Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung versicherungsrechtlicher Vorschriften

Der Bundesrat hat in seiner 901. Sitzung am 12. Oktober 2012 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a (§ 9 Absatz 1 Satz 2 VVG)

Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a ist wie folgt zu fassen:

Begründung:

Die vorgeschlagene Neuregelung zu § 9 VVG dient der vollständigen Umsetzung von Artikel 6 Absatz 7 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher (Fernabsatzrichtlinie II, ABl. L 271 vom 9.10.2002, S. 21) in das deutsche Recht. Der Vorschlag greift insoweit eine Empfehlung des Bundesrates zum Gesetzentwurf zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge auf, vgl. BR-Drs. 855/10(B) HTML PDF , Ziffer 1. Das Gesetzgebungsverfahren sollte zum Anlass genommen werden, § 9 VVG auch im Übrigen richtlinienkonform zu gestalten.

Nach § 9 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 1 VVG-E muss der Versicherer, wenn er den Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über den Widerruf belehrt hat, im Fall des Widerrufs die für das erste Jahr des Versicherungsschutzes gezahlten Prämien erstatten. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Artikel 7 der Fernabsatzrichtlinie II. Nach Artikel 7 Absatz 1, 3 und 4 der Richtlinie sollen allerdings dann, wenn bei einem Verbrauchervertrag im Fernabsatz der Hinweis über den Widerruf fehlt oder fehlerhaft ist, keinerlei Prämienansprüche des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer bestehen. Es ist also richtlinienwidrig, wenn der Versicherer nach deutschem Recht die Prämien für die auf das erste Jahr folgenden Versicherungsjahre behalten darf. Entsprechendes gilt für § 9 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 VVG-E, sofern bei fehlendem oder fehlerhaftem Hinweis die Versicherungsleistung hinter den vor dem Widerruf gezahlten Prämien zurückbleibt. In diesem Fall wird der Rückabwicklungsanspruch des Versicherungsnehmers entgegen Artikel 7 der Fernabsatzrichtlinie II verkürzt (vgl. Prölss/Martin § 9 VVG, Rnr.24 f., 29 f.; Römer/Langheid § 9 VVG Rnr. 15 ff.).

§ 9 Absatz 1 Satz 2 VVG-E sollte daher im Sinne einer einheitlichen Behandlung aller Versicherungsverträge unabhängig von der Vertriebsform insgesamt entfallen (vgl. Armbrüster, r+s 2008, 493).

2. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 192 Absatz 8 Satz 3a - neu - VVG)

In Artikel 1 Nummer 2 ist nach § 192 Absatz 8 Satz 3 folgender Satz einzufügen:

"Die Auskunft ist verbindlich, soweit der Versicherer eine Zusage erteilt."

Begründung:

Nach § 192 Absatz 8 VVG-E soll der Versicherungsnehmer einer privaten Krankenversicherung von seiner Versicherung zukünftig Auskunft über den Umfang des Versicherungsschutzes für eine beabsichtigte Heilbehandlung verlangen können, sofern die Kosten voraussichtlich 2 000 Euro übersteigen. Die Auskunft ist, je nach Dringlichkeit, innerhalb einer zwei- bzw. vierwöchigen Frist zu erteilen. Erteilt die Versicherung innerhalb dieser Frist keine Auskunft, so wird zugunsten des Versicherungsnehmers gesetzlich vermutet, dass die beabsichtigte medizinische Heilbehandlung notwendig ist.

Die Begründung des Gesetzentwurfs führt dazu aus, dass die Auskunft der Versicherung nicht stets eine Zusage beinhalten müsse (BR-Drs. 513/12 (PDF) , S. 12, vierter Absatz). Es soll sich lediglich um eine Verpflichtung zur Antwort handeln, wobei diese Antwort sich auch auf die Anforderung weiterer Unterlagen beschränken könne (BR-Drs. 513/12 (PDF) , S. 12, fünfter Absatz). In Abgrenzung zu § 14 VVG stellt die Begründung darüber hinaus klar, dass die Verpflichtung zur Antwort keine Pflicht zu einer verbindlichen Auskunft bedeute (BR-Drs. 513/12 (PDF) , S. 13, dritter Absatz).

Der Neuregelung soll das berechtigte Interesse des Versicherungsnehmers zugrunde liegen, bei größeren Heilbehandlungen, die zu einer erheblichen finanziellen Belastung führen können, vorab zu wissen, ob Versicherungsschutz besteht bzw. ob die beabsichtigte eine "notwendige Heilbehandlung" im Sinne des § 192 Absatz 1 VVG ist und ob der abgeschlossene Versicherungsvertrag die Übernahme der wahrscheinlichen Kosten vorsieht (BR-Drs. 513/12 (PDF) , Vorblatt, Abschnitt A, zweiter Absatz). In der vorgeschlagenen Ausgestaltung als bloßer "Pflicht zur Antwort" wird die Vorschrift diesem Interesse jedoch nicht gerecht, sondern gibt dem Versicherten "Steine statt Brot". Da die Auskunft nicht verbindlich sein muss, besteht für den Versicherungsnehmer die Gefahr, dass die Versicherung nach Durchführung der Behandlung deren medizinische Notwendigkeit trotz vorheriger Auskunft mit Verweis auf deren Unverbindlichkeit bestreitet. Im Ergebnis wäre es sogar für den Versicherungsnehmer unter diesen Voraussetzungen besser, wenn die Versicherung innerhalb der Frist des § 198 Absatz 8 Satz 2 VVG-E keine Auskunft erteilen würde. In diesem Fall würde nämlich zu seinen Gunsten die gesetzliche Vermutung des § 192 Absatz 8 Satz 4 VVG-E eingreifen, wodurch seine Position gegenüber der Versicherung - anders als bei einer unverbindlichen Kostenzusage - tatsächlich gestärkt würde.

Im Interesse der Versicherungsnehmer einer privaten Krankenkasse ist in § 192 Absatz 8 VVG-E einer neuer Satz 3a einzufügen, der normiert, dass Zusagen des Versicherers verbindlich sind.