgrund der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung vorgeschlagen, die den Grundsatz der Gleichbehandlung auch außerhalb von Beschäftigung und Beruf festschreibt.

Die EU engagiert sich aktiv für die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenhass und fordert den Rat zur formalen Annahme des Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auf, über den im April 2007 eine politische Einigung erzielt wurde.

In den vergangenen 50 Jahren hat die EU die Gleichstellung der Geschlechter (einen der Grundwerte der EU) durch den Aufbau eines umfassenden Rechtsrahmens unterstützt. Maßnahmen zur verstärkten Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt wurden aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert. Da die Erwerbsquote bei Frauen zwischen 2001 und 2006 von 54,3 % auf 57,2 % gestiegen ist, kann die Zielvorgabe von 60 % bis zum Jahr 2010 durchaus erreicht werden. Dennoch gibt es nach wie vor Ungleichheiten, die sich im geschlechtsspezifischen Lohngefälle niederschlagen. Außerdem sind Frauen weiterhin in wirtschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen unterrepräsentiert22.

Weiteres Vorgehen:

Im Rahmen dieser Sozialagenda

Die Kommission wird

4.7. Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität auf globaler Ebene

Die EU arbeitet mit nationalen und internationalen Partnern zusammen, um hohe soziale Standards und den Schutz von Arbeitnehmern, Verbrauchern und der Umwelt zu gewährleisten. Durch koordinierte Maßnahmen beeinflusst die EU die internationale Agenda und macht die positiven Aspekte der Globalisierung und der Bewältigung des Wandels nutzbar. Die Kommission wird der externen Projektion ihrer Sozialpolitik und der globalen sozialen Wirkung ihrer internen Politik verstärkte Aufmerksamkeit widmen.

Die Kommission wird ihre Zusammenarbeit mit den Kandidatenländern und den potenziellen Kandidatenländern auf dem Gebiet der Sozialpolitik und in verwandten Bereichen25 sowie ihre internationalen Bemühungen zur Förderung der sozialen Dimension der Globalisierung fortführen. Ferner wird sie in bilateralen und regionalen Foren den politischen Dialog über beschäftigungspolitische und soziale Fragen weiter vorantreiben, unter anderem mit den Partnerländern der Europäischen Nachbarschaftspolitik und den Schwellenländern. Die Kommission wird dafür sorgen, dass ihre Politik im Bereich der Außenbeziehungen sowie ihre Handels- und Entwicklungspolitik im weitesten Sinne zur Förderung von Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität über die Grenzen der EU hinaus beitragen.

Sie wird die Frage menschenwürdiger Arbeitsbedingungen sowie andere soziale Aspekte in Übereinkünften zwischen der EU und Drittländern einfließen lassen und die soziale Dimension des Handels und der handelsbezogenen Politik stärken (u. a. im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems und der Verhandlungen über Freihandelsabkommen).

Außerdem sollen die Entwicklungs- und Außenpolitik sowie die Außenhilfe genutzt werden, um den Aufbau von Sozialschutzsystemen, die Modernisierung von Arbeitsmärkten und die internationalen Bemühungen zur Berücksichtigung der sozialen Dimension der Globalisierung und des Klimawandels zu unterstützen.

Weiteres Vorgehen:

Die Kommission bekräftigt ihr Engagement für die internationalen Agenda für menschenwürdige Arbeit, deren Umsetzung sie u. a. im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und anderen Partnern sowie durch die Mobilisierung aller Bereiche der EU-Politik vorantreibt (vgl. beigefügten Bericht über die Fortschritte seit dem Jahr 2006). Zudem ruft die Kommission alle Mitgliedstaaten auf, ein Beispiel zu geben, indem sie die von der IAO als aktuell klassifizierten IAO-Übereinkommen ratifizieren und umsetzen.

Außerdem wird sich die Kommission weiter zusammen mit allen relevanten Stakeholdern für die soziale Verantwortung von Unternehmen einsetzen.

