Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. April 2009 zu den Beratungen des Petitionsausschusses im Jahr 2008 (2008/2301(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 307653 - vom 14. Mai 2009.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 22. April 2009 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in Anerkennung der Bedeutung des Petitionsprozesses und seiner Besonderheiten, die dem zuständigen Ausschuss die Möglichkeit bieten, nach Lösungen und Erklärungen für EU-Bürger zu suchen, die sich mit Petitionen an das Parlament wenden,

B. unter Hinweis auf die steigende Zahl von EU-Bürgern, die Petitionen an das Parlament richten, sowie auf die Bemühungen des Petitionsausschusses um eine Beschleunigung der Verfahren ihrer Bearbeitung, damit den Bürgern, die ihn angerufen haben, besser gedient wird,

C. in der Erwägung, dass die Umsetzung mehrerer Empfehlungen im Jahresbericht 2007 durch die zuständigen Organe des Parlaments noch aussteht, zum Beispiel was die Forderung nach einer Aufstockung der Verwaltungsressourcen seines Petitionsausschusses einschließlich der Sprach- und Rechtskompetenz betrifft, die dringend notwendig ist, um das Parlament besser in die Lage zu versetzen, unabhängige Prüfungen der an ihn gerichteten Petitionen durchzuführen, und was die engere Zusammenarbeit mit SOLVIT im Bereich Petitionen und Beschwerden zum Thema Binnenmarkt und die Einrichtung eines gemeinsamen EU-Portals für die europäischen Bürger betrifft,

D. im Bewusstsein der Tatsache, dass trotz erheblicher Fortschritte bei der Entwicklung von Strukturen und Strategien der Union in diesem Zeitraum den Bürgern nach wie vor die vielen Mängel bei der Anwendung der Strategien und Programme der Union bewusst sind, da sie sie direkt betreffen, sowie in der Erwägung, dass sie häufig Gegenstand von Petitionen sind,

E. im Bewusstsein der Tatsache, dass die im Vertrag von Lissabon vorgesehene Verankerung der "Bürgerinitiative" zu einer noch stärkeren Beteiligung der Bürger an den Aktivitäten und dem Projekt der Europäischen Union führen wird,

F. in der Erwägung, dass demzufolge das Parlament Verantwortung für die Gewährleistung einer besseren Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die einzelnen Mitgliedstaaten im Interesse der EU-Bürger und Personen mit Wohnsitz in der Europäischen Union trägt und daher gemeinsam mit den Mitgliedstaaten auf die Erreichung dieses Ziels hinarbeiten muss,

G. in der Erwägung, dass jedoch viele Mitgliedstaaten weiterhin nur zögerlich bereit sind, mit dem zuständigen Ausschuss aktiv zu kooperieren, was sich insbesondere darin zeigt, dass sie nicht an den Ausschusssitzungen teilnehmen, und in der Erwägung, dass dies einen Mangel an loyaler Zusammenarbeit mit dem Organ erkennen lässt,

H. in der Erwägung, dass die mangelnde Bereitschaft zur aktiven und zügigen Zusammenarbeit mit dem zuständigen Ausschuss im Interesse der korrekten Anwendung des Gemeinschaftsrechts Zweifel am Wunsch und an der Absicht der betreffenden Mitgliedstaaten aufkommen lässt, EU-Strategien und -Ziele ordnungsgemäß umzusetzen, und daher die verantwortlichen Stellen der Gefahr von Maßnahmen in Form von Sanktionen und Geldstrafen, die in den Verträgen vorgesehen sind, sowie der öffentlichen Kritik aussetzt,

I. in Anerkennung der Tatsache, dass viele Mitgliedstaaten dennoch gut mit dem Parlament zusammenarbeiten und ebenso wie Letzteres bemüht sind, auf die von Bürgern im Rahmen des Petitionsprozesses vorgetragenen Bedenken zu reagieren,

J. in Anerkennung des konstruktiven Beitrags der Kommissionsdienststellen zum Petitionsprozess, die regelmäßig auf Ersuchen des zuständigen Ausschusses eine vorläufige Bewertung vieler Petitionen vornehmen,

K. in der Erwägung, dass diese Zusammenarbeit bei Verfahren nach Artikel 226 und 228 des EG-Vertrags in ausreichend begründeten Fällen weiter intensiviert werden könnte und sollte,

L. in der Erwägung, dass das Parlament seiner Ansicht nach zu Recht von seinen Befugnissen gemäß Artikel 230 des EG-Vertrags Gebrauch machen kann, wenn sich dies als notwendig erweist, um einen im Verlauf der Prüfung einer Petition aufgedeckten schwerwiegenden Verstoß gegen gemeinschaftliche Rechtsvorschriften abzustellen, oder wenn zwischen Parlament und Kommission trotz Bemühungen um eine Lösung erhebliche Auslegungsunterschiede in Bezug auf die nach dem Gemeinschaftsrecht erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Bürgerrechte in dem betreffenden Fall fortbestehen,

M. in der Erwägung, dass das Vertragsverletzungsverfahren selbst dann kein Rechtsbehelf für Petenten ist, wenn der Gerichtshof einem Mitgliedstaat auferlegt, seine Rechtsvorschriften zu ändern, um deren Konformität mit EU-Rechtsakten herzustellen,

N. in der Erwägung, dass die fehlende Möglichkeit der direkten Inanspruchnahme eines außergerichtlichen Rechtsbehelfs für EU-Bürger, die Opfer der nicht ordnungsgemäßen Anwendung von EU-Recht waren oder geworden sind, eine grundsätzliche Ungerechtigkeit darstellt, mit der sich die EU-Organe und insbesondere das Parlament weiter befassen müssen,

O. in der Erwägung, dass das Parlament nach Artikel 230 des EG-Vertrags das Recht hat, unter den gleichen Voraussetzungen wie der Rat und die Kommission Klage vor dem Gerichtshof zu erheben, und in der Erwägung, dass das Parlament nach Artikel 201 des EG-Vertrags befugt ist, über die Tätigkeiten der Kommission eine Kontrolle auszuüben, und es damit über das erforderliche rechtliche wie auch politische Instrumentarium verfügt, um effektiver auf die berechtigten Anliegen der Bürger zu reagieren,

P. in der Erwägung, dass das Parlament seine eigenen Verfahren dahingehend überprüfen sollte, Klagen vor dem Gerichtshof, bei denen es um die Rechte von Petenten geht, namentlich gemäß Artikel 121 seiner Geschäftsordnung, zu erleichtern,

Q. in der Erwägung, dass bekanntlich gemäß Artikel 6 des EU-Vertrags die Union auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit beruht, Grundsätze, die auch ein grundlegender Bestandteil der Kopenhagener Kriterien für den Beitritt zur Europäischen Union sind, und in der Erwägung, dass in Artikel 7 des EU-Vertrags bestimmte Verfahren festgelegt sind, die bei schwerwiegenden und anhaltenden Verletzungen der genannten Grundsätze oder der offensichtlichen Gefahr solcher Verletzungen eingeleitet werden können,

R. in Kenntnis der Entschließungsanträge, die aufgrund von Petitionen zu den Auswirkungen der Nord-Stream-Gaspipeline auf die Ostsee und zu irreführender Werbung durch Adressbuchfirmen dem Plenum 2008 gemäß Artikel 192 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Parlaments vorgelegt und von einer überwältigenden Mehrheit der Mitglieder angenommen wurden,

S. in der Erwägung, dass die zunehmende Besorgnis bezüglich der Energieversorgungssicherheit zu Projekten für den Bau von Fernleitungen zur Beförderung von Erdgas und verflüssigtem Erdgas geführt hat, die - vor allem wenn sie ohne eine angemessene Bewertung der Risiken und der Alternativen vorangetrieben werden - bei Petenten Bedenken mit Blick auf die fehlende Abwägung potenzieller schwerwiegender Risiken für die Umwelt und die menschliche Gesundheit geweckt haben, insbesondere was die Projekte in der Ostsee, in Wales und in Irland betrifft,

T. in der Erwägung, dass aus der Prüfung von Petitionen hervorgeht, dass die in den Listen der Anhänge zur Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten1 (geänderte Fassung) genannten Projekte eine Reihe wichtiger Anlagen und Tätigkeiten nicht umfassen, die seit den jüngsten Änderungen jener Anhänge entstanden sind, wie zum Beispiel Wiedervergasungsanlagen und Biodieselanlagen,

U. in der Erwägung, dass die zahlreichen im Zusammenhang mit dem Natura-2000-Netz eingereichten Petitionen nach wie vor zeigen, dass es eine große Herausforderung für die Union darstellt, dem Verlust an Biodiversität Einhalt zu gebieten, und dass die Habitatrichtlinie1 und die Vogelschutzrichtlinie2 grundlegende und unverzichtbare Instrumente für die Einhaltung der Verpflichtung der Europäischen Union darstellen, den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2010 zu stoppen,

V. in der Erwägung, dass bei der Prüfung der Petitionen außerdem zutage getreten ist, dass der Mangel an Süßwasserquellen oftmals durch weitere Faktoren verstärkt wird, etwa die wachsende Nachfrage nach Wasser infolge der übermäßigen städtebaulichen Erschließung und des Baus von Freizeitprojekten, die unzureichende Wartung der Infrastruktur und die unzureichende Vermeidung von Sickerverlusten, die intensive Wassernutzung durch die industrielle Landwirtschaft und eine Preispolitik, die keine Anreize für eine nachhaltige Nutzung von Wasser bietet,

W. unter Hinweis auf die vom Petitionsausschuss nach Besuchen in Fossur-Mer, Zypern und Rumänien ausgesprochenen Empfehlungen,

X. unter Berücksichtigung der Bedenken des Petitionsausschusses gegen bestimmte Infrastrukturprojekte im bulgarischen Rilagebirge, die 2008 während einer Informationsreise in Augenschein genommen wurden,

Y. in der Erwägung, dass die britische Bürgerbeauftragte für das Parlament und den Gesundheitsdienst, Ann Abraham, dem Petitionsausschuss im Dezember 2008 zwar ihre Schlussfolgerungen vorgestellt hat, zu deren Ausarbeitung sie vier Jahre benötigte, dass die Antwort der britischen Regierung vom Januar 2009 - mögliche freiwillige Zahlungen an diejenigen Personen, die besonders stark betroffen waren - jedoch nicht als angemessene Abhilfe für die zahlreichen Opfer des Debakels angesehen werden kann,

Z. in Anerkennung der guten und konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Europäischen Bürgerbeauftragten im Jahre 2008, der Unterstützung des Petitionsausschusses für die in seinem Jahresbericht für das Jahr 2007 und in seinen Sonderberichten über die Beschwerden 1487/2005/GG und 3453/2005/GG bezüglich der Verwendung der Sprachen durch den Rat bzw. der Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren durch die Kommission enthaltenen Empfehlungen und unter Zustimmung zu den Änderungen seines Statuts, die vom Parlament gebilligt wurden,

AA. in der Erwägung, dass 2008 beim Petitionsausschuss 1886 Petitionen eingingen, von denen 1065 für zulässig und 821 für unzulässig befunden wurden; in der Erwägung, dass die Anzahl der Petitionen, die nicht die Voraussetzungen von Artikel 191 Absatz 1 der Geschäftsordnung erfüllen, seit Anfang 2007 beträchtlich gestiegen ist,