Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens

A. Problem und Ziel

Die Aufklärung von Straftaten, die Ermittlung des Täters, die Feststellung seiner Schuld und seine Bestrafung wie auch der Freispruch des Unschuldigen sind die wesentlichen Aufgaben der Strafrechtspflege, die zum Schutz der Bürger den staatlichen Strafanspruch in einem justizförmigen und auf die Ermittlung der Wahrheit ausgerichteten Verfahren in gleichförmiger Weise durchsetzen soll. Die Umsetzung dieser Aufgaben verlangt nach Verfahrensvorschriften, welche die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege sicherstellen. Zuletzt wurden die Verfahrensvorschriften durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Gestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202, 3630) an die sich wandelnden Rahmenbedingungen angepasst. Zahlreiche Änderungen des Verfahrensrechts dienten der Effektivierung und Steigerung der Praxistauglichkeit des Strafverfahrens. Der vorliegende Entwurf knüpft an diese Regelungsziele an. Er enthält Vorschläge, die dem auch weiterhin bestehenden Regelungsbedürfnis im Strafverfahrensrecht nachkommen sollen.

B. Lösung

Das gerichtliche Strafverfahren soll beschleunigt und verbessert werden. So sollen missbräuchlich gestellte Befangenheits- und Beweisanträge unter erleichterten Voraussetzungen abgelehnt werden können. Durch die Einführung eines Vorabentscheidungsverfahrens für den Besetzungseinwand soll zeitnah Rechtssicherheit über die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts geschaffen werden. Die Nebenklagevertretung soll durch die Bestellung oder Beiordnung eines gemeinschaftlichen Nebenklagevertreters gebündelt werden können. Auch sollen künftig gesetzlicher Mutterschutz und Elternzeit Gründe dafür sein, die Fristen für die Unterbrechung der Hauptverhandlung so weit wie strafverfahrensrechtlich vertretbar, nämlich bis zu einer Dauer von zwei Monaten, zu hemmen. Schließlich soll in Gerichtsverhandlungen das Verbot eingeführt werden, das Gesicht ganz oder teilweise zu verdecken.

Zur Verfolgung des Wohnungseinbruchdiebstahls soll die Telekommunikationsüberwachung erweitert werden. Auch sollen die Möglichkeiten der DNA-Analyse im Strafverfahren noch weitreichender genutzt werden können. Schließlich soll eine Eilkompetenz der Fristablauf: 05.12.19

Führungsaufsichtsstellen zur Übermittlung personenbezogener Daten an die Polizeibehörden geschaffen und eine umfassende Informationsweitergabe im Rahmen von "Runden Tischen" ermöglicht werden.

Der Opferschutz im Strafverfahren soll weiter gestärkt werden. Der Entwurf sieht vor, die audiovisuelle Aufzeichnung von richterlichen Vernehmungen im Ermittlungsverfahren von zur Tatzeit erwachsenen Opfern von Sexualstraftaten verpflichtend vorzuschreiben. Um Vollzugsdefizite zu beseitigen, soll die derzeitige Sollvorschrift des § 58a Absatz 1 Satz 2 der Strafprozessordnung (StPO) als Mussvorschrift für die Fälle gefasst werden, in denen Opfer von Sexualstraftaten richterlich vernommen werden. Ferner soll der Anspruch des Nebenklägers auf privilegierte Bestellung eines Rechtsbeistandes insbesondere auf Fälle der Vergewaltigung ausgedehnt werden.

Mit der Einführung eines bundesweit geltenden Gerichtsdolmetschergesetzes sollen die derzeit in den Ländern unterschiedlich ausgestalteten Standards für die Beeidigung von Gerichtsdolmetschern vereinheitlicht werden. Sowohl die persönlichen als auch die fachlichen Voraussetzungen eines Gerichtsdolmetschers sollen dabei festgelegt werden.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Keiner.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Keine.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Mit Mehrkosten ist insbesondere aufgrund der Neuregelungen zur Erweiterung der audiovisuellen Aufzeichnung von Zeugenvernehmungen im Ermittlungsverfahren, der Erweiterung der DNA-Analyse und der Erweiterung des Deliktskatalogs in § 100a StPO auf den Wohnungseinbruchdiebstahl gemäß § 244 Absatz 4 StGB zu rechnen.

Soweit die Mehrkosten durch die Erweiterung der Möglichkeiten der Aufzeichnung von Vernehmungen in Bild und Ton in Rede stehen, haben die meisten Länder mitgeteilt, dass die erforderliche Technik aufgrund der bisher bestehenden gesetzlichen Regelungen in § 58a und § 136 Absatz 4 StPO bereits angeschafft wurde. Einige Länder rechnen damit, weitere Gerichte ausstatten zu müssen. Insoweit wird bundesweit mit einem einmaligen Erfüllungsaufwand von 507 500 Euro gerechnet.

Für die Untersuchung von DNA-fähigem Material auf die erweiterten Merkmale werden in den Ländern Untersuchungsgeräte der "Next Generation Sequencing Technology" benötigt. Deren Anschaffungspreis variiert zwischen 250 000 und 500 000 Euro. Die Anschaffung eines Geräts pro Land wird als ausreichend angesehen, so dass bei einem Preis von 300 000 Euro pro Gerät bundesweit ein einmaliger Erfüllungsaufwand von 4,8 Millionen Euro an Anschaffungskosten zustande kommt. Laufende Kosten entstehen bei der Analyse konkreter Spuren für das sogenannte Verbrauchsmaterial, denn dafür werden neben den Untersuchungsgeräten zusätzlich so genannte Analyse-Kits benötigt. Für die erweiterte Analyse der Spuren ist bundesweit mit einem laufenden jährlichen Mehraufwand von 768 000 Euro zu rechnen.

Ein moderat erhöhter Erfüllungsaufwand wird auch für die Erweiterung des Deliktskatalogs in § 100a StPO um Fälle des Wohnungseinbruchdiebstahls entstehen, da möglicherweise etwas häufiger von dieser Ermittlungsmaßnahme Gebrauch gemacht werden wird. Der laufende jährliche Erfüllungsaufwand wird insoweit auf 864 000 Euro geschätzt.

F. Weitere Kosten

Zahlreiche Vorschläge des Entwurfs dienen der Verfahrensvereinfachung und - beschleunigung im justiziellen Kernbereich des gerichtlichen Strafverfahrens und werden daher auch zu Kosteneinsparungen führen. Kosteneinsparungen werden insbesondere aufgrund der Regelungen zur Bündelung der Nebenklage, welche die Anzahl der Bestellungen und Beiordnungen von Rechtsbeiständen verringern, eintreten; die hierdurch entstehende Ersparnis wird bundesweit auf 2,46 Millionen Euro geschätzt.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 24. Oktober 2019
Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 05.12.19

Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 11. Juli 2019 (BGBl. I S. 1066) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

2. § 25 wird wie folgt geändert:

3. In § 26 Absatz 2 Satz 1 wird die Angabe " § 25 Abs. 2" durch die Wörter " § 25 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2" ersetzt.

4. § 29 wird wie folgt gefasst:

" § 29 Verfahren nach Ablehnung eines Richters

(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.

(2) Die Durchführung der Hauptverhandlung gestattet keinen Aufschub; sie findet bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters statt. Entscheidungen, die auch außerhalb der Hauptverhandlung ergehen können, dürfen nur dann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters getroffen werden, wenn sie keinen Aufschub gestatten.

(3) Über die Ablehnung ist spätestens vor Ablauf von zwei Wochen und stets vor Urteilsverkündung zu entscheiden. Die zweiwöchige Frist für die Entscheidung über die Ablehnung beginnt

Findet der übernächste Verhandlungstag erst nach Ablauf von zwei Wochen statt, so kann über die Ablehnung spätestens bis zu dessen Beginn entschieden werden.

(4) Wird die Ablehnung für begründet erklärt und muss die Hauptverhandlung nicht deshalb ausgesetzt werden, so ist ihr nach der Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegender Teil zu wiederholen. Dies gilt nicht für solche Teile der Hauptverhandlung, deren Wiederholung nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich ist."

5. Dem § 58a Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:

"Die Vernehmung muss nach Würdigung der dafür jeweils maßgeblichen Umstände aufgezeichnet werden und als richterliche Vernehmung erfolgen, wenn damit die schutzwürdigen Interessen von Personen, die durch Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184j des Strafgesetzbuches) verletzt worden sind, besser gewahrt werden können und der Zeuge der Bild-Ton-Aufzeichnung vor der Vernehmung zugestimmt hat."

6. Dem § 68 Absatz 3 wird folgender Satz angefügt:

"Ist dem Zeugen unter den Voraussetzungen des Satzes 1 gestattet worden, Angaben zur Person nicht oder nur über eine frühere Identität zu machen, darf er sein Gesicht entgegen § 176 Absatz 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes ganz oder teilweise verhüllen."

7. Nach § 81e Absatz 2 Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:

"Ist unbekannt, von welcher Person das Spurenmaterial stammt, dürfen zusätzlich Feststellungen über das Geschlecht, die Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie das Alter der Person getroffen werden."

8. In § 81g Absatz 5 Satz 2 Nummer 2 wird nach der Angabe " § 81e Absatz 2" die Angabe "Satz 1" eingefügt.

9. In § 100a Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe j werden nach den Wörtern "Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2" ein Komma und die Wörter "Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Absatz 4" eingefügt.

10. § 219 Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

"Beweisanträge hat der Angeklagte bei dem Vorsitzenden des Gerichts zu stellen."

11. § 222a wird wie folgt geändert:

12. § 222b wird wie folgt geändert:

13. § 229 Absatz 3 Satz 1 wird durch die folgenden Sätze ersetzt:

"Hat eine Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden, so ist der Lauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen gehemmt, solange

14. § 244 wird wie folgt geändert:

15. In § 245 Absatz 2 Satz 3 wird nach dem Wort "besteht" das Komma durch das Wort "oder" ersetzt und werden die Wörter "oder wenn der Antrag zum Zweck der Prozeßverschleppung gestellt ist" gestrichen.

16. § 255a Absatz 2 wird wie folgt geändert:

17. § 338 Nummer 1 wird wie folgt gefasst:

"1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn

18. § 397a Absatz 1 wird wie folgt geändert:

19. Nach § 397a wird folgender § 397b eingefügt:

" § 397b Gemeinschaftliche Nebenklagevertretung

(1) Verfolgen mehrere Nebenkläger gleichgelagerte Interessen, so kann ihnen das Gericht einen gemeinschaftlichen Rechtsanwalt als Beistand bestellen oder beiordnen. Gleichgelagerte Interessen liegen in der Regel bei mehreren Angehörigen eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten im Sinne des § 395 Absatz 2 Nummer 1 vor.

(2) Vor der Bestellung oder Beiordnung eines gemeinschaftlichen Rechtsanwalts soll den betroffenen Nebenklägern Gelegenheit gegeben werden, sich dazu zu äußern. Wird ein gemeinschaftlicher Rechtsanwalt nach Absatz 1 bestellt oder hinzugezogen, sind bereits erfolgte Bestellungen oder Beiordnungen aufzuheben.

(3) Wird ein Rechtsanwalt nicht als Beistand bestellt oder nicht beigeordnet, weil nach Absatz 1 ein anderer Rechtsanwalt bestellt oder beigeordnet worden ist, so stellt das Gericht fest, ob die Voraussetzungen nach § 397a Absatz 3 Satz 2 in Bezug auf den nicht als Beistand bestellten oder nicht beigeordneten Rechtsanwalt vorgelegen hätten."

20. In § 481 Absatz 1 Satz 3 werden nach dem Wort "Bewährungshelfer" die Wörter "und Führungsaufsichtsstellen" eingefügt und wird das Wort "dringenden" gestrichen.

21. In § 487 Absatz 1 Satz 3 werden nach dem Wort "Bewährungshelfer" werden die Wörter "und Führungsaufsichtsstellen" und nach den Wörtern "erforderlich sind" ein Semikolon und die Wörter "das Gleiche gilt für Mitteilungen an Vollstreckungsbehörden, soweit diese Daten für die in § 479 Absatz 2 Nummer 1 oder 3 genannten Zwecke erforderlich sind" eingefügt.

Artikel 2
Weitere Änderung der Strafprozessordnung

In § 100a Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe j der Strafprozessordnung, die zuletzt durch Artikel 1 dieses Gesetzes geändert worden ist, werden nach den Wörtern "Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2" das Komma und die Wörter "Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Absatz 4" gestrichen.

Artikel 3
Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

Das Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), das zuletzt durch Artikel 8 Absatz 1 des Gesetzes vom 8. Juli 2019 (BGBl. I S. 1002) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 121 wird wie folgt geändert:

2. § 135 Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

(2) Der Bundesgerichtshof entscheidet ferner über

3. § 176 wird wie folgt geändert:

4. § 189 Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

(2) Ist der Dolmetscher für Übertragungen der betreffenden Art nach dem Gerichtsdolmetschergesetz oder in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften allgemein beeidigt, so genügt vor allen Gerichten des Bundes und der Länder die Berufung auf diesen Eid."

Artikel 4
Weitere Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

In § 189 Absatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes, das zuletzt durch Artikel 3 dieses Gesetzes geändert worden ist, werden die Wörter "oder in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften" gestrichen.

Artikel 5
Gesetz über die allgemeine Beeidigung von gerichtlichen Dolmetschern (Gerichtsdolmetschergesetz - GDolmG)

§ 1 Allgemeine Beeidigung gerichtlicher Dolmetscher

Dolmetscher, die nach § 185 des Gerichtsverfassungsgesetzes, auch in Verbindung mit § 55 der Verwaltungsgerichtsordnung, § 52 Absatz 1 der Finanzgerichtsordnung, § 9 Absatz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes und § 61 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, zur Sprachenübertragung in Gerichtsverhandlungen zuzuziehen sind, werden nach den Vorschriften dieses Gesetzes allgemein beeidigt. § 189 Absatz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bleibt unberührt.

§ 2 Zuständigkeit für die allgemeine Beeidigung

(1) Für die allgemeine Beeidigung von gerichtlichen Dolmetschern ist zuständig:

(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, die Zuständigkeit nach Absatz 1 durch Rechtsverordnung einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte zuzuweisen. Die Landesregierungen können die Ermächtigungen auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

§ 3 Antrag auf allgemeine Beeidigung

(1) Als gerichtlicher Dolmetscher für eine Sprache oder mehrere Sprachen wird von der nach § 2 zuständigen Stelle auf Antrag allgemein beeidigt, wer

(2) Über die erforderlichen Sprachkenntnisse nach Absatz 1 Nummer 6 verfügt, wer eine der folgenden Prüfungen bestanden hat:

(3) Dem Antrag auf allgemeine Beeidigung sind die erforderlichen Unterlagen beizufügen, insbesondere

(4) Die nach § 2 zuständige Stelle bestätigt binnen eines Monats nach Eingang des Antrags den Empfang der von dem Antragsteller eingereichten Unterlagen und fordert ihn gegebenenfalls auf, weitere Unterlagen nachzureichen. Das Verfahren ist innerhalb von drei Monaten nach vollständigem Eingang aller Unterlagen abzuschließen. Diese Frist kann in begründeten Fällen um einen Monat verlängert werden. Bestehen Zweifel an der Echtheit von vorgelegten Bescheinigungen oder Nachweisen oder benötigt die nach § 2 zuständige Stelle weitere Informationen, so kann sie durch Nachfrage bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaates die Echtheit überprüfen oder entsprechende Informationen einholen.

(5) Für die Dauer der Ermittlungen nach Absatz 4 Satz 4 ist der Fristablauf nach Absatz 4 Satz 2 gehemmt.

§ 4 Alternativer Befähigungsnachweis

(1) Die nach § 3 Absatz 1 Nummer 6 erforderlichen Sprachkenntnisse können statt mit einer Prüfung nach § 3 Absatz 2 auf andere Weise nachgewiesen werden, wenn ein besonderes Bedürfnis für die allgemeine Beeidigung besteht und

(2) Als Nachweis im Sinne des Absatzes 1 gelten:

Wird für die zu beeidigende Sprache keine Prüfung nach Absatz 1, aber ein staatliches Verfahren zur Überprüfung der Kenntnisse der zu beeidenden Sprache angeboten, so soll die nach § 2 zuständige Stelle neben den Nachweisen nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 den Nachweis über das Bestehen des Überprüfungsverfahrens verlangen.

(3) Bei Antragstellern, deren Qualifikation im Vollzug der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 vom 30.9.2005, S. 22; L 271 vom 16.10.2007, S. 18; L 93 vom 4.4.2008, S. 28; L 33 vom 3.2.2009, S. 49; L 305 vom 24.10.2014, S. 115), die zuletzt durch den Delegierten Beschluss (EU) Nr. 2019/608 (ABl. L 104 vom 15.4.2019, S. 1) geändert worden ist, als gleichwertig anerkannt wurde, sind die Voraussetzungen des § 3 Absatzes 1 Nummer 2 bis 6 nicht nochmals nachzuprüfen, soweit im Herkunftsland gleichwertige oder vergleichbare Anforderungen an die Ausbildung und Prüfung gestellt wurden. Sind die Anforderungen nur teilweise gleichwertig oder nur teilweise vergleichbar, kann der Antragsteller die fehlenden Kenntnisse und Ausbildungsinhalte durch erfolgreichen Abschluss der Eignungsprüfung oder eines Anpassungslehrgangs ausgleichen.

§ 5 Beeidigung des Dolmetschers

(1) Der Dolmetscher hat einen Eid dahin zu leisten, dass er treu und gewissenhaft übertragen werde.

(2) Auf die Beeidigung sind im Übrigen die Vorschriften des § 189 Absatz 1 Satz 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes anzuwenden.

(3) Dem Dolmetscher ist es untersagt, Tatsachen, die ihm bei der Ausübung seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangen, Dritten unbefugt mitzuteilen oder sie zum Nachteil anderer zu verwerten.

(4) Über die allgemeine Beeidigung ist

§ 6 Bezeichnung der allgemein beeidigten Gerichtsdolmetscher

Die Bezeichnung "allgemein beeidigter Gerichtsdolmetscher für ... [Angabe der Sprache, für die er beeidigt ist]" oder die Bezeichnung "allgemein beeidigte Gerichtsdolmetscherin für ... [Angabe der Sprache, für die sie beeidigt ist]" darf führen, wer nach § 5 allgemein beeidigt ist.

§ 7 Befristung der allgemeinen Beeidigung; Verzicht; Widerruf

(1) Die allgemeine Beeidigung endet nach fünf Jahren. Sie wird auf Antrag des Dolmetschers jeweils um weitere fünf Jahre verlängert, wenn keine Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 und 3 bis 6 fehlen. Dem Antrag auf Verlängerung ist ein aktueller Nachweis nach § 3 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 beizufügen. Ist der Dolmetscher zum Zeitpunkt des ersten Verhandlungstages nach diesem Gesetz allgemein beeidigt und beruft er sich auf diesen Eid, so besteht die Beeidigung für dieses Verfahren bis zu dessen Abschluss fort.

(2) Die allgemeine Beeidigung wird unwirksam, wenn der Dolmetscher auf sie durch schriftliche Erklärung verzichtet.

(3) Die allgemeine Beeidigung kann widerrufen werden, wenn der Dolmetscher

(4) Das nach § 2 zuständige Gericht nimmt im Rahmen der Amtshilfe und der Verwaltungszusammenarbeit mit Behörden anderer Mitglieds- oder Vertragsstaaten die in den Artikeln 8 und 56 Absatz 1 und 2 der Richtlinie 2005/36/EG geregelten Befugnisse und Verpflichtungen wahr.

§ 8 Verlust und Rückgabe der Beeidigungsurkunde

(1) Der Verlust der Beeidigungsurkunde ist dem Aussteller und der nach § 2 zuständigen Stelle unverzüglich mitzuteilen.

(2) Die Beeidigungsurkunde ist an den Aussteller zurückzugeben, wenn die Beeidigung

§ 9 Datenverarbeitung

(1) Die nach § 2 zuständige Stelle darf die für die allgemeine Beeidigung erforderlichen personenbezogenen Daten sowie die Angaben nach § 7 verarbeiten und in automatisierte Abrufverfahren einstellen.

Zu den personenbezogenen Daten nach Satz 1 gehören der Name, die Vornamen sowie die ladungsfähige Anschrift, zu den Angaben nach § 7 gehören die Berufsbezeichnung, das Ablaufdatum der Befristung sowie die Sprache, für die der Antragsteller beeidigt ist. Mit Einwilligung des Antragstellers können weitere Daten verarbeitet werden.

(2) Die nach § 2 zuständige Stelle darf die Daten nach Absatz 1 auf Anfrage den in § 2 genannten Gerichten sowie anderen öffentlichen Stellen des Bundes und der Länder übermitteln. Die Übermittlung kann auch dadurch erfolgen, dass die Daten in einer gemeinsamen Datenbank gespeichert werden. Die Daten dürfen von den anderen Stellen nur dazu verarbeitet werden, nach beeidigten Dolmetschern zu suchen.

(3) Die nach § 2 zuständige Stelle erteilt auf Antrag Auskunft über das Bestehen oder Nichtbestehen der allgemeinen Beeidigung einer Person. Der Antrag ist zu begründen. Die Auskunft kann verweigert werden, wenn ihr schutzwürdige Belange des Dolmetschers entgegenstehen.

(4) Mit Einwilligung des Antragstellers werden die in Absatz 1 genannten Daten im Internet veröffentlicht.

(5) Die Eintragung ist auf eigenen Antrag, nach Ablauf der Befristung, im Todesfall, nach Verzicht oder nach bestandskräftiger oder vollziehbarer Rücknahme oder nach bestandskräftigem oder vollziehbarem Widerruf der allgemeinen Beeidigung zu löschen.

§ 10 Anzeigepflichten des allgemein beeidigten Dolmetschers

(1) Der allgemein beeidigte Dolmetscher hat der nach § 2 zuständigen Stelle unverzüglich die Änderung seiner personenbezogenen Daten gemäß § 9 Absatz 1 Satz 2 und 3 sowie alle sonstigen Änderungen mitzuteilen, die für die Tätigkeit als allgemein beeidigter Dolmetscher erheblich sind, wie insbesondere die Verhängung einer gerichtlichen Strafe oder einer Maßregel der Sicherung und Besserung gegen ihn, seine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis sowie die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen.

(2) Verlegt der allgemein beeidigte Dolmetscher seinen Wohnsitz oder seine berufliche Niederlassung in den Bezirk eines anderen Oberlandesgerichts, so hat die Mitteilung nach Absatz 1 an die nach § 2 nunmehr zuständigen Stelle zu erfolgen. Die Rechte und Pflichten zur Datenverwendung nach § 9 gehen insofern auf die nunmehr zuständige Stelle über.

§ 11 Bußgeldvorschriften

(1) Ordnungswidrig handelt, wer sich unbefugt als "allgemein beeidigter Gerichtsdolmetscher" oder "allgemein beeidigte Gerichtsdolmetscherin" nach § 6 bezeichnet oder eine Bezeichnung führt, die damit verwechselt werden kann.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu dreitausend Euro geahndet werden.

§ 12 Kosten

Für die Beeidigung und die Verlängerung der Beeidigung von Dolmetschern werden Kosten nach den jeweiligen landesrechtlichen Kostengesetzen erhoben.

Artikel 6
Änderung des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes

Dem § 10 Absatz 1 des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes vom 11. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3510), das durch Artikel 2 Absatz 12 des Gesetzes vom 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122) geändert worden ist, wird folgender Satz angefügt:

"Eine nach Satz 1 zu schützende Person darf ihr Gesicht entgegen § 176 Absatz 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes ganz oder teilweise verhüllen."

Artikel 7
Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes

Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 788), das zuletzt durch Artikel 10b des Gesetzes vom 9. August 2019 (BGBl. I S. 1202) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 53 folgende Angabe eingefügt:

" § 53a Vergütungsanspruch bei gemeinschaftlicher Nebenklagevertretung".

2. Nach § 53 wird folgender § 53a eingefügt:

" § 53a Vergütungsanspruch bei gemeinschaftlicher Nebenklagevertretung

Stellt ein Gericht gemäß § 397b Absatz 3 der Strafprozessordnung fest, dass für einen nicht als Beistand bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt die Voraussetzungen einer Bestellung oder Beiordnung vorgelegen haben, so steht der Rechtsanwalt hinsichtlich der von ihm bis zu dem Zeitpunkt der Bestellung oder Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts erbrachten Tätigkeiten einem bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt gleich. Der Rechtsanwalt erhält die Vergütung aus der Landeskasse, wenn die Feststellung von einem Gericht des Landes getroffen wird, im Übrigen aus der Bundeskasse."