5. Instrumente der erneuerten Sozialagenda für Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität

Die Bestandsaufnahme der sozialen Wirklichkeit hat bestätigt, dass Bürger und Stakeholder von der EU erwarten, dass sie einen Mehrwert für die soziale Entwicklung erbringt und gleichzeitig die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit sowie die Vielfalt wahrt. Hierzu wird sie weiterhin die Instrumente des EG-Vertrags (Rechtsvorschriften, Sozialer Dialog, offene Methode der Koordinierung, Vergabe von EU-Finanzmitteln, Einbindung der Zivilgesellschaft) nutzen und - mithilfe eines umfassenden Ansatzes und einer "intelligenteren" Mischung politischer Instrumente - auch Synergien zwischen diesen Instrumenten ausschöpfen. In diesem Zusammenhang spielt auch die Koordinierung und Überwachung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik eine wichtige Rolle.

5.1. Gemeinschaftsrecht

Die EU hat einen soliden Rechtsrahmen für das Wohlergehen der Europäer eingerichtet, indem sie ihre Rechte als Bürger, Verbraucher und Arbeitnehmer in vielen Bereichen festgeschrieben und gestärkt hat. Zu diesen Bereichen zählen Mobilität, Gesundheit und Sicherheit, soziale Sicherheit, Arbeitsbedingungen, Information und Konsultation, Gleichstellung der Geschlechter und Nichtdiskriminierung.

In manchen Fällen können neue Rechtsvorschriften der Gemeinschaft eine Lösung darstellen, sofern allgemein Einigkeit über die Relevanz der betreffenden Vorschriften herrscht und es eindeutige Belege für ihren Mehrwert gibt. Die bestehenden Rechtsvorschriften müssen mit Blick auf neu aufkommende Probleme (z.B. in den Bereichen Diskriminierung, Gesundheit und Sicherheit), neue Formen der Arbeitsorganisation (z.B. Europäische Betriebsräte, Vereinbarkeit von Arbeit und Familienleben) und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (z.B. auf den Gebieten Arbeitszeit, soziale Sicherheit, grenzübergreifende Gesundheitsversorgung) angepasst und gestrafft werden.

Außerdem müssen die geltenden Rechtsvorschriften wirksam angewandt und durchgesetzt werden. Oft kommt es durch Wissensdefizite oder durch unzureichende Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen nationalen Stellen zu Problemen bei der ordnungsgemäßen Umsetzung. Um diese Probleme zu beheben, wird die Kommission mit den Mitgliedstaaten, den Sozialpartnern und anderen Akteuren zusammenarbeiten und sich dabei auf ihre Mitteilung "Ein Europa der Ergebnisse - Anwendung des Gemeinschaftsrechts"26 und ihre Strategie zur Unterstützung von Bürgern und Unternehmen im Rahmen der Überprüfung des Binnenmarktes stützen.

5.2. Sozialer Dialog

Der Soziale Dialog auf europäischer Ebene, eine der tragenden Säulen des europäischen Sozialmodells, spielt für die Politikgestaltung in der EU eine wichtige Rolle. Das im EG-Vertrag festgeschriebene Recht der Sozialpartner, vor jeder Initiative der Kommission im Bereich Beschäftigung und Soziales angehört zu werden, in Eigenregie Verhandlungen über von der Kommission vorgebrachte Fragen zu führen und auf eigene Initiative autonome Vereinbarungen zu schließen, hat zahlreiche positive Ergebnisse hervorgebracht (z.B. Vereinbarungen über Elternurlaub, Stress am Arbeitsplatz, Telearbeit und über das IAO-Übereinkommen über Seeleute. Ein Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen über Telearbeit und ein Vorschlag zur Durchführung der Vereinbarung der Sozialpartner über das Seearbeitsübereinkommen sind Teil dieser Sozialagenda.

Die Kommission ruft die Sozialpartner dazu auf, die Möglichkeiten des Sozialen Dialogs auf europäischer Ebene voll zu nutzen. Aufgrund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen verfügen sie über die beste Ausgangsposition, um Veränderungen in der sozialen Wirklichkeit zu erkennen und ihnen kommt eine besondere Funktion bei der Erarbeitung von Lösungen zu.

Die EU wird den Sozialen Dialog, einschließlich des Dialogs auf Sektor-/Branchenebene, sowie die Umsetzung europäischer Rahmenvereinbarungen durch die Sozialpartner auf nationaler Ebene weiter unterstützen.

