Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu den Änderungen vom 10. und 11. Juni 2010 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998

A. Problem und Ziel

Die auf der Überprüfungskonferenz in Kampala von den Vertragsstaaten des Römischen Statuts angenommenen Änderungen des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (BGBl. 2000 II S. 1393, 1394) schließen mit der Normierung des Aggressionstatbestandes eine wesentliche Lücke der völkerrechtlichen Strafbarkeit. Durch die Änderung des Artikels 8 Absatz 2 Buchstabe e des Römischen Statuts in Bezug auf Kriegsverbrechen wird außerdem der Einsatz bestimmter Waffen und Geschosse, der bereits im Fall ihrer Verwendung in internationalen bewaffneten Konflikten ein Kriegsverbrechen darstellt, im Einklang mit dem Völkergewohnheitsrecht und dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch auch im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt unter Strafe gestellt.

B. Lösung

Durch den vorliegenden Gesetzentwurf sollen die Voraussetzungen nach Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Ratifikation der am 10. und 11. Juni 2010 verabschiedeten Änderungen des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs geschaffen werden.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Durch die Ausführung des Gesetzes entstehen keine unmittelbaren zusätzlichen Kosten für Bund, Länder und Kommunen.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Es werden keine Vorgaben oder Informationspflichten für Bürgerinnen und Bürger eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Es werden keine Vorgaben oder Informationspflichten für Unternehmen eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Es entsteht kein Erfüllungsaufwand für die Verwaltung.

F. Weitere Kosten

Kosten für die Wirtschaft und soziale Sicherungssysteme entstehen nicht.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu den Änderungen vom 10. und 11. Juni 2010 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, den 31. August 2012
Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates

Hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zu den Änderungen vom 10. und 11. Juni 2010 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Auswärtige Amt.

Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 12.10.12

Entwurf
Gesetz zu den Änderungen vom 10. und 11. Juni 2010 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Den folgenden von der Überprüfungskonferenz des Römischen Statuts in Kampala mit Resolutionen vom 10. und 11. Juni 2010 angenommenen Änderungen des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 (BGBl. 2000 II S. 1393, 1394) wird zugestimmt:

Die Resolutionen werden nachstehend mit einer amtlichen deutschen Übersetzung veröffentlicht.

Artikel 2

Begründung zum Vertragsgesetz

Vorbemerkung

Mit diesem Gesetz soll die verfassungsmäßig gebotene Zustimmung des Gesetzgebers zu den auf der ersten Überprüfungskonferenz in Kampala am 10. und 11. Juni 2010 beschlossenen Änderungen des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs eingeholt werden. Im Zusammenhang mit diesem Gesetz besteht keine völkerrechtliche Verpflichtung zur Anpassung des nationalen Strafrechts. Die Bundesregierung wird jedoch, insofern insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Komplementarität angezeigt, die Voraussetzungen dafür schaffen, dass das nationale Strafrecht angepasst wird.

Zu Artikel 1

Auf die Änderungen des Artikels 8 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 und auf die Änderungen des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs in Bezug auf das Verbrechen der Aggression findet Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes Anwendung, da die Änderungen sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen.

Zu Artikel 2

Die Bestimmung des Absatzes 1 entspricht dem Erfordernis des Artikels 82 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.

Nach Absatz 2 ist der Zeitpunkt, zu dem die Änderungen nach Artikel 121 Absatz 5 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 jeweils für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft treten, im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.

Schlussbemerkung

Bund, Länder und Gemeinden werden durch die Ausführung des Gesetzes mit keinen Kosten belastet. Auswirkungen auf die Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten. Kosten für die Wirtschaft, insbesondere für mittelständische Unternehmen, entstehen durch die Ausführung des Gesetzes nicht. Es entstehen keine Mehrausgaben für öffentliche Haushalte. Das Gesetz sieht keine Rechts- oder Verwaltungsvereinfachung vor. Geltende Vorschriften werden nicht vereinfacht oder entbehrlich. Das Gesetz ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.

Resolution RC/Res.5

Auf der 12. Plenarsitzung am 10. Juni 2010 im Konsens angenommen RC/Res.5

Änderungen des Artikels 8 des Römischen Statuts

Die Überprüfungskonferenz, in Anbetracht des Artikels 123 Absatz 1 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, in dem der Generalsekretär der Vereinten Nationen ersucht wird, sieben Jahre nach Inkrafttreten des Statuts eine Überprüfungskonferenz zur Prüfung etwaiger Änderungen des Statuts einzuberufen, in Anbetracht des Artikels 121 Absatz 5 des Statuts, in dem es heißt, dass eine Änderung der Artikel 5, 6, 7 und 8 des Statuts für die Vertragsstaaten, welche die Änderung angenommen haben, ein Jahr nach Hinterlegung ihrer Ratifikations- oder Annahmeurkunde in Kraft tritt und dass der Gerichtshof seine Gerichtsbarkeit über ein von der Änderung erfasstes Verbrechen hinsichtlich eines Vertragsstaats, der die Änderung nicht angenommen hat, nicht ausübt, wenn das Verbrechen von Staatsangehörigen des betreffenden Vertragsstaats oder in dessen Hoheitsgebiet begangen wurde, und ihr Verständnis bestätigend, dass in Bezug auf diese Änderung derselbe Grundsatz, der für einen Vertragsstaat gilt, der die Änderung nicht angenommen hat, auch für Staaten gilt, die nicht Vertragspartei des Statuts sind, bestätigend, dass im Lichte des Artikels 40 Absatz 5 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge Staaten, die später Vertragsstaat des Statuts werden, entscheiden können, ob sie die in dieser Resolution enthaltene Änderung zum Zeitpunkt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung des Statuts oder des Beitritts dazu annehmen, in Anbetracht des Artikels 9 des Statuts über die "Verbrechenselemente", in dem es heißt, dass die Elemente dem Gerichtshof bei der Auslegung und Anwendung der Bestimmungen in Bezug auf die seiner Gerichtsbarkeit unterliegenden Verbrechen helfen, unter gebührender Berücksichtigung dessen, dass die Verbrechen der Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen, der Verwendung erstickender, giftiger oder gleichartiger Gase sowie aller ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffe oder Vorrichtungen und der Verwendung von Geschossen, die sich im Körper des Menschen leicht ausdehnen oder flachdrücken, beispielsweise Geschosse mit einem harten Mantel, der den Kern nicht ganz umschließt oder mit Einschnitten versehen ist, als schwere Verstöße gegen die in einem internationalen bewaffneten Konflikt anwendbaren Gesetze und Gebräuche nach Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b bereits der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegen, in Anbetracht der relevanten Elemente der Verbrechen innerhalb der "Verbrechenselemente", die bereits am 9. September 2000 von der Versammlung der Vertragsstaaten angenommen wurden, in der Erwägung, dass die genannten relevanten Elemente der Verbrechen auch bei der Auslegung und Anwendung in bewaffneten Konflikten, die keinen internationalen Charakter haben, helfen können, da sie unter anderem präzisieren, dass das Verhalten im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt stattfand und mit diesem verbunden war, wodurch somit bestätigt wird, dass Situationen im Zusammenhang mit der Wahrung der öffentlichen Sicherheit von der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs ausgeschlossen sind, in der Erwägung, dass die in Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe e Ziffer xiii (Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen) und in Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe e Ziffer xiv (Verwendung erstickender, giftiger oder gleichartiger Gase sowie aller ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffe oder Vorrichtungen) genannten Verbrechen schwere Verstöße gegen die Gesetze und Gebräuche darstellen, die in einem bewaffneten Konflikt anwendbar sind, der keinen internationalen Charakter hat, wie sich aus dem Völkergewohnheitsrecht ergibt, in der Erwägung, dass das in Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe e Ziffer xv (Verwendung von Geschossen, die sich im Körper des Menschen leicht ausdehnen oder flachdrücken) genannte Verbrechen ebenfalls einen schweren Verstoß gegen die Gesetze und Gebräuche darstellt, die in einem bewaffneten Konflikt anwendbar sind, der keinen internationalen Charakter hat, und in dem Verständnis, dass nur dann ein Verbrechen vorliegt, wenn der Täter die Geschosse verwendet, um das Leiden oder die Verletzungswirkung bei der Person, die Ziel dieser Geschosse ist, unnötig zu verstärken, wie sich aus dem Völkergewohnheitsrecht ergibt,

*) Anmerkung: Die Anlage II der Resolution RC/Res. 5 wird nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Anlage I
Änderung des Artikels 8

( In Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe e wird Folgendes angefügt:

Resolution RC/Res.6

Auf der 13. Plenarsitzung am 11. Juni 2010 im Konsens angenommen RC/Res.6

Das Verbrechen der Aggression

Die Überprüfungskonferenz, unter Hinweis auf Artikel 12 Absatz 1 des Römischen Statuts, unter Hinweis auf Artikel 5 Absatz 2 des Römischen Statuts, außerdem unter Hinweis auf Ziffer 7 der Resolution F, die am 17. Juli 1998 von der Diplomatischen Bevollmächtigtenkonferenz der Vereinten Nationen zur Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs angenommen wurde, ferner unter Hinweis auf die Resolution ICC-ASP/1/Res.1 über die Kontinuität der Arbeiten zum Verbrechen der Aggression und mit dem Ausdruck ihres Dankes an die Sonderarbeitsgruppe zum Verbrechen der Aggression für die Ausarbeitung von Vorschlägen für eine Bestimmung über das Verbrechen der Aggression,

Kenntnis nehmend von der Resolution ICC-ASP/8/Res.6, mit der die Versammlung der Vertragsstaaten der Überprüfungskonferenz Vorschläge für eine Bestimmung über das Verbrechen der Aggression zur Behandlung übermittelte, entschlossen, die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs über das Verbrechen der Aggression möglichst bald zu aktivieren,

*) Anmerkung: Die Anlagen II und III der Resolution RC/Res.6 werden nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Anlage I
Änderungen des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs in Bezug auf das Verbrechen der Aggression

Denkschrift

I. Allgemeiner Teil

1. Gesamtwürdigung

Vom 31. Mai bis 11. Juni 2010 fand in Kampala (Uganda) die erste Überprüfungskonferenz des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs statt, in deren Mittelpunkt die Bemühungen um eine Einigung in Bezug auf das Verbrechen der Aggression standen. Die Vertragsstaaten des Römischen Statuts einigten sich nach intensiven Beratungen und Verhandlungen am 11. Juni 2010 auf eine Definition des Verbrechens der Aggression und auf die Bedingungen der Ausübung der Gerichtsbarkeit.

Die Einigung in Kampala stellt einen historischen Durchbruch für die Weiterentwicklung des Völkerstrafrechts dar. Die Normierung des Aggressionstatbestandes im Römischen Statut schließt eine wesentliche Lücke der völkerrechtlichen Strafbarkeit und markiert einen wichtigen Schritt beim Kampf gegen die Straflosigkeit schwerster Verbrechen, welche die internationale Gemeinschaft als Ganze betreffen. Die Einigung zum Verbrechen der Aggression ist das Ergebnis eines mühevoll errungenen Kompromisses zwischen den Vertragsstaaten, dem jahrelange Vorberatungen vorangegangen waren. Die Bundesrepublik Deutschland war wesentlich an diesem Prozess und der Ausarbeitung des Kompromisses beteiligt.

Zusätzlich beschloss die Überprüfungskonferenz am 10. Juni 2010, Artikel 8 des Römischen Statuts zu ergänzen und bestimmte Handlungen, die in internationalen bewaffneten Konflikten Kriegsverbrechen darstellen, auch in nichtinternationalen bewaffneten Konflikten unter Strafe zu stellen.

Die Vertragsstaaten des Römischen Statuts verabschiedeten die Änderungen in zwei Resolutionen am 10. und 11. Juni 2010 im Konsens. Der Text beider Resolutionen ist in deutscher Übersetzung als Anlage beigefügt.

2. Tatbestand der Aggression und Ausübung der Gerichtsbarkeit

a) Vorgeschichte

In den Verfahren vor den Internationalen Militärgerichtshöfen in Nürnberg und Tokyo war das Verbrechen der Aggression als "Verbrechen gegen den Frieden" zentraler Anklagepunkt. Artikel 6a des Statuts des Nürnberger Militärgerichtshofs, der die "Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Durchführung eines Angriffskrieges oder eines Krieges unter Verletzung internationaler Verträge, Abkommen oder Zusicherungen [ ... ]" unter Strafe stellte, stellte auf den Briand-Kellogg-Pakt von 1928 ab, der die Vertragsstaaten zur Unterlassung von Angriffskriegen und -handlungen verpflichtete. In der Nachfolge der Prozesse von Nürnberg und Tokyo erwies es sich jedoch als außerordentlich schwierig, "das schwerste internationale Verbrechen", wie es vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg bezeichnet worden war, in einem Straftatbestand zu kodifizieren.

Mit der Aggression befasste sich die Resolution 3314 (XXIX) der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 14. Dezember 1974. Als politisches Dokument war die darin enthaltene Definition der Aggression allerdings nicht für völkerstrafrechtliche Zwecke entworfen worden, sondern sollte als Hilfsmittel für den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bei der Bestimmung einer Aggressionshandlung im Sinne des Artikels 39 der Charta der Vereinten Nationen dienen.

In dem am 17. Juli 1998 auf der Diplomatischen Bevollmächtigtenkonferenz in Rom verabschiedeten Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, das für die Bundesrepublik Deutschland am 1. Juli 2002 in Kraft getreten ist (BGBl. 2003 II S. 293), wurde das Aggressionsverbrechen zwar neben dem Verbrechen des Völkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in die Liste der Völkerstraftaten des Artikels 5 Absatz 1 des Römischen Statuts aufgenommen, die der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) unterliegen. Anders als bei den zuerst genannten drei Verbrechen konnte in Rom aber keine Einigung über die Definition des Verbrechens der Aggression und die Bedingungen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit erzielt werden. Streitig war insbesondere, welche Rolle der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bei der Entscheidung darüber, ob ein Akt der Aggression vorliegt, spielen sollte. Deshalb wurde die Ausübung der Gerichtsbarkeit des IStGH über das Verbrechen der Aggression ausdrücklich unter den Vorbehalt einer späteren Einigung der Vertragsstaaten über die Definition des Verbrechens und über die Bedingungen der Ausübung der Gerichtsbarkeit gestellt (Artikel 5 Absatz 2 des Römischen Statuts). Die Schlussakte der Konferenz in Rom sah vor, dass eine Kommission für die noch offenen Fragen Vorschläge erarbeiten und der Versammlung der Vertragsstaaten des Römischen Statuts unterbreiten sollte.

Die mit dieser Aufgabe beauftragte und zwischen Frühling 1999 und Sommer 2002 tagende Vorbereitungskommission für den IStGH richtete eine Arbeitsgruppe zum Verbrechen der Aggression ("Working Group on the Crime of Aggression") ein, welche die wichtigsten Positionen zum Verbrechen der Aggression am 11. Juli 2002 in einem Diskussionspapier zusammenfasste. Nach dem Inkrafttreten des Römischen Statuts im Juli 2002 berief die Versammlung der Vertragsstaaten des Römischen Statuts am 9. September 2002 eine Sonderarbeitsgruppe zum Verbrechen der Aggression ("Special Working Group on the Crime of Aggression") ein, welche die Arbeiten zum Verbrechen der Aggression fortführen und abschließen sollte. Die Beratungen in dieser Sonderarbeitsgruppe, die zwischen September 2003 und Februar 2009 tagte und durch informelle Treffen im Liechtenstein Institute on Self-Determination in der Woodrow Wilson School der Universität Princeton ergänzt wurde, waren von einem umfassenden Dialog und größtmöglicher Transparenz geprägt. Neben den Vertragsstaaten des Römischen Statuts waren auch Nichtvertragsstaaten sowie Vertreter der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft über nichtstaatliche Organisationen in die Beratungen und Diskussionen einbezogen. Da die Arbeit der Sonderarbeitsgruppe nach jeder Sitzung durch ausführliche Berichte dokumentiert wurde, konnte der Dialog mit Zivilgesellschaft und Wissenschaft im Anschluss an die Sitzungen fortgeführt und vertieft werden. Die Sonderarbeitsgruppe legte ihre Vorschläge der Versammlung der Vertragsstaaten am 13. Februar 2009 vor, die diese am 26. November 2009 einstimmig annahm. Die Vorschläge enthielten eine vorläufige Einigung in Bezug auf den Tatbestand des Aggressionsverbrechens, aber noch offene Fragen hinsichtlich der Ausübung der Gerichtsbarkeit. Diese Vorschläge wurden Grundlage für die Verhandlungen der Überprüfungskonferenz in Kampala.

b) Konferenzverlauf

Aufgrund der in den Vorjahren bereits geleisteten Vorarbeiten der Sonderarbeitsgruppe und der dort erzielten Einigung auf eine Definition des Aggressionstatbestandes konzentrierten sich in Kampala die Verhandlungen auf die Formulierung der Bedingungen der Ausübung der Gerichtsbarkeit. Die Delegationen waren darum bemüht, eine Einigung im Konsens zu erreichen.

Im Zentrum der Verhandlungen standen zum einen die Rolle des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und zum anderen die Frage der Voraussetzungen für das Inkrafttreten. In Bezug auf den Sicherheitsrat argumentierten einige Staaten, darunter die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats, dass Artikel 39 der Charta der Vereinten Nationen dem Sicherheitsrat eine zentrale Rolle für die Feststellung des Vorliegens einer Angriffshandlung übertrage. Der IStGH dürfe deshalb nur im Fall einer entsprechenden Sicherheitsratsverweisung Gerichtsbarkeit über das Aggressionsverbrechen haben, da für dieses Verbrechen nur der Auslösungsmechanismus des Artikel 13 Buchstabe b des Römischen Statuts gelten könne. Andere Staaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland, setzten sich dafür ein, dass der IStGH Gerichtsbarkeit über das Aggressionsverbrechen nicht nur bei einer Sicherheitsratsverweisung, sondern auch aufgrund der beiden anderen von Artikel 13 des Römischen Statuts vorgesehenen Auslösungsmechanismen haben sollte, also im Fall einer Verweisung durch einen Vertragsstaat oder im Fall des Tätigwerdens des Anklägers aus eigener Initiative ("proprio motu"). Diese letztere Ansicht setzte sich schließlich in Kampala durch.

Hinsichtlich des einzuschlagenden Ratifikationsverfahrens war strittig, ob sich dieses nach Artikel 121 Absatz 4 oder nach Artikel 121 Absatz 5 des Römischen Statuts richtet. Hier entschied sich die Konferenz schließlich für letztere Auffassung.

Dass dieses Ergebnis, mit dem die deutschen Konferenz-Ziele vollständig erreicht wurden, im Konsens verabschiedet wurde, ist ein völkerrechtspolitischer Erfolg. Er war nur möglich aufgrund der Einbindung der gefundenen Regelung in ein Kompromiss-Paket, das u.a.

c) Ergebnis der Verhandlungen
aa) Tatbestand des Verbrechens der Aggression (Artikel 8bis des Römischen Statuts)

Der auf der Überprüfungskonferenz verabschiedete Tatbestand des Aggressionsverbrechens stellt einen ausgewogenen Kompromiss dar und trägt der Tatsache Rechnung, dass dieses Delikt im Vergleich zu den anderen im Römischen Statut aufgeführten Verbrechen durch die Kriminalisierung staatlicher Angriffshandlungen und als Führungsverbrechen einen besonderen Charakter hat.

Die individuellen Tathandlungen werden in fast wörtlicher Übernahme der Vorgaben aus dem Statut des Nürnberger Militärgerichtshofs zum "Verbrechen gegen den Frieden" formuliert. Der Gefahr einer möglichen Politisierung des Tatbestandes wird dadurch entgegengetreten, dass einerseits die Bestimmung, was eine "Angriffshandlung" ist, wörtlich der sogenannten "Definition der Aggression" aus der Resolution 3314 (XXIX) der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 14. Dezember 1974 entlehnt wird, dass deren Vorliegen allein aber andererseits nicht ausreicht, um die Handlung zum Aggressionsverbrechen zu machen. Dafür muss vielmehr die Angriffshandlung "ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen" darstellen. Damit ist nicht jede völkerrechtswidrige staatliche Gewaltanwendung zugleich ein Aggressionsverbrechen. Rechtlich umstrittene Einsätze, wie im Rahmen humanitärer Interventionen, und Fälle von nicht hinreichender Intensität sollen davon gerade nicht erfasst werden und damit nicht als Aggressionsverbrechen strafbar sein.

Das Aggressionsverbrechen hat den Charakter eines Führungsverbrechens, das hohe Anforderungen an die individuelle Täter- (wie auch Teilnehmer-)qualität stellt. Von der individuellen Strafbarkeit sind ausschließlich Personen betroffen, die tatsächlich in der Lage sind, das politische oder militärische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken.

bb) Ausübung der Gerichtsbarkeit (Artikel 15bis und Artikel 15ter des Römischen Statuts)

Die nach intensiven Verhandlungen gefundene Regelung zu den Bedingungen der Ausübung der Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression sieht vor, dass alle drei für die anderen Straftatbestände des Römischen Statuts (Verbrechen des Völkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen) geltenden Auslösungsmechanismen nach Artikel 13 des Römischen Statuts auch auf das Verbrechen der Aggression Anwendung finden sollen.

Gemäß dem neuen Artikel 15bis wird die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs entweder durch Staatenverweisung oder aus eigener Initiative des Anklägers ("proprio motu") begründet. Eine vorherige Feststellung des Sicherheitsrats, dass ein staatlicher Aggressionsakt vorliegt, ist nicht notwendig. Dafür wird die Gerichtsbarkeit des IStGH über das Verbrechen der Aggression zweifach eingeschränkt. Zum einen hat der IStGH keine Gerichtsbarkeit, wenn das Verbrechen von einem Staatsangehörigen eines Nichtvertragsstaats oder in dessen Hoheitsgebiet begangen wird. Zum anderen haben die Vertragsstaaten die Möglichkeit, durch eine Erklärung die Gerichtsbarkeit des IStGH über das Verbrechen der Aggression auszuschließen (sogenanntes "opting out"). Der besonderen Rolle des Sicherheitsrats bei der Wahrung des Weltfriedens und der Wiederherstellung der internationalen Sicherheit tragen Verfahrensregeln Rechnung, die ein gewisses Zusammenwirken von IStGH und Sicherheitsrat regeln.

Um der besonderen Rolle des Sicherheitsrats bei der Feststellung einer Angriffshandlung zu entsprechen, wird die Überweisung einer Situation durch den Sicherheitsrat an den IStGH in einem gesonderten Artikel, dem zukünftigen Artikel 15ter des Römischen Statuts, behandelt. Von einer Verweisung durch den Sicherheitsrat können Vertragsstaaten des Römischen Statuts ebenso wie Nicht-Vertragsstaaten gleichermaßen betroffen werden. Die Möglichkeit, durch eine Opting-out-Erklärung die Gerichtsbarkeit des IStGH über das Verbrechen der Aggression auszuschließen, besteht hier nicht.

cc) Aktivierung der Gerichtsbarkeit des IStGH über das Verbrechen der Aggression

Voraussetzung für die Verfolgung von Aggressionsverbrechen durch den IStGH ist die Erfüllung folgender Anforderungen: Die Ergänzungen des Römischen Statuts bedürfen zunächst der Ratifikation oder Annahme durch dreißig Vertragsstaaten. Ferner muss die Gerichtsbarkeit für das Aggressionsverbrechen durch einen Beschluss der Versammlung der Vertragsstaaten bestätigt werden. Die Entscheidung kann frühestens nach dem 1. Januar 2017 ergehen. Diese Regelung ist ein wichtiges Element des in Kampala erreichten Kompromiss-Pakets.

3. Änderung des Artikels 8 des Römischen Statuts

Die Überprüfungskonferenz in Kampala hat neben der Einigung über das Verbrechen der Aggression außerdem eine Änderung des Artikels 8 Absatz 2 Buchstabe e des Römischen Statuts in Bezug auf Kriegsverbrechen beschlossen. Durch diese Änderung wird der Einsatz bestimmter Waffen und Geschosse, der bereits im Fall ihrer Verwendung in internationalen bewaffneten Konflikten ein Kriegsverbrechen darstellt, im Einklang mit dem Völkergewohnheitsrecht und dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch auch im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt unter Strafe gestellt. Eine Angleichung der strafbaren Handlungen in internationalen und nichtinternationalen bewaffneten Konflikten als Kriegsverbrechen in Artikel 8 des Römischen Statuts war von der Diplomatischen Bevollmächtigtenkonferenz der Vereinten Nationen in Rom 1998 diskutiert, jedoch noch nicht vereinbart worden.

Die Änderungen kamen auf Initiative Belgiens zustande, das auf der jährlichen Versammlung der Vertragsstaaten 2008 erstmals einen entsprechenden Vorschlag unterbreitete. Der von Belgien initiierte und von Deutschland neben 17 anderen Staaten mit eingebrachte Resolutionsentwurf zur Änderung des Artikels 8 war auf der Überprüfungskonferenz in Kampala nicht kontrovers und wurde im Konsens angenommen.

4. Verbrechenselemente, Vereinbarte Auslegungen

Gemeinsam mit den Änderungen zum Römischen Statut wurden von der Überprüfungskonferenz mit der Resolution 5 vom 10. Juni 2010 zu Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe e Ziffern xiii, xiv und xv und der Resolution 6 vom 11. Juni 2010 zu Artikel 8bis "Verbrechenselemente" angenommen, die dem IStGH gemäß Artikel 9 des Römischen Statuts bei der Interpretation und Anwendung der Tatbestände helfen sollen.

Als zusätzliche Auslegungshilfe wurden in der Resolution 6 "Vereinbarte Auslegungen betreffend die Änderungen des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs in Bezug auf das Verbrechen der Aggression" angenommen.

Die deutschen Übersetzungen der "Verbrechenselemente" und der "Vereinbarten Auslegungen" sind in den dieser Denkschrift als Anlage beigefügten Resolutionen enthalten.

5. Deutsche Übersetzung

Die deutsche Übersetzung der Änderungen wurde auf der Grundlage eines von der Bundesrepublik Deutschland vorgelegten Entwurfs von amtlichen Vertretern der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und des Fürstentums Liechtenstein gemeinsam ausgearbeitet.

II. Besonderer Teil

Artikel 5 Absatz 2

Artikel 5 Absatz 2 wird aufgehoben. Er hat folgenden Wortlaut:

"Der Gerichtshof übt die Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression aus, sobald in Übereinstimmung mit den Artikeln 121 und 123 eine Bestimmung angenommen worden ist, die das Verbrechen definiert und die Bedingungen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit im Hinblick auf dieses Verbrechen festlegt. Diese Bestimmung muss mit den einschlägigen Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen vereinbar sein."

Aufgrund der auf der Überprüfungskonferenz in Kampala gefundenen Definition des Verbrechens der Aggression und der Bedingungen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit verliert diese Bestimmung ihre Funktion und kann deshalb aufgehoben werden.

Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe e Ziffern xiii, xiv und xv

In Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe e werden die drei Ziffern xiii, xiv und xv hinzugefügt. Dadurch wird der Katalog der strafbaren Handlungen, die in einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt ein Kriegsverbrechen begründen, erweitert. Diese Handlungen waren bereits vorher im Rahmen internationaler bewaffneter Konflikte strafbar. Die Strafbarkeit von Handlungen in nichtinternationalen bewaffneten Konflikten wird damit der Strafbarkeit in internationalen Konflikten angeglichen.

Diese unter Strafe gestellten Handlungen umfassen im Einzelnen:

Wie sich aus den für die Auslegung des Artikels 8 Absatz 2 Buchstabe e Ziffer xv durch den IStGH auf der Überprüfungskonferenz verabschiedeten "Verbrechenselementen" ergibt, muss die Munition objektiv gegen das Völkerrecht verstoßen. Zudem muss sich der Täter bewusst gewesen sein, dass die Munition von einer solchen

Beschaffenheit war, dass ihre Verwendung unnötig das Leiden oder den Verletzungseffekt verstärken würde. Aus der letzten Präambelerwägung der Resolution 5 vom 10. Juni 2010 zu Artikel 8 Absatz 2 folgt, dass Munition, die durch die Polizei, die Streitkräfte oder andere staatliche Kräfte im Rahmen von Geiselbefreiungen oder vergleichbarer Situationen, bei denen dies zum Schutz unbeteiligter Personen oder eigener Kräfte geboten ist, genutzt werden, nicht unter die Strafandrohung des Artikels 8 Absatz 2 Buchstabe e Ziffer xv fällt. Durch Nummer 4 der "Verbrechenselemente", wonach das strafbare Verhalten im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt stattfand und mit ihm verbunden war, ist klargestellt, dass Situationen im Zusammenhang mit der Wahrung der öffentlichen Sicherheit von der Gerichtsbarkeit des IStGH ausgenommen sind.

Artikel 8bis
Verbrechen der Aggression

Nach den Definitionen der Verbrechen des Völkermords, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Kriegsverbrechen in den vorhergehenden Artikeln 6, 7 und 8 des Römischen Statuts wird durch den neuen Artikel 8bis die Definition des Verbrechens der Aggression in das Römische Statut eingefügt.

Gemäß Absatz 1 ist Tathandlung die "Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Ausführung einer Angriffshandlung", die eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt. Die Offenkundigkeit der Charta-Verletzung muss sich aus Art, Schwere und Umfang der Angriffshandlung ergeben.

Im Gegensatz zu den drei anderen Straftatbeständen des Römischen Statuts kann die Tat nur von einer "Person, die tatsächlich in der Lage ist, das politische oder militärische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken", begangen werden. Der Tatbestand trägt somit den Charakter eines Führungsverbrechens, das hohe Anforderungen an die individuelle Täterqualität stellt. Der Täter muss nicht zwingend Teil eines Staatsorgans sein. Die Verantwortlichkeit kann sich auch auf Personen ohne Regierungsverantwortung erstrecken, die tatsächlich in der Lage sind, das politische oder militärische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken, sodass der Aggressionsakt dem Staat völkerrechtlich zugerechnet werden kann. Für die individuelle Täterschaft reicht es aus, wenn der militärische oder politische Verantwortliche nur an der Planung beteiligt war, oder wenn der Tatbeitrag im Versuchsstadium stecken geblieben ist. Jedoch muss der staatliche Aggressionsakt durchgeführt worden sein, um Grundlage des Verbrechens der Aggression sein zu können.

Der in Absatz 1 eingeführte Begriff der "Angriffshandlung" wird in Absatz 2 Satz 1 als "gegen die Souveränität, die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit der Charta der Vereinten Nationen unvereinbare Anwendung von Waffengewalt durch einen anderen Staat" definiert und ist damit die wörtliche Übernahme der in Artikel 1 der Anlage zur Resolution 3314 (XXIX) der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 14. Dezember 1974 enthaltenen Definition der Aggression.

Im nachfolgenden Satz 2 werden einzelne, Satz 1 konkretisierende Angriffshandlungen aufgeführt, die als Angriffshandlungen gelten und ebenfalls der Resolution 3314 (Artikel 3 der Anlage) entnommen sind.

Die Buchstaben a bis e beschreiben einzelne Handlungen der Streitkräfte eines Staates, wie Invasion, militärische Besetzung, Bombardierung, Beschießung, Blockade von Häfen oder Küsten, die als Angriffshandlungen gewertet werden.

Buchstabe f beschreibt das Zurverfügungstellen des Territoriums eines Staates für Angriffshandlungen eines dritten Staates als Angriffshandlung.

In Buchstabe g wird das Entsenden bewaffneter Banden, Gruppen, irregulärer Kräfte oder Söldner, die Handlungen von solcher Schwere gegen einen anderen Staat ausführen, dass sie den in den Buchstaben a bis f beschriebenen Handlungen gleichkommen, als Angriffshandlung definiert.

Artikel 9 Absatz 1 Satz 1

Aufgrund der Einfügung des neuen Artikels 8bis zum Straftatbestand des Verbrechens der Aggression muss die Liste der Artikel, für die "Verbrechenselemente" dem Gerichtshof bei Auslegung und Anwendung der Artikel helfen, um einen Verweis auf Artikel 8bis erweitert werden.

Artikel 15bis
Ausübung der Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression

(Unterbreitung durch einen Staat oder aus eigener Initiative)

Der neu eingefügte Artikel 15bis begründet die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs über das Verbrechen der Aggression bei Verweisung durch einen Staat oder aus eigener Initiative ("proprio motu") des Anklägers. Die detaillierte und komplexe Regelung spiegelt den in Kampala gefundenen Kompromiss wider.

Absatz 1 dieser Bestimmung führt zwei Möglichkeiten der Auslösung eines Verfahrens wegen des Verbrechens der Aggression vor dem Gerichtshof auf. Durch die Bezugnahme auf Artikel 13 Buchstabe a und c kann der Gerichtshof seine Gerichtsbarkeit ausüben, wenn entweder ein Vertragsstaat gemäß Artikel 14 dem Ankläger eine Situation unterbreitet, in der ein solches Verbrechen begangen worden sein soll, oder wenn der Ankläger aus eigener Initiative nach Artikel 15 Ermittlungen wegen eines solchen Verbrechens einleitet.

Die Absätze 2 und 3 bestimmen die allgemeinen, nicht fallspezifischen Voraussetzungen für die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs über das Verbrechen der Aggression. Danach kann der Gerichtshof seine Gerichtsbarkeit nur über Aggressionsverbrechen ausüben, die ein Jahr nach Ratifikation oder Annahme der Änderungen durch dreißig Vertragsstaaten begangen wurden (Absatz 2). Außerdem ist Voraussetzung für seine Gerichtsbarkeit ein Beschluss der Vertragsstaaten, der erst nach dem 1. Januar 2017 mit qualifizierter Mehrheit zu fassen ist (Absatz 3).

Die Absätze 4 bis 8 stellen die Gerichtsbarkeit unter weitere Voraussetzungen.

Nach Absatz 4 findet Artikel 12 des Römischen Statuts Anwendung mit der Einschränkung, dass sich die Gerichtsbarkeit des IStGH nicht auf ein von einem Vertragsstaat begangenes Verbrechen der Aggression erstreckt, wenn dieser Vertragsstaat vorher erklärt hat, die Ausübung der Gerichtsbarkeit nicht anerkennen zu wollen (sogenannte "Opting-out"-Erklärung). Diese Erklärung kann von dem Vertragsstaat jederzeit zurückgenommen werden und wird innerhalb von drei Jahren von ihm überprüft.

Nach Absatz 5 besteht keine Gerichtsbarkeit, wenn das Verbrechen der Aggression von Staatsangehörigen eines Nicht-Vertragsstaates oder in dessen Hoheitsgebiet begangen wurde.

Die Absätze 6 bis 8 bestimmen das Verhältnis des Gerichtshofs zum Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bei der Verfolgung des Verbrechens der Aggression. Indem der Ankläger den Generalsekretär der Vereinten Nationen über die beim Gerichtshof anhängige Situation unterrichtet, vergewissert er sich beim Sicherheitsrat, ob dieser festgestellt hat, dass der betreffende Staat eine Angriffshandlung begangen hat (Absatz 6). Wenn der Sicherheitsrat entsprechende Feststellungen getroffen hat, kann der Ankläger Ermittlungen in Bezug auf das Verbrechen der Aggression aufnehmen (Absatz 7). Trifft der Sicherheitsrat nicht innerhalb von sechs Monaten nach Benachrichtigung durch den Ankläger eine entsprechende Feststellung, kann der Ankläger trotzdem entsprechende Ermittlungen aufnehmen, wenn die Vorverfahrensabteilung des Gerichtshofs nach Artikel 15 des Römischen Statuts eine Genehmigung hierzu erteilt und der Sicherheitsrat nicht gemäß Artikel 16 entscheidet, die Ermittlungen oder Strafverfolgung des Gerichtshofs für zwölf Monate zu unterbrechen (Absatz 8).

Absatz 9 unterstreicht, dass der Gerichtshof hinsichtlich der Feststellung einer Angriffshandlung unabhängig von der Entscheidung von Organen außerhalb des Gerichtshofs ist.

In Absatz 10 wird klargestellt, dass die in Artikel 15bis enthaltenen Bestimmungen keinen Einfluss auf die Ausübung der Gerichtsbarkeit über die anderen in Artikel 5 bezeichneten Verbrechen (das Verbrechen des Völkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen) haben.

Artikel 15ter
Ausübung der Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression

(Unterbreitung durch den Sicherheitsrat)

Mit Artikel 15ter Absatz 1 wird die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs durch eine Verweisung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in Übereinstimmung mit Artikel 13 Buchstabe b begründet.

Die Absätze 2 und 3 bestimmen in wörtlicher Wiederholung der Absätze 2 und 3 des Artikels 15bis die all gemeinen Voraussetzungen der Gerichtsbarkeit bei der Unterbreitung durch den Sicherheitsrat.

Die Absätze 4 und 5 entsprechen den Absätzen 9 und 10 von Artikel 15bis.

Artikel 20 Absatz 3 erster Halbsatz

Durch Einführung eines Artikels 8bis muss die Liste der Verbrechen in Absatz 3, für die der Grundsatz des Verbots der erneuten Strafverfolgung des Täters wegen derselben Tat ("ne bis in idem") gilt, um das Verbrechen der Aggression in Artikel 8bis erweitert werden.

Artikel 25 Absatz 3bis

Durch Hinzufügung des Artikels 25 Absatz 3bis wird sichergestellt, dass sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit für das Verbrechen der Aggression in allen in Artikel 25 aufgeführten Beteiligungsformen nur auf Führungspersonen beschränkt. Eine Strafbarkeit zum Beispiel wegen Beihilfe oder Anstiftung zum Aggressionsverbrechen setzt voraus, dass Helfer oder Anstifter selbst das politische oder militärische Handeln eines Staates kontrollieren oder lenken.

Anlage zur Denkschrift

Resolution RC/Res.5

Auf der 12. Plenarsitzung am 10. Juni 2010 im Konsens angenommen RC/Res.5

Änderungen des Artikels 8 des Römischen Statuts

Die Überprüfungskonferenz, in Anbetracht des Artikels 123 Absatz 1 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, in dem der Generalsekretär der Vereinten Nationen ersucht wird, sieben Jahre nach Inkrafttreten des Statuts eine Überprüfungskonferenz zur Prüfung etwaiger Änderungen des Statuts einzuberufen, in Anbetracht des Artikels 121 Absatz 5 des Statuts, in dem es heißt, dass eine Änderung der Artikel 5, 6, 7 und 8 des Statuts für die Vertragsstaaten, welche die Änderung angenommen haben, ein Jahr nach Hinterlegung ihrer Ratifikations- oder Annahmeurkunde in Kraft tritt und dass der Gerichtshof seine Gerichtsbarkeit über ein von der Änderung erfasstes Verbrechen hinsichtlich eines Vertragsstaats, der die Änderung nicht angenommen hat, nicht ausübt, wenn das Verbrechen von Staatsangehörigen des betreffenden Vertragsstaats oder in dessen Hoheitsgebiet begangen wurde, und ihr Verständnis bestätigend, dass in Bezug auf diese Änderung derselbe Grundsatz, der für einen Vertragsstaat gilt, der die Änderung nicht angenommen hat, auch für Staaten gilt, die nicht Vertragspartei des Statuts sind, bestätigend, dass im Lichte des Artikels 40 Absatz 5 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge Staaten, die später Vertragsstaat des Statuts werden, entscheiden können, ob sie die in dieser Resolution enthaltene Änderung zum Zeitpunkt der Ratifika tion, Annahme oder Genehmigung des Statuts oder des Beitritts dazu annehmen, in Anbetracht des Artikels 9 des Statuts über die "Verbrechenselemente", in dem es heißt, dass die Elemente dem Gerichtshof bei der Auslegung und Anwendung der Bestimmungen in Bezug auf die seiner Gerichtsbarkeit unterliegenden Verbrechen helfen, unter gebührender Berücksichtigung dessen, dass die Verbrechen der Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen, der Verwendung erstickender, giftiger oder gleichartiger Gase sowie aller ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffe oder Vorrichtungen und der Verwendung von Geschossen, die sich im Körper des Menschen leicht ausdehnen oder flachdrücken, beispielsweise Geschosse mit einem harten Mantel, der den Kern nicht ganz umschließt oder mit Einschnitten versehen ist, als schwere Verstöße gegen die in einem internationalen bewaffneten Konflikt anwendbaren Gesetze und Gebräuche nach Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b bereits der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegen, in Anbetracht der relevanten Elemente der Verbrechen innerhalb der "Verbrechenselemente", die bereits am 9. September 2000 von der Versammlung der Vertragsstaaten angenommen wurden, in der Erwägung, dass die genannten relevanten Elemente der Verbrechen auch bei der Auslegung und Anwendung in bewaffneten Konflikten, die keinen internationalen Charakter haben, helfen können, da sie unter anderem präzisieren, dass das Verhalten im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt stattfand und mit diesem verbunden war, wodurch somit bestätigt wird, dass Situationen im Zusammenhang mit der Wahrung der öffentlichen Sicherheit von der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs ausgeschlossen sind, in der Erwägung, dass die in Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe e Ziffer xiii (Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen) und in Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe e Ziffer xiv (Verwendung erstickender, giftiger oder gleichartiger Gase sowie aller ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffe oder Vorrichtungen) genannten Verbrechen schwere Verstöße gegen die Gesetze und Gebräuche darstellen, die in einem bewaffneten Konflikt anwendbar sind, der keinen internationalen Charakter hat, wie sich aus dem Völkergewohnheitsrecht ergibt, in der Erwägung, dass das in Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe e Ziffer xv (Verwendung von Geschossen, die sich im Körper des Menschen leicht ausdehnen oder flachdrücken) genannte Verbrechen ebenfalls einen schweren Verstoß gegen die Gesetze und Gebräuche darstellt, die in einem bewaffneten Konflikt anwendbar sind, der keinen internationalen Charakter hat, und in dem Verständnis, dass nur dann ein Verbrechen vorliegt, wenn der Täter die Geschosse verwendet, um das Leiden oder die Verletzungswirkung bei der Person, die Ziel dieser Geschosse ist, unnötig zu verstärken, wie sich aus dem Völkergewohnheitsrecht ergibt,

Anlage I
Änderung des Artikels 8

In Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe e wird Folgendes angefügt:

Anlage II
"Verbrechenselemente"

Den "Verbrechenselementen" werden folgende Elemente hinzugefügt:

Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe e Ziffer xiii

Kriegsverbrechen der Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen

Elemente

Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe e Ziffer xiv

Kriegsverbrechen der Verwendung verbotener Gase, Flüssigkeiten, Stoffe oder Vorrichtungen

Elemente

Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe e Ziffer xv

Kriegsverbrechen der Verwendung verbotener Geschosse

Elemente

1) Dieses Element ist nicht so auszulegen, als beschränke oder berühre es bestehende oder sich entwickelnde Regeln des Völkerrechts in Bezug auf die Entwicklung, Herstellung, Lagerung und den Einsatz chemischer Waffen.

Resolution RC/Res.6

Auf der 13. Plenarsitzung am 11. Juni 2010 im Konsens angenommen RC/Res.6

Das Verbrechen der Aggression

Die Überprüfungskonferenz, unter Hinweis auf Artikel 12 Absatz 1 des Römischen Statuts, unter Hinweis auf Artikel 5 Absatz 2 des Römischen Statuts, außerdem unter Hinweis auf Ziffer 7 der Resolution F, die am 17. Juli 1998 von der Diplomatischen Bevollmächtigtenkonferenz der Vereinten Nationen zur Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs angenommen wurde, ferner unter Hinweis auf die Resolution ICC-ASP/1/Res.1 über die Kontinuität der Arbeiten zum Verbrechen der Aggression und mit dem Ausdruck ihres Dankes an die Sonderarbeitsgruppe zum Verbrechen der Aggression für die Ausarbeitung von Vorschlägen für eine Bestimmung über das Verbrechen der Aggression,

Kenntnis nehmend von der Resolution ICC-ASP/8/Res.6, mit der die Versammlung der Vertragsstaaten der Überprüfungskonferenz Vorschläge für eine Bestimmung über das Verbrechen der Aggression zur Behandlung übermittelte, entschlossen, die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs über das Verbrechen der Aggression möglichst bald zu aktivieren,

Anlage I
Änderungen des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs in Bezug auf das Verbrechen der Aggression

Anlage II
Änderungen der "Verbrechenselemente"

Artikel 8bis
Verbrechen der Aggression

Einleitung

Elemente

2) In Bezug auf eine Angriffshandlung können auch mehrere Personen in einer Lage sein, die diese Kriterien erfüllt.

Anlage III
Vereinbarte Auslegungen betreffend die Änderungen des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs in Bezug auf das Verbrechen der Aggression

Unterbreitung durch den Sicherheitsrat

Gerichtsbarkeit ratione temporis

Innerstaatliche Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression

Weitere vereinbarte Auslegungen