Artikel 8
Einschränkung eines Grundrechts

Durch Artikel 1 Nummer 9 wird das Fernmeldegeheimnis ( Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

Artikel 9
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich des Satzes 2 am Tag nach der Verkündung in Kraft. Die Artikel 2 und 4 treten am [einsetzen: Angabe des Tages und Monats der Verkündung dieses Gesetzes sowie der Jahreszahl des fünften auf die Verkündung folgenden Jahres] in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Die Aufklärung von Straftaten, die Ermittlung des Täters, die Feststellung seiner Schuld und seine Bestrafung wie auch der Freispruch des Unschuldigen sind die wesentlichen Aufgaben der Strafrechtspflege, die zum Schutz der Bürger den staatlichen Strafanspruch in einem justizförmigen und auf die Ermittlung der Wahrheit ausgerichteten Verfahren in gleichförmiger Weise durchsetzen soll (vergleiche Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Urteil vom 16. Januar 2003 - 2 BvR 716/01 -, BVerfGE 107, 104 - 133). Die Umsetzung dieser Aufgaben verlangt nach Verfahrensvorschriften, welche die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege sicherstellen.

Zuletzt wurden die Verfahrensvorschriften durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Gestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202, 3630) an die sich wandelnden Rahmenbedingungen angepasst. Zahlreiche Änderungen des Verfahrensrechts dienten der Effektivierung und Steigerung der Praxistauglichkeit des Strafverfahrens. Der vorliegende Entwurf knüpft an diese Regelungsziele an. Er enthält Vorschläge, die dem auch weiterhin bestehenden Regelungsbedürfnis im Strafverfahrensrecht nachkommen sollen.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

1. Verfahrensvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung

Der Entwurf schlägt zur Vereinfachung und Beschleunigung des gerichtlichen Strafverfahrens mehrere Maßnahmen vor:

Durch die Bündelung der Nebenklagevertretung soll es den Gerichten in Strafverfahren insbesondere mit einer Vielzahl von Nebenklägern ermöglicht werden, einer Gruppe von Nebenklägern mit gleichgerichteten Interessen einen gemeinschaftlichen Rechtsbeistand zu bestellen oder beizuordnen. Der gemeinschaftliche Rechtsanwalt kann die Opferinteressen wirksam wahrnehmen. Zugleich wird dem Gericht die Durchführung der Hauptverhandlung durch die geringere Anzahl an Verfahrensbeteiligten erleichtert.

Mit der Einführung des Vorabentscheidungsverfahrens über Besetzungsrügen soll der erhobene Einwand vorschriftswidriger Besetzung des Gerichts unter Wahrung der Verfahrensrechte des Angeklagten schon vor oder zu Beginn einer Hauptverhandlung abschließend durch ein höheres Gericht beschieden werden. Die Hauptverhandlung soll bis zur Entscheidung über den Besetzungseinwand fortgesetzt werden können. Einer Unterbrechung der Hauptverhandlung bedarf es dann künftig in aller Regel nicht mehr. Der verfassungsrechtlich verbürgte Anspruch des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter wird umfassend geschützt. Nach Zustellung oder Bekanntgabe der Besetzungsmitteilung erhält dieser eine Woche Zeit, um die Besetzung des Gerichts zu prüfen. Die Möglichkeit der Überprüfung in der Revision bleibt ihm erhalten, sofern sein form- und fristgerecht erhobener Einwand im Vorabentscheidungsverfahren nicht vor der Verkündung des Urteils beschieden wurde oder er die Besetzung nicht eine Woche lang prüfen konnte, obwohl er dieses Verlangen zu Beginn der Hauptverhandlung geltend gemacht hat.

Zu einer Beschleunigung des Verfahrens unter gleichzeitiger Wahrung der Interessen des Angeklagten führen auch die Änderungsvorschläge zum Befangenheitsrecht. Derzeit darf ein Richter, sobald er als befangen abgelehnt wird, im Grundsatz nur unaufschiebbare Handlungen vornehmen. Dies hat in der Vergangenheit zu teilweise erheblichen Verzögerungen des Verfahrens geführt. Dabei ist die weit überwiegende Anzahl an Befangenheitsanträgen nach Erfahrungen aus der justiziellen Praxis unbegründet. Der Änderungsvorschlag trägt diesem Umstand Rechnung und sieht unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Strafverfahrens vor, den abgelehnten Richter ohne Beschränkung während der Hauptverhandlung mitwirken zu lassen. Über den Befangenheitsantrag soll im Grundsatz spätestens bis vor Ablauf von zwei Wochen entschieden werden. Bis dahin kann die Strafsache weiter gefördert werden. Vor Beginn der Hauptverhandlung, aber ab Zustellung der Besetzungsmitteilung sollen Befangenheitsanträge, deren Gründe bis zur Zustellung der Besetzungsmitteilung oder im Zeitraum der Bekanntgabe der Besetzungsmitteilung bis zum Beginn der Hauptverhandlung bekannt geworden sind, unverzüglich geltend gemacht werden. Wird die Besetzung rechtzeitig vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt, kann das Gericht im Fall eines begründeten Befangenheitsantrages in geänderter Besetzung die Hauptverhandlung durchführen, wodurch unnötige Wiederholungen der Beweisaufnahme vermieden werden können.

Weiterhin sieht der Entwurf Vereinfachungen im Beweisantragsrecht vor. Beweisersuchen, die mit dem Ziel der Prozessverschleppung gestellt werden, sollen nicht mehr als Beweisantrag abgelehnt werden müssen. Auch soll es für die Prozessverschleppungsabsicht ohne Bedeutung sein, ob die Hauptverhandlung zu einer wesentlichen oder erheblichen Verzögerung führen würde.

Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken und um möglichst zu verhindern, dass Strafverfahren nach zum Teil langwieriger Beweisaufnahme ausgesetzt und wiederholt werden müssen, sollen künftig auch Mutterschutz und Elternzeit so weit wie strafverfahrensrechtlich vertretbar Gründe dafür sein, den Lauf der Unterbrechungsfrist bis zu einer Dauer von zwei Monaten zu hemmen.

Ferner soll es den Verfahrensbeteiligten in Gerichtsverhandlungen generell verboten werden, ihr Gesicht ganz oder teilweise zu verdecken, weil hierdurch der Ablauf insbesondere auch strafgerichtlicher Hauptverhandlungen und Beweiserhebungen im Einzelfall erheblich gestört werden kann. Von dem gesetzlichen Verbot der Gesichtsverhüllung sollen allerdings die verfassungsrechtlich gebotenen Ausnahmen für die Fälle, in denen das Verbot zur Identitätsfeststellung oder zur Beurteilung des Aussageverhaltens nicht notwendig ist, sowie zum Schutz einzelner Personengruppen zugelassen werden.

2. Erweiterung der Ermittlungs- und Datenübertragungsbefugnisse

Der Entwurf sieht zudem notwendige Erweiterungen von Ermittlungsbefugnissen der Strafverfolgungsbehörden vor. Zur Verfolgung des Wohnungseinbruchdiebstahls soll die Telekommunikationsüberwachung erweitert werden. Bei Verdacht eines Einbruchdiebstahls in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung (§ 244 Absatz 4 des Strafgesetzbuches - StGB) soll den Ermittlungsbehörden die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation ermöglicht werden, ohne dass - wie derzeit - einschränkend der Verdacht eines bandenmäßig begangenen Diebstahls vorliegen muss. Erforderlich ist aber - wie auch sonst bei Maßnahmen nach § 100a Absatz 1 der Strafprozessordnung (StPO) -, dass die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten ohne die Maßnahme wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.

Um Anhaltspunkte für das Aussehen eines unbekannten Spurenlegers zu gewinnen, sollen die Möglichkeiten der molekulargenetischen Untersuchungen an aufgefundenem, sichergestelltem und beschlagnahmtem Material erweitert werden. Der Änderungsvorschlag soll die wissenschaftlich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit mögliche Bestimmung der Haar-, Augen- und Hautfarbe sowie des Alters des Spurenlegers erlauben.

Schließlich soll eine Eilkompetenz der Führungsaufsichtsstellen zur Übermittlung personenbezogener Daten an die Polizeibehörden geschaffen werden. Es soll zudem eine umfassende Informationsweitergabe im Rahmen von "Runden Tischen" ermöglicht werden.

3. Stärkung des Opferschutzes

Der Opferschutz im Strafverfahren soll durch zwei Änderungsvorschläge gestärkt werden. Schon nach derzeitiger Rechtslage sollen Vernehmungen von Kindern und Jugendlichen, die Opfer bestimmter schwerer Straftaten geworden sind, im Ermittlungsverfahren audiovisuell aufgezeichnet werden. Die Aufzeichnung in Bild und Ton ermöglicht dem Gericht die Ermessensentscheidung, dem Opfer die Vernehmung in der Hauptverhandlung zu ersparen und diese durch die Vorführung der Aufzeichnung zu ersetzen. Der Entwurf sieht vor, diese Regelung auf Vernehmungen von zur Tatzeit erwachsenen Opfern von Sexualstraftaten auszudehnen. Um die in der Praxis feststellbaren Vollzugsdefizite zu beheben, soll die derzeitige Sollvorschrift des § 58a Absatz 1 Satz 2 StPO als Mussvorschrift für die Fälle gefasst werden, in denen Opfer von Sexualstraftaten richterlich vernommen werden.

Ferner sieht der Entwurf vor, den Opfern von sexuellen Übergriffen in besonders schweren Fällen einen Anspruch auf privilegierte Bestellung eines Rechtsbeistandes einzuräumen. Dadurch soll dem gesteigerten Bedürfnis der Opfer nach anwaltlicher Beratung und Beistand insbesondere in Vergewaltigungsfällen Rechnung getragen werden.

4. Einführung eines Gerichtsdolmetschergesetzes

Mit der Einführung eines bundesweit geltenden Gerichtsdolmetschergesetzes sollen die derzeit in den Ländern unterschiedlich ausgestalteten Standards für die Beeidigung von Gerichtsdolmetschern vereinheitlicht werden. Sowohl die persönlichen als auch die fachlichen Voraussetzungen eines Gerichtsdolmetschers sollen dabei festgelegt werden.

III. Alternativen

Zur Erweiterung der Feststellungen, die an der DNA unbekannter Spurenleger getroffen werden dürfen, liegt ein Gesetzesantrag des Deutschen Bundesrates vor (Bundesratsdrucksache 117/17 (PDF) ).

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt für die vorgeschlagenen Änderungen aus dem Kompetenztitel des Artikels 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (Artikel 1 und 2: Gerichtliches Verfahren; Artikel 3 bis 5: Gerichtsverfassung; Artikel 6: Rechtsanwaltschaft).

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Der Entwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.

VI. Gesetzesfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Einige der Vorschläge zur Vereinfachung und Beschleunigung des Strafverfahrens können zu Rechts- und Verwaltungsvereinfachungen führen.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Der Entwurf steht im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, die der Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung dient. Insbesondere trägt der Entwurf zur Gewährleistung einer funktionierenden Strafrechtspflege bei, die Voraussetzung ist für eine friedliche Gesellschaft im Sinne des Nachhaltigkeitsziels 16 der Agenda 2030.

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

4. Erfüllungsaufwand

Mehrkosten sind insbesondere aufgrund der Neuregelungen zur Erweiterung der audiovisuellen Aufzeichnung von Zeugenvernehmungen im Ermittlungsverfahren, für die Erweiterung der DNA-Analyse und für die Erweiterung des Deliktskatalogs in § 100a StPO auf den Wohnungseinbruchdiebstahl gemäß § 244 Absatz 4 StGB zu erwarten.

Soweit die Mehrkosten durch die Erweiterung der Möglichkeiten der Aufzeichnung von Vernehmungen in Bild und Ton beziffert werden sollen, ist zu berücksichtigen, dass schon heute eine - durch die Sollvorschrift des § 58a Absatz 1 Satz 2 StPO abgesicherte - Verpflichtung zur Aufzeichnung von Zeugenvernehmungen in Bild und Ton besteht. Ab dem 1. Januar 2020 tritt zudem die Vorschrift des § 136 Absatz 4 StPO in Kraft, die in bestimmten Fällen die audiovisuelle Aufzeichnung einer Beschuldigtenvernehmung vorsieht. Viele Länder haben daher mitgeteilt, dass die erforderliche Videotechnik für die Gerichte schon angeschafft wurde und daher kein neuer Aufwand für die Anschaffung der erforderlichen Technik einschließlich baulicher Veränderungen entsteht. Einige Länder halten indes eine Ausstattung weiterer Gerichte aufgrund der Neuregelung für erforderlich. So teilt ein größeres Land mit, dass für die Ausstattung von 50 Standorten mit der erforderlichen Technik zu je 2 500 Euro mit einem einmaligen Aufwand von 125 000 Euro gerechnet werde. Ein weiteres großes Land will 30 Amtsgerichte mit der erforderlichen Technik ausstatten und beziffert die Kosten auf 12 000 Euro pro Amtsgericht auf 4 Jahre und ermittelt somit einen einmaligen Aufwand in Höhe von 360 000 Euro. Ein kleineres Land geht davon aus, neun weitere Amtsgerichte mit der erforderlichen Technik ausstatten zu müssen, bei einem Wert von 2 500 Euro pro Einheit wäre hier mit einem einmaligen Aufwand von 22 500 Euro zu rechnen. Insgesamt entsteht dadurch ein einmaliger Mehraufwand von 507 500 Euro.

Für die Untersuchung von DNA-fähigem Material auf die erweiterten Merkmale werden von den Ländern Untersuchungsgeräte der "Next Generation Sequencing Technology" benötigt, deren Anschaffungspreis zwischen 250 000 und 500 000 Euro variiert. Die Anschaffung eines Geräts pro Land wird als ausreichend angesehen, so dass bei einem Preis von 300 000 Euro pro Gerät bundesweit ein einmaliger Erfüllungsaufwand von 4,8 Millionen Euro an Anschaffungskosten zustande kommt. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass Geräte der "Next Generation Sequencing Technology" ohnehin im Lauf der Zeit angeschafft werden, da Spuren damit schneller und effizienter untersucht werden können. Ein erhöhter Sachaufwand wird also in erster Linie durch das Vorziehen bereits geplanter Anschaffungen entstehen.

Als laufender Erfüllungsaufwand werden für die Analyse konkreter Spuren neben den Untersuchungsgeräten zusätzlich höhere Kosten für das sogenannte Verbrauchsmaterial entstehen. Insbesondere werden für die erweiterte DNA-Untersuchung so genannte Analyse-Kits benötigt, deren Anschaffungspreis pro Stück ebenfalls variiert. Die Kosten eines Library Kit etwa betragen 11 000 Euro und ermöglichen 384 Proben, die Kosten eines NGS-Cartrige umfassen 1 200 Euro für 50 Proben. Die Kosten, die für die erweiterte Untersuchung jeder einzelnen DNA-Spur entstehen, sind allerdings maßgeblich von der Auslastung der Gerätschaften und der benutzten Analyse-Kits abhängig. Werden tatsächlich 384 Proben mit einem Library-Kit analysiert, was einer Vollauslastung gleichkäme, läge der Preis pro Probe bei ca. 30 Euro. Bei den NGS-Cartriges läge der Preis pro Probe bei ca. 24 Euro. Wird keine Vollauslastung erreicht, steigen die Preise pro Probe entsprechend. Nimmt man eine Vollauslastung an und geht zusätzlich davon aus, dass zur Absicherung jeweils Doppelanalysen der Spuren nach beiden Systemen vorgenommen werden, kommt man auf einen Wert von 108 Euro Euro pro analysierter Probe.

Auch zur Anzahl der künftig vorzunehmenden erweiterten DNA-Untersuchungen gehen die Schätzungen der Länder weit auseinander. Während ein großes Land mitgeteilt hat, dass bei seinen Ermittlungsbehörden jährlich ca. 1.400 Spuren anfallen, die generell für eine erweiterte DNA-Analyse geeignet wären, weist ein weiteres Land darauf hin, dass dort jährlich für den Bereich der Katalogstraftaten nach § 100a StPO (also im Bereich der schwereren Kriminalität) ca. 600 bis 800 geeignete Spuren anfallen. Geht man von einem Durchschnitt von 1 000 Spuren pro Land im Jahr und Kosten von 108 Euro pro Analyse aus, entsteht ein laufender jährlicher Erfüllungsaufwand von 1 728 000 Euro. Hiervon abzuziehen sind die Kosten, die bislang für die (nicht erweiterte) Analyse dieser Spuren anfallen, die bei Vollauslastung regelmäßig mit 30 Euro pro Spur, bei Doppelanalysen folglich 60 Euro pro Spur veranschlagt werden. Eingespart werden folglich 960 000 Euro, so dass der laufende Erfüllungsaufwand bundesweit jährlich 768 000 Euro beträgt.

Mehrere Länder weisen zudem darauf hin, dass der Einsatz der neuen Gerätschaften und Analyseverfahren die Einstellung zusätzlichen Fachpersonals notwendig machen könnte, wobei der Aufwand nicht näher beziffert werden könne. Dies könnte wegen der neu zu bewältigenden Datenmengen gegebenenfalls auch für IT-Personal gelten. Dem stehen jedoch Erleichterungen bei der Ermittlungsführung und damit die Vermeidung ansonsten notwendiger Ermittlungstätigkeiten mit entsprechendem Aufwand gegenüber. Insgesamt lässt sich die Kostenfolge nicht hinreichend sicher abschätzen.

Ein erhöhter Erfüllungsaufwand wird auch für die Erweiterung des Deliktskatalogs in § 100a StPO um Fälle des Wohnungseinbruchdiebstahls entstehen. Bei einer Telekommunikationsüberwachung entstehen gemäß Nummer 100 der Anlage 3 zu § 23 Absatz 1 JVEG für jede Neuaufschaltung pro Kennung Kosten in Höhe von 100 Euro, gemäß Nummer 101 der Anlage 3 zu § 23 Absatz 1 JVEG für jede Verlängerung 35 Euro. Es entstehen folglich Kosten von mindestens 135 Euro pro Maßnahme. Die Anzahl der Maßnahmen, in denen eine Aufschaltung wegen eines Wohnungseinbruchdiebstahls gemäß § 244 Absatz 4 StGB erfolgen wird, wird als schwer prognostizierbar angesehen. Ein Land geht hierbei von ca. 400 zusätzlichen Überwachungsmaßnahmen im Jahr aus, mithin von ca. 54 000 Euro, die nach JVEG zusätzlich anfallen dürften. Werden diese Zahlen auf die übrigen 16 Länder übertragen, ist mit einem bundesweiten jährlichen Erfüllungsaufwand in Höhe von 864 000 Euro zu rechnen. Ein Stadtstaat weist zudem darauf hin, dass mit - nicht genau abschätzbaren - Mehrkosten für zusätzliche Übersetzungskosten und eine Erweiterung des Datenarchivs zu rechnen sein könnte. Auch hier gilt, dass den eventuellen Mehrkosten zu erwartende Erleichterungen bei der Ermittlungsführung gegenüberstehen.

5. Weitere Kosten

Zahlreiche Vorschläge dienen der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung im justiziellen Kernbereich des gerichtlichen Strafverfahrens und werden daher auch zu Kosteneinsparungen führen.

Dies gilt insbesondere für die Regelungen zur Bündelung der Nebenklage, welche die Anzahl der Bestellungen und Beiordnungen von Rechtsbeiständen verringern und dadurch Kosten reduzieren werden. Insoweit hat ein Land die Zahlen der Beiordnungen von Rechtsbeiständen aus vier Landgerichtsbezirken mitgeteilt. Deren Anzahl belief sich im Jahr 2018 auf 35 Beiordnungen in einem Landgerichtsbezirk mit 500 000 Einwohnern, 71 Beiordnungen in einem Landgerichtsbezirk mit 700 000 Einwohnern, 47 Beiordnungen in einem Landgerichtsbezirk mit einer Million Einwohnern und 48 Beiordnungen in einem Landgerichtsbezirk mit 1,5 Millionen Einwohnern. Bei den Amtsgerichten sei von vier bis 16 Beiordnungen im Jahr 2018 bei kleineren Gerichtsbezirken mit 100 000 bis 130 000 Einwohnern auszugehen. Ein Amtsgerichtsbezirk mit 300 000 Einwohnern habe im Jahr 2018 39 Beiordnungen vorgenommen. Geht man im Ergebnis von einem Durchschnittswert von etwa 50 Beiordnungen pro Jahr auf eine Million Einwohner bei den Landgerichten und etwa zehn Beiordnungen pro Jahr auf 100 000 Einwohner bei den Amtsgerichten aus, ergibt sich bei 82 Millionen Einwohnern eine Gesamtanzahl von 12 300 Beiordnungen im Jahr 2018. Für eine Beiordnung entstehen bei einem Durchschnitt von fünf Verhandlungstagen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz mindestens die Grundgebühr (160 Euro nach Nummer 4100 VV RVG), die Verfahrensgebühr (148 Euro nach Nummer 4112 VV RVG), die Terminsgebühren (5 x 256 Euro nach Nummer 4114 VV RVG) und die Auslagenpauschale (20 Euro nach Nummer 7002 VV RVG), das heißt 1 608 Euro. Geht man zuzüglich weiterer Auslagen wie Fahrtkosten und der Mehrwertsteuer von einem Betrag in Höhe von 2 000 Euro pro Beiordnung aus, ergibt sich bei 12 300 Beiordnungen im Jahr ein Betrag in Höhe von 24,6 Millionen Euro. Die weit überwiegende Zahl der Beiordnungen wird keine großen Verfahren betreffen, in denen durch eine Tat eine Vielzahl von Verletzten Anspruch auf Bestellung eines Rechtsbeistandes hat. Diese Beiordnungen fallen nach wie vor an. Eine gemeinschaftliche Beiordnung aufgrund gleichgelagerter Interessen wird daher schätzungsweise zu einem Rückgang von 10 Prozent der Beiordnungen führen. Folglich ergeben sich bundesweit Einsparungen in Höhe von 2,46 Millionen Euro.

Die weiteren Kosteneinsparungen im Kernbereich des gerichtlichen Verfahrens sind nicht genau bezifferbar. Auswirkungen auf Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

6. Weitere Gesetzesfolgen

Die Regelungen werden keine Auswirkungen für Verbraucherinnen und Verbraucher haben. Sie sind inhaltlich geschlechtsneutral und betreffen Frauen und Männer in gleicher Weise. Demografische Auswirkungen sind ebenfalls nicht zu erwarten.

VII. Evaluierung und Befristung

Wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in Artikel 10 Grundgesetz (GG) soll die Regelung des § 100a Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe j der Strafprozessordnung in der Entwurfsfassung (StPO-E) zunächst auf fünf Jahre befristet werden. Die Ausweitung des Katalogs auf eine Tat, die von einem Einzeltäter begangen werden kann und die nicht notwendig in einem Zusammenhang mit Telekommunikation steht, ist unter dem Gesichtspunkt der notwendigen Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Grundrecht aus Artikel 10 GG sensibel. Sie soll daher nach drei Jahren evaluiert werden, um ihre Effizienz zu ermitteln. Dabei sollen die Erkenntnisse der Polizeien des Bundes und der Länder berücksichtigt werden.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung der Strafprozessordnung)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung: Die Inhaltsübersicht ist um die vorgeschlagene Vorschrift zur Bündelung der Nebenklage in § 397b StPO-E (vergleiche hierzu die Begründung zu Nummer 19) zu ergänzen.

Vorbemerkung zu den Nummern 2 bis 4 (§§ 25, 26 und 29)

Derzeit erweisen sich Befangenheitsanträge nach den Erfahrungen aus der richterlichen Praxis häufig als unbegründet. Insbesondere bei wiederholt gestellten Befangenheitsanträgen führt dies zu erheblichen Verfahrensverzögerungen aufgrund notwendig werdender Unterbrechungen und Terminsaufhebungen, die zudem die Fehleranfälligkeit der Entscheidung über die Befangenheit erhöhen können (vergleiche Ferber, Strafkammerbericht, 2017, S. 157). Daneben weisen auch Anträge der Verteidigung auf Unterbrechung der Hauptverhandlung zum Zweck der Prüfung eines Befangenheitsantrags erhebliches Störpotential auf. Während das zuletzt dargestellte Verhalten jedoch im Rahmen der Sachleitungsbefugnis des Vorsitzenden schon nach geltendem Recht unterbunden werden kann, erfordert der Ausgangsbefund gesetzliche Änderungen. Der Entwurf sieht zwei Regelungsvorschläge vor, um den Umgang mit missbräuchlich gestellten Befangenheitsanträgen zu vereinfachen und das Strafverfahren zu beschleunigen.

Gegenwärtig sind Befangenheitsanträge, deren Gründe vor oder bis zu Beginn der Hauptverhandlung entstanden und bekannt geworden sind, in erstinstanzlichen Verfahren bis zu Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse zu stellen, § 25 Absatz 1 Satz 1 StPO. Diese Regelung eröffnet die Möglichkeit, vor der Hauptverhandlung bekanntgewordene Ablehnungsgründe bis zum Beginn der Hauptverhandlung "aufzusparen". Unnötige Verfahrensverzögerungen können die Folge sein.