5.3. Offene Methode der Koordinierung

Die offene Methode der Koordinierung (auch als "offene Koordinierungsmethode" bzw. "OKM" bezeichnet) spielt für die EU-Sozialagenda eine Schlüsselrolle: Sie hat dazu beigetragen dass die Mitgliedstaaten ein gemeinsames Verständnis der sozialen Herausforderungen entwickelten. Sie hat den Willen zur Zusammenarbeit und die Bereitschaft gefördert von den Verfahren der anderen Mitgliedstaaten zu lernen. Sie hat eine neue Dynamik bei der Weiterführung und Umsetzung von Reformen geschaffen. Und sie hat eine stärker wissensbasierte politische Entscheidungsfindung unterstützt, die von Offenheit, Transparenz und Partizipation gekennzeichnet ist.

Die erste europäische Beschäftigungsstrategie, die im Jahr 1997 auf den Weg gebracht wurde, hat zur Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen und somit ganz konkret zum Wohl der Bürger beigetragen. Die 2002 lancierte OKM im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung hat die Mitgliedstaaten maßgeblich bei der Entwicklung ihrer Politik und ihrer Strategien für lebenslanges Lernen unterstützt. Auch die OKM im Bereich Sozialschutz und soziale Eingliederung (im Folgenden als "OKM Soziales" bezeichnet), die auf Gebieten angewandt wird, die nicht in die unmittelbare Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen (z.B. Renten, Leistungen für Familien und Erwerbsunfähige, Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege) zeigt Ergebnisse, die die Bedeutung dieses Instruments als Ergänzung zum Gemeinschaftsrecht unterstreichen. Es wird deutlich, dass die freiwillige, von der EU unterstützte Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten eine Form der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips ist, die bei den Bemühungen zur Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung und zur Schaffung moderner, tragfähiger und gerechter Sozialsysteme praktische Wirkung zeigt.

Quantitative Zielvorgaben und Indikatoren haben sich als unerlässliches Hilfsmittel dafür erwiesen die Fortschritte auf europäischer und nationaler Ebene zu beschleunigen und zu überwachen. Die Erarbeitung einer Lissabon-Nachfolgestrategie für die Zeit nach 2010 wird eine Gelegenheit bieten, die Fortschritte bei der Erreichung der Ziele zu überprüfen und zu ermitteln ob noch ehrgeizigere Vorgaben festgelegt werden sollten (z.B. höhere Erwerbsquoten für junge Menschen, ältere Arbeitnehmer und Frauen). Außerdem sollte auch über die Einführung bzw. Aktualisierung von Zielvorgaben in anderen Anwendungsbereichen der OKM nachgedacht werden (z.B. prozentualer Anteil der Investitionen in das Humankapital am BIP, Verminderung der Armut, insbesondere der Kinderarmut, Verbesserung des Bildungsniveaus, Festlegung von Vorgaben für die Reform der Renten-, Gesundheits-, und Pflegesysteme), um die verstärkte Ergebnisorientierung der erneuerten Sozialagenda zu verdeutlichen. Hierzu werden statistische Daten benötigt, deren Bereitstellung in Zusammenarbeit mit Eurostat und den Mitgliedern des Europäischen Statistischen Systems erfolgen wird.

Weiteres Vorgehen:

Die Kommission

Bei der Bestandsaufnahme der sozialen Wirklichkeit war ein zunehmender Konsens darüber festzustellen dass das BIP als Messgröße für die Wirtschaftsleistung nicht ausreicht, um politische Antworten auf die komplexen Fragen der heutigen Zeit zu formulieren. Deshalb wird die Kommission die Entwicklung von Zielvorgaben für das Wohl der Bürger unterstützen die über das BIP hinausgehen.

