Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließungen des Europäischen Parlaments

Das Europäische Parlament hat auf seiner Tagung vom 11. bis 14. Juni 2012 die nachstehend aufgeführten Texte angenommen. Sie wurden dem Bundesrat mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments vom 29. Juni 2012 zugeleitet.

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. Juni 2012 zur Lage im Sudan und Südsudan (2012/2659(RSP))

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass die wiederholten grenzüberschreitenden Gewalthandlungen zwischen dem Sudan und dem Südsudan, darunter auch Truppenbewegungen, die Einnahme und Besetzung Hegligs, die Unterstützung von Stellvertreter-Truppen, die Unterstützung der Rebellen der gegnerischen Seite, die Kämpfe zwischen den Sudanesischen Streitkräften (SAF) und der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA), dazu geführt haben, dass sich der Konflikt zwischen dem Sudan und dem Südsudan zu einer echten Konfrontation ausgeweitet hat;

B. in der Erwägung, dass durch die Kämpfe zwischen dem Sudan und dem Südsudan und die andauernden Kämpfe in den Bundesstaaten Südkordofan und Blauer Nil im Sudan eine ernste humanitäre Lage entstanden ist;

C. in der Erwägung, dass die fehlende Einigung auf vorläufige wirtschaftliche Vereinbarungen zwischen den beiden Ländern, unter anderem über die Nutzung von Erdöl, dazu geführt hat, dass sich Khartum Ölfelder im Süden angeeignet hat und dass der Südsudan beschlossen hat, die Erdölförderung zu unterbrechen, und dass sie somit erheblich zur derzeitigen Krise beigetragen hat;

D. in der Erwägung, dass am 29. Juni 2011 das Abkommen zwischen der Regierung des Sudan und der Regierung des Südsudan über Grenzsicherheit und den Gemeinsamen Mechanismus für politische und Sicherheitsfragen abgeschlossen wurde, welches die Verpflichtung beinhaltet, eine sichere entmilitarisierte Grenzzone einzurichten, und dass am 30. Juli 2011 das Abkommen zwischen der Regierung des Sudan und der Regierung des Südsudan über die Unterstützungsmission für die Grenzüberwachung geschlossen wurde;

E. in der Erwägung, dass der Südsudan seinen unverzüglichen Rückzug aus dem Gebiet Abyei im Einklang mit dem Abkommen zwischen dem Sudan und dem Südsudan vom 20. Juni 2011 angekündigt hat;

F. in der Erwägung, dass die Beschlussentwürfe im Rahmen des Gemeinsamen Mechanismus für politische und Sicherheitsfragen, die den Parteien am 4. April 2012 von der Hochrangigen Umsetzungsgruppe der Afrikanischen Union vorgelegt wurden, eine vernünftige Grundlage für die Schaffung beiderseitiger Sicherheit entlang der gemeinsamen Grenze zwischen dem Sudan und dem Südsudan bilden;

G. in der Erwägung, dass die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 2. Mai 2012 einstimmig angenommene Resolution einen Fahrplan für den Sudan und den Südsudan zur Einstellung aller Feindseligkeiten und zur Lösung ihrer nach der Abspaltung noch bestehenden Probleme innerhalb von drei Monaten enthält;

H. in der Erwägung, dass sowohl der Sudan als auch der Südsudan den Fahrplan begrüßt und sich verpflichtet haben, die Feindseligkeiten umgehend einzustellen, und in der Erwägung, dass die Lage jedoch nach wie vor äußerst angespannt ist;

I. in der Erwägung, dass der Sudan und der Südsudan am 4. Juni 2012 erste Gespräche auf hochrangiger Ebene über Grenzsicherheit aufgenommen haben, nachdem der Bürgerkrieg der Vergangenheit infolge einer Reihe von Zusammenstößen an den Grenzen wieder die Ausmaße eines tiefen Konflikts anzunehmen drohte;

J. in der Erwägung, dass die EU die sofortige Aktivierung des Mechanismus für die Überprüfung und Überwachung der gemeinsamen Grenze für äußerst wichtig hält und in diesem Zusammenhang internationale Beobachter and andere Einsatzkräfte vor Ort stationieren will, um die weitere Entwicklung zu beobachten und dazu beizutragen, dass die Vereinbarungen eingehalten werden;

