Antrag der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Sachsen-Anhalt
Entschließung des Bundesrates zur Herausnahme der Kinder- und Jugendmedizin sowie Kinderchirurgie aus dem Fallpauschalensystem in der Krankenhausfinanzierung

Die Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Schwerin, 8. September 2020

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierungen von Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Sachsen-Anhalt haben beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zur Herausnahme der Kinder- und Jugendmedizin sowie Kinderchirurgie aus dem Fallpauschalensystem in der Krankenhausfinanzierung zuzuleiten.

Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 993. Sitzung des Bundesrates am 18. September 2020 aufzunehmen und eine sofortige Sachentscheidung herbeizuführen.

Mit freundlichen Grüßen
Manuela Schwesig

Entschließung des Bundesrates zur Herausnahme der Kinder- und Jugendmedizin sowie Kinderchirurgie aus dem Fallpauschalensystem in der Krankenhausfinanzierung

Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, unter Einbeziehung der Selbstverwaltungsorgane im Gesundheitswesen ein System für eine flächendeckende stationäre pädiatrische sowie eine kinderchirurgische Versorgung außerhalb des Fallpauschalensystems im 4. Quartal 2020 zu entwickeln, welches eine auskömmliche Finanzierung und die erhöhten Qualitäts- und Personalbedarfe in der Geburtsmedizin einschließt.

Begründung:

Zur Begrenzung des Kostenanstiegs im Gesundheitswesen wurde in Deutschland ab dem Jahr 2003 für Krankenhausleistungen ein leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem (DRG - Diagnosis Related Groups) eingeführt. Die Anwendung dieses Fallpauschalensystems, das lediglich auf Durchschnittskosten basiert, führt im Krankenhausbereich jedoch aus unterschiedlichen Gründen sowohl in kleinen Krankenhäusern als auch mindestens Krankenhäusern der universitären Maximalversorgung zur Nichtauskömmlichkeit der Finanzierung und dadurch zu Fehlanreizen. Folge ist, dass zentrale Bereiche der medizinischen Versorgung mittlerweile unwirtschaftlich sind.

Hiervon ist die Pädiatrie in besonderem Maße betroffen: Kinderkliniken stehen unter besonderem Druck. Die voll- und teilstationäre Versorgung von Kindern erfordert in besonderem Maße Ressourcen. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, ihre Behandlung benötigt wesentlich mehr Zeit. Deshalb sind die Personalkosten höher als in anderen Fachrichtungen. Außerdem ist die Pädiatrie eine Fachrichtung mit einem breiten Leistungsspektrum, das dadurch hohe Vorhaltekosten verursacht. Da diese Aspekte durch das gegenwärtige DRG-System nicht abgebildet werden, kommt es zu einer systematischen Unterfinanzierung der Kinderkliniken mit der dramatischen Folge, dass immer mehr Fachabteilungen für Kinder- und Jugendmedizin von den Krankenhausbetreibern von der Versorgung abgemeldet werden und die verbleibenden Einrichtungen durch zunehmende Arbeitsverdichtung immer unattraktiver für medizinisches Fachpersonal werden.

In gleichem Maße gilt dies auch für die Kinderchirurgie, die zwar traditionell der Chirurgie zugeordnet wird, aber ebenfalls den besonderen Bedarfen der Versorgung der jungen Patientinnen und Patienten entsprechen muss.

Die Finanzierung durch das Fallpauschalensystem bildet die Leistungen der Pädiatrie nicht angemessen ab. Grund ist die Komplexität der Medizin im Kindes- und Jugendalter, es ist der gesamte Bereich der Medizin. Von insgesamt über 1.300 Fallpauschalen fallen im Fachgebiet Kinder- und Jugendmedizin ca. 500 regelmäßig an, in einer Klinik für Erwachsenenmedizin hingegen nur rund 200. Für solche z.T. hochkomplexe Versorgung braucht es Expertise und Ausstattung. Zusätzlich erfordert die hohe Notfallquote in der Kinder- und Jugendmedizin (ca. 80 % der stationären Aufnahmen) ebenfalls eine aufwändige Bereitschaft von Struktur, Ausstattung und Personal. Da aber im DRG-System nur behandelte Fälle vergütet werden, ist der Aufwand für die Vorhaltung nicht umfasst. Hinzu treten in der Geburtsmedizin gestiegene qualitative Anforderungen und der Mangel an erforderlichem Fachpersonal (Hebammen und Ärztinnen und Ärzte). Diese Entwicklung führt besonders in strukturschwächeren Regionen zu einer Ausdünnung des Versorgungsangebotes, zu Versorgungsengpässen und längeren Anfahrtswegen. Neben den Folgen für die Flächenversorgung durch nichtauskömmliche Fallpauschalen im Bereich der Pädiatrie sind auch Maximalversorger negativ vom derzeitigen Finanzierungssystem betroffen. Während kleine Krankenhäuser insbesondere unter der auslastungsbedingt nicht auskömmlichen Finanzierung leiden, müssen Maximalversorger besondere Vorhaltekosten für Spezialbehandlungen finanzieren, die durch die durchschnittlich ermittelten Fallpauschalen ebenfalls nicht gedeckt sind. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, soll die Pädiatrie sowie Kinderchirurgie aus dem allgemeinen DRG-System herausgenommen werden.

Ähnlich wie im Bereich der Psychiatrie sollte vielmehr ein differenziertes Vergütungs- und Versorgungsmodell entwickelt werden, das den besonderen Bedürfnissen der Versorgung von kranken Kindern und Jugendlichen gerecht wird.