5.4. Vergabe von EU-Finanzmitteln

Die Kohäsionspolitik und die Strukturfonds leisten einen maßgeblichen Beitrag zur Verwirklichung von Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität, da sie sowohl die Wettbewerbsfähigkeit als auch den sozialen Zusammenhalt stärken. Im laufenden Programmplanungszeitraum 2007-2013 werden im Rahmen der Kohäsionspolitik, insbesondere aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds, rund 14 Mrd. EUR für die Stärkung der Fähigkeit von Unternehmen und Arbeitnehmern bereitgestellt, den Wandel zu antizipieren und zu bewältigen; etwa 26 Mrd. EUR sind für die Verbesserung der Qualität der allgemeinen und beruflichen Bildung vorgesehen, rund 30 Mrd. EUR zur Erhöhung des Beschäftigungsniveaus (einschließlich Bemühungen zur Diskriminierungsbekämpfung), 5 Mrd. EUR für Investitionen im Bereich Gesundheit und 1,2 Mrd. EUR zur Förderung der Teilhabe von Migranten am Arbeitsmarkt sowie zur Verbesserung ihrer Eingliederung in die Gesellschaft. Außerdem unterstützt der Europäische Fonds für die Integration von Drittstaatsangehörigen (2007-2013) die Eingliederung neuer Immigranten in die Mitgliedstaaten. Die Kommission sorgt gemeinsam mit den Mitgliedstaaten für eine möglichst optimale Wirksamkeit dieser Investitionen, die insbesondere auf die politischen Ziele des Lissabon-Prozesses abgestimmt sein sollten. Wie oben dargelegt (siehe Abschnitt 4.2) unterstützt der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) Arbeitnehmer, die aufgrund der Globalisierung ihren Arbeitsplatz verlieren.

Der Europäische Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) leisten ebenfalls einen Beitrag zur EU-Sozialagenda, indem sie ein bezahlbares Angebot an qualitativ hochwertigen Lebensmitteln gewährleisten, die Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft und der Nahrungsmittelindustrie steigern und die Beschäftigungsqualität in diesen Branchen verbessern sowie die Lebensqualität und die allgemeinen Beschäftigungschancen in ländlichen Gebieten erhöhen.

Das Gemeinschaftsprogramm PROGRESS für Beschäftigung und soziale Solidarität 2007 - 201327 trägt dazu bei, die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu verbessern, ein gemeinsames Verständnis der Ziele und Prioritäten der EU zu entwickeln, und die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit maßgeblichen Stakeholdern auf europäischer und nationaler Ebene zu vertiefen. Die Programme für lebenslanges Lernen und "Jugend in Aktion" unterstützen - entsprechend den politischen Zielen der offenen Methode der Koordinierung - die Entwicklung qualitativ hochwertiger Angebote der allgemeinen und beruflichen Bildung bzw. die soziale Integration junger Menschen. Auch das Forschungsrahmenprogramm 2007-2013 leistet durch die intensivere Einbindung der Wissenschaft und den Ausbau der Verbindungen zu anderen laufenden Forschungsaktivitäten einen Beitrag zur Entwicklung von wissens- und evidenzbasierten politischen Strategien.

5.5. Partnerschaft, Dialog und Kommunikation

Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität für alle lassen sich nur durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den europäischen Institutionen, den Mitgliedstaaten, regionalen und lokalen Behörden, den Sozialpartnern, der Zivilgesellschaft und anderen Stakeholdern, ggf. einschließlich externer Partner, erreichen.

Die Organisationen der Zivilgesellschaft haben eine wichtige Brückenfunktion zwischen der Europäischen Union, den Mitgliedstaaten und den Bürgern. Die Kommission wird die NRO weiter unterstützen, damit sie in der Lage sind, auf EU-Ebene zu agieren und sich aktiv an der Entwicklung und Umsetzung politischer Strategien der EU zu beteiligen.

Auch Unternehmen können in enger Zusammenarbeit mit anderen Stakeholdern aktiv zur Erreichung der Ziele der erneuerten Sozialagenda beitragen, beispielsweise in Bereichen wie der sozialen Eingliederung und der Qualifizierung.

Bürger, Unternehmen und andere Stakeholder sollten besser über die von der Europäischen Union gebotenen Möglichkeiten informiert werden; hierzu sollten bestehende Dienste wie das EURES-Portal zur beruflichen Mobilität, SOLVIT, das Binnenmarkt-Informationssystem, das Enterprise Europe Network, Europe Direct, Europa für Sie usw. genutzt werden. Außerdem wird derzeit ein Binnenmarkt-Unterstützungsdienst entwickelt, der das Informationsangebot und dessen Zugänglichkeit verbessern wird28.