K. in der Erwägung, dass der Sudan und der Südsudan unter einer schweren Dürre leiden und die Menschen bereits auf der Suche nach Nahrung abwandern, und in der Erwägung, dass Mitarbeitern der Vereinten Nationen zufolge ungefähr eine Million Menschen verhungern könnte, wenn sie in den kommenden Monaten keine Nahrungsmittelhilfe erhalten;

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Juni 2012 zur Lage der Menschenrechte in Tibet (2012/2685(RSP))

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass die Achtung der Menschenrechte und des Rechts auf freie Entfaltung der Identität und der Kultur sowie die Achtung der Religions- und Vereinigungsfreiheit Grundprinzipien der Europäischen Union und ihrer Außenpolitik sind;

B. in der Erwägung, dass die EU die Rechte der tibetischen Minderheit bei der 31. Runde des Menschenrechtsdialogs EU-China am 29. Mai 2012 in Brüssel angesprochen hat; in der Erwägung, dass der Menschenrechtsdialog EU-China nicht zu nennenswerten Verbesserungen der Menschenrechtslage der Tibeter geführt hat;

C. in Kenntnis der Tatsache, dass sich die Gesandten Seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, an die Regierung der Volksrepublik China gewandt haben, um eine friedliche, für beide Seiten vorteilhafte Lösung der Tibet-Frage zu finden; in der Erwägung, dass die Gespräche zwischen den beiden Seiten zu keinen konkreten Ergebnissen geführt haben und sie derzeit auf Eis liegen;

D. in der Erwägung, dass die staatlichen Stellen der Volksrepublik China mit unverhältnismäßiger Gewalt reagierten, als sie 2008 gegen die Proteste in Tibet vorgingen, und dass sie seither restriktive Sicherheitsmaßnahmen verhängt haben, die die freie Meinungsäußerung, die Vereinigungs- und die Glaubensfreiheit einschränken;

E. in der Erwägung, dass infolge der Proteste im Jahr 2008 vermutlich über 200 Opfer zu beklagen waren, die Zahl der Festgenommenen zwischen 4434 und über 6500 schwankte und es Ende 2010 insgesamt 831 bekannte politische Gefangene in Tibet gab, von denen 360 im Rahmen eines Gerichtsurteils verurteilt worden waren und 12 eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßten;

F. in der Erwägung, dass die Behörden der Volksrepublik China in den tibetischen Gefängnissen angeblich foltern, etwa durch Prügel und den Einsatz von Elektroschockwaffen, langfristige Einzelhaft, Aushungerung und anderweitige ähnliche Maßnahmen, um Geständnisse zu erzwingen;

G. in der Erwägung, dass sich seit 2009 angeblich 38 Tibeter, zumeist Mönche und Nonnen, selbst verbrannt haben, um gegen die restriktive Politik Chinas in Tibet zu demonstrieren und die Rückkehr des Dalai Lama sowie das Recht auf Religionsfreiheit in Aba/Ngaba in der Provinz Sichuan und in anderen Teilen des tibetischen Hochlandes zu unterstützen;

H. in der Erwägung, dass bei einigen Opfern von Selbstverbrennungen nach wie vor unbekannt oder unklar ist, wie es um ihren derzeitigen Gesundheitszustand bestellt ist und wo sie sich aufhalten, z.B. Chimey Palden, Tenpa Darjey, Jamyang Palden, Lobsang Gyatso, Sona Rabyang, Dawa Tsering, Kelsang Wangchuck, Lobsang Kelsang, Lobsang Kunchok und Tapey;

I. in der Erwägung, dass Gedhun Choekyi Nyima, der 11. Panchen Lama, von den Behörden der Volksrepublik China festgenommen und seit 14. Mai 1995 nicht mehr gesehen wurde;

J. in der Erwägung, dass die tibetische Identität, Sprache, Kultur und Religion - das Zeugnis einer historisch reichen Zivilisation - durch die Neuansiedlung von Han-Chinesen auf dem historischen Gebiet Tibets und die Ausrottung des traditionellen Nomadenlebens der Tibeter gefährdet sind;