In erstinstanzlichen Strafverfahren vor dem Land- und Oberlandesgericht sollen künftig Befangenheitsanträge, deren Gründe schon vor Beginn der Hauptverhandlung bekannt geworden sind, ab der Zustellung der Besetzungsmitteilung gemäß § 222a Absatz 1 Satz 2 StPO-E unverzüglich, das heißt unmittelbar nach Bekanntwerden des Befangenheitsgrundes ohne schuldhaftes Zögern, anzubringen sein. Bei frühzeitiger Mitteilung der Besetzung können Befangenheitsanträge auf diese Weise häufig schon vor Beginn der Hauptverhandlung beschieden werden. Das Gericht wird zudem in die Lage versetzt, im Fall eines begründeten Befangenheitsantrags die Hauptverhandlung in geänderter Besetzung zu beginnen, ohne dass Teile der Beweisaufnahme gemäß § 29 Absatz 4 Satz 1 StPO-E wiederholt werden müssten.

Zum anderen soll die in § 29 StPO geregelte Wartepflicht eingeschränkt werden. Das Ablehnungsverfahren ist nach geltendem Recht durch die in § 29 Absatz 1 Satz 1 StPO geregelte Wartepflicht gekennzeichnet. Wird ein Richter abgelehnt, darf er bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch grundsätzlich keine aufschiebbaren Handlungen mehr vornehmen. Dies gilt für Handlungen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Hauptverhandlung. In Fällen missbräuchlich gestellter Befangenheitsanträge hat dieser Grundsatz in der Vergangenheit zu unnötigen Verfahrensverzögerungen geführt, weshalb die Wartepflicht durch eine Vielzahl von Ausnahmen - zuletzt mit dem Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Gestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202, 3630) - immer weiter eingeschränkt worden ist. Der Entwurf schlägt nunmehr vor, die Wartepflicht für Handlungen des abgelehnten Richters während der Hauptverhandlung abzuschaffen und durch eine Fristenregelung zu ersetzen.

Zu Nummer 2 (§ 25)

Derzeit müssen Befangenheitsanträge, deren Gründe vor oder bis zu Beginn der Hauptverhandlung entstanden und bekannt geworden sind, gemäß § 25 Absatz 1 Satz 1 StPO erst bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse gestellt werden. Eine Pflicht, bereits bekannte Ablehnungsgesuche unverzüglich schon vor Beginn der Hauptverhandlung anzubringen, besteht nicht.

Diese Rechtslage soll für Verfahren, in denen die Besetzung nach § 222a Absatz 1 Satz 2 StPO vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden ist, geändert werden. Befangenheitsgründe, die dem Ablehnungsberechtigten vor Beginn der Hauptverhandlung bekannt geworden sind, soll er künftig unverzüglich anbringen müssen. Das Erfordernis unverzüglicher Anbringung gilt ab Zustellung der Besetzungsmitteilung an den jeweiligen Ablehnungsberechtigten. Dieser Zeitpunkt ist maßgeblich, weil die Besetzungsmitteilung wegen der hierdurch in Gang gesetzten Wochenfrist zur Prüfung der vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts gemäß § 222b Absatz 1 Satz 1 StPO-E Anlass bietet, Erkundigungen über die Mitglieder des Spruchkörpers einzuholen. Zudem wird durch die Zustellung der Besetzungsmitteilung objektiv feststellbar sein, ab wann der Ablehnungsberechtigte die Gelegenheit der Kenntnisnahme von der Befassung des Richters in diesem Verfahren hatte. War der Befangenheitsgrund gegen den Richter vor Mitteilung der Besetzung bekannt, ist das Befangenheitsgesuch unverzüglich nach Zustellung der Besetzungsmitteilung anzubringen, weil dann feststeht, dass der potentiell befangene Richter mit dem Verfahren befasst ist. In diesen Konstellationen wird das Ablehnungsgesuch bereits vor Ablauf der Wochenfrist zur Prüfung der vorschriftsmäßigen Besetzung bei Gericht eingehen. Ist der potentielle Befangenheitsgrund aus Anlass der Überprüfung der Besetzung innerhalb der Wochenfrist für die Besetzungsrüge bekannt geworden, so ist mit der unverzüglichen Anbringung des Befangenheitsgesuchs innerhalb der Wochenfrist oder jedenfalls sehr kurzfristig nach deren Ablauf zu rechnen. Für die Gerichte wird es sich daher regelmäßig anbieten, die Besetzung frühzeitig mitzuteilen, um etwaige Ablehnungsgesuche vor Beginn der Hauptverhandlung prüfen und bescheiden zu können. Es ist gleichwohl nicht ausgeschlossen, dass ein Befangenheitsgrund gegen einen Richter erst nach dem Ablauf der Wochenfrist entsteht oder bekannt wird. Auch in diesen Konstellationen ist das Befangenheitsgesuch künftig unverzüglich anzubringen, das heißt es darf regelmäßig nicht bis zum Beginn der Hauptverhandlung zugewartet werden.

Zu Nummer 3 (§ 26)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung. Ebenso wie bei den unverzüglich anzubringenden Gesuchen nach § 25 Absatz 2 StPO sind bei unverzüglich anzubringenden Befangenheitsgesuchen im Falle der Mitteilung der Besetzung nach § 222a Absatz 1 Satz 2 StPO, die § 25 Absatz 1 Satz 2 StPO-E künftig vorsieht, die Voraussetzungen des rechtzeitigen Vorbringens glaubhaft zu machen.

Zu Nummer 4 (§ 29)

Wird ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, darf er gemäß § 29 Absatz 1 Satz 1 StPO derzeit grundsätzlich nur solche Handlungen vornehmen, die keinen Aufschub gestatten. Das Gesetz lässt von diesem Grundsatz Ausnahmen zu, wobei es zwischen Befangenheitsanträgen vor Beginn der Hauptverhandlung (§ 29 Absatz 1 Satz 2 StPO) und solchen während der Hauptverhandlung (§ 29 Absatz 2 StPO) unterscheidet.

Zu Absatz 1

Der Entwurf sieht in § 29 Absatz 1 StPO-E vor, die Vornahme aufschiebbarer Handlungen in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht auch weiterhin zu verbieten.

Zu Absatz 2

Zur Sicherstellung der Durchführung der strafgerichtlichen Hauptverhandlung sieht Absatz 2 Satz 1 StPO-E vor, dass die richterliche Teilnahme an der Hauptverhandlung als unaufschiebbar gilt und der abgelehnte Richter an ihr daher zunächst - bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch - ohne Einschränkungen mitwirken darf. Die Neuregelung gilt für die Mitwirkung des abgelehnten Richters an der Hauptverhandlung unabhängig davon, ob diese im Zeitpunkt der Anbringung des Ablehnungsgesuchs bereits begonnen hatte. Damit erfasst sie insbesondere auch den im geltenden Recht in § 29 Absatz 1 Satz 2 StPO geregelten Fall, dass der Vorsitzende oder das Gericht bereits vor Beginn der Hauptverhandlung abgelehnt werden; in diesem Fall sollen Beginn und Durchführung der Hauptverhandlung unter Beteiligung der abgelehnten Richter bis zu dem in § 29 Absatz 3 StPO-E geregelten Zeitpunkt ohne die Beschränkung aus § 29 Absatz 1 StPO-E möglich sein. Der Grundsatz, dass die Durchführung der Hauptverhandlung keinen Aufschub gestattet, führt regelmäßig auch dazu, dass auch Handlungen außerhalb der Hauptverhandlung, die unmittelbar der Förderung der Durchführung der Hauptverhandlung dienen, unaufschiebbar sind. Absatz 2 Satz 1 verpflichtet indes nicht dazu, eine noch nicht anberaumte Hauptverhandlung zu terminieren oder eine bereits anberaumte, aber noch nicht begonnene Hauptverhandlung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters tatsächlich durchzuführen. Eine Verlegung des Beginns der Hauptverhandlung auf einen Zeitpunkt nach der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch bleibt möglich, sofern nicht andere Gründe - etwa der Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen - ihre Durchführung gebieten.

Wie schon nach geltendem Recht (§ 29 Absatz 3 Satz 3 StPO) sollen nach § 29 Absatz 2 Satz 2 StPO-E Entscheidungen, die auch außerhalb der Hauptverhandlung ergehen können, weiterhin nur dann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters getroffen werden dürfen, wenn sie keinen Aufschub gestatten. Für Handlungen eines abgelehnten Richters während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung gilt Absatz 1 unmittelbar.

Die Einschränkung der Wartepflicht für die Mitwirkung eines abgelehnten Richters an der Hauptverhandlung rechtfertigt sich mit den Besonderheiten des Strafverfahrens. Die Hauptverhandlung im Strafverfahren ist durch den Grundsatz der Verhandlungseinheit geprägt. Danach sind die zur Urteilsfindung berufenen Personen zur ununterbrochenen Gegenwart in der Hauptverhandlung verpflichtet, § 226 Absatz 1 StPO. Die gegenwärtige Regelung, die den abgelehnten Richter verpflichtet, keine aufschiebbaren Handlungen vorzunehmen, zwingt - abgesehen von der in § 29 Absatz 2 Satz 1 StPO bereits geregelten Ausnahme - stets zur Unterbrechung der Hauptverhandlung. Die dadurch verursachten Verzögerungen im Ablauf der Hauptverhandlung sind zur Wahrung der Integrität des Verfahrens im Ausgangspunkt hinzunehmen. Im Hinblick auf die angestrebte Vereinfachung des Ablehnungsverfahrens ist jedoch zu berücksichtigen, dass die weit überwiegende Anzahl der Befangenheitsanträge nach den Erfahrungen der justiziellen Praxis unbegründet ist.

Dieser Befund rechtfertigt es, das öffentliche Interesse an der beschleunigten Durchführung der Hauptverhandlung stärker als bislang zu gewichten und die unbeschränkte Mitwirkung des abgelehnten Richters in der Hauptverhandlung - befristet - zu gestatten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Hauptverhandlung gerade in den Fällen, in denen innerhalb von zwei Wochen mehr als zwei Verhandlungstage terminiert sind, regelmäßig eine umfassende Vorbereitung mit einer Vielzahl von Zeugenladungen und die Koordination einer Vielzahl von Beteiligten erfordert. Müssten in diesen Fällen Hauptverhandlungstermine aufgehoben werden, um die Entscheidung über Befangenheitsgesuche bis zum übernächsten Verhandlungstag zu ermöglichen, käme es zu erheblichen Verfahrensverzögerungen, die - gerade auch in Haftsachen - die Rechte des Angeklagten stärker beeinträchtigen können als die vorläufige Fortsetzung der Hauptverhandlung unter Mitwirkung eines abgelehnten Richters.

Die Interessen des Ablehnungsberechtigten bleiben durch die Neuregelung hinreichend gewahrt. Ist es möglich, vor Ablauf von zwei Wochen über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden, ist das Gericht nach § 29 Absatz 3 Satz 1 StPO-E ("spätestens") hierzu künftig verpflichtet. Dadurch wird der Ablehnungsberechtigte nicht länger als erforderlich im Ungewissen über den Erfolg seines Ablehnungsgesuches gelassen. Ist der Befangenheitsantrag begründet, scheidet der abgelehnte Richter aus dem Verfahren aus. Hat kein Ergänzungsrichter (§ 192 des Gerichtsverfassungsgerichts - GVG) teilgenommen, ist die Hauptverhandlung auszusetzen und vollständig zu wiederholen. Muss die Hauptverhandlung nicht ausgesetzt werden, ist - wie nach geltendem Recht - ihr nach der Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegender Teil grundsätzlich zu wiederholen, § 29 Absatz 4 Satz 1 StPO-E. In beiden Fällen wirkt sich die weitere Mitwirkung des abgelehnten Richters auf das Ergebnis des Verfahrens folglich nicht aus.

Zu Absatz 3

Um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den prozessökonomischen Belangen der Öffentlichkeit einerseits und den schutzwürdigen Interessen des Ablehnungsberechtigten, insbesondere des Angeklagten, andererseits herzustellen, soll das Gericht auch künftig so zügig wie möglich über das Ablehnungsgesuch entscheiden.

Zu Satz 1

Satz 1 sieht deshalb vor, dass die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch spätestens vor Ablauf von zwei Wochen erfolgen muss, wenn innerhalb dieser zwei Wochen mehrere weitere Verhandlungstage stattfinden. Den Richtern soll durch die Einräumung von höchstens zwei Wochen der im Einzelfall zu Terminsaufhebungen und damit im Ergebnis sogar zu einer Verzögerung des Verfahrens zwingende Zeitdruck genommen werden, der nach derzeitiger Rechtslage entstehen kann. Das geltende Recht schreibt vor, dass das Gericht bis zum Beginn des übernächsten Verhandlungstages über den Befangenheitsantrag entschieden haben muss, § 29 Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO. Werden - wie in der Praxis häufig - alle Mitglieder der Strafkammer gleichzeitig abgelehnt, und ist die Vertreterkammer ihrerseits mit Hauptverhandlungsterminen belastet, verbleibt im Einzelfall nur ein enger Entscheidungszeitraum, der die Entscheidung über die Befangenheit fehleranfälliger macht. Auch nach der Neuregelung bleibt es dabei, dass die Entscheidung über das Befangenheitsgesuch so schnell wie möglich ergehen muss; die Frist von zwei Wochen darf daher, wie sich aus dem Begriff "spätestens" ergibt, nur ausgeschöpft werden, wenn dies aufgrund des Verfahrensablaufs nicht anders möglich ist.

Zudem wird sich der tatsächliche Zeitraum bis zur Entscheidung über das Befangenheitsgesuch durch den Entwurfsvorschlag nicht notwendig verlängern. Schon heute kann die Entscheidungsfindung einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen betreffen, wenn die abgelehnte Kammer gezwungen ist, Hauptverhandlungstage aufzuheben, um der Vertreterkammer die benötigte Zeit bis zur Entscheidung über das Befangenheitsgesuch zu verschaffen. Die Aufhebung von Hauptverhandlungsterminen kann durch Umladung von Zeugen beträchtlichen Mehraufwand bedeuten, der durch die Einführung einer zweiwöchigen Entscheidungsfrist wesentlich verringert wird.

Nach gegenwärtigem Recht muss über das Ablehnungsgesuch stets vor Beginn der Schlussanträge entschieden werden, § 29 Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 2 und Absatz 3 StPO. Der Entwurf sieht demgegenüber vor, dass über Ablehnungsgesuche spätestens vor der mündlichen Urteilsverkündung (§ 268 StPO) entschieden werden muss. Mit der vorgeschlagenen Neuregelung wird der Widerspruch innerhalb des gegenwärtigen Rechts der Richterablehnung beseitigt, der darin besteht, dass gemäß § 25 Absatz 2 Satz 2 StPO ein erst nach dem Ende des letzten Wortes angebrachtes Ablehnungsgesuch nicht mehr zulässig ist; es kann noch unmittelbar vor oder während des letzten Wortes gestellt werden. Dann kann eine Entscheidung hierüber aber - entgegen dem gegenwärtigen § 29 Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 2 und Absatz 3 StPO - nicht bereits vor Beginn der Schlussanträge getroffen werden. Der Regelungsvorschlag soll demgegenüber das Regelungsgefüge von § 25 Absatz 2 Satz 2 StPO einerseits und § 29 Absatz 3 Satz 1 StPO-E andererseits harmonisieren.

Zu Satz 2

In Satz 2 soll der Beginn der Entscheidungsfrist von zwei Wochen geregelt werden. Wird das Gesuch vor oder während laufender Hauptverhandlung angebracht, beginnt die Frist nach § 29 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 StPO-E grundsätzlich mit dem Tag, an dem das Gesuch gestellt wird. Wird dem Angeklagten nach § 26 Absatz 1 Satz 2 StPO aufgegeben, ein nur mündlich gestelltes Gesuch innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich zu begründen, soll die Frist gemäß § 29 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 StPO-E erst mit Eingang der schriftlichen Begründung beginnen.

Zu Satz 3

In Ausnahmefällen kann eine nur nach Wochen bestimmte Frist zu kurz sein. Ist der abgelehnte Richter unmittelbar nach Fristbeginn bis zum Ende der Frist verhindert, kann er weder eine dienstliche Stellungnahme (§ 26 Absatz 3 StPO) abgeben, noch ist er in einem Anwendungsfall des § 26a StPO in der Lage, selbst an einer Entscheidung mitzuwirken. Eine derartige Verhinderung kann eintreten, wenn die Frist etwa in die Zeit eines Urlaubs des abgelehnten Richters fällt. Deshalb sieht § 29 Absatz 3 Satz 3 StPO-E - insoweit in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht - vor, dass die Erledigung des Ablehnungsgesuchs auch noch am übernächsten Hauptverhandlungstag nach Fristbeginn möglich bleiben soll.

Zu Absatz 4

Absatz 4 übernimmt weitgehend die Regelung des § 29 Absatz 2 Satz 2 StPO zur Wiederholung von Teilen der Hauptverhandlung bei einem erfolgreichen Ablehnungsgesuch, das nicht zur Aussetzung führt. Ausgenommen von der Wiederholungsverpflichtung sollen künftig solche Teile der Hauptverhandlung sein, deren Wiederholung nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich ist. Dies umfasst zum Beispiel die Vernehmung eines todkranken oder im Sinne des § 251 Absatz 2 Nummer 2 StPO weit entfernt wohnenden Zeugen. An die Unzumutbarkeit der Wiederholung ist wie bislang ein strenger Maßstab anzulegen; insofern werden durch die Neuregelung keine erheblichen Abweichungen zum geltenden Recht bezweckt.

Zu Nummer 5 (§ 58a)

Der Regelungsvorschlag dient der Stärkung des Opferschutzes im Strafverfahren. Schon heute sieht das Strafverfahrensrecht in § 58a Absatz 1 Satz 1 StPO die Möglichkeit der Bild-Ton-Aufzeichnung von Zeugenvernehmungen vor. Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen enthält die Vorschrift in § 58a Absatz 1 Satz 2 StPO eine als Sollvorschrift ausgestaltete Verpflichtung, die Vernehmung als richterliche durchzuführen und in Bild und Ton aufzunehmen, wenn die schutzwürdigen Interessen der Zeugen dadurch besser gewahrt werden können. Mit dieser Vorschrift wird der Zweck verfolgt, den minderjährigen Opferzeugen Mehrfachvernehmungen wegen ihres hohen Belastungspotentials im Strafverfahren zu ersparen. Die Sollvorschrift gilt seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1805) (StORMG) auch für erwachsene Opfer der genannten Straftaten, die zur Tatzeit minderjährig waren.

Der Regelungsvorschlag beinhaltet zwei Änderungen: Zum einen soll der Anwendungsbereich des § 58a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 StPO gemäß § 58a Absatz 1 Satz 3 StPO-E auf zur Tatzeit erwachsene Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung erweitert werden; zum anderen soll die Verpflichtung zur richterlichen Vernehmung von Zeugen mit Bild-Ton-Aufzeichnung unter bestimmten Voraussetzungen als Mussvorschrift ausgestaltet werden.

Der erste Vorschlag sieht vor, Anwendungsbereich der Vorschrift soll gemäß § 58a Absatz 1 Satz 3 StPO-E auf zur Tatzeit erwachsene Opfer von Sexualstraftaten (§§ 174 bis 184j des Strafgesetzbuches) ausgeweitet werden. Diese Gleichstellung zu den (zur Tatzeit) minderjährigen Zeugen gemäß § 58a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 StPO ist geboten, weil das Schutzbedürfnis erwachsener Opfer von Sexualstraftaten im Strafverfahren vergleichbar ist mit dem Schutzbedürfnis der Opfer, die zur Zeit des Strafverfahrens ebenfalls erwachsen sind, jedoch zur Tatzeit minderjährig waren. Sexualstraftaten sind typischerweise mit erheblichen Eingriffen in den Intimbereich des Opfers verbunden. Opferzeugen sind in der Vernehmung verpflichtet, über ihre Wahrnehmungen auszusagen, was häufig mit gravierenden seelischen Belastungen verbunden sein kann. Diese besondere Situation rechtfertigt es, die zusätzlich belastenden Mehrfachvernehmungen den erwachsenen Opfern von Sexualdelikten in gleicher Weise zu ersparen wie den nach gegenwärtiger Rechtslage (zur Tatzeit) minderjährige Zeugen.

Der zweite Änderungsvorschlag sieht vor, dass die Zeugenvernehmung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 58a Absatz 1 Satz 3 StPO-E künftig nicht nur in der Regel, sondern stets als richterliche Vernehmung durchgeführt und in Bild und Ton aufgezeichnet werden muss. Unter "Personen" gemäß § 58a Absatz 1 Satz 3 StPO-E fallen neben den (neu erfassten) erwachsenen Zeugen auch Personen unter 18 Jahre. Durch den Regelungsvorschlag soll das nach Berichten der Praxis feststellbare Vollzugsdefizit der bisher als Sollvorschrift ausgestalteten Regelung in diesen Fällen behoben werden. Der opferschonende Mehrwert einer Videovernehmung erfordert eine Regelung, die sicherstellt, dass von der Bild-Ton-Aufzeichnung bei der Ermittlung von Sexualstraftaten umfassend Gebrauch gemacht wird. Mit der Ausgestaltung der Norm als Mussvorschrift soll dieses Ziel erreicht werden.

Daneben bleiben staatsanwaltliche (§ 161a Absatz 1 Satz 2 StPO) und polizeiliche (§ 163 Absatz 3 Satz 2 StPO) Vernehmungen von Zeugen in Bild und Ton weiterhin nach § 58a Absatz 1 Satz 1 StPO möglich. Auch nach der vorgesehenen Neuregelung soll im Rahmen des insoweit bestehenden weiten Ermessens insbesondere nichts daran geändert werden, dass die Bild-Ton-Aufzeichnung zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen geboten sein muss. Dadurch ist sichergestellt, dass die Vorschrift auch künftig in aller Regel keine Anwendung in Alltagsfällen findet.

Die Zulässigkeit der Bild-Ton-Aufzeichnung einer Vernehmung hängt in den Fällen des § 58a Absatz 1 Satz 3 StPO-E davon ab, ob der Zeuge zugestimmt hat, so dass mit einer solchen Aufzeichnung kein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Zeugen verbunden ist. Dieser Regelungsvorschlag wird von einem Widerspruchsrecht des Zeugen sofort nach der Vernehmung flankiert, das in § 255a Absatz 2 Satz 1 StPO-E geregelt werden soll (vergleiche hierzu die Begründung zu Nummer 16).

Der Richter sollte den Zeugen in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass sich seine Zustimmung vor der Vernehmung (bzw. sein sofortiger Widerspruch nach der Vernehmung) stets nur auf die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung gemäß § 255a StPO in der Hauptverhandlung bezieht und nicht auf die Verwertbarkeit der Aufzeichnung oder gar seiner Aussage insgesamt. Der Zeuge wird auch bei fehlender Zustimmung hinsichtlich der Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung auf Ladung des Gerichts verpflichtet sein, in der Hauptverhandlung persönlich auszusagen. Dem Zeugen sollte verdeutlicht werden, dass es von seiner Zustimmung bzw. seinem Widerspruch nur abhängt, ob seine persönliche Einvernahme in der Hauptverhandlung durch die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung gemäß § 255a StPO ersetzt werden kann.

Zu Nummer 6 (§ 68)

Die Regelung in § 68 StPO-E steht im Zusammenhang mit der Einführung des grundsätzlichen Verbots der Gesichtsverhüllung in Gerichtsverfahren in § 176 Absatz 2 GVG-E (vergleiche hierzu die Begründung zu Artikel 3 Nummer 3).

Nach § 68 Absatz 3 Satz 1 StPO kann einem Zeugen gestattet werden, Angaben zur Person nicht oder nur über eine frühere Identität zu machen, wenn ein begründeter Anlass zu der Besorgnis besteht, dass durch die Offenbarung der Identität oder des Wohn- oder Aufenthaltsortes Leben, Leib oder Freiheit des Zeugen oder einer anderen Person gefährdet wird. Bei dem in § 68 Absatz 3 angesprochenen Personenkreis handelt es sich um Zeugen, die aus verschiedenen Gründen besonders gefährdet sind - etwa weil sie oder ihre Angehörigen bedroht werden oder weil sie als Verdeckte Ermittler eingesetzt sind. Durch den neuen Satz 3 soll der umfassende Zeugenschutz für diese besonders gefährdeten Personen erhalten bleiben: Anknüpfend an die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 68 Absatz 3 Satz 1 StPO soll das Verbot der Gesichtsverhüllung, das während der Sitzung im gerichtlichen Verfahren und (über § 180 GVG) beispielsweise auch bei ermittlungsrichterlichen Vernehmungen im Ermittlungsverfahren besteht, keine Anwendung finden, wenn begründeter Anlass zu der Besorgnis besteht, dass durch die Offenbarung der Identität des Zeugen Leben, Leib oder Freiheit des Zeugen oder einer anderen Person gefährdet wird. Zeugen dürfen dann ihr Gesicht ganz oder teilweise verhüllen.

Diese Regelung entspricht auch der bisherigen Rechtslage, denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf die audiovisuelle Vernehmung eines Verdeckten Ermittlers unter optischer und akustischer Abschirmung durchgeführt werden, wenn der Zeugenschutz nach § 110b Absatz 3 StPO dies gebietet und andernfalls der Zeuge gerichtlich nicht vernommen werden könnte (vergleiche Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 19. Juli 2006 - 1 StR 87/06, NStZ 2006, 648). Da die Regelung des § 68 Absatz 3 Satz 3 StPO-E für alle Personen gilt, denen gestattet wurde, keine oder nur beschränkte Angaben zur Person zu machen, ist eine weitere Regelung in der Strafprozessordnung - etwa speziell im Hinblick auf Verdeckte Ermittler - nicht erforderlich.

Zu Nummer 7 (§ 81e)

Durch die Änderung des Absatzes 2 sollen die zulässigen Untersuchungen von DNA- fähigem Material von unbekannten Spurenlegern, die bislang nur das Geschlecht erfassten, um die Merkmale Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe sowie Alter erweitert werden, wenn nicht bekannt ist, von wem das Spurenmaterial stammt - es also weder dem Beschuldigten oder anderen Personen entnommen wurde noch ein Abgleich des DNA-Identifizierungsmusters mit der beim Bundeskriminalamt geführten Analysedatei (§ 81g Absatz 5 Ziffer 2 StPO) erfolgreich war.

Die Erweiterung stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar, der aber in der konkreten Ausgestaltung verhältnismäßig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass die Aufklärung schwerer Straftaten eine wesentliche Aufgabe des Gemeinwesens ist. Dabei gebiete die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege es, Straftaten in einem justizförmigen Verfahren zu verfolgen. Der Verhinderung, Verfolgung und Aufklärung von Straftaten kommt nach dem Grundgesetz eine hohe Bedeutung zu (siehe nur BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 2011 − 2 BvR 236/08 u.a., BVerfGE 129, 208, 260). Durch die Erweiterung der Möglichkeiten der DNA-Analyse sollen neue Ermittlungsansätze bei bislang ungeklärten Straftaten geschaffen und die Wahrheit möglichst umfassend ermittelt werden. Dieses Anliegen liegt im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und stellt damit einen legitimen Zweck dar.

Untersuchungen einer DNA-Tatort-Spur zur Ermittlung äußerlich erkennbarer Merkmale eines Spurenlegers, dessen Identität nicht durch einen Treffer beim Abgleich des DNA-Identifizierungsmusters ermittelt werden konnte, sind grundsätzlich geeignet, die Ermittlungen voranzubringen und den wahren Sachverhalt aufzuklären. Sofern sich die Maßnahme aber im konkreten Einzelfall gleichwohl unverhältnismäßig wäre, darf sie auch künftig - wie nach geltendem Recht - nicht durchgeführt werden.

Die genannten äußerlich sichtbaren Körpermerkmale können nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen durch Untersuchungen genetischer Informationen mit hinreichender Vorhersagegenauigkeit bestimmt werden (vergleiche dazu Schneider, Stellungnahme der Spurenkommission zu den Möglichkeiten und Grenzen der DNA-gestützten Vorhersage äußerer Körpermerkmale, der biogeographischen Herkunft und des Alters unbekannter Personen anhand von Tatortspuren im Rahmen polizeilicher Ermittlungen vom 14. Dezember 2016, S. 1, abrufbar unter: http://www.gednap.org/wpcontent/uploads/2016/12/Stellungnahme_DNA-Vorhersage_Spurenkommission_2016-12\-141.pdf [abgerufen am 19. Juni 2019]):

Dass mit den Untersuchungen keine Feststellungen getroffen werden können, die für sich genommen eine Zuordnung zu einer bestimmten Person mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erlauben, steht dabei der Erhebung der Information nicht entgegen. Die Erweiterung der Untersuchungsmöglichkeiten dient nämlich lediglich der Vermehrung der Erkenntnismöglichkeiten, namentlich der Priorisierung bestimmter Maßnahmen im Ermittlungsverfahren im Hinblick auf einen möglichen Täterkreis. Vergleichbar sind sie damit Zeugenaussagen, die von einem bestimmten, vom Zeugen festgestellten oder auch nur vermuteten Aussehen einer verdächtigen Person berichten.

Die Vorhersagegenauigkeit in Bezug auf das Alter einer Person liegt bei plusminus drei bis fünf Jahren. Im Einzelfall sind Abweichungen von bis zu zehn Jahren möglich. Diese möglichen Abweichungen sind kriminalistisch zu berücksichtigen. Sie entsprechen jenen, die bei Aussagen von Augenzeugen auftreten können, die das Alter einer Person einschätzen.

Die gewonnenen Erkenntnisse können als Elemente in einem längeren Erkenntnisprozess dienen, an dessen Ende einer oder mehrere Beschuldigte stehen können, deren DNA mit dem Spurenmaterial verglichen werden kann. Erst eine Übereinstimmung des DNA-Identifizierungsmusters kann dann zur Ermittlung der Identität eines konkret Beschuldigten führen. Das durch die DNA-Untersuchung für wahrscheinlich erkannte Aussehen des Spurenlegers kann auch verwendet werden, um eine DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO zunächst auf freiwillige Teilnehmer mit den entsprechenden Merkmalen zu beschränken.

Die Untersuchung des Spurenmaterials zur Ermittlung der wahrscheinlichen Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe sowie des Alters greift nicht in den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit ein (vergleiche dazu Zöller/Thörnich, Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen der Ausweitung von DNA-Analysen im Strafverfahren, ZIS 2017, S. 331 ff.). Tatsächlich stellt die Ermittlung der äußerlich erkennbaren Merkmale von Augen, Haar- und Hautfarbe sowie des ungefähren Alters einen deutlich geringeren Eingriff als die Ermittlung von Merkmalen dar, die das äußere Erscheinungsbild nicht erkennen lässt. Die Bestimmung äußerer Merkmale entspricht von der Eingriffstiefe der Verwertung einer Fotografie oder einer Videoaufzeichnung, welche zur Aufklärung von Straftaten ebenfalls herangezogen werden darf. Und auch ganz ohne technische Hilfsmittel können Zeugen das Äußere des Beschuldigten beschreiben. Diese Wertung wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass die Analyse einen Zugriff auf den codierenden Teil der DNA erforderlich macht. Entscheidend ist, dass die Feststellung als äußerlich erkennbares Merkmal nicht den besonders schutzbedürftigen Kern der Persönlichkeit berührt. Zwar sind diese Merkmale genetisch angelegt und stellen personenbezogene Merkmale dar, die als solche vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung umfasst werden. Zugleich handelt es sich aber um regelmäßig von außen ohne weiteres - insbesondere auch ohne genetische Untersuchung - erkennbare Merkmale einer Person. Ihre Feststellung kann daher nicht als Ausforschung schutzbedürftiger genetischer Anlagen des Betroffenen oder genetisch bedingter schutzbedürftiger Persönlichkeitsmerkmale begriffen werden (vergleiche dazu Bundestagsdrucksache 15/350, S. 12).

Die DNA-Untersuchung selbst ist nicht spezifisch gegen eine bestimmte Personengruppe oder Minderheit gerichtet und damit an sich nichtdiskriminierend. Bei den Folgemaßnahmen muss allerdings beachtet werden, dass es in Fällen der möglichen Zuordnung der Spur zu Angehörigen einer Minderheit nicht zu einem Missbrauch dieses Umstandes im Sinne rassistischer Stimmungsmache oder Hetze kommen darf. Insoweit unterscheidet sich das Ergebnis einer DNA-Untersuchung, die auf bestimmte äußere Merkmale eines Spurenverursachers hinweist, allerdings nicht von der Bekanntgabe eines Ermittlungsergebnisses, das durch Zeugenaussagen oder Videoaufzeichnungen gewonnen wurde.

Obwohl auch das Geschlecht zu den äußerlich feststellbaren Merkmalen gehört, deren Erhebung vor allem bei unbekannten Spurenlegern erforderlich zu sein scheint, wird es weiterhin nach Absatz 1 von § 81e StPO erhoben. Der vereinzelt geäußerten Kritik an der Verortung der Bestimmung, da die Feststellung des Geschlechts beim bekannten Spurenleger überflüssig sei (Krause, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Auflage 2017, § 81e Rn. 24), wurde nicht gefolgt. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin beschränkt sich die aktuell im Rahmen aller forensischen DNA-Analysen bei Personen sowie bei Spurenmaterial durchgeführte "Feststellung des Geschlechts" in der Regel auf den Nachweis zweier kurzer DNA-Abschnitte auf dem X- und Y-Chromosom (das Amelogenin-System), der zeitgleich mit der Typisierung der Short Tandem Repeat (STR) Systeme zur Erstellung des DNA-Identifizierungsmusters in einer sog. Multiplex-Analyse erfolge. Darüber hinaus würden jedoch speziell bei Sexualdelikten, aber auch bei Gewalt- und Tötungsdelikten mit einem weiblichen Opfer, STR-Merkmale untersucht, die nur auf dem spezifisch männlichen Teil des Y-Chromosoms vorliegen (sog. "Y-chromosomale Marker"). In solchen Fällen komme es nicht selten vor, dass das DNA-Identifizierungsmuster des weiblichen Opfers das der unbekannten männlichen Person überlagere. Es liege somit eine Mischspur mit einem Überschuss an DNA der weiblichen Person vor, so dass bei der Standard-DNA-Analyse mit autosomalen STR-Systemen nur die Merkmale der weiblichen Person durch Abgleich mit ihrem Referenzprofil nachweisbar seien. Hier ermögliche die Analyse Y-chromosomaler STR Marker (Y-STRs) allein den DNA-Anteil der männlichen Person in der Mischspur, und zwar unabhängig von der DNA der weiblichen Person, zu untersuchen und ein Y-STR

Profil der männlichen Person zu generieren. Diese Y-STR-Analyse dürfe jedoch nicht auf unbekanntes Spurenmaterial beschränkt sein, sondern müsse darüber hinaus auch bei beschuldigten männlichen Personen möglich sein, da sonst die notwendigen Y-STR-abhängigen Vergleichs- und somit Beweismöglichkeiten entfallen.

Zu Nummer 8 (§ 81g)

Die Ergänzung in § 81g Absatz 5 Satz 2 Nummer 2 StPO-E zielt darauf ab, den Umfang der in der DNA-Analysedatei des Bundeskriminalamts zu speichernden Daten gegenüber der derzeitigen Rechtslage unverändert zu lassen.

Zu Nummer 9 (§ 100a)

Durch die Erweiterung des § 100a Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe j StPO-E soll der Wohnungseinbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung nach § 244 Absatz 4 StGB in den Straftatenkatalog des § 100a Absatz 2 StPO aufgenommen werden.

Jede Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme, einschließlich der in § 100a Absatz 1 Satz 2 StPO vorgesehenen Quellen-Telekommunikationsüberwachung, ermöglicht einen schwerwiegenden Eingriff in das durch Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Telekommunikationsgeheimnis und ist daher besonders rechtfertigungsbedürftig. Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis setzen die Qualifizierung einer Straftat als schwer voraus, was in der Strafnorm - insbesondere etwa durch den Strafrahmen - einen objektivierten Ausdruck finden muss. Für diese Qualifizierung könnten auch das geschützte Rechtsgut und dessen Bedeutung für die Rechtsgemeinschaft von Bedeutung sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfügt der Gesetzgeber "über einen Beurteilungsspielraum bei der Bestimmung des Unrechtsgehalts eines Delikts und bei der Entscheidung darüber, welche Straftaten er zum Anlass für bestimmte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen machen möchte" (BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 BvR 236/08 - Rn. 203, NJW 2012, 833, 836).

Der Gesetzgeber hat sich in der vergangenen Legislaturperiode bewusst dazu entschieden, den Wohnungseinbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung wegen der mit dem Delikt verbundenen Verletzung der höchstpersönlichen Privatsphäre als ganz besonders gravierend einzustufen und ihn dadurch beispielsweise dem Raub gleichgestellt. Der Strafrahmen des Wohnungseinbruchdiebstahls wurde aus diesem Grund im Jahr 2017 erheblich angehoben und der Wohnungseinbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung zum Verbrechenstatbestand ausgestaltet.

Die abstrakte Schwere der Straftat darf jedoch nicht alleiniger Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der zu beurteilenden Ermittlungsmaßnahme sein. Vielmehr ist die Rechtmäßigkeit jeder Ermittlungsmaßnahme auch an der Beschränkung des § 100a

Absatz 1 Ziffern 2 und 3 StPO zu messen, wonach eine Telekommunikationsüberwachung nur in Fällen angeordnet werden darf, in denen bei Verdacht einer Katalogtat die Tat auch im Einzelfall besonders schwer wiegt und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten - ohne die Überwachung der Telekommunikation - wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre. Diese Einzelfallüberprüfung ist die Aufgabe der Gerichte.

Nicht schlechterdings jede Straftat dieser Art wiegt auch im Einzelfall ausreichend schwer, um einen Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis zu rechtfertigen. Insbesondere in Fällen, die im Schuldgehalt hinter dem Durchschnitt gewöhnlicher Fälle zurückbleiben, zum Beispiel weil die Privatsphäre der Geschädigten nicht intensiv beeinträchtigt wurde, dürfte dies regelmäßig nicht der Fall sein.

Anders kann dies insbesondere dann der Fall sein, wenn weitere bestimmte Indizien darauf hinweisen, dass sich der Beschuldigte nicht nur im Einzelfall, sondern in einer Mehrzahl von Fällen serienmäßig nach § 244 Absatz 4 StGB strafbar gemacht haben könnte. Anknüpfend an die serienmäßigen Begehungsweise steht zu erwarten, dass in diesen Fällen der Täter vermehrt Absatz für sein wiederholt anfallendes Diebesgut suchen wird. Die Kontaktanbahnung mit etwaigen Käufern wie auch die Abwicklung dieser Geschäfte mittels Telekommunikation können hierbei Ansatzpunkt für die Aufklärung der Einbruchstaten und die Überführung des Täters sein, auch wenn keine Anhaltspunkte für eine gewerbsmäßige Hehlerei oder eine bandenmäßige Begehungsweise vorliegen.

Zu Nummer 10 (§ 219)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zur vorgeschlagenen Änderung des Beweisantragsrechts in § 244 Absatz 3 StPO-E (vergleiche hierzu die Begründung zu Nummer 14). Die derzeit in § 219 Absatz 1 Satz 1 StPO nur bruchstückhaft enthaltene Definition des Beweisantrags kann infolge der in § 244 Absatz 3 Satz 1 StPO-E vorgeschlagenen Legaldefinition des Begriffs Beweisantrag entfallen. Der bisherige Regelungsgehalt der Vorschrift soll erhalten bleiben, indem der Gesetzestext stattdessen das Wort "Beweisanträge" enthält.

Vorbemerkung zu den Nummern 11 und 12

Der Einwand vorschriftswidriger Besetzung ist in erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- und Oberlandesgericht nach gegenwärtiger Rechtslage bis zu Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache geltend zu machen. Diese Regelung führt dazu, dass die Hauptverhandlung insbesondere in umfangreichen Strafverfahren unter dem "Damoklesschwert" einer Aufhebung wegen eines möglicherweise fehlerhaft besetzten Spruchkörpers steht. Um die hierin liegende Verfahrensunsicherheit zu entschärfen, die der Hauptverhandlung im Unterschied zu anderen Revisionsgründen schon zu Beginn anhaftet, schlägt der Entwurf vor, den Besetzungseinwand in einem neu einzuführenden Vorabentscheidungsverfahren vor oder zu Beginn der Hauptverhandlung überprüfen lassen zu können.

Ziel der vorgeschlagenen Änderung ist es, dem Angeklagten die Möglichkeit zu eröffnen, seinen grundrechtsgleichen Anspruch auf Gewährleistung des gesetzlichen Richters schon vor Ende der Hauptverhandlung abschließend überprüfen zu lassen. Zugleich soll die Regelung die Urteilsaufhebung wegen vorschriftswidriger Besetzung in land- und oberlandesgerichtlichen Verfahren reduzieren und hierdurch das Strafverfahren von unnötigem Aufwand sowie erheblichen Verfahrensverzögerungen entlasten. Die Einführung des Vorabentscheidungsverfahrens dient im Übrigen der Vermeidung von Erschwernissen der Wahrheitsfindung durch Zeitverlust, sollte die Besetzungsrüge begründet sein und die Hauptverhandlung infolge dessen wiederholt werden müssen (vergleiche hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 14. März 1984 - 2 BvR 249/84, NStZ 1984, 370, 371).

Das Vorabentscheidungsverfahren soll im Wesentlichen an das Revisionsverfahren angelehnt sein. Die nach geltendem Recht vorgeschriebenen Form- und Fristvoraussetzungen des Besetzungseinwandes sowie die Begründungsanforderungen gemäß § 222b Absatz 2 Satz 2 und 3 StPO bleiben erhalten. Neu ist, dass der Besetzungseinwand innerhalb einer Frist von einer Woche nach Zustellung der Besetzungsmitteilung oder nach Bekanntmachung in der Hauptverhandlung erhoben werden muss. Je eher die Besetzung vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt wird, desto frühzeitiger kann über den erhobenen Besetzungseinwand entschieden werden, häufig schon vor Beginn der Hauptverhandlung. Dem erhobenen Besetzungseinwand soll keine aufschiebende Wirkung zukommen. Die Hauptverhandlung soll bis zur Entscheidung über den Besetzungseinwand durch das Rechtsmittelgericht ohne Verzögerung durchgeführt werden können.

Rechtsmittelgericht soll bei erstinstanzlicher Zuständigkeit des Landgerichts gemäß § 121 Absatz 1 Nummer 4 GVG-E das Oberlandesgericht und bei erstinstanzlicher Zuständigkeit des Oberlandesgerichts gemäß § 135 Absatz 2 Nummer 3 GVG-E der Bundesgerichtshof sein (vergleiche hierzu die Begründung zu Artikel 3 Nummer 1 und 2). Die dezentrale Zuständigkeitsverteilung auf die Oberlandesgerichte in landgerichtlichen Verfahren soll die zeitnahe Entscheidung über den Besetzungseinwand sicherstellen. Dies ist erforderlich, da die Verfahrensbeteiligten, insbesondere der Angeklagte, vor oder jedenfalls in der Anfangsphase der Hauptverhandlung Rechtssicherheit über die Vorschriftsmäßigkeit der Besetzung erhalten sollen. Um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung im Recht der Besetzungsrügen zu gewährleisten, soll das Oberlandesgericht die Strafsache im Fall der Divergenz dem Bundesgerichtshof vorlegen müssen, § 121 Absatz 2 Nummer 4 GVG-E.

Vor dem Hintergrund des Beschleunigungsgrundsatzes darf die Möglichkeit der Vorabentscheidung über die ordnungsgemäße Besetzung indes nicht dazu führen, dass das Tatgericht mit der Verkündung des Urteils zuwarten muss, bis das Rechtsmittelgericht eine Entscheidung getroffen hat. In diesen Fällen bleibt es dem Angeklagten unbenommen, eine potentiell vorschriftswidrige Besetzung im Rahmen der Revision zu rügen. Für ein bereits eingeleitetes Vorabscheidungsverfahren tritt mit der Urteilsverkündung Erledigung ein.

Zu Nummer 11 (§ 222a)

Zu Buchstabe a

Nach gegenwärtiger Rechtslage ist die Besetzungsmitteilung für den Angeklagten formlos an dessen Verteidiger zu richten. Künftig soll die Besetzungsmitteilung allerdings (Ausschluss-)Fristen auslösen, die für das neue Vorabentscheidungsverfahren über Besetzungsrügen sowie für die Änderungen des Befangenheitsrechts von Bedeutung sind. In § 222a Absatz 1 Satz 2 StPO-E soll deshalb die förmliche Zustellung der Besetzungsmitteilung vor der Hauptverhandlung geregelt werden. Durch das Erfordernis der Zustellung soll der Zeitpunkt der Bekanntgabe der Besetzungsmitteilung sicher feststellbar sein, um den Beginn der einwöchigen Rügefrist nachvollziehen zu können.

Die Besetzungsmitteilung soll aus diesem Grund künftig zugestellt und nicht - wie derzeit in § 222a Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 StPO geregelt - lediglich dem Verteidiger formlos mitgeteilt werden. Auf die Zustellung finden die allgemeinen Vorschriften Anwendung, sodass der Verteidiger unter den Voraussetzungen des § 145d Absatz 1 StPO als ermächtigt gilt, die Zustellung der Besetzungsmitteilung für den Angeklagten in Empfang zu nehmen.

Die Neuregelung bewirkt, dass die Besetzungsmitteilung künftig grundsätzlich auch den übrigen zur Rüge der Gerichtsbesetzung und zur Stellung von Befangenheitsanträgen berechtigten Verfahrensbeteiligten zuzustellen ist. Soweit eine förmliche Zustellung an einzelne Beteiligte unterbleibt, wird die Frist für den jeweiligen Beteiligten nicht in Gang gesetzt (vergleiche hierzu die Begründung zu Nummer 12).

Zu Buchstabe b

§ 222a Absatz 2 StPO regelt die Möglichkeit der Unterbrechung der Hauptverhandlung für den Fall, dass die Besetzung nicht mindestens eine Woche vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden ist. Die Unterbrechung der Hauptverhandlung dient den Prozessbeteiligten dazu, die Besetzung vor Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zu prüfen, sodass keine Präklusion des Besetzungseinwandes gemäß § 222b Absatz 1 Satz 1 StPO droht.

Die geltende Regelung ist durch die Einführung der neuen Wochenfrist in § 222b Absatz 1 Satz 1 StPO-E ab Zustellung (vergleiche hierzu die Begründung zu Buchstabe a) zunächst sprachlich anzupassen. Wird die Besetzung später als eine Woche vor Beginn der Hauptverhandlung zugestellt oder erst zu Beginn der Hauptverhandlung bekannt gemacht, soll die Hauptverhandlung weiterhin auf Antrag des Angeklagten, des Verteidigers oder der Staatsanwaltschaft zum Zwecke der Prüfung der Besetzung unterbrochen werden können, wenn dies spätestens bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache verlangt wird. Die Unterbrechung soll künftig allerdings nur dann in Betracht kommen, wenn die Hauptverhandlung nicht ohnehin bereits für eine Dauer von mehr als einer Woche angesetzt ist; dies stellt die Ergänzung am Ende des Satzes klar. Danach ist Voraussetzung für die Unterbrechung, dass absehbar ist, dass die in § 222b Absatz 1 Satz 1 StPO-E vorgesehene Wochenfrist zur Prüfung der Besetzung voraussichtlich nicht ausgeschöpft werden kann, weil die Hauptverhandlung bereits vorher - insbesondere durch die Verkündung eines Urteils - beendet ist. In den übrigen Fällen haben die Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, die Vorschriftsmäßigkeit der Besetzung parallel zur laufenden Hauptverhandlung zu prüfen. Die Einschätzung, ob die Hauptverhandlung vor Ablauf der Wochenfrist beendet sein könnte, obliegt dem Tatgericht. Entspricht es dem Unterbrechungsantrag nicht und erlässt es gleichwohl vor Ablauf der Wochenfrist ein Urteil, so kann die Besetzung gemäß § 338 Nummer 1 Buchstabe b Unterbuchstabe cc mit der Revision überprüft werden. Im Übrigen entscheidet das Gericht - wie auch nach bisheriger Rechtslage - über den Unterbrechungsantrag nach pflichtgemäßem Ermessen.

Zu Nummer 12 (§ 222b)

Zu Buchstabe a

Nach § 222b Absatz 1 Satz 1 StPO kann der Einwand vorschriftswidriger Besetzung des Gerichts derzeit bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache in der Hauptverhandlung geltend gemacht werden. Die Neuregelung sieht vor, dass der Besetzungseinwand künftig stets innerhalb einer Frist von einer Woche ab Zustellung der Besetzungsmitteilung erhoben werden muss, § 222b Absatz 1 Satz 1 StPO-E. Unterbleibt die Anordnung der förmlichen Zustellung oder scheitert die Zustellung an einen Verfahrensbeteiligten und wird der Zustellungsfehler nicht rechtzeitig behoben, so beginnt für den betroffenen Verfahrensbeteiligten die Frist weiterhin mit Bekanntmachung der Besetzung in der Hauptverhandlung. Dieser Zeitpunkt ist auch maßgeblich, wenn das Gericht die Besetzung erst zu Beginn der Hauptverhandlung mitteilt, § 222a Absatz 1 Satz 1 StPO.

Die vorgeschlagene Wochenfrist orientiert sich an der gegenwärtigen Regelung des § 222a Absatz 2 StPO, wonach die Hauptverhandlung auf Antrag unterbrochen werden kann, wenn die Besetzung später als eine Woche vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden ist. Die Dauer der Frist ist so bemessen, dass die Verfahrensbeteiligten ausreichende Möglichkeit zur Überprüfung der Besetzung haben (vergleiche BGH, Urteil vom 10. Juni 1980 - 5 StR 464/79, NJW 1980, 2364, 2365).

Zu Buchstabe b

Der Ablauf des Vorabentscheidungsverfahrens soll in dem neuen § 222b Absatz 3 StPO-E näher geregelt werden.

Zu Satz 1

Das Gericht, dessen Besetzung angegriffen wird, soll nach § 222b Absatz 2 StPO unverändert für die Erstprüfung des Besetzungseinwands zuständig bleiben. Die Entscheidung ergeht nach Anhörung der Prozessbeteiligten zum frühestmöglichen Zeitpunkt (vergleiche Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, § 222b Rn. 10). Hilft das Gericht dem Einwand vorschriftswidriger Besetzung nicht ab, soll die Besetzungsrüge gemäß § 222b Absatz 3 Satz 1 StPO-E künftig sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen, dem Oberlandesgericht (§ 121 Absatz 1 Nummer 4 GVG-E) oder dem Bundesgerichtshof (§ 135 Absatz 2 Nummer 3 GVG-E) zur Entscheidung vorgelegt werden. Ein Gericht, dessen Besetzung angegriffen wird, ist folglich regelmäßig zur Vorlage an das Rechtsmittelgericht verpflichtet. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Hauptverhandlung bereits vor Ablauf der dreitägigen Vorlagefrist durch Verkündung des Urteils beendet ist.

Zu den Sätzen 2 bis 4

Der weitere Ablauf des Vorabentscheidungsverfahrens soll in § 222b Absatz 3 Satz 2 bis 4 StPO-E geregelt werden. Die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts ergeht ohne mündliche Verhandlung. Zuvor sollen den Verfahrensbeteiligten wie der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt werden. Ist der Besetzungseinwand begründet, stellt das Rechtsmittelgericht entsprechend der gegenwärtigen Rechtslage fest, dass das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt ist. Durch diese Feststellung ist das Hauptverfahren beendet. Verwirft das Rechtmittelgericht die Rüge, ist die Entscheidung abschließend; die Revision kann auf den Besetzungseinwand nicht mehr gestützt werden. Verkündet das Gericht, dessen Besetzung angegriffen wird, vor der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts über die vorschriftsmäßige Besetzung ein Urteil, ist das Vorabentscheidungsverfahren erledigt. In diesen Fällen kann der Angeklagte den Einwand vorschriftsmäßiger Besetzung wie bisher im Rahmen der Revision geltend machen.

Kein Regelungsbedarf besteht bei der Kostengrundentscheidung. Die Entscheidung über die durch die Besetzungsrüge entstehenden Kosten soll sich an den Vorschriften der §§ 464 ff. StPO orientieren.

Zu Nummer 13 (§ 229)

Das geltende Recht sieht in § 229 Absatz 3 StPO eine Hemmung der Unterbrechungsfristen nur für den Fall der Erkrankung des Angeklagten oder einer zur Urteilsfindung berufenen Person vor. Hiervon sind Zeiten des gesetzlichen Mutterschutzes von Richterinnen nicht umfasst. Diese können jedoch sowohl vor- als auch nachgeburtlich ein absolutes Beschäftigungsverbot für die Richterin bewirken. Strafprozessual führt die Teilnahme der dem Mutterschutz unterfallenden Richterin an einem Verfahren, jedenfalls soweit sie während eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots stattfindet, zu einer fehlerhaften Besetzung der Kammer und damit zum Erfolg einer hierauf gestützten Verfahrensrüge (BGH, Urteil vom 7. November 2016 - 2 StR 9/15, NJW 2017, 745 ff.). Konsequenz hieraus ist, dass ein Prozess ausgesetzt und von neuem begonnen werden muss, da allein schon die Länge der mutterschutzrechtlichen Schutzfrist in der Regel die Länge der Unterbrechungsmöglichkeiten nach § 229 Absatz 1 und 2 StPO überschreitet.

Um die Fortsetzung von Strafprozessen auch während der Zeiten des gesetzlichen Mutterschutzes so weit wie strafprozessual vertretbar zu ermöglichen und zugleich möglichen Einschränkungen beim Einsatz von Richterinnen in umfangreichen Strafprozessen entgegenzuwirken, sieht die Neuregelung in § 229 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 StPO-E vor, dass künftig eine Hemmung nicht nur im Krankheitsfall, sondern auch dann eintreten soll, wenn eine erkennende Richterin aufgrund des gesetzlichen Mutterschutzes nicht an der Hauptverhandlung teilnehmen kann.

Gleichzeitig soll darin vorgesehen werden, dass die Hemmung auch während der Inanspruchnahme von Elternzeit im gleichen Umfang eintritt. Beansprucht eine erkennende Richterin oder ein erkennender Richter während einer laufenden Hauptverhandlung Elternzeit, so kann dies - anders als etwa Anträge auf Erholungs- oder Fortbildungsurlaub - aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 16 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes während der ersten beiden Zeitabschnitte der Elternzeit auch aus dringenden betrieblichen Gründen nicht abgelehnt werden. Auch bei Inanspruchnahme von Elternzeit drohen daher Aussetzung und Neubeginn bereits lange laufender Hauptverhandlungen, so dass die Unterbrechung der Hauptverhandlung - gerade auch in Haftfällen - in der Regel zu einer schnelleren Verfahrensbeendigung führt. Zugleich soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestärkt sowie Einsatz- und Entwicklungsmöglichkeiten junger Richterinnen und Richter in umfangreichen Strafverfahren gefördert werden.

Allerdings kann die Hemmung nicht unbefristet bzw. bis zum Ablauf der längstmöglichen Dauer des gesetzlichen Mutterschutzes oder der Elternzeit gelten. Wie in den Fällen der Krankheit, die in § 229 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 StPO-E inhaltlich unverändert geregelt bleiben soll, bedarf es zur Wahrung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit und der Einheitlichkeit der Hauptverhandlung einer Höchstdauer für die jeweilige Hemmung.

Die Höchstdauer der Hemmung soll daher künftig einheitlich zwei Monate betragen. Dies führt zu einer möglichen Gesamtunterbrechung von drei Monaten und zehn Tagen und ermöglicht den Gerichten in größerem Umfang als derzeit, die begonnene Hauptverhandlung nach dem Ablauf der Hemmung fortzusetzen. Die Gesamtdauer der Unterbrechung ist mit Blick darauf, dass die Hemmung wie im geltenden Recht nur eintreten soll, wenn die Hauptverhandlung bereits mindestens zehn Tage gedauert hat, mit Blick auf die Verfahrensziele gerechtfertigt, weil die Alternative, den Prozess auszusetzen und mit neuer Besetzung neu zu beginnen, in aller Regel zu längeren Verzögerungen, aber auch zu drohenden Beweisverlusten führen würde.

Eine unterschiedliche Fristenbestimmung für die Fälle der Krankheit, des Mutterschutzes und der Elternzeit ist demgegenüber nicht gerechtfertigt, da der Grund der Hemmung für die entscheidende Frage, wie lange ein Strafprozess insgesamt unterbrochen sein kann, ohne dass eine Urteilsfindung auf Grundlage der unmittelbaren Wahrnehmung der Richterinnen und Richter nicht mehr möglich ist, ohne Bedeutung ist. Deshalb soll die neue zweimonatige Hemmungsdauer auch für die Fälle der Krankheit gelten, in denen derzeit nur eine Hemmung von höchstens sechs Wochen vorgesehen ist.

Wie im geltenden Recht bezieht sich die Höchstdauer der Hemmung auf die jeweilige, vom Vorsitzenden nach § 229 Absatz 1 StPO oder vom Gericht nach § 229 Absatz 2 StPO angeordnete Unterbrechung. Möglich bleibt es, dass der Ablauf einer erneuten Unterbrechungsfrist im Anschluss an die Fortsetzung der Hauptverhandlung wiederum aus einem der in § 229 Absatz 3 StPO-E aufgeführten Gründe gehemmt wird.

Die Regelungen in § 229 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2 StPO-E sollen uneingeschränkt nicht nur für hauptberufliche Richterinnen und Richter, sondern - wie bisher bereits die Regelungen zur Hemmung im Krankheitsfall - auch für Schöffinnen und Schöffen gelten. Dies dient der Vereinbarkeit des Schöffenamtes mit der Familienplanung.

§ 229 Absatz 3 Satz 2 StPO-E entspricht dem derzeitigen § 229 Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO.

Zu Nummer 14 (§ 244)

Mit den vorgeschlagenen Änderungen in § 244 Absatz 3 und 6 StPO-E soll das Beweisantragsrecht insgesamt systematisiert und den Gerichten der Umgang mit missbräuchlich gestellten Beweisanträgen erleichtert werden.

Mit dem Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Gestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202, 3630) wurde zuletzt in § 244 Absatz 6 Satz 2 und 3 StPO die Möglichkeit geschaffen, dass der Vorsitzende nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme eine Frist setzen kann, nach deren Ablauf weitere Beweisanträge grundsätzlich im Urteil beschieden werden können. Sinn und Zweck des § 244 Absatz 6 StPO erfordert dabei eine erneute Fristsetzung nur für solche Beweisanträge, die sich aus der Beweisaufnahme nach Wiedereintritt ergeben. Die geschaffene Möglichkeit erleichtert es den Gerichten, Beweisanträge zum Zwecke der Verfahrensverzögerung ohne Rechtsverlust des Angeklagten wirksam zu begegnen.

Der Entwurf sieht jetzt weiterreichende Vorschläge vor. Der Begriff des Beweisantrags soll erstmals gesetzlich bestimmt werden. Beweisersuchen mit dem Ziel der Prozessverschleppung sollen künftig nicht mehr als Beweisantrag behandelt werden. Die Anforderungen an die Prozessverschleppungsabsicht soll dabei in objektiver Hinsicht abgesenkt werden. Der Entwurf bietet schließlich Anlass, die Ablehnungsgründe in § 244 Absatz 3 StPO-E neu zu strukturieren.

Zu Buchstabe a

Beweisanträge können nur unter den erhöhten Voraussetzungen des § 244 Absatz 3 bis 5 StPO sowie § 245 Absatz 2 StPO durch förmlichen Gerichtsbeschluss gemäß § 244 Absatz 6 Satz 1 StPO abgelehnt werden. Sonstige Beweisersuchen (zum Beispiel Beweisermittlungsanträge) sind nach Maßgabe des Amtsermittlungsgrundsatzes gemäß § 244 Absatz 2 StPO zu behandeln. Die Unterscheidung eines Beweisantrages von einem Beweisermittlungsantrag kann die Verfahrensdauer dadurch maßgeblich beeinflussen. Trotz der Bedeutung für die Beweisaufnahme ist der Begriff des Beweisantrages bis heute lediglich bruchstückhaft im Gesetz (§ 219 Absatz 1 StPO) definiert.

Zu Satz 1

Der Entwurf schlägt nunmehr vor, den Begriff des Beweisantrages erstmals gesetzlich zu bestimmen.

Er übernimmt dabei in § 244 Absatz 3 Satz 1 StPO-E die in der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes entwickelte Begriffsbestimmung. Danach ist ein Beweisantrag durch das ernsthafte Verlangen des Antragstellers gekennzeichnet, Beweis über eine bestimmt behauptete, die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betreffende, konkrete Tatsache durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben (vergleiche nur BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 3 StR 201/05, NStZ 2006, 585).

Um solchen Beweisbehauptungen zu begegnen, die überhaupt nicht erkennen lassen, in welcher Weise das benannte Beweismittel zur Klärung der Beweisbehauptung beitragen kann, soll auch die Rechtsprechung zur sogenannten "Konnexität" eines Beweisantrags ins Gesetz übernommen werden (vergleiche BGH, Beschluss vom 19. September 2007 - 3 StR 354/07, StV 2008, 9 f.; Beschluss vom 20. Juli 2010 - 3 StR 218/10, StraFo 2010, 466). Der Beweisantrag muss danach den erforderlichen Zusammenhang ("Konnexität") zwischen Beweismittel und Beweistatsache erkennen lassen. In der Begründung des Beweisantrags soll ein nachvollziehbarer Grund dafür anzugeben sein, weshalb mit dem bezeichneten Beweismittel die Beweisbehauptung nachgewiesen werden kann (vergleiche BGH, Beschluss vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10, NStZ 2011, 169 f. mit weiteren Nachweisen), wenn sich dies nicht ohnehin von selbst versteht. Dem Beweisantrag soll beispielsweise zu entnehmen sein, weshalb ein Zeuge die Beweisbehauptung aus eigener Wahrnehmung bestätigen können soll. Dadurch soll den Gerichten schon von Gesetzes wegen insbesondere der Umgang mit solchen Beweisersuchen erleichtert werden, die die unter Beweis gestellte Tatsache so ungenau bezeichnen, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder die keinen konkreten Zusammenhang des bezeichneten Beweismittels mit der Beweistatsache aufweisen.

Ferner sollen Beweisbehauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein", denen es an der gebotenen Ernsthaftigkeit des Verlangens mangelt, von den Gerichten nach § 244 Absatz 3 Satz 1 StPO-E nicht als Beweisanträge behandelt werden müssen.

Zu Satz 2

§ 244 Absatz 3 Satz 2 StPO-E übernimmt die heute in § 244 Absatz 3 Satz 1 StPO enthaltene Regelung.

Zu Satz 3

Satz 3 übernimmt unverändert die derzeit in § 244 Absatz 3 Satz 2 StPO aufgeführten Ablehnungsgründe mit Ausnahme des Ablehnungsgrunds der Prozessverschleppungsabsicht. Die einzelnen Ablehnungsgründe sollen mit Nummern versehen werden, um die Übersichtlichkeit zu erhöhen und die Zitierfähigkeit in der Praxis zu erleichtern.

Der Ablehnungsgrund der Prozessverschleppungsabsicht soll mit Blick auf die Neuregelung in Absatz 6 gestrichen werden, weil Beweisersuchen, die in der Absicht der Prozessverschleppung gestellt werden, keine Beweisanträge im Sinn des § 244 Absatz 3 Satz 1 StPO-E sind und deshalb gemäß § 244 Absatz 6 Satz 2 StPO-E keiner förmlichen Ablehnung mehr bedürfen (vergleiche hierzu die Begründung zu Buchstabe b).

Zu Buchstabe b

Die Ablehnung eines Beweisantrags erfolgt gemäß § 244 Absatz 6 Satz 1 StPO durch Gerichtsbeschluss. Das Gericht ist verpflichtet, den Beschluss unter Bezug auf die einschlägigen Ablehnungsgründe des Absatzes 3 zu begründen.

Der Entwurf sieht in § 244 Absatz 6 Satz 2 StPO-E vor, dass Beweisersuchen mit dem Ziel der Prozessverschleppung künftig nicht mehr durch förmlichen Gerichtsbeschluss nach § 244 Absatz 6 Satz 1 StPO beschieden werden müssen. Dem Regelungsvorschlag liegt das Verständnis zugrunde, dass Beweisersuchen mit dem Ziel der Prozessverschleppung - entgegen dem geltenden Recht - keine Beweisanträge sind. In der Konsequenz sollen solche Beweisersuchen nicht mehr unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 als Beweisantrag abgelehnt werden müssen. Vielmehr sollen sie vom Vorsitzenden ohne formellen Gerichtsbeschluss nach Maßgabe der Amtsaufklärungspflicht gemäß § 244 Absatz 2 StPO behandelt und abgelehnt werden können. Ob die Voraussetzungen des § 244 Absatz 6 Satz 2 StPO gegeben sind, soll der Vorsitzende zunächst im Rahmen seiner Sachleitungsbefugnis prüfen. Gegen die Entscheidung des Vorsitzenden ist eine Beanstandung nach § 238 Absatz 2 StPO möglich, über die sodann das Gericht in freier Würdigung zu befinden hat. Damit ist zugleich klargestellt, dass das Revisionsgericht nicht seine eigene Würdigung der Prozessverschleppungsabsicht an die Stelle der Würdigung des Vorsitzenden bzw. des Tatgerichts stellen darf. Deren Würdigung soll in der Revision nur daraufhin überprüft werden können, ob ein Beurteilungsspielraum überschritten wurde.

Die Begriffsmerkmale der Prozessverschleppungsabsicht sollen in § 244 Absatz 6 Satz 2 StPO-E gesetzlich bestimmt werden. Dabei sollen die in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Prozessverschleppungsabsicht in objektiver Hinsicht abgesenkt werden. Gegenwärtig bejaht die Rechtsprechung den Ablehnungsgrund der Prozessverschleppungsabsicht gemäß § 244 Absatz 3 Satz 2 Alternative 6 StPO, wenn die beantragte Beweiserhebung nach Überzeugung des Gerichts nichts Sachdienliches zugunsten des Antragstellers erbringen kann und der Antragsteller den Beweisantrag ausschließlich zum Zwecke der Verzögerung des Verfahrens stellt (vergleiche BGH, Urteil vom Urteil vom 8. Juli 1992 - 3 StR 2/92, NStZ 1992, 551). Zusätzlich wird in objektiver Hinsicht verlangt, dass die verlangte Beweiserhebung geeignet ist, den Abschluss des Verfahrens "wesentlich" oder "erheblich" zu verzögern (siehe nur BGH, Urteil vom 3. Februar 1982 - 2 StR 374/81, NStZ 1982, 291, 292; BGH, Urteil vom 8. Juli 1992 - 3 StR 2/92 NStZ 1992, 551).

Dieses im Einzelnen unklare Erfordernis einer objektiv erheblichen Verfahrensverzögerung führt in der Praxis dazu, dass der Ablehnungsgrund der Prozessverschleppungsabsicht trotz Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen häufig nicht von den Gerichten angenommen werden kann. Dem Ablehnungsgrund kommt deshalb in der Gerichtspraxis nur eine geringe Bedeutung zu.

Vorzugswürdig ist es, auf das Erfordernis einer objektiven Verzögerung zu verzichten und damit zugleich das dem Regelungsvorschlag zugrundeliegende Begriffsverständnis der Prozessverschleppungsabsicht in der Strafprozessordnung zu vereinheitlichen. Denn gegenwärtig wird weder bei der Ablehnung eines zum Zweck der Prozessverschleppung gestellten Befangenheitsgesuchs (§ 26a Absatz 1 Nummer 3 StPO) noch bei der Ablehnung eines Beweisantrags bei präsenten Beweismitteln (§ 245 Absatz 2 Satz 3 5. Variante StPO) verlangt, dass das Verfahren durch das Gesuch objektiv erheblich verzögert wird. Dass ein Beweisersuchen in Prozessverschleppungsabsicht auch angenommen werden kann, wenn der Antragsteller in einem Motivbündel neben dem Ziel der Verfahrensverzögerung auch ein oder mehrere weitere verfahrensfremde Ziele verfolgt, soll dort ausdrücklich klargestellt werden.

Zu Nummer 15 (§ 245)

Es handelt sich um Folgeänderungen zur Änderung des Beweisantragsrechts (vergleiche hierzu die Begründung zu Nummer 14 Buchstabe b).

Zu Nummer 16 (§ 255a)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu § 58a Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 StPO-E. Durch die geplante Änderung soll die Zulässigkeit der vernehmungsersetzenden Vorführung einer Bild-Ton-Aufzeichnung gemäß § 255a Absatz 2 StPO auf die Vernehmungen von erwachsenen Opfern eines Sexualdelikts erweitert werden. Diese Änderung ergänzt die mit der Änderung des § 58a StPO-E bezweckte Stärkung des Schutzes von Opfern von Sexualdelikten. Das Gericht soll durch § 255a Absatz 2 Satz 2 StPO-E die Möglichkeit erhalten, die Vernehmung eines erwachsenen Opfers eines Sexualdelikts in der Hauptverhandlung durch eine frühere richterliche Vernehmung zu ersetzen, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit hatten, an dieser mitzuwirken. Im Fall eines Geständnisses wird der Zeuge regelmäßig auch ohne Verzichtserklärung des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht mehr aussagen müssen. Das Gericht kann das Geständnis durch die vernehmungsersetzende Vorführung der richterlichen Vernehmung des Zeugen ohne unmittelbare Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung überprüfen. Hierdurch sollen besonders in Sexualstrafverfahren belastende Mehrfachvernehmungen des Opfers vermieden werden.

Ist der Zeuge im Ermittlungsverfahren nach seiner Vernehmung mit der Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung in der Hauptverhandlung nicht einverstanden, soll er unmittelbar nach der Vernehmung der Vorführung widersprechen können. Dies soll den Zeugen in die Lage versetzen, unter dem Eindruck der Vernehmung seine zuvor erteilte Zustimmung zu überdenken und sein Persönlichkeitsrecht durch die Widerspruchsmöglichkeit effektiv zu schützen. Durch das zeitliche Erfordernis des unmittelbar nach der Vernehmung zu erhebenden Widerspruchs soll dem Spannungsverhältnis zwischen Opferschutz einerseits und dem Unmittelbarkeitsgrundsatz gemäß § 250 StPO sowie der Pflicht des Gerichts zur Wahrheitserforschung andererseits Rechnung getragen werden. Es soll nur in einem engen zeitlichen Zusammenhang nach der Vernehmung ("unmittelbar") im Belieben des Zeugen stehen, ob seine Aussage bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen gegebenenfalls vernehmungsersetzend gemäß § 255a StPO vorgeführt werden kann. Durch den Regelungsvorschlag soll der Zeuge angehalten werden, den Widerspruch direkt im Anschluss an die Vernehmung gegenüber dem Richter zu erklären. Erklärt er den Widerspruch nicht oder nicht rechtzeitig, überwiegen die öffentlichen Belange der Strafrechtspflege und der Zeuge ist an sein vor der Vernehmung erklärtes Einverständnis gebunden. Das gleiche soll gelten, wenn der Zeuge seinen rechtzeitig erklärten Widerspruch zurücknimmt. Ein erneuter Widerspruch soll aus Gründen der Rechtssicherheit unbeachtlich sein.

Der rechtzeitig erklärte Widerspruch schließt indes nur die vernehmungsersetzende Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung in der Hauptverhandlung aus. Auch nach der Neufassung ist es zulässig, ergänzend zur Vernehmung des Zeugen oder der Vernehmungsperson die Videoaufzeichnung ganz oder teilweise vorzuspielen. Dies ist durch die Aufklärungspflicht häufig geboten (vgl. Mosbacher, in: Löwe/Rosenberg, 26. Auflage, § 255a Rn. 16).

Zu Nummer 17 (§ 338)

Die Regelung ergänzt den Vorschlag, ein Vorabentscheidungsverfahren über Besetzungsrügen einzuführen (vergleiche hierzu die Vorbemerkung zu den Nummern 11 und 12), um die erforderlichen revisionsrechtlichen Folgen. Strafverfahren, in denen die Mitteilung der Besetzung nicht nach § 222a Absatz 1 Satz 1 StPO vorgeschrieben ist, sind von diesem Regelungsvorschlag nicht betroffen.

In dem Vorabentscheidungsverfahren über Besetzungsrügen sollen die Verfahrensbeteiligten gehalten sein, alle objektiv erkennbaren Besetzungsmängel, die bis zum Eintritt der Präklusionswirkung gemäß § 222b Absatz 1 Satz 1 StPO-E entstanden sind, zu rügen. Nach diesem Zeitpunkt präkludiert die Rüge. Hilft das Tatgericht dem form- und fristgerecht erhobenen Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung nicht ab, soll das Rechtsmittelgericht über die Besetzungsrüge abschließend entscheiden. Die Entscheidung ist bindend. Sie steht der Überprüfung des Besetzungseinwands in der Revisionsinstanz entgegen.

Im Übrigen soll die Möglichkeit der Rüge eines Besetzungsmangels mit der Revision erhalten bleiben. An dem gegenwärtigen Regelungsgefüge von Präklusionswirkung gemäß § 222b StPO einerseits und den in § 338 Nummer 1 StPO geregelten Ausnahmetatbeständen andererseits wird folglich festgehalten.

Die derzeit in § 338 Nummer 1 Buchstabe a bis d geregelten Ausnahmen von der Präklusionswirkung sollen infolge der Einführung des Vorabentscheidungsverfahrens wie folgt umgestaltet werden:

Zu Buchstabe a

§ 338 Nummer 1 Buchstabe a StPO-E soll künftig diejenigen Fälle regeln, in denen das Tatgericht trotz festgestellter Vorschriftswidrigkeit der Besetzung, sei es durch eigenen Beschluss gemäß § 222b Absatz 2 Satz 2 StPO, sei es durch Entscheidung des Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren gemäß § 222b Absatz 3 Satz 4 StPO-E, weiterverhandelt und ein Urteil erlassen hat. Dieser Fall der Entscheidung trotz festgestellten Besetzungsfehlers, der gegenwärtig teilweise von § 338 Nummer 1 Buchstabe d StPO erfasst wird, soll auch künftig gemäß § 338 Nummer 1 Buchstabe a StPO-E der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegen.

Zu Buchstabe b

Daneben sollen Besetzungsrügen gemäß § 338 Nummer 1 Buchstabe b StPO-E in bestimmten Fällen mit der Revision auch überprüfbar bleiben, wenn das Rechtsmittelgericht nicht über die Besetzung entschieden hat, weil Vorschriften über die Mitteilung verletzt (Buchstabe aa), der vom Angeklagten form- und fristgerecht vorgebrachte Besetzungseinwand übergangen oder zurückgewiesen (Buchstabe bb) oder dem Angeklagten die gesetzlich vorgesehene Prüfungsfrist nicht eingeräumt oder vor Ablauf der Prüfungsfrist ein Urteil verkündet wurde (Buchstabe cc) .

Zu Buchstabe aa

Zunächst soll die derzeit in § 338 Nummer 1 Buchstabe a geregelte Ausnahme von der Rügepräklusion, in Fällen, in denen das Tatgericht die Vorschriften über die Mitteilung verletzt hat, erhalten bleiben. Dies betrifft zum einen Fälle, in denen die vorgeschriebene Mitteilung vollständig unterblieben ist. Zum anderen können hierunter auch Fälle fallen, in denen das Gericht eine fehlerhafte Besetzungsmitteilung zugestellt oder dem Angeklagten fehlerhafte Unterlagen zur Überprüfung der Besetzung zur Verfügung gestellt hat (vergleiche hierzu Rieß, NJW 1978, 2265, 2269).

Zu Buchstabe bb

Auch die derzeit in § 338 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b StPO geregelte Übergehung oder Zurückweisung der form- und fristgerecht erhobenen Besetzungsrüge soll als Ausnahmetatbestand von der Rügepräklusion unverändert fortgelten. Hierunter fallen künftig auch Fälle, in denen das Tatgericht ein Urteil fällt, bevor das Rechtsmittelgericht über die erhobene und ihm vorgelegte Besetzungsrüge entschieden hat, oder in denen das Tatgericht der Besetzungsrüge nicht abgeholfen und sie dem Rechtsmittelgericht entweder aufgrund einer vorherigen Urteilsverkündung oder aus sonstigen Gründen nicht binnen der dreitägigen Frist des § 222b Absatz 3 Satz 1 StPO-E vorgelegt hat.

Zu Buchstabe cc

Schließlich soll eine Rügepräklusion auch in Fällen ausgeschlossen sein, in denen das Tatgericht zwar eine Besetzungsmitteilung zugestellt, aber sein Urteil bereits vor dem Ablauf der einwöchigen Prüfungsfrist erlassen hat, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 StPO-E gestellt wurde. In diesen Fällen muss der Einwand fehlerhafter Besetzung ebenfalls mit der Revision überprüfbar bleiben. Gleiches gilt, wenn das Tatgericht die Besetzung oder eine Besetzungsänderung erst zu Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt, eine Unterbrechung auf Antrag nach § 222a Absatz 2 StPO-E jedoch abgelehnt hat und dem Angeklagten aufgrund einer Urteilsverkündung vor Ablauf der Prüffrist diese Frist nicht zur Verfügung stand. Die Überprüfung der Gerichtsbesetzung mit der Revision bleibt damit insbesondere in solchen Fällen möglich, in denen ein Gericht, etwa weil es zunächst von einer längeren Verfahrensdauer ausgegangen war, eine Unterbrechung auf Antrag nach § 222a Absatz 2 StPO abgelehnt, dann jedoch bereits vor Ablauf der Prüfungsfrist ein Urteil erlassen hat.

Zu Nummer 18 (§ 397a)

Zu Buchstabe a

Durch die Änderung in § 397a Absatz 1 Nummer 1 StPO-E soll zunächst ein redaktionelles Versehen behoben werden. In dieser Vorschrift werden Nebenkläger privilegiert behandelt, die Opfer der dort genannten Verbrechen geworden sind. Ihnen kann ohne weitere Voraussetzungen ein anwaltlicher Beistand bestellt werden. Der geltende § 397a Absatz 1 Nummer 1 StPO verweist dabei - redaktionell fehlerhaft - auf den sexuellen Missbrauch widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 des Strafgesetzbuches (StGB) in der vor dem 10. November 2016 geltenden Fassung. Dieser Straftatbestand wurde durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes sexueller Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl I S. 2460) aufgehoben. Der Änderungsvorschlag sieht deshalb vor, den durch diese Gesetzesänderung fehlerhaft gewordenen Verweis zu streichen.

Zudem soll durch den Regelungsvorschlag der Katalog der Straftaten zur privilegierten Bestellung eines Beistandes in § 397a Absatz 1 Nummer 1 StPO-E auf die besonders schweren Fälle eines Vergehens nach § 177 Absatz 6 StGB erweitert werden. Dies betrifft insbesondere Opfer von Vergewaltigungen, welche nur einen der neuen Grundtatbestände der Absätze 1 und 2 des § 177 StGB erfüllen. Mit dem 50. Strafrechtsänderungsgesetz- Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung - vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460) wurde die Strafbarkeit nach § 177 StGB deutlich erweitert und in Absatz 1 und Absatz 2 neue Grundtatbestände geschaffen, die als Vergehen ausgestaltet sind. Zugleich sind die bisher von § 177 Absatz 1 StGB a.F. erfassten Fälle in einem Qualifikationstatbestand weiterhin als Verbrechen geregelt (§ 177 Absatz 5 StGB). Soweit sich die Strafbarkeit gemäß § 177 Absatz 6 StGB auf die Tathandlungen der Vergehen des sexuellen Übergriffs und der sexuellen Nötigung gemäß § 177 Absatz 1 und 2 StGB bezieht, ändert die in § 177 Absatz 6 StGB angedrohte Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren nicht den Deliktscharakter der Straftat als Vergehen. Gemäß § 12 Absatz 3 StGB bleiben besonders schwere Fälle für die Einteilung einer Straftat als Verbrechen oder Vergehen außer Betracht. Folglich fallen die besonders schweren Fälle des § 177 StGB, die sich nur auf die neuen Grundtatbestände der §§ 177 Absatz 1 und 2 StGB beziehen, nicht unter die in § 397a Absatz 1 Nummer 1 StPO genannten Verbrechen. Nach der gegenwärtigen Rechtslage haben in diesen Fällen daher die Opfer keinen Anspruch auf privilegierte Bestellung eines Rechtsbeistands.

Diese Rechtslage soll verbessert und an die berechtigten Interessen der Opfer jeder Form von Vergewaltigung angepasst werden. Das Unrecht der von § 177 Absatz 6 StGB erfassten Straftaten ist gewichtig, auch wenn nur einer der neuen Grundtatbestände erfüllt ist. Alle Opfer einer von § 177 Absatz 6 StGB erfassten Straftat drohen vergleichbare Belastungen durch das Ermittlungs- und Gerichtsverfahren wie in den von § 397a Absatz 1 Nummer 1 StPO bereits erfassten Verbrechenstatbeständen des § 177 StGB. Die vorgeschlagene Neuregelung verhilft dazu, den Opferschutz im Recht der Bestellung auf die bereits geregelten Anwendungsfälle in § 397a Absatz 1 Nummer 1 StPO anzugleichen. Ein ähnliches Anliegen verfolgte auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) Nr. 2016/679 , in der zu Artikel 1 eine Änderung in § 397a Absatz 1 Nummer 1 StPO angeregt wurde (vergleiche Bundesrats-Drucksache 433/18(B) HTML PDF .

Durch die vorgeschlagene Neuregelung wird im Übrigen das heutige Recht der Bestellung gemäß § 397a Absatz 1 StPO im Hinblick auf Vergewaltigungstatbestände auf das Schutzniveau vor Abschaffung des § 179 StGB a.F. angehoben. Nach früherer Rechtslage waren beim sexuellen Missbrauch widerstandsunfähiger Personen Fälle des Beischlafs und des Eindringens (§ 179 Absatz 5 Nummer 1 StGB a. F.) als Verbrechenstatbestände ausgestaltet, die zur privilegierten Bestellung gemäß § 397a Absatz 1 Nummer 1 StPO berechtigten. Seit dem 50. Strafrechtsänderungsgesetz - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460) werden die genannten Fallkonstellationen als besonders schwere Fälle gemäß § 177 Absatz 6 StGB erfasst, wodurch sie - soweit nicht einer der Qualifikationstatbestände von § 177 Absatz 4 und 5 erfüllt ist - nicht mehr unter § 397a Absatz 1 Nummer 1 StPO fallen. Durch den Regelungsvorschlag wird den Opfern dieser Straftaten der privilegierte Anspruch auf Bestellung eines Rechtsbeistands (wieder) ermöglicht.

Zu Buchstabe b

Zunächst soll die durch § 397a Absatz 1 Nummer 1a in Bezug genommene Strafvorschrift des § 184j StGB mit der Gesetzesangabe "des Strafgesetzbuches" ergänzt und damit redaktionell angepasst werden.

Ferner ist eine Folgeänderung zur Erweiterung des Bestellungsanspruchs bestimmter Nebenkläger gemäß § 397a Absatz 1 Nummer 1 StPO-E erforderlich (vergleiche hierzu die Begründung zu Buchstabe a). Gegenwärtig wird dem Nebenkläger nach § 397a Absatz 1 Nummer 1a StPO ein privilegierter Anspruch auf einen Rechtsbeistand gewährt, wenn er Opfer eines Verbrechens nach § 177 StGB aus Gruppen (§ 184j StGB) geworden ist. Liegt der aus der Gruppe begangenen Straftat gemäß § 184j StGB kein Verbrechen nach § 177 StGB, sondern ein besonders schwerer Fall eines Vergehens wie die Vergewaltigung gemäß § 177 Absatz 6 StGB zugrunde, kann dem Nebenkläger derzeit nicht unter den erleichterten Voraussetzungen des § 397a Absatz 1 Nummer 1a StPO ein Rechtsbeistand bestellt werden. Dies ist mit dem Gleichlauf der Verbrechenstatbestände des § 177 StGB mit den besonders schweren Fällen gemäß § 177 Absatz 6 StGB in § 397a Absatz 1 Nummer 1 StPO-E nicht vereinbar und soll durch den Regelungsvorschlag ergänzend angepasst werden.

Zu Nummer 19 (§ 397b)

In Strafverfahren mit einer Vielzahl von Nebenklägern, die jeweils durch eigene Rechtsanwälte vertreten sind, unterliegt die Durchführung der Hauptverhandlung besonderen Herausforderungen. Neben der Bereitstellung ausreichender Räumlichkeiten muss das Gericht gewährleisten, dass die Verfahrensrechte der Verfahrensbeteiligten wie des Angeklagten und der Nebenkläger gewahrt werden. Eine effektive Durchführung einer Hauptverhandlung kann bei einer Vielzahl von Nebenklägern erschwert werden, da sich durch eine Vervielfachung der Nebenklagevertretungen auch die Dauer des Verfahrens erheblich verlängern kann. Zugleich kann davon ausgegangen werden, dass in vielen Fällen bei Nebenklägern gleichgerichtete Interessen bestehen, die insbesondere bei familiären Nähebeziehungen unter den Nebenklägern gegeben sein dürften.

Der Entwurf schlägt deshalb eine Regelung zur Bündelung der Nebenklagevertretung vor, um das Verfahren zu vereinfachen, ohne die wirksame Wahrnehmung der Nebenklageinteressen zu beeinträchtigen. Es sollen etwaige Verfahrensverzögerungen vermieden und eine faire Verfahrensführung sichergestellt werden. Die Bündelung der Nebenklagevertretung soll zudem die Chance des Verurteilten auf Resozialisierung verbessern, die durch die Auferlegung der Kosten einer großen Zahl von Nebenklägern gemindert sein könnte.

Der Regelungsvorschlag knüpft dabei an das Recht der Bestellung oder Beiordnung gemäß § 397a StPO an. Das Institut der Nebenklage erlaubt es gemäß § 397a Absatz 3 Satz 2 StPO in Verbindung mit § 142 StPO schon heute, mehreren Nebenklägern denselben Rechtsbeistand unter den Voraussetzungen des § 142 StPO zu bestellen. Ein dem Verbot der Mehrfachverteidigung gemäß § 146 StPO entsprechendes Verbot der Mehrfachvertretung gibt es gerade nicht, da diese regelmäßig nicht mit Interessenkonflikten verbunden ist (siehe nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. August 1999, - Ws 393/99 - zitiert nach juris). Die Einzelheiten, unter welchen Voraussetzungen die Bestellung oder Beiordnung eines Vertreters für mehrere Nebenkläger nach geltendem Recht zulässig ist, sind in der Rechtsprechung umstritten. Einhellig wird jedoch davon ausgegangen, dass eine Mehrfachvertretung insbesondere bei mehreren Hinterbliebenen eines getöteten Tatopfers in Betracht kommen kann (siehe nur OLG Hamburg, Beschluss vom 17. Dezember 2012 - 2 Ws 175/12 -, NStZ-RR 2013, 153, 154; OLG Köln, Beschluss vom 18. April 2013 - III-2 Ws 207/13 -, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. März 2015 - III-1 Ws 40 - 41/15 -, Rn. 12, zitiert nach juris). Die vorgeschlagene Neuregelung baut auf dieser Rechtsprechung auf und sieht vor, für die Bestellung oder Beiordnung eines gemeinschaftlichen Nebenklagevertreters eine eigenständige Regelung in § 397b StPO-E zu treffen. Das Gericht kann danach mehreren Nebenklägern, bei denen gleichgelagerte Interessen vorliegen, denselben Beistand beiordnen. Es kann dabei auch mehrere Gruppen von Nebenklägern bilden, die jeweils gleichgelagerte Interessen verfolgen, und jeder Gruppe jeweils einen gemeinschaftlichen Nebenklagevertreter beiordnen.

Die vorgeschlagene Neuregelung greift schonend in die Rechte des Nebenklägers ein. Seine Verfahrensrechte gemäß § 397 StPO bleiben unberührt. Anders als in anderen Rechtsordnungen (vergleiche etwa die Regelungen im norwegischen Strafprozessrecht) verbleiben dem Nebenkläger auch bei der gemeinschaftlichen Nebenklagevertretung insbesondere seine Anwesenheits- und Fragerechte. Dem Nebenkläger ist es nach dem Regelungsvorschlag zudem unbenommen, sich im Verfahren entweder unter Verzicht auf einen Bestellungs- oder Beiordnungsantrag oder zusätzlich zu dem gemeinschaftlichen Nebenklagevertreter durch einen Wahlnebenklagevertreter auf eigene Kosten vertreten zu lassen.

Zu Absatz 1

Die gemeinschaftliche Nebenklagevertretung setzt nach § 397b Absatz 1 Satz 1 StPO-E voraus, dass die Nebenkläger gleichgelagerte Interessen verfolgen. Die Regelung ist als Kann-Vorschrift ausgestaltet und belässt dem Gericht sowohl ein Entschließungs- als auch ein Auswahlermessen.

Gleichgelagerte Interessen werden nach § 397b Absatz 1 Satz 2 StPO-E in der Regel bei Nebenklägern anzunehmen sein, die nahe Angehörige desselben Getöteten (§ 395 Absatz 2 Nummer 1 StPO) sind. Dies wird insbesondere in den Fällen in Betracht kommen, in denen sich mehrere minderjährige Kinder eines Getöteten der öffentlichen Klage als Nebenkläger anschließen. Das Regelbeispiel soll indes nicht abschließend sein. Gleichgelagerte Interessen sind auch außerhalb von Tötungsdelikten und unabhängig von Verwandtschaftsbeziehungen denkbar, etwa bei Großschadensereignissen oder Umweltdelikten. Die Kriterien für das Vorliegen gleichgelagerter Interessen sind anhand der jeweiligen Umstände zu ermitteln.

Gegenläufige, widersprüchliche oder unvereinbare Interessen von Nebenklägern, deren gleichzeitige Wahrnehmung dem Mehrfachvertreter wegen widerstreitender Interessen gemäß § 43a Absatz 4 BRAO berufsrechtlich untersagt wäre, stehen der Annahme gleichgelagerter Interessen entgegen. Nicht jeder Interessensunterschied begründet allerdings schon einen Interessenwiderstreit. Gleichgelagerte Interessen im Sinne der Neuregelung setzen keine Interessensgleichheit oder vollständige Einigkeit der Nebenkläger voraus. Unterschiedliche Auffassungen unter den Nebenklägern über die Art und Weise der Verfahrensführung können gegebenenfalls im Rahmen der Gruppenvertretung dadurch Berücksichtigung finden, dass der Nebenklagevertreter im Namen nur eines bestimmten Nebenklägers einzelne Anträge stellt bzw. Erklärungen vornimmt. Durch die Zuordnung eines Nebenklägers zu einer Gruppe muss sichergestellt sein, dass dessen Interessen durch den gemeinschaftlichen Nebenklagevertreter hinreichend wahrgenommen werden können. Stets sollen die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sein.

Liegen die Voraussetzung der gemeinschaftlichen Nebenklagevertretung vor, sieht § 397b Absatz 1 Satz 1 StPO-E auf der Rechtsfolgenseite ein Entschließungs- und ein Auswahlermessen vor. Hinsichtlich des Entschließungsermessens, ob die Mehrfachvertretung überhaupt in Betracht zu ziehen ist, soll das Gericht neben der Interessenlage der Nebenkläger weitere Gesichtspunkte berücksichtigen, wie die Wahrung der Rechte des Angeklagten, den Resozialisierungsgedanken oder die voraussichtliche Dauer und Komplexität des Verfahrens. Liegen sachliche Gründe vor, nach denen die Wahrnehmung der Interessen der Nebenkläger nur durch einen jeweils gesonderten Rechtsbeistand sachgerecht erfolgen kann, soll von der gemeinschaftlichen Nebenklagevertretung abgesehen werden.

Die Ermessensentscheidung betrifft auch die Einteilung der Gruppen von Nebenklägern. Sie soll sich an den gleichgelagerten Interessen der Nebenkläger orientieren. Ob die Nebenkläger Anspruch auf Bestellung eines Beistands nach § 397a Absatz 1 StPO haben oder Prozesskostenhilfe nach § 397a Absatz 2 StPO erhalten, ist für die Einteilung der Gruppen ohne Bedeutung. Nach der vorgeschlagenen Neuregelung ist es auch nicht ausgeschlossen, dass das Gericht einer größeren Anzahl von Nebenklägern, die gleichgelagerte Interessen verfolgen, mehrere gemeinschaftliche Nebenklagevertreter bestellt, wenn erst hierdurch eine sachgerechte und vertrauensvolle Interessensvertretung ausgeübt werden kann. Berücksichtigen kann das Gericht hierbei auch verfahrensökonomische Gründe, die in der Wahrnehmung der Mehrfachvertretung durch den Nebenklagevertreter liegen. Eine Zusammenfassung einer zu großen Anzahl von Nebenklägern im Zuge der gemeinschaftlichen Nebenklagevertretung könnte dazu führen, dass eine sachgemäße Interessenvertretung nicht mehr gewährleistet wäre, weil zu viele Einzelabsprachen getroffen werden müssten.

Auch die Auswahl des anwaltlichen Vertreters trifft das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Sachliche Auswahlkriterien können beispielsweise der Wille der (Mehrheit der) Nebenkläger, der Zeitpunkt des Bestellungs- und Beiordnungsantrags (Prioritätsprinzip), die Ortsnähe des Kanzleisitzes zum Gerichtsort oder etwaige Verhinderungen infolge von Terminkollision des vorgeschlagenen Nebenklagevertreters sein.

Die gemeinschaftliche Nebenklagevertretung erstreckt sich bei der Bestellung eines Beistands auf das gesamte Verfahren, während sie im Fall der bewilligten Prozesskostenhilfe auf den jeweiligen Rechtszug beschränkt ist. Liegen die Voraussetzungen der Mehrfachvertretung im Verlauf der Hauptverhandlung nicht mehr vor, kann die gemeinschaftliche Nebenklagevertretung ganz oder teilweise aufgehoben werden. Für diesen Fall richtet sich die Bestellung eines Rechtsbeistands weiterhin nach § 397a Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit § 142 StPO.

Vergütungsrechtlich wird ein dem anwaltlichen Vertreter unter Umständen entstehender Mehraufwand durch die gemeinschaftliche Nebenklagevertretung regelmäßig durch den Mehrvertretungszuschlag gemäß Nummer 1008 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) abgegolten. Im Übrigen besteht nach § 51 RVG auch die Möglichkeit der Bewilligung einer Pauschgebühr.

Die Entscheidung über die Bestellung eines gemeinschaftlichen Nebenklagevertreters kann nach den allgemeinen Grundsätzen mit der (einfachen) Beschwerde angefochten werden.

Zu Absatz 2

Bevor das Gericht über die Bestellung oder Beiordnung eines gemeinschaftlichen Nebenklagevertreters entscheidet, soll den betroffenen Nebenklägern nach § 397b Absatz 2 Satz 1 StPO-E Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt werden. Dies dient dazu, den Nebenklägern rechtliches Gehör zu verschaffen. Die Nebenkläger können ihre individuelle Situation und ihre Interessenlage darstellen, die das Gericht bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen hat. Auch können sie - gegebenenfalls nach einer internen Übereinkunft - einen Mehrfachvertreter vorschlagen. Die Staatsanwaltschaft ist nach allgemeinen Grundsätzen gemäß § 33 Absatz 2 StPO zu hören.

In § 397b Absatz 2 Satz 2 StPO-E wird geregelt, dass im Fall der Bestellung oder Beiordnung eines gemeinschaftlichen Rechtsanwalts die bereits erfolgten Einzelbestellungen oder -beiordnungen aufgehoben werden müssen. Hierdurch soll verhindert werden, dass derselbe Nebenklagevertreter zugleich als Mehrfach- und Einzelvertreter bestellt oder beigeordnet ist bzw. neben dem bestellten oder beigeordneten gemeinschaftlichen Nebenklagevertreter doppelte Einzelbestellungen oder -beiordnungen zulasten der Staatskasse bestehen bleiben.

Zu Absatz 3

Nach gegenwärtiger Rechtslage wird der einem Nebenkläger bestellte oder beigeordnete Beistand aus der Staatskasse vergütet (§§ 45 ff. Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)). Die Gebühren eines gewählten Beistands kann der bestellte oder beigeordnete Beistand nur in den Grenzen des § 53 RVG verlangen. Wird infolge der gemeinschaftlichen Nebenklagevertretung ein anderer als der von dem Nebenkläger vorgeschlagene Rechtsanwalt als Beistand bestellt oder beigeordnet, ohne dass der von dem Nebenkläger vorgeschlagene Rechtsanwalt zuvor bereits als Beistand bestellt oder beigeordnet war, finden die Rechtsfolgen der §§ 45 ff. RVG und insbesondere des § 53 RVG in Bezug auf die Vergütungsansprüche des nicht bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts hingegen keine Anwendung.

Um den Nebenkläger, dessen Rechtsanwalt nicht bestellt oder beigeordnet worden ist, durch die gemeinschaftliche Nebenklagevertretung kostenrechtlich nicht schlechter zu stellen, soll das Gericht nach der neu vorgeschlagenen Regelung des § 397b Absatz 3 StPO-E feststellen, ob bei dem nicht bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt die Voraussetzungen für eine Bestellung oder Beiordnung vorgelegen hätten. Hieran anknüpfend ordnet der neue § 53a RVG in der Entwurfsfassung (RVG-E) an, dass der Rechtsanwalt in diesem Fall hinsichtlich seiner bereits erbrachten Tätigkeiten einem als Beistand bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt gleichsteht (vergleiche hierzu die Begründung zu Artikel 7). Die mit der Bündelung der Nebenklage auch bezweckte Erleichterung der Resozialisierung des Verurteilten durch Reduzierung der Kostenlast wird durch die vorgesehene Neuregelung nicht in Frage gestellt. Denn die im Fall der Mehrfachvertretung der Nebenkläger entstehenden und von dem Verurteilten unter Umständen zu tragenden Kosten sind regelmäßig deutlich niedriger als die Kosten, die bei einer Bestellung oder Beiordnung eines Rechtsanwalts für jeden einzelnen Nebenkläger entstehen würden.

Das Gericht soll gemäß § 397b Absatz 3 StPO-E prüfen und feststellen, ob es den Rechtsanwalt ohne gemeinschaftliche Nebenklagevertretung gemäß § 397a Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit § 142 StPO als Beistand hätte bestellen oder beiordnen können. Eigenständiger Prüfung bedarf nur die Frage, ob die Voraussetzungen des § 142 StPO in Bezug auf den nicht als gemeinschaftlichen Nebenklagevertreter bestellten Rechtsanwalt vorgelegen hätten. Liegen die Voraussetzungen vor, stellt das Gericht dies durch Beschluss fest. Dieser Beschluss ist nach allgemeinen Grundsätzen mit der Beschwerde anfechtbar.

Zu Nummer 20 (§ 481)

Die Änderung, mit der eine Regelung geschaffen werden soll, nach der neben der Bewährungshilfe auch die Führungsaufsichtsstellen die Möglichkeit erhalten sollen, Daten direkt zu übermitteln, greift einen Vorschlag des Bundesrates auf (vergleiche Bundestagsdrucksache 19/5554, S. 8 f.). Grundsätzlich sollen über die Informationsweitergabe zwar nur die Staatsanwaltschaft und/oder das Gericht entscheiden. Eine Eilkompetenz für Fälle, in denen eine rechtzeitige Übermittlung durch Gericht und Staatsanwaltschaft nicht gewährleistet ist, stellt das Gesamtgefüge der Verantwortlichkeiten für die Informationsweitergabe jedoch nicht in Frage. Mit der Regelung soll klargestellt werden, dass auch die Führungsaufsichtsstellen befugt sind, unter den Voraussetzungen des § 481 Absatz 1 Satz 3 StPO personenbezogene Daten unmittelbar an die Polizeibehörden zu übermitteln.

Die "Dringlichkeit" der hierfür abzuwehrenden Gefahr ist als Tatbestandsmerkmal bestenfalls bedeutungslos, da ohnehin weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit der Datenübermittlung unmittelbar an die Polizeibehörden ist, dass eine rechtzeitige Übermittlung der Daten durch Strafverfolgungsbehörden und Gerichte nicht gewährleistet ist. Das Tatbestandsmerkmal der dringenden Gefahr sorgt jedoch in der Praxis für erhebliche Rechtsunsicherheit. Die Streichung des Wortes "dringend" ist daher angezeigt, zumal auch mit der Streichung des Wortes die Vorschrift darauf beschränkt bleibt, die Weitergabe von Daten nur in Eilfällen zu gestatten.

Zu Nummer 21 (§ 487)

Seit der Einfügung des § 481 Absatz 1 Satz 3 StPO durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202, 3630) ist für Mitteilungen an die Polizei anerkannt, dass auch die Aufsichtsstellen der Führungsaufsicht grundsätzlich die gleichen Übermittlungsbefugnisse wie Bewährungshelfer haben sollten. Mit dieser Regelung soll der Führungsaufsichtsstelle auch für Mitteilungen gegenüber den Justiz- und Maßregelvollzugsanstalten und - zukünftig - gegenüber den Strafvollstreckungsbehörden dieselben Übermittlungsbefugnisse wie Bewährungshelfern zugestanden werden. Damit haben Gerichte, Staatsanwaltschaft, Bewährungshelfer und Führungsaufsichtsstellen grundsätzlich die gleichen Übermittlungsbefugnisse gegenüber Polizei (für Bewährungshelfer und Führungsaufsichtsstellen in Eilfällen), Strafvollstreckungsbehörden sowie Justiz- und Maßregelvollzugsanstalten. Es wird somit insbesondere eine umfassende Informationsweitergabe im Rahmen von "Runden Tischen" ermöglicht. Dabei wird durch den Verweis auf § 479 Absatz 2 Nummer 1 StPO, der explizit auch die Zwecke der Vollstreckung der Führungsaufsicht (als Maßregel und damit Maßnahme im Sinne von § 11 Nummer 8 StGB) erfasst, noch deutlicher, dass damit nicht nur die Tätigkeit der Bewährungshelfer im Rahmen der Strafaussetzung, sondern auch im Rahmen der Führungsaufsicht gemeint ist.

Bei den Daten, die nunmehr vom Bewährungshelfer bzw. der Führungsaufsicht übermittelt werden dürfen, handelt es sich um solche, die bislang von dem die Bewährung beaufsichtigenden Gericht (bzw. der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde nach § 479 Absatz 2 StPO) übermittelt werden dürfen. Dazu gehört die Übermittlung personenbezogener Daten aus einem Strafverfahren einschließlich der Strafvollstreckung/Bewährungszeit, soweit dies für die Vollstreckung von Strafen, den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen, die Strafaussetzung zur Bewährung oder deren Widerruf erforderlich ist.

Zu diesen Daten gehören etwa Hinweise auf festgestellte Vermögenswerte oder Informationen, deren Kenntnis für den Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßnahme (Untersuchungshaft, Strafhaft, Unterbringung, Ordnungs- oder Erzwingungshaft) in einem anderen Verfahren erforderlich ist. Auch eine weitere Verurteilung eines Gefangenen kann dazu gehören. Auch kann die nachträgliche Strafaussetzung zur Bewährung oder deren Widerruf für die jeweiligen Stellen von Bedeutung sein.

Die Ermächtigung zur Übermittlung entsprechender Daten gilt natürlich nur, soweit die Daten in Dateien des Bewährungshelfers bzw. der Führungsaufsichtsstelle selbst enthalten sind.

Zu Artikel 2 (Weitere Änderung der Strafprozessordnung)

Die Ausweitung des Katalogs in § 100a Absatz 2 StPO auf eine Tat, die von einem Einzeltäter begangen werden kann und die nicht notwendig in einem Zusammenhang mit Telekommunikation steht, ist unter dem Gesichtspunkt der notwendigen Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Grundrecht aus Artikel 10 GG sensibel. Sie soll daher zunächst befristet werden, um dem Gesetzgeber Gelegenheit zu geben, ihre Wirksamkeit zu überprüfen.

Zu Artikel 3 (Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 121)

Zu Buchstabe a

Es handelt sich um Folgeänderungen im Zusammenhang mit der Einführung des Vorabentscheidungsverfahrens über Besetzungsrügen (vergleiche hierzu die Begründung zu Artikel 1 Nummer 11 und 12). In § 121 Absatz 1 Nummer 4 GVG-E soll die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die Prüfung des Einwands gegen die Besetzung in erstinstanzlichen Strafverfahren vor dem Landgericht nach § 222b Absatz 2 StPO angeordnet werden. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts in erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht soll die zeitnahe Entscheidung über den Besetzungseinwand gewährleisten. Die Eilbedürftigkeit der Entscheidung folgt aus der zulässigen Höchstdauer einer Unterbrechung von in der Regel drei Wochen gemäß § 229 Absatz 1 StPO.

Zu Buchstabe b

§ 121 Absatz 2 GVG dient der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und verpflichtet die Oberlandesgerichte unter den Voraussetzungen des Absatzes 2, die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen. Während bislang über die Besetzungsrüge in erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- und Oberlandesgericht stets der Bundesgerichtshof im Rahmen der Revision entschieden hat, soll nach der Einführung des Vorabentscheidungsverfahrens in erstinstanzlichen Strafverfahren vor dem Landgericht das jeweils zuständige Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Besetzungsrüge berufen sein. Um im Recht der vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts die Einheitlichkeit der Rechtsprechung auch künftig sicherzustellen, sollen die in § 121 Absatz 2 GVG genannten Fälle einer Divergenzvorlage in der neuen Nummer 4 um den Anwendungsfall der Besetzungsrüge ergänzt werden. Möchte ein Oberlandesgericht bei der Besetzungsrüge nach § 222b Absatz 2 StPO von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, soll es die Sache dem Bundesgerichtshof vorlegen müssen.

Zu Nummer 2 (§ 135)

Es handelt sich um eine Folgeänderung im Zusammenhang mit der Einführung des Vorabentscheidungsverfahrens über Besetzungsrügen. In dem neuen § 135 Absatz 2 Nummer 3 GVG-E soll die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes für die Prüfung des Einwandes der Besetzung in erstinstanzlichen Strafverfahren vor dem Oberlandesgericht nach § 222b Absatz 2 StPO angeordnet werden.

Im Zuge dieser Änderung sollen die in Absatz 2 geregelten Zuständigkeitsvorschriften neu gefasst und durch die Einführung von Nummern insgesamt übersichtlicher gestaltet werden.

Zu Nummer 3 (§ 176)

Zu Buchstabe a

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Buchstabe b

Das Gerichtsverfassungsgesetz soll um eine Regelung ergänzt werden, wonach an der Verhandlung beteiligte Personen ihr Gesicht während der Sitzung weder ganz noch teilweise verhüllen dürfen. Dies dient der gesetzlichen Regelung eines Verbots, welches bereits nach geltender Rechtslage über § 176 GVG im Wege einer richterlichen Anordnung, eine Gesichtsverhüllung zu entfernen, durchgesetzt werden kann, wenn dies zur Wahrung der Rechtspflege erforderlich ist. Das Verbot gilt über § 55 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), § 52 Absatz 1 der Finanzgerichtsordnung und § 61 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes in Verfahren vor den Gerichten der öffentlichrechtlichen Gerichtsbarkeiten sowie gemäß § 9 Absatz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) vor den Arbeitsgerichten entsprechend.

Zu Satz 1

Die vorgeschlagene Verbotsregelung in Satz 1 richtet sich an alle an der Verhandlung beteiligten Personen und erfasst damit beispielsweise Parteien, deren rechtliche Vertreter, Zeugen, Sachverständige, Angeklagte oder Nebenkläger, jedoch nicht Zuschauer oder zu Sicherheitszwecken eingesetzte Polizeibeamte. Zeitlich umfasst die Regelung die "Sitzung". "Sitzung" umfasst die gesamte Dauer der gerichtlichen Verhandlung im Sinne des § 169 GVG vom Aufruf der Sache bis zur vollständigen Verkündung des Urteils. Davon umfasst ist darüber hinaus auch die Öffnung des Gerichtssaals sowie nach der Verkündung des Urteils die Zeit, die das Gericht braucht, um die mit der endgültigen Abwicklung der Sache zusammenhängenden Verrichtungen vorzunehmen und den Sitzungssaal zu verlassen (vergleiche OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Dezember 1985 - 2 Ws 561/85 -, MDR 1986, 428).

Nach § 180 GVG stehen die in den §§ 176 bis 179 bezeichneten Befugnisse daneben auch einem einzelnen Richter bei der Vornahme von Amtshandlungen außerhalb der Sitzung zu, so dass die Vorschrift des § 176 Absatz 2 GVG-E im Strafverfahren auch für ermittlungsrichterliche Tätigkeiten nach den §§ 162 und 169 StPO, bei richterlicher Tätigkeit in Haftsachen (zum Beispiel die §§ 114a, 115, 155a StPO), in Vollstreckungssachen oder beim ersuchten Richter (§ 157 StPO) anzuwenden ist.

Die Verbotsregelung soll sich auf sämtliche Formen der Gesichtsverhüllung erstrecken, unabhängig davon, ob diese religiös motiviert sind oder nicht. Gesichtsverhüllung meint dabei die Verwendung von Textilien und anderen Gegenständen, die dazu dienen, das Gesicht oder Teile desselben zu verdecken. Erfasst sind mithin etwa Verhüllungen des Gesichts durch eine Maske, eine Burka, eine Sonnenbrille, eine Sturmhaube, einen Motorradhelm oder auch einen Verband, den eine Person zur Behandlung einer physischen Verletzung im Gesicht trägt. Nicht erfasst sind dagegen die natürliche Gesichtsbehaarung, kleinere Pflaster, Brillen mit durchsichtigem Glas oder Bedeckungen nur des Haares oder nur des Halsbereichs, die den Bereich des Gesichts, also die Fläche zwischen Stirn und Kinn, freilassen. Es ist Aufgabe des Vorsitzenden, auf die Einhaltung des Verbots hinzuwirken.

Zu Satz 2

Der Vorsitzende soll nach § 176 Absatz 2 Satz 2 GVG-E berechtigt sein, Ausnahmen von dem Verhüllungsverbot zu gestatten, wenn dessen Schutzzweck nicht berührt wird. Schutzzweck ist die Wahrung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Artikels 20 Absatz 3 Grundgesetz (GG) abgeleitet wird. Hier geht es insbesondere um die Aufrechterhaltung der Ordnung der gerichtlichen Verhandlung und damit auch um die Sicherung ihrer Funktionsfähigkeit sowie ihrer Kontrolle. Näher präzisiert ist die Wahrung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege durch die ausdrücklich genannten Zwecke der Identitätsfeststellung und der Beweiswürdigung. Diese beiden Zwecke sind aus folgenden Gründen verbotsbegründend: Die Identität der bei der Verhandlung beteiligten Personen muss in einem Gerichtsverfahren verlässlich überprüft werden können. In aller Regel erfolgt, sofern dies in einer Verhandlung erforderlich erscheint, eine Identitätsfeststellung durch Vorlage der Personaldokumente, verbunden mit einem visuellen Abgleich durch den Vorsitzenden, ob die vorlegende Person diejenige ist, als die sie sich ausweist. Im Übrigen sind die Verhandlungsbeteiligten auch oft bereits untereinander bekannt oder auch gerichtsbekannt, so dass eine Identitätsfeststellung auch durch bloße Inaugenscheinnahme erfolgen kann. Von daher ist ein unverhülltes Gesicht in der Regel zur Identitätsfeststellung erforderlich. Im Rahmen der Beweiswürdigung kann es ebenfalls darauf ankommen, den Gesichtsausdruck eines Verfahrensbeteiligten zur Bewertung und gegebenenfalls Interpretation seiner Aussage heranzuziehen. Auch hierfür ist ein unverhülltes Gesicht die Voraussetzung. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Person und damit verbunden auch der Glaubhaftigkeit einer Tatsachenbehauptung ist insbesondere dann, wenn die Person ihr Gesicht gänzlich verhüllt, nicht zuverlässig möglich. Die offene, auch nonverbale Kommunikation ist zudem ein zentrales Element von Gerichtsverhandlungen.

Das Verbot ist mit Eingriffen in die Grundrechte der Verfahrensbeteiligten verbunden.

Zu nennen sind hier das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Absatz 1 GG und - sofern das Gesicht aus religiösen Gründen verhüllt wird - das Grundrecht auf Freiheit der Religionsausübung nach Artikel 4 GG. Zudem kann das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Artikel 2 Absatz 2 GG betroffen sein, wenn die Gesichtsverhüllung in Form eines Verbands erfolgt, welcher aus medizinischen Gründen angelegt werden musste.

Der Eingriff ist jedoch jeweils vor dem Hintergrund, dass das Verbot wie ausgeführt der Wahrung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege dient und dass der Vorsitzende Ausnahmen nach § 176 Absatz 2 Satz 2 GVG-E vom Verbot gestatten kann, grundsätzlich gerechtfertigt. Personen, die ihr Gesicht verhüllen wollen und sich dabei insbesondere auf religiöse oder medizinische Gründe berufen, muss dies aber gestattet werden, wenn und soweit der Blick in das unverhüllte Gesicht weder zur Identitätsfeststellung noch zur Beweiswürdigung erforderlich ist. Der Vorsitzende muss in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens die Grundrechte der betroffenen Personen mit den Verbotszwecken abwägen. Sofern und soweit die grundrechtlich geschützten Interessen an einer Verhüllung überwiegen, muss er eine Ausnahme vom generellen Verbot gestatten.

Zu denken ist bei solchen Fallgestaltungen etwa an teilweise Verhüllungen des Gesichts durch Schals, die Verfahrensbeteiligte dann vornehmen wollen, wenn sie an einer Gerichtsverhandlung nur noch zuhörend teilnehmen wollen, wie etwa Nebenkläger, die an der Verhandlung nur (noch) als Zuhörer teilnehmen, wozu sie nach § 397 Absatz 1 Satz 1 StPO berechtigt sind. Weitere Fallgestaltungen, in denen eine Verhüllung des Gesichts weder zur Identitätsfeststellung noch zur Beweiswürdigung notwendig ist, sind zum Beispiel in einem Zivilprozess denkbar. Dies betrifft beispielsweise Konstellationen, in denen eine Partei mit Einverständnis der anderen Partei ihr Gesicht ganz oder teilweise verhüllen möchte, auf deren eigene Aussage es zum Zeitpunkt ihrer Gesichtsverhüllung überhaupt nicht ankommt. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn in einem Verfahren gerade ein Sachverständiger vernommen wird und die Parteien dessen Ausführungen nur zu Kenntnis nehmen.

Bei einer nur teilweisen Verhüllung des Gesichts wird das Gericht zudem im Rahmen seines Ermessens zunächst festzustellen haben, ob die teilweise Verhüllung (etwa durch einen Verband) überhaupt dazu geeignet ist, die Identitätsfeststellung oder die Beweiswürdigung zu behindern.

Eine weitere Ausnahme vom Verbot der Gesichtsverhüllung kommt insbesondere bei verdeckt arbeitenden Ermittlungspersonen in Betracht, die als Zeugen vernommen werden sollen. Insoweit wird der Vorsitzende im Rahmen seiner Abwägung zu berücksichtigen haben, dass diesen Personen regelmäßig keine Aussagegenehmigung erteilt werden wird, wenn sie unverhüllt vor Gericht auftreten sollen.

Zur Einhaltung des Verbots fordert der Vorsitzende zur Enthüllung des Gesichts auf und kann gegebenenfalls Ordnungsmittel (§§ 177 und 178 GVG) androhen. Bei dieser Aufforderung bzw. Androhung sind die Voraussetzungen einer Befreiung nach Satz 2 auch ohne ausdrücklichen Antrag des Beteiligten zu prüfen, wenn sich diese Prüfung - wie bei einem offenkundig medizinischen Verband - aufdrängt.

Zu Nummer 4 (§ 189)

Diese Änderung steht im engen Zusammenhang mit der in Artikel 5 vorgeschlagenen Schaffung einheitlicher bundesgesetzlicher Regelungen für Gerichtsdolmetscher. Diese sollen künftig die maßgeblichen Regelungen über die allgemeine Beeidigung enthalten.

Zu Artikel 4 (Weitere Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes)

Durch diesen Änderungsvorschlag soll sichergestellt werden, dass sich Dolmetscher nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren vor den Gerichten des Bundes und der Länder nur noch auf die allgemeine Beeidigung aufgrund der Regelungen nach dem Gesetz über die allgemeine Beeidigung gerichtlicher Dolmetscher berufen können. Eine Berufung auf landesrechtliche Vorschriften genügt nach Ablauf dieser Übergangsfrist nicht mehr.

Zu Artikel 5 (Gesetz über die allgemeine Beeidigung von gerichtlichen Dolmetschern, Gerichtsdolmetschergesetz - GDolmG)

Zu § 1

Die Regelung besagt, dass zur Sprachenübertragung für gerichtliche Zwecke Dolmetscher im Sinne des § 185 GVG nach diesem Gesetz allgemein beeidigt werden. Die Vorschrift steht im Einklang mit § 189 GVG, welcher ebenfalls vorsieht, die zur mündlichen Übertragung einer Sprache bestellten Dolmetscher allgemein zu beeidigen. Durch die Beeidigung wird ihre hohe Verantwortung verdeutlicht sowie aufgrund der etwaigen Straferwartung bei Verstößen eine wahrheitsgetreue Übertragung sichergestellt. Allgemein beeidigte Dolmetscher müssen nicht mehr in der Verhandlung selbst beeidigt werden, sondern können sich auf ihren allgemein geleisteten Eid berufen.

§ 185 GVG und § 189 GVG gelten über § 55 der Verwaltungsgerichtsordnung, § 52 Absatz 1 der Finanzgerichtsordnung und § 61 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes in Verfahren vor den Gerichten der öffentlichrechtlichen Gerichtsbarkeiten entsprechend. Für die Tätigkeit als Dolmetscher vor Gericht ist die allgemeine Beeidigung nicht obligatorisch. Dem Gericht bleibt es unbenommen den Dolmetscher auch im Rahmen der Verhandlung nach § 189 Absatz 1 GVG zu vereidigen. Die allgemeine Beeidigung gewährleistet jedoch im Gegensatz zu der Eidesleistung im Gerichtssaal, dass der Dolmetscher zuvor seine Kompetenzen in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren gegenüber der nach § 2 zuständigen Stelle nachgewiesen hat.

Zu § 2

Die Zuständigkeit für die Beeidigung soll zentral bei den Oberlandesgerichten bzw. dem Kammergericht in Berlin konzentriert werden. Dies entspricht bereits jetzt der Praxis in einigen Ländern. Zugleich führt eine Zentralisierung bei den Oberlandesgerichten bzw. dem Kammergericht in Berlin zu einer Beeidigungsdichte bei den jeweiligen Stellen, die einen gleichlaufenden, regelmäßig wiederkehrenden und damit routinierten Ablauf der Beeidigung ermöglicht. Auf diese Weise können justizseitig Routinen entwickelt werden, die sodann regelmäßig Anwendung finden und den Qualitätsstandard wie auch eine einheitliche Bearbeitung der Anträge sichern. Die nach Nummer 1 geltende Zuständigkeit nach dem Wohnort- oder Niederlassungsprinzip stellt eine lokale Anbindung und eine angemessene Verteilung der Bewerber sicher. Bei Bewerbern ohne festen Wohnsitz oder berufliche Niederlassung in der Bundesrepublik Deutschland wird nach Nummer 2 eine bundesweit einheitliche Zuständigkeit sichergestellt.

Da in einigen Ländern die allgemeine Beeidigung bei den Landgerichten konzentriert ist, die Strukturen hierfür somit bereits geschaffen sind und im Interesse der Länder auch verbleiben sollen, wird dem Landesgesetzgeber über eine Verordnungsermächtigung die Möglichkeit gegeben, die bestehenden Zuständigkeiten im Verordnungswege fortzuführen.

Zu § 3

Der seine Beeidigung beantragende Dolmetscher muss bestimmte persönliche und fachliche Voraussetzungen erfüllen, um zu garantieren, dass er den Anforderungen der Tätigkeit als Dolmetscher gewachsen ist.

Absatz 1 regelt in den Nummern 1 bis 6 die persönlichen Anforderungen an zu beeidigende Dolmetscher. Durch die Voraussetzungen hinsichtlich Alter, festem Wohnsitz, Geeignetheit und geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen wird bei dem beeidigten Dolmetscher eine gefestigte Persönlichkeit verlangt. Durch die Beschränkung nach Nummer 1 wird zudem die erforderliche Erreichbarkeit sichergestellt. Auch wird hierdurch gewährleistet, dass der zu beeidigende Dolmetscher zumindest Grundkenntnisse über das nationale Justizwesen und eine räumliche Nähe zu den deutschen Gerichten hat. Personen, die die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht erfüllen, haben in der Regel kein Bedürfnis für eine allgemeine Beeidigung. Für eventuelle Einzelfälle kommt eine Beeidigung nach § 185 GVG in Betracht. Die Tätigkeit des Dolmetschers verlangt darüber hinaus ein hohes Maß an Integrität und Zuverlässigkeit.

Nach Nummer 3 ist die Geeignetheit Zulassungskriterium für die allgemeine Beeidigung des Dolmetschers. Die Geeignetheit umfasst hierbei beispielsweise die für das Dolmetschen erforderliche gesundheitliche Konstitution, wie etwa ein ausreichendes Hör- und Sprechvermögen. Ist der Dolmetscher aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig, die Tätigkeit als Dolmetscher auszuüben, so ist er für die allgemeine Beeidigung ungeeignet. Darüber hinaus ist für die allgemeine Beeidigung derjenige nicht geeignet, für wen ein gesetzlicher Betreuer bestellt ist oder wer sonst auf Grund gerichtlicher Anordnung in der Verfügung über sein Vermögen beschränkt ist. Für die Tätigkeit als Gerichtsdolmetscher sollten darüber hinaus zumindest Grundkenntnisse der geschichtlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnissen Deutschlands sowie des Gerichtsverfahrens und der Rechtsordnung in Deutschland sowie des Sprachraumes der Sprache, für die der Gerichtsdolmetscher beeidigt werden möchte, vorhanden sein.

Nach Nummer 4 sind geordnete wirtschaftliche Verhältnisse Voraussetzung für die allgemeine Beeidigung. Diese liegen beispielsweise dann nicht vor, wenn über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet und noch keine Restschuldbefreiung erteilt worden oder wenn er in das Schuldnerverzeichnis eingetragen ist. Hierdurch soll etwaigen Abhängigkeiten oder Versuchungen der Einflussnahme entgegengewirkt werden.

Nach Nummer 5 kann nur allgemein beeidigt werden, wer über die erforderliche Zuverlässigkeit verfügt. Diese Zuverlässigkeit ist nicht gegeben, wenn gegen den Antragsteller in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung eine Strafe oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung verhängt worden ist, aus der sich seine Ungeeignetheit als gerichtlicher Dolmetscher ergibt. Davon ist in der Regel im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Verbrechens, wegen Strafvereitelung, Betrugs oder Urkundenfälschung oder wegen einer Tat nach dem neunten, zehnten und fünfzehnten Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs auszugehen, da die genannten Regelbeispiele die charakterliche Eignung und insbesondere Vertrauenswürdigkeit des Verurteilten nachhaltig erschüttern. Die erforderliche Zuverlässigkeit kann ferner fehlen, wenn zwischen dem Dolmetscher und Tatverdächtigen in strafrechtlichen Verfahren eine über die berufliche Ebene hinausgehende Verbindung besteht und der Dolmetscher dies nicht frühzeitig anzeigt.

Nummer 6 legt fest, dass der Dolmetscher über die für eine allgemeine Beeidigung erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen muss, die neben den erforderlichen Fremdsprachenkenntnissen auch das Beherrschen der deutschen Sprache als Korrespondenzsprache auf Dolmetscherniveau erfordern.

Absatz 2 definiert diese fachlich erforderlichen sprachlichen Kompetenzen, die die Voraussetzung für die Beeidigung bilden. Die sprachliche Befähigung ist nach Nummer 1 mittels eines Nachweises über den erfolgreichen Abschluss einer inländischen Dolmetscherprüfung eines staatlichen Prüfungsamts oder einer Hochschule zu erbringen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die landesrechtlichen Vorschriften hierzu Mindestanforderungen regeln. Die Prüfung der fachlichen Eignung des Antragstellers oder der Antragstellerin sowie die Entscheidung über die Anerkennung von bereits abgelegten Prüfungen zum Nachweis seiner fachlichen Eignung werden dem jeweiligen Landesrecht unterstellt. Hierzu gehören üblicherweise Regelungen zu den Prüfungsarten, den Prüfungsverfahren sowie die Möglichkeit der teilweisen Übertragung der Zuständigkeit zur Abhaltung der Prüfungen auf Sprachenschulen und die Regelung der Vergütung in diesen Fällen. Darüber hinaus erscheinen Regelungen über die Voraussetzungen der Anerkennung von außerhalb der Bundesrepublik Deutschland abgelegten Prüfungen erforderlich.

Alternativ zur inländischen Dolmetscherprüfung kann der Dolmetscher seine sprachliche Befähigung nach Nummer 2 auch durch eine den erfolgreichen Abschluss einer vergleichbaren Prüfung im Ausland, soweit diese von einer zuständigen deutschen Stelle als vergleichbar anerkannt wurde, belegen. Die Prüfung der fachlichen Eignung des Antragstellers oder der Antragstellerin sowie die Entscheidung über die Anerkennung von bereits abgelegten Prüfungen zum Nachweis seiner fachlichen Eignung richten sich nach dem jeweiligen Landesrecht.

Absatz 3 regelt die dem Antrag beizulegenden erforderlichen Unterlagen. Diese umfassen insbesondere einen Lebenslauf, welcher zur Plausibilität der vorgelegten Unterlagen herangezogen werden kann, ein nicht länger als sechs Monate zurückliegend ausgestelltes Führungszeugnis nach § 30 Absatz 4 des Bundeszentralregistergesetzes zum Nachweis der Zuverlässigkeit sowie eine Erklärung darüber, ob eine Verurteilung nach Absatz 1 Nummer 5 erfolgt ist. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Gleiches gilt im Hinblick auf den Nachweis der geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse für die abzugebende Erklärung des Antragstellers darüber, ob über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und noch keine Restschuldbefreiung erteilt worden oder er in das Schuldnerverzeichnis eingetragen ist. Darüber hinaus kann der Antragsteller den Nachweis über die fachliche Eignung durch die Einreichung etwaiger Zeugnisse oder Prüfungsurkunden oder vergleichbarer Nachweise erbringen. Ob darüber hinaus Unterlagen etwa zum Nachweis der Geeignetheit einzureichen sind, bestimmt die Stelle nach § 2 im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens.

Absatz 4 stellt sicher, dass der Antragsteller frühzeitig über die Vollständigkeit der vorliegenden Unterlagen informiert wird und Gelegenheit erhält, fehlende Nachweise nachzureichen. Die zuständige Stelle nach § 2 kann zugleich im Rahmen der vorgenannten Ermessensausübung bestimmen, ob die Einreichung von zusätzlichen Unterlagen, etwa für den Nachweis der Geeignetheit, erforderlich ist. Gleichzeitig wird durch die Fristenregelung zur Vorlage der vollständigen Unterlagen wie auch der Entscheidung über das Vorliegen der Beeidigungsvoraussetzungen sichergestellt, dass das Antragsverfahren zeitnah abgeschlossen wird. Dies trägt auch dem Umstand Rechnung, dass Antragsteller die Tätigkeit als Dolmetscher häufig als Beruf ausüben und auf eine zeitnahe Bescheidung ihres Antrages angewiesen sind. Bei berechtigten Zweifeln an der Echtheit von vorgelegten Dokumenten kann die nach § 2 zuständige Stelle die Echtheit der Bescheinigungen und Nachweise durch Nachfrage bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaates überprüfen und hierfür die erforderlichen Auskünfte einholen. Aufgrund der für die Ermittlung zu erwartenden zeitlichen Verzögerung ist der Fristablauf für diese Zeit gehemmt.

Zu § 4

Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, die fachlichen Kompetenzen nach § 3 Absatz 2 alternativ nachzuweisen. Diese Möglichkeit soll nach Absatz 1 in Fällen bestehen, in denen für die zu beeidigende Sprache im Inland weder eine Prüfung bei einem staatlichen Prüfungsamt noch an einer Hochschule angeboten wird und für eine etwaig im Ausland bestandene Dolmetscherprüfung hinsichtlich der zu beeidigenden Sprache auch keine als vergleichbar eingestufte Dolmetscherprüfung vorhanden sind. In diesen Fällen wäre es dem Antragsteller faktisch nicht möglich, die erforderlichen Kenntnisse nachzuweisen. Sofern daher weder im Inland eine Dolmetscherprüfung die Sprache betreffend angeboten wird, noch die Möglichkeit besteht, ausländische Prüfungen anerkennen zu lassen, was insbesondere bei seltenen Sprachen der Fall sein kann, so eröffnet die Vorschrift die Möglichkeit, einen alternativen Nachweis zu führen. Neben dem alternativen Befähigungsnachweis über das Beherrschen der zu beeidigenden Sprache ist sicherzustellen, dass der Antragsteller auch über die erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse als Korrespondenzsprache verfügt.

Dies gilt auch, sofern ein besonderes Bedürfnis für die allgemeine Beeidigung besteht. Ein solches kann sich etwa daraus ergeben, dass für eine sehr seltene Sprache keine vertretbare alternative Möglichkeit besteht, einen nach den Anforderungen gemäß § 3 Absatz 2 befähigten Dolmetscher zu finden und ein erheblicher Mangel an Dolmetschern besteht,

die die spezielle Sprache sprechen. Trotz der Loslösung von einem Nachweis nach § 3 Absatz 2 muss in diesen Fällen dennoch auf andere Weise sichergestellt sein, dass der Antragsteller über die für eine ordnungsgemäße Übertragung der Sprache erforderlichen Sprachkenntnisse verfügt.

Absatz 2 regelt diese alternativen Nachweise, mit denen der Dolmetscher seine Sprachkenntnisse in den Fällen des Absatz 1 belegen kann. Dies kann durch den Nachweis eines abgeschlossenen Hochschulstudienganges der betreffenden Sprache, ein C2-Sprachzertifikat des Europäischen Referenzrahmens eines staatlich anerkannten Sprachinstituts oder einen höheren Schulabschluss erfolgen, sofern die Schulbildung weitestgehend in der Fremdsprache erfolgt ist. Als bundesrechtliche Regelung für einen ausreichenden Nachweis wird die Fortbildung auf der Grundlage der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Übersetzer und Geprüfte Übersetzerin (Übersetzerprüfungsverordnung vom 8. Mai 2017, BGBl I S. 1159) anerkannt, die vor einem Prüfungsausschuss der zuständigen Stellen (IHK) erfolgreich abgelegt werden muss.

Nach Absatz 2 Satz 2 soll die nach § 2 zuständige Stelle, falls keine Prüfung nach Absatz 1 möglich ist, neben den Nachweisen nach Absatz 2 Nummern 1 bis 3 den Nachweis eines absolvierten Überprüfungsverfahrens fordern, wenn ein solches für die konkrete Sprache angeboten wird. Als Beispiel für ein Überprüfungsverfahren kann das Überprüfungsverfahren der Hessischen Lehrkräfteakademie in Darmstadt für seltene Sprachen genannt werden. Aufgrund der Bedeutung der Sprachkenntnisse für die Tätigkeit als Dolmetscher sollen die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur validen Sicherstellung der Sprachfähigkeiten der Antragsteller möglichst ausgeschöpft werden.

Zugleich trifft Absatz 3 Regelungen zur Anerkennung von Qualifikationen im Vollzug der Richtlinie 2005/36/EG (Berufsanerkennungsrichtlinie), wonach eine erneute Nachprüfung nicht mehr geboten ist, sofern im Herkunftsland gleichwertige oder vergleichbare Anforderungen gestellt wurden. Ist nur ein Teil der Anforderungen erfüllt, so können die Antragsteller die fehlenden Teile durch eine ergänzende Eignungsprüfung oder Anpassungslehrgänge ausgleichen.

Zu § 5

Absatz 1 regelt den Inhalt und den Umfang des von dem Dolmetscher zu leistenden Eids.

Absatz 2 verweist auf die für die Beeidigung zu beachtenden Förmlichkeiten, welche sich nach § 189 Absatz 1 Satz 2 und 3 GVG richten.

Absatz 3 regelt die Verschwiegenheitspflicht des Dolmetschers.

Absatz 4 legt fest, dass über die Beeidigung eine Niederschrift zu fertigen und dem Dolmetscher über seine allgemeine Beeidigung eine Urkunde auszuhändigen ist. Dies dient dem beiderseitigen Nachweis. Der Dolmetscher kann durch Vorlage der Urkunde bei Bedarf auch gegenüber Dritten seine allgemeine Beeidigung nachweisen.

Zu § 6

§ 6 regelt, dass nach § 5 allgemein beeidigte Dolmetscher berechtigt sind, die Bezeichnung "allgemein beeidigter Gerichtsdolmetscher" oder "allgemein beeidigte Gerichtsdolmetscherin" zu führen. Auf diese Weise wird nach außen erkennbar dokumentiert, dass der- oder diejenige, der oder die diese Bezeichnung führt, auch die erforderliche Qualifikation für die Tätigkeit als allgemein beeidigter Gerichtsdolmetscher nachgewiesen hat. Die Gerichte können so bereits bei der Bestellung eines Dolmetschers ihre Auswahl auf den Kreis der allgemein beeidigten Gerichtsdolmetscher fokussieren, sind jedoch nicht darauf beschränkt.

Zu § 7

Nach Absatz 1 wird die allgemeine Beeidigung von Dolmetschern, welche einen Verwaltungsakt darstellt, auf eine Dauer von fünf Jahren befristet. Während die Beeidigung für sich allein betrachtet ein rein tatsächlicher Vorgang ohne Regelungswirkung ist, "geht ihr aber notwendig die Prüfung des Vorliegens der an einen Dolmetscher zu stellenden persönlichen und fachlichen Anforderungen voraus" (BVerwG, Urteil vom 16. Januar 2007 - 6 C 15/06 -, Rn. 23, zitiert nach juris). "Der Entgegennahme des Eides liegt daher stets die - zwar nicht ausdrückliche, wohl aber sinngemäße - Feststellung zugrunde, dass diese Anforderungen in der Person des oder der Beeidigten erfüllt sind. Auch die der Beeidigung nachfolgende Aufnahme der beeidigten Person in das Verzeichnis der allgemein beeidigten Dolmetscherinnen und Dolmetscher bringt nicht nur die Tatsache der Beeidigung, sondern zugleich auch - wenn nicht sogar in erster Linie - die behördliche Feststellung zum Ausdruck, dass diese Person in der Lage ist, die ihr zugedachten Aufgaben zuverlässig und sachgerecht wahrzunehmen und infolgedessen den Gerichten und Notariaten hierfür allgemein zur Verfügung steht. [...] Ähnlich wie die öffentliche Bestellung enthält die allgemeine Beeidigung von Dolmetschern die Feststellung der persönlichen Zuverlässigkeit und fachlichen Eignung und damit die Anerkennung einer besonderen Befähigung. Mit der Vornahme der allgemeinen Beeidigung wird verbindlich zum Ausdruck gebracht, dass die hierfür erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Hierin liegt die für die Qualifikation als (feststellender) Verwaltungsakt erforderliche Regelung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG", BVerwG, a.a.O. Durch die Stichtagsregelung wird sichergestellt, dass ein allgemein beeidigter Gerichtsdolmetscher in länger andauernden Verfahren nicht seinen Status verliert, etwa, wenn innerhalb des Verfahrens die Fünfjahresfrist abläuft. Das Fortbestehen der allgemeinen Beeidigung gilt jedoch isoliert nur für das konkrete Verfahren in der jeweiligen Instanz.

Auf Antrag wird die Beeidigung um weitere fünf Jahre verlängert, sofern keine Tatsachengegeben sind, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen nach § 3 Absatz 1 nicht mehr vorliegen. Weitere Verlängerungen um je fünf Jahre sind möglich. Die Befristung der allgemeinen Beeidigung ist angemessen, um zu gewährleisten, dass der beeidigte Dolmetscher weiterhin Interesse an der Ausübung der Tätigkeit hat (Verfügbarkeit) sowie zur Sicherstellung, dass weiterhin die für die Ausübung des Amtes erforderliche Zuverlässigkeit und Befähigung vorliegen und etwaig unterbliebene Anzeigen nach § 8 offenbar werden. Im Rahmen des Antrags auf Verlängerung ist daher zu überprüfen, ob der Dolmetscher weiterhin die persönlichen Voraussetzungen, insbesondere die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt, um das Amt fortzuführen. Aus diesem Grund haben Dolmetscher zu dem Verlängerungsantrag ein aktuelles Führungszeugnis vorzulegen. Darüber hinaus kann im Rahmen des Antrags auf Verlängerung die Aktualität der in der Datenbank registrierten Datensätze überprüft werden.

Der allgemein beeidigte Dolmetscher kann nach Absatz 2 auch den Verzicht erklären.

Nach Absatz 3 kann die allgemeine Beeidigung widerrufen werden, wenn der Dolmetscher nachträglich nicht mehr die Voraussetzungen für die Tätigkeit erfüllt oder aber gegen die Aufgaben und Pflichten eines Dolmetschers verstößt. Ein Widerrufsgrund kann ebenso in einer nachträglich entfallenen persönlichen Eignung liegen, etwa wenn der Dolmetscher durch dauerhafte Krankheit an der Ausübung gehindert ist oder aufgrund zwischenzeitlich relevanter Straffälligkeit nicht mehr die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Darüber hinaus können sich weitere Gründe zum Beispiel auch aus einer ungenügenden Übersetzungsleistung ergeben, etwa wenn sich im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit trotz grundsätzlichen Vorliegens der Nachweise über die sprachliche Befähigung herausgestellt hat, dass die Übertragung in oder aus der fremden Sprache nur unzureichend erfolgt. Ein Widerrufsgrund liegt ferner vor, wenn gegen die Pflicht der treuen und gewissenhaften Übertragung verstoßen oder wiederholt fehlerhaft übertragen wurde.

Im Übrigen gelten hinsichtlich Rücknahme und Widerruf die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften.

Nach Absatz 4 ist auch im Rahmen der Amtshilfe und der Verwaltungszusammenarbeit mit Behörden anderer Mitglied- oder Vertragsstaaten der in Artikel 8 und 56 Absatz 1 und 2 der Richtlinie 2005/36/EG geregelten Befugnisse und Verpflichtungen die nach § 2 zuständige Stelle zuständig.

Zu § 8

Nach Absatz 1 ist der Verlust der Urkunde mitteilungspflichtig um Missbrauch zu vermeiden. Der allgemein beeidigte Dolmetscher hat die Mitteilung gegenüber dem Aussteller sowie der nach § 2 zuständigen Stelle zu machen, sofern diese auseinanderfallen. Der Aussteller und die nach § 2 zuständige Stelle haben sodann die im Einzelfall erforderlichen Schritte nach eigenem Ermessen einzuleiten, etwa die Urkunde für ungültig zu erklären und eine neue Urkunde auszustellen.

Die Urkunde ist nach Absatz 2 zurückzugeben, sobald der Dolmetscher seinen Status als beeidigter Dolmetscher aufgrund von Zeitablauf, Unwirksamkeit, Rücknahme oder Widerruf verliert. Auf diese Weise wird ein nachträglicher Missbrauch der Urkunde verhindert. Sofern die Rücknahme oder der Widerruf der Beeidigung für die Dauer eines Rechtsbehelfsverfahrens für sofort vollziehbar erklärt worden ist, besteht ebenfalls ein Interesse an der Rückgabe der Beeidigungsurkunde. Die Rückgabe im Falle des Sofortvollzugs hat bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens nur vorläufigen Charakter.

Zu § 9

Die Vorschrift schafft, basierend auf der Öffnungsklausel in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung (EU) Nr. 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG - Datenschutz-Grundverordnung (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72), eine allgemeine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten bei der allgemeinen Beeidigung. Die Vorschrift regelt die Eintragung der allgemein beeidigten Dolmetscher in eine von den Ländern geführte Datenbank. Eine solche von den Ländern gemeinsam geführte Datenbank besteht bereits. Diese wird im Einvernehmen der Länder derzeit zentral von Hessen verwaltet, wobei die in den jeweiligen Ländern zuständigen Behörden für ihren Bereich exklusiven Zugriff und Schreibberechtigungen für die Datenbank haben.

Absatz 1 regelt nunmehr, dass die nach § 2 zuständige Stelle die in ihrem Bezirk öffentlich bestellten Dolmetscher in diese bundeseinheitlich geführte Dolmetscherdatenbank einträgt. Die Daten dürfen gespeichert und verarbeitet und auch für automatisierte Abrufverfahren eingestellt werden. Alle allgemein beeidigten Dolmetscher sind mit Mindestangaben in die Datenbank einzutragen. Aus diesen Mindestangaben ergeben sich die individuelle Kompetenz und die ladungsfähige Erreichbarkeit des Dolmetschers. Die Regelung ist als Mindestanforderung ausgestaltet und eröffnet die Möglichkeit, sie bei Bedarf um weitere Angaben optional zu ergänzen. Das Gesetz zeigt sich damit der technischen Entwicklung auch neuen Kommunikationsformen gegenüber offen. Bereits jetzt ist die Eintragung etwa von E-Mail-Adressen, Telefonnummern und Internetadressen in der Datenbank optional möglich. Ein Anspruch auf die Eintragung weiterer Kommunikationsformen besteht hingegen nicht.

Absatz 2 regelt, dass bestimmte Daten über die bestellten Dolmetscher zwischen den zuständigen Stellen nach § 2 und auch zwischen den öffentlichen Stellen des Bundes und der Länder ausgetauscht werden dürfen. Diese Daten dürfen nur dazu verwendet werden, nach beeidigten Dolmetschern zu suchen und diese zu kontaktieren. Die Einsichtnahme in das Register ist erforderlich, damit öffentliche Stellen, die nach allgemein beeidigten Dolmetscherinnen und Dolmetschern suchen, eine umfassende Übersicht über die ihnen zur Verfügung stehenden Personen erhalten. Auch können die eintragenden Stellen auf diese Weise bei Neuanträgen prüfen, ob etwa für bestimmte Sprachen ein besonderes Bedürfnis nach § 4 besteht. Darüber hinaus kann durch die Einsichtnahme festgestellt werden, wer zuständige Stelle nach § 2 ist.

Absatz 3 stellt sicher, dass sich Personen in begründeten Fällen auf Antrag die rechtmäßige öffentliche Bestellung eines Dolmetschers durch die zuständige Stelle bestätigen lassen können. Dies ist insbesondere für solche Fälle denkbar, in denen sich der beeidigte Dolmetscher gegen eine Veröffentlichung nach Absatz 4 entscheidet. Ein entsprechendes Bedürfnis stellt etwa die Beteiligung an einem Gerichtsverfahren dar, in welchem die zu benennende Person dolmetscht. Da der Personen in der Regel keine Kenntnis darüber haben, wer die zuständige Stelle nach § 2 im konkreten Fall ist, kann der Antrag grundsätzlich bei jedem Gericht gestellt werden und ist gegebenenfalls von dort an die zuständige Stelle weiterzuleiten. Der Antrag ist abzulehnen, wenn ihm schutzwürdige Interessen des Dolmetschers entgegenstehen und diesen auch nicht etwa über eine allgemeine Auskunft anderweitig abgeholfen werden kann. Beispielhaft könnte eine allgemeine Auskunft lediglich beinhalten, dass der in der zu bezeichnenden Verhandlung eingesetzte Dolmetscher ohne nähere Personifizierung allgemein oder nicht allgemein beeidigt ist. Auf diese Weise wird verhindert, dass etwa die Kontaktadresse des Dolmetschers ausgeforscht wird.

Nach Absatz 4 unterliegt die Veröffentlichung der Angaben in der Datenbank im Internet einem Einwilligungsvorbehalt des Dolmetschers. Die Regelung hat daher im Hinblick auf die Datenschutz-Grundverordnung deklaratorischen Charakter. Stimmt der Dolmetscher einer Veröffentlichung seiner Daten im Internet nicht zu, so sind die Angaben für die Veröffentlichung gesperrt und können nur als verwaltungsinterne Datenbank zwischen den Behörden nach Absatz 2 übermittelt werden. Die Datenbank ist unter Berücksichtigung der geltenden Datenschutzvorschriften zu führen.

Absatz 5 regelt die Löschung der Eintragung auf Antrag, nach Ablauf der Befristung, im Todesfall oder sobald der Dolmetscher seinen Status als beeidigter Dolmetscher aufgrund von Zeitablauf, Verzicht, Rücknahme oder Widerruf verliert. Auf diese Weise wird die Aktualität der Datenbank gewährleistet. Sofern die Rücknahme oder der Widerruf der Beeidigung für die Dauer eines Rechtsbehelfsverfahrens für sofort vollziehbar erklärt worden ist, besteht ebenfalls ein Interesse an der vorläufigen Löschung. Die Löschung im Falle des Sofortvollzugs hat bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens nur vorläufigen Charakter.

Zu § 10

Zur Sicherung der Aktualität und Erreichbarkeit obliegen dem beeidigten Dolmetscher Anzeigepflichten. Nach Absatz 1 hat er jede erhebliche Änderung seiner personenbezogenen Daten sowie relevante Tatsachen der für ihn nach § 2 zuständigen Stelle mitzuteilen. Hierdurch bleiben die Übersicht der im Gebiet ansässigen Dolmetscher sowie ihre kontinuierliche Erreichbarkeit gewahrt. Die nach § 2 zuständige Stelle hat darüber hinaus bei Mitteilung über die Verhängung einer gerichtlichen Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung gegen den Dolmetscher die Möglichkeit eine Überprüfung einzuleiten, ob die obligatorische Zuverlässigkeit des allgemein beeidigten Dolmetschers weiterhin vorliegt und anschließend gegebenenfalls entsprechende Schritte einzuleiten.

Absatz 2 bestimmt, dass die Wohnsitzänderung oder die Änderung seiner beruflichen Niederlassung in einen anderen Oberlandesgerichtsbezirk durch den Dolmetscher der nach § 2 nunmehr zuständigen Stelle anzuzeigen ist, so dass diese eine Änderung der Eintragung vornehmen kann.

Zu § 11

Durch die Vorschrift wird der Titel als "allgemein beeidigter Gerichtsdolmetscher" bzw. "allgemein beeidigte Gerichtsdolmetscherin" nach § 6 vor der Führung durch Unberechtigte geschützt. Der Missbrauch kann durch entsprechende Geldbuße geahndet werden.

Bußgeldnormen außerhalb des OWiG sind aus Gründen der tatbestandlichen Bestimmtheit stets auf verwaltungsrechtlich normierte Handlungsgebote oder Handlungsverbote zu beziehen. Vorliegend erfolgt die Bezugnahme auf § 6. Die Geldbuße ist in bestimmter Höhe anzudrohen, die bei der Verletzung von Verboten zur Berufsbezeichnung üblicherweise 3 000 Euro beträgt.

Zu § 12

Die zu erhebenden Kosten für die Beeidigung oder deren Verlängerung bemessen sich nach den jeweiligen landesrechtlichen Kostengesetzen und sind durch den Antragsteller zu tragen.

Zu Artikel 6 (Änderung des § 10 Absatz 1 des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes)

Nach § 10 Absatz 1 Satz 1 des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes (ZSHG) ist eine zu schützende Person, die in einem anderen gerichtlichen Verfahren als einem Strafverfahren oder in einem Verfahren vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss vernommen werden soll, berechtigt, abweichend von den Bestimmungen der jeweiligen Verfahrensordnung Angaben zur Person nur über eine frühere Identität zu machen und unter Hinweis auf den Zeugenschutz Angaben, die Rückschlüsse auf die gegenwärtigen Personalien sowie den Wohn- und Aufenthaltsort erlauben, zu verweigern. An Stelle des Wohn- und Aufenthaltsorts ist die zuständige Zeugenschutzdienststelle zu benennen (§ 10 Absatz 1 Satz 2 ZSHG). Durch den neuen Satz 3 wird der Zeugenschutz intensiviert: Die zu schützende Person wird in den vorgenannten Verfahren von dem Verbot der Gesichtsverhüllung während der Sitzung ausgenommen. Die zu schützende Person darf ihr Gesicht abweichend von § 176 Absatz 2 Satz 1 GVG-E ganz oder teilweise verhüllen.

Zu Artikel 7 (Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes)

Wird für mehrere Nebenkläger ein Rechtsanwalt als gemeinschaftlicher Beistand bestellt oder beigeordnet, stellt das Gericht gemäß § 397b Absatz 3 StPO-E fest, ob für einen nicht als Beistand bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt die Voraussetzungen der Bestellung oder Beiordnung vorgelegen haben (vergleiche hierzu die Begründung zu Artikel 1 Nummer 19).

§ 53a RVG-E knüpft an diese Regelung an und regelt die vergütungsrechtlichen Folgen eines Beschlusses gemäß § 397b