Ferner wird die Kommission die Bürgerbeteiligung weiter fördern, unter anderem im Rahmen des Europäischen Jahres des interkulturellen Dialogs 2008. Die Ergebnisse des Europäischen Jahres müssen eine nachhaltige Wirkung haben und in alle relevanten politischen Strategien und Programme der EU einfließen.

Bei der Umsetzung der erneuerten Sozialagenda wird die Kommission Bürger und Stakeholder weiter konsultieren.

5.6. Ausrichtung aller politischen Maßnahmen der EU auf die Förderung von Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität

Um sicherzustellen, dass alle politischen Maßnahmen der EU auf die Förderung von Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität ausgerichtet sind, ist die Entwicklung evidenzbasierter Überwachungsinstrumente von großer Bedeutung. Der EG-Vertrag sieht in seiner derzeitigen Fassung vor, dass die Gemeinschaft bei allen Tätigkeiten darauf hinwirkt, "Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern"29. Allgemein besteht Einigkeit darüber, dass die EU bei der Festlegung und Umsetzung politischer Initiativen in allen Bereichen den Zielen der Sozialpolitik und der Notwendigkeit der Bekämpfung von Diskriminierungen jeglicher Art Rechnung tragen sollte. Im Rahmen ihrer Folgenabschätzungen wird die Kommission nach wie vor auch die sozialen Auswirkungen aller wichtigen neuen Initiativen analysieren. Der Ausschuss für Folgenabschätzung wird weiter dafür sorgen, dass vor der Unterbreitung von Vorschlägen sämtliche sozialen und beschäftigungsrelevanten Auswirkungen voll berücksichtigt werden. Bei der Bewertung der aktuellen politischen Strategien wird die Kommission den sozialen Auswirkungen verstärkte Aufmerksamkeit schenken.

Bei der Ausarbeitung von Vorschriften und Maßnahmen, die den Binnenmarkt betreffen, verfügt die EU bereits über einen ausgeprägten sozialen Reflex. So räumen beispielsweise die Gemeinschaftsvorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe den Behörden umfangreiche Möglichkeiten ein, um bei der Auswahl des besten Angebots soziale Aspekte einfließen zu lassen30. Auch neue Initiativen, etwa die Überwachung des Einzelhandelsmarktes (einschließlich der Preise und der Qualität von Grundnahrungsmitteln), könnten eine positive soziale Wirkung haben.

6. Fazit

Eine neue soziale Wirklichkeit erfordert neue Antworten. Das Tempo des Wandels ist hoch, und die Politik muss Schritt halten und innovativ und flexibel auf die Herausforderungen der Globalisierung, des technologischen Fortschritts und der demografischen Entwicklung reagieren.

Die vorliegende erneuerte Sozialagenda ist eine solche neue Antwort. Sie veranschaulicht, wie sich die Ziele - Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität - in konkreten Maßnahmen niederschlagen werden. Sie ist eine integrierte politische Antwort, die die Lissabon-Strategie ergänzt und in der das Bestreben zum Ausdruck kommt, Ergebnisse für die Bürger zu erzielen. Sie veranschaulicht, dass die europäischen Grundwerte weiterhin das Kernstück der Gemeinschaftspolitik und einen integralen Bestandteil der Reaktion der EU auf die Globalisierung bilden. Wie schon die strategischen Ziele aus dem Jahr 2005 verdeutlicht die Sozialagenda, dass die soziale Dimension ein zentrales Anliegen der Kommission ist; sie ist ein maßgeblicher Beitrag zu den Gesamtbemühungen, die EU wirtschaftlich stark, sozial verantwortlich und sicher zu machen. Die vorliegende Agenda und die Maßnahmen und Instrumente, die Teil der Agenda sind, werden zusammen mit der Lissabon-Strategie für die Zeit nach 2010 überprüft.

Die Kommission ruft den Rat und das Europäische Parlament auf, ihr Engagement für die soziale Dimension der Europäischen Union durch die Billigung dieser erneuerten Sozialagenda und die Annahme der beigefügten Legislativvorschläge zu bekräftigen.