K. in der Erwägung, dass die EU derzeit mit der Ausarbeitung des Mandats und der Ernennung des EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte befasst ist;

L. in der Erwägung, dass die früheren, an die Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik gerichteten Aufforderungen des Europäischen Parlaments, mit ihren chinesischen Kollegen die Lage in Tibet zu erörtern, nicht die erwarteten Ergebnisse erbracht haben;

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Juni 2012 zur Ausmerzung der Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen (2012/2684(RSP))

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass die Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen ein nicht wiedergutzumachender Übergriff ist, durch den aus nicht medizinischen Gründen an den weiblichen Genitalien vorsätzlich Veränderungen vorgenommen oder ihnen Verletzungen zugefügt werden mit irreversiblen Folgen, unter denen derzeit 140 Millionen Frauen und Mädchen leiden; in der Erwägung, dass jedes Jahr weitere 3 Millionen Mädchen Gefahr laufen, diesem Eingriff unterzogen zu werden;

B. in der Erwägung, dass nach Schätzungen der WHO mindestens 500 000 Frauen und Mädchen in Europa leben, die Opfer einer Genitalverstümmelung wurden, und 180 000 Mädchen ein solcher Eingriff droht; in der Erwägung, dass Sachverständigen zufolge diese Schätzwerte zu niedrig sind und Migrantinnen der zweiten Generation und solche ohne Ausweispapiere nicht mitgezählt wurden;

C. in der Erwägung, dass jegliche Form der Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen eine gesundheitsschädliche traditionelle Praxis darstellt, die nicht als Bestandteil einer Religion betrachtet werden kann, sondern ein Akt der Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist, der einen Verstoß gegen ihre Grundrechte, insbesondere ihr Recht auf persönliche Sicherheit und Unversehrtheit sowie auf körperliche und geistige Gesundheit, sowie einen Angriff auf ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit und bei minderjährigen Mädchen einen Fall von Kindesmissbrauch darstellt; in der Erwägung, dass solche Verstöße unter keinen Umständen unter Berufung auf unterschiedliche kulturelle Traditionen oder Initiationsrituale gerechtfertigt werden können;

D. in der Erwägung, dass die Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen, die an sich schon eine Verletzung der Menschenrechte darstellt, kurz- und langfristig den betroffenen Frauen und Mädchen sehr gravierende und irreparable Verletzungen der seelischen und körperlichen Gesundheit zufügt sowie deren Rechte missachtet und einen schwerwiegenden Angriff auf ihre Person und ihre Unversehrtheit darstellt und in einigen Fällen sogar zu ihrem Tod führen kann; in der Erwägung, dass die Verwendung primitiver Instrumente und das Fehlen antiseptischer Vorsorgemaßnahmen zu zusätzlichen Gesundheitsschäden führen, sodass Geschlechtsverkehr und Geburten schmerzhaft sein können, die betreffenden Organe irreparabel geschädigt und Komplikationen (beispielsweise Blutungen, Schockzustand, Infektionen, Übertragung des Aids-Virus, Tetanus, gutartige Tumore) sowie gravierende Komplikationen während der Schwangerschaft und der Geburt auftreten können;

E. in der Erwägung, dass Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen ein Ausdruck ungleicher Machtverhältnisse und neben anderen gravierenden Formen geschlechtsbezogener Gewalt eine Form der Gewalt gegen Frauen ist, und in der Erwägung, dass der Kampf gegen die Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen unbedingt in ein allgemeines kohärentes Konzept zur Bekämpfung geschlechtsbezogener Gewalt und von Gewalt gegen Frauen eingebunden werden muss;

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Juni 2012 zu mangelhaften mit Silikongel gefüllten Brustimplantaten der französischen Firma PIP (2012/2621(RSP))

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass nach Erkenntnissen der französischen Gesundheitsbehörden Ermittlungen gegen einen französischen Hersteller (Poly Implant Prothèse) aufgrund des Verdachts der missbräuchlichen Verwendung minderwertigen Materials (Industriesilikon) anstelle des Materials laufen, das er in der für die Konformitätsbewertung eingereichten Dokumentation angegeben hatte (zugelassenes medizinisches Silikon);

B. in der Erwägung, dass weder klinische noch epidemiologische Daten über die potenziellen Risiken von PIP-Brustimplantaten vorliegen;

C. in der Erwägung, dass 10-15 % der Implantate der dritten Generation innerhalb von zehn Jahren nach der Implantation reißen;

D. in der Erwägung, dass von den französischen Behörden durchgeführte Produktprüfungen an einer Stichprobe von PIP-Silikonimplantaten ergaben, dass die von PIP hergestellten Hüllen Schwächen aufweisen, die bei anderen im Handel erhältlichen Implantaten nicht auftreten;

E. in der Erwägung, dass in dem von der Kommission Anfang Januar 2012 in Auftrag gegebenen SCENIHR-Bericht betont wird, dass Bedenken bezüglich möglicher Entzündungen infolge gerissener oder ausgelaufener PIP-Silikonimplantate bestehen;

F. in der Erwägung, dass Brustimplantate in der Europäischen Union nicht registriert werden, so dass die Gesamtzahl der Frauen mit Implantaten nicht bekannt ist; in der Erwägung, dass die Zahl der weltweit verkauften mit Silikon gefüllten Brustimplantate der Firma PIP jedoch auf der Grundlage der von der Kommission vorgelegten Angaben auf etwa 400 000 geschätzt wird; in der Erwägung, dass viele Frauen im Vereinigten Königreich (40 000), in Frankreich (30 000), Spanien (10 000), Deutschland (7 500) und Portugal (2 000) Silikon-Brustimplantate der Firma PIP erhalten haben;

G. in der Erwägung, dass sich die Patientinnen darüber bewusst sein müssen, dass Implantate nicht dauerhaft sind und unter Umständen ersetzt oder entfernt werden müssen; in der Erwägung, dass die Patientinnen auch über die Qualität des Implantats und die damit verbundenen potenziellen Risiken aufgeklärt werden müssen;

H. in der Erwägung, dass die Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften über Medizinprodukte in nationales Recht diese Betrugsfälle im Gesundheitswesen nicht verhindern konnte, was weltweit zu schwerwiegenden negativen Gesundheitsauswirkungen führen wird bzw. bereits geführt hat;

I. in der Erwägung, dass diese Betrugsfälle ein Versagen auf europäischer und nationaler Ebene aufgezeigt haben, insbesondere die fehlende Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten und der internationalen Gemeinschaft in Bezug auf den Informationsaustausch und die Meldung unerwünschter Auswirkungen sowie die mangelhafte Rückverfolgbarkeit von Rohstoffen, die für die Herstellung von Medizinprodukten verwendet werden;

J. in der Erwägung, dass der Fall der PIP-Implantate sowie der Fall der Hüftimplantate das Scheitern des derzeitigen Systems zur Zertifizierung der Erfüllung der wesentlichen Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen und auch der Kontrolle und Überwachung der benannten Stellen durch die nationalen zuständigen Stellen gemäß der Medizinprodukte-Richtlinie 2007/47/EG verdeutlicht haben;

K. in der Erwägung, dass die notwendige Gewährleistung der Patientensicherheit niemals vernachlässigt werden darf, um dem Wunsch nach raschem Zugang zu neuen Medizinprodukten für Patienten nachzukommen,

L. in der Erwägung, dass die Medizinprodukte-Richtlinie 2007/47/EG im Jahr 2012 überarbeitet wird; in der Erwägung, dass unbedingt die Lehren aus der betrügerischen Vermarktung der PIP-Implantate gezogen werden müssen und die Überwachung und Sicherheitskontrollen sowie die Anforderungen für das Inverkehrbringen von Erzeugnissen auf nationaler und europäischer Ebene verschärft werden müssen;

M. in der Erwägung, dass den vorliegenden Daten zufolge viele PIP-Implantate aus nichtmedizinischem Silikon hergestellt wurden, das Bestandteile enthält, die die Implantathülle angreifen und sich im Körpergewebe ablagern;