Beschluss des Bundesrates
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden KOM (2006) 373 endg.; Ratsdok. 11896/06

Der Bundesrat hat in seiner 825. Sitzung am 22. September 2006 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:

Mit dem derzeitigen gesetzlichen Rahmen liegt der Schwerpunkt im Wesentlichen auf den Anfangs- und Endstufen von Pflanzenschutzmitteln (PSM), d. h. der Zulassung von Wirkstoffen über die Verwendung von PSM vor ihrem Inverkehrbringen bis zu Rückstandshöchstgehalten in Lebens- und Futtermitteln.

Die thematische Strategie soll daher den bestehenden Rechtsrahmen ergänzen, indem sie auf die tatsächliche Verwendungsphase von Pflanzenschutzmitteln ausgerichtet ist.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die im Vorschlag genannte Richtlinie keinesfalls zu einer Ausweitung des bürokratischen Aufwands führen darf. Der Vorschlag ist im Sinne des Ziels der Deregulierung und Entbürokratisierung zu überprüfen.

Ein Mehraufwand an Verwaltungsarbeit würde den Erfolg von vornherein in Frage stellen.

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei der Kommission dafür einzusetzen, dass folgende Aspekte im weiteren Beratungsverfahren berücksichtigt werden:

Zu Erwägungsgrund Nr. 7

Der Bundesrat stellt fest, dass Erwägungsgrund Nr. 7 zu einseitig auf die Sensibilisierung der Öffentlichkeit auf die Risiken des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln ausgerichtet ist. Er hält es für besser, die Öffentlichkeit sachlich über die Vor- und Nachteile der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu informieren.

Zu Artikel 1 und 2

Der Bundesrat stellt ferner fest, dass sich Gegenstand (Artikel 1) und Geltungsbereich (Artikel 2) ausschließlich auf Pflanzenschutzmittel beziehen. Er bittet daher die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass der Richtlinienvorschlag künftig im Agrarbereich gemeinsam mit dem Vorschlag einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln - KOM (2006) 388 endg.; Ratsdok. 11755/06 - (BR-Drucksache 528/06 (PDF) ) diskutiert wird.

Der Bundesrat erkennt an, dass die Begriffsverwendung Pestizid (von lat. pestis = Seuche, caedere = töten) eine aus dem englischen Sprachgebrauch übernommene Bezeichnung für chemische Substanzen ist, die lästige oder schädliche Lebewesen töten, vertreiben oder in Keimung, Wachstum oder Vermehrung hemmen.

In den Gesetzestexten der deutschsprachigen Staaten und den deutschsprachigen Texten der EU zum Pflanzenschutzrecht wurde der Begriff "Pestizid" bisher jedoch nicht verwendet.

In der Vorlage werden die Begriffe "Pestizid" und "Pestizide" ausschließlich im Sinne von "Pflanzenschutzmittel" verwandt und sollten daher durch diesen Begriff ersetzt werden. In Artikel 2 der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln werden "Pflanzenschutzmittel" eindeutig definiert.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Begriff "Pestizid" mehrdeutig ist und oft missverständlich gebraucht wird. Im Deutschen sollte stattdessen im Bereich der Phytomedizin "Pflanzenschutzmittel", im Bereich der Schädlingsbekämpfung "Biozid" benutzt werden. Selbiges gilt für die Übersetzung von Vorlagen der EU.

Zu Artikel 4 Abs. 3

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei der Kommission auf eine kritische Prüfung von Artikel 4 Abs. 3 zu drängen, da den Mitgliedstaaten mindestens ein Mitspracherecht über die von ihnen eingebrachten Daten einzuräumen sein sollte.

Zu Artikel 7

Der Bundesrat bewertet die Ausrichtung des Artikels 7 auf "Sensibilisierungsprogramme" als zu einseitig und bittet die Bundesregierung, im Verlaufe der weiteren Verhandlungen darauf hinzuwirken, dass die Ausrichtung auf "Information" erfolgt.

Zu Artikel 13

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass in Artikel 13 (Integrierter Pflanzenschutz) keine Normen (Absatz 5) festgesetzt werden.

Der Bundesrat befindet es für zweckmäßiger, an den Stand des technischen Fortschritts angepasste Grundsätze zu definieren, die der Schaffung von Anreizen (Absatz 6) nicht im Wege stehen.

Zu Artikel 14

Der Bundesrat stellt fest, dass die in Artikel 14 erwähnte, von der Kommission geplante Statistik-Verordnung zur weiteren Erhöhung des Kontroll- und Verwaltungsaufwands in den Ländern führt, und bittet die Bundesregierung, sich gegen eine solche Verordnung auszusprechen.

Zu Artikel 15

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei Artikel 15 (Berichterstattung) für Berichtszeiträume nicht unter fünf Jahren einzusetzen, um den Arbeitsaufwand in den Ländern zu minimieren.

Zu Artikel 9

Der Bundesrat stellt fest, dass die Einführung eines generellen Verbots für das Sprühen aus der Luft gemäß Artikel 9 Abs. 1 des Vorschlags nicht immer mit den Erfordernissen eines sachgerechten Pflanzenschutzes vereinbar ist. So kann das Sprühen aus der Luft, je nach Kultur (z.B. Wald) und Gebiet (z.B. stark geneigte Flächen), oftmals nicht durch andere Pflanzenschutztechniken ersetzt werden. Nach Artikel 9 Abs. 2 bis 6 des Vorschlags können zwar Ausnahmen von diesem Verbot erteilt werden, dies wäre jedoch jeweils mit einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand verbunden. Zudem wäre unter diesen Voraussetzungen ein schnelles und effektives Eingreifen im Bedarfsfall (z.B. Schädlingskalamität im Wald) erheblich erschwert. Die Bundesregierung wird daher gebeten, anstelle der bisher vorgesehenen Regelungen gemäß Artikel 9 des Vorschlags sich für die Einführung eines Anzeigeverfahrens einzusetzen, mit der Verpflichtung, die Pflanzenschutzmaßnahme jeweils rechtzeitig vor Beginn des Einsatzes bei einer von den Mitgliedstaaten zu benennenden zuständigen Behörde anzuzeigen. Auf diesem Weg kann auch eine ordnungsgemäße Überwachung durch die zuständige Behörde sichergestellt werden.

Zu Artikel 11 Buchstabe b

Der Bundesrat spricht sich dafür aus, den gemäß Artikel 11 Buchstabe b des Vorschlags angesprochenen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in besonderen Schutzgebieten und anderen Gebieten gemäß den Artikeln 3 und 4 der Richtlinie 79/409/EWG und den Artikeln 6, 10 und 12 der Richtlinie 92/43/EWG auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Die zusätzlich enthaltene Option, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in solchen Gebieten pauschal zu verbieten ist nicht zielführend, da diese hinsichtlich Größe, Typ, Bewuchs und Standortfaktoren stark variieren. Im Einzelfall kann in FFH-Gebieten gerade der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zwingend notwendig werden, um den günstigen Erhaltungszustand von schützenswerten Lebensraumtypen zu gewährleisten.

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich gegen die Aufnahme eines derartigen Verbots auszusprechen.