Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Juni 2008 zum Gipfeltreffen EU-Russland in Chanty-Mansijsk am 26. und 27. Juni 2008

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 4330 - vom 8. Juli 2008.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 19. Juni 2008 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass sich die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland im letzten Jahrzehnt stetig weiterentwickelt haben, was eine tief greifende und umfassende wirtschaftliche Integration und gegenseitige Abhängigkeit herbeigeführt hat, die in naher Zukunft zwangsläufig noch stärker werden wird,

B. in der Erwägung, dass die Europäische Union und Russland, das Mitglied des UN-Sicherheitsrats ist, gemeinsam eine Verantwortung für die weltweite Stabilität und Sicherheit tragen, und in der Erwägung, dass eine engere Zusammenarbeit und gutnachbarschaftliche Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland für die Stabilität, die Sicherheit und den Wohlstand Europas von besonderer Bedeutung sind,

C. in der Erwägung, dass der Abschluss eines Abkommens über strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation nach wie vor von größter Bedeutung für die Weiterentwicklung und Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten ist,

D. in der Erwägung, dass die Verhandlungen zu diesem neuen Abkommen über strategische Partnerschaft möglichst bald beginnen und auf den Fortschritten aufbauen sollten, die bereits auf dem Weg zur Verwirklichung der vier gemeinsamen Räume - gemeinsamer Wirtschaftsraum, Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, Raum der äußeren Sicherheit und Raum der Forschung, Bildung und Kultur - erzielt wurden, sowie in der Erwägung, dass die zügige Verwirklichung dieser vier gemeinsamen Räume Kernstück der Verhandlungen zum Abkommen über strategische Partnerschaft sein sollte,

E. in der Erwägung, dass nach den beträchtlichen Fortschritten im Zusammenhang mit dem russischen Embargo gegen die Einfuhr von Fleischprodukten und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus Polen und den Zusicherungen im Zusammenhang mit der Unterbrechung der Druschba-Pipeline, die von Litauen als Vergeltungsmaßnahme aufgefasst wurde, die Mitgliedstaaten sich endlich auf die Ausarbeitung eines neuen Verhandlungsmandats für ein neues Abkommen geeinigt haben, mit dem das Ende letzten Jahres ausgelaufene Partnerschafts- und Kooperationsabkommen ersetzt werden soll,

F. in der Erwägung, dass Dmitri Medwedew am 7. Mai 2008 seinen Amtseid als Präsident der Russischen Föderation geleistet hat und dass der neue Präsident den früheren Präsidenten Wladimir Putin zum Ministerpräsidenten ernannt hat, der seinerseits von der Duma in diesem Amt mit überwältigender Mehrheit bestätigt wurde,

G. in der Erwägung, dass die Veränderungen in der russischen Führung nach den Wahlen zur Duma im vergangenen Jahr und den Präsidentschaftswahlen Anfang diesen Jahres den Beziehungen EU-Russland neuen Schwung verleihen, zu einer Verbesserung der Beziehungen zwischen Russland und einigen seiner engsten Nachbarn führen und zur Entwicklung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit in Russland beitragen könnten,

H. in der Erwägung, dass der neue russische Präsident Dmitri Medwedew in seiner Antrittsrede sein Engagement zum Aufbau eines ausgereiften und wirksamen Rechtssystem bekräftigte, das er als Grundvoraussetzung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Russland, die Stärkung des Einflusses Russlands in der internationalen Gemeinschaft, die weitere Öffnung Russlands gegenüber der Welt und die Erleichterung des Dialogs mit anderen Völkern als gleichrangige Gesprächspartner bezeichnete; in der Erwägung ferner, dass Präsident Medwedew als erste Amtshandlung die Einsetzung eines Anti-Korruptionsrats erlassen hat, dessen Vorsitz er selbst übernimmt,

I. unter Hinweis darauf, dass der Beitritt der Russischen Föderation zur Welthandelsorganisation (WTO) wesentlich zur weiteren Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union beitragen würde, sofern verbindlich zugesagt wird, dass die WTO-Auflagen und -Verpflichtungen in vollem Umfang eingehalten und umgesetzt werden,

J. in der Erwägung, dass die Sicherheit der Energieversorgung eine der größten Herausforderungen für Europa und einen der wichtigsten Bereiche der Zusammenarbeit mit Russland darstellt und dass gemeinsame Anstrengungen unternommen werden müssen, um die bestehenden wie die auszubauenden Energieübertragungssysteme vollständig und effizient zu nutzen; in der Erwägung ferner, dass die starke Abhängigkeit der Europäischen Union von fossilen Brennstoffen die Formulierung einer ausgewogenen, kohärenten und wertebestimmten europäischen Politik gegenüber Russland erschwert,

K. in der Erwägung, dass Russland in jüngster Zeit einige der größten Energieunternehmen der Europäischen Union im Rahmen einer strategischen Partnerschaft in mehrere bedeutende Energieprojekte einbezogen oder es EU-Unternehmen gestattet hat, einige begrenzte strategische Anteile an russischen Unternehmen zu erwerben; unter Hinweis darauf, dass die Wahrung der Rechtssicherheit und der Eigentumsrechte für die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Niveaus der ausländischen Investitionen in Russland von wesentlicher Bedeutung ist,

L. in der Erwägung, dass Streitigkeiten über die Bedingungen der Lieferung und der Übertragung von Energie auf dem Verhandlungsweg, nichtdiskriminierend und transparent beigelegt werden sollten und zu keiner Zeit als Mittel benutzt werden dürfen, politischen Druck auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die Staaten in der gemeinsamen Nachbarschaft auszuüben,

M. in der Erwägung, dass ein künftiges Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation aus diesen Gründen die Grundsätze der Energiecharta enthalten sollte,

N. in der Erwägung, dass die Europäische Union und die Russische Föderation gemeinsam aktiv zur Schaffung von Frieden und Stabilität auf dem europäischen Kontinent beitragen können und sollten, und dies insbesondere in der gemeinsamen Nachbarschaft, aber auch in anderen Teilen der Welt,

O. in der Erwägung, dass die Europäische Union und die Russische Föderation insbesondere im Hinblick darauf zusammenarbeiten sollten, eine endgültige Lösung für den internationalen Status des Kosovo zu finden und die weiterhin gefährlichen Konflikte in Abchasien, Südossetien, Berg-Karabach und Transnistrien friedlich beizulegen,

P. in der Erwägung, dass nach der Entscheidung der russischen Regierung, offizielle Beziehungen zu den abtrünnigen Republiken Abchasien und Südossetien aufzunehmen, sich die Lage in diesen georgischen Regionen weiter verschlechtert, wobei dadurch die Rolle der russischen Streitkräfte als neutrale Friedenstruppe in Frage gestellt und die territoriale Integrität Georgiens untergraben wird,

Q. in der Erwägung, dass Russland seine Beteiligung an dem Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) ausgesetzt und erklärt hat, es werde Inspektionen und Überprüfungen seiner Militärbasen durch NATO-Länder nicht mehr zulassen und die Anzahl seiner konventionellen Waffen nicht mehr begrenzen,

R. in der Erwägung, dass der russische Außenminister Sergei Lawrow nach dem Treffen der ministeriellen Troika der Europäischen Union vom 29. April 2008 in Luxemburg die Teilnahme Russlands an der militärischen Operation der Europäischen Union im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik (Operation EUFOR Tchad/RCA, eingeleitet am 28. Januar 20081) bestätigt hat,

S. in der Erwägung, dass erhebliche Besorgnis über die Entwicklungen in der Russischen Föderation in Bezug auf die Achtung und den Schutz der Menschenrechte sowie die Achtung gemeinsam vereinbarter Grundsätze, Regeln und Verfahren der Demokratie besteht; in der Erwägung ferner, dass die Russische Föderation Vollmitglied des Europarats und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist und sich damit den von den genannten Organisationen festgelegten Grundsätzen der Demokratie und der Beachtung der grundlegenden Menschenrechte verpflichtet hat,

T. in der Erwägung, dass es wichtig ist, dass die Europäische Union mit einer Stimme spricht, sich solidarisch zeigt und Einigkeit in ihren Beziehungen zur Russischen Föderation an den Tag legt und diese Beziehungen auf gegenseitige Interessen und gemeinsame Werte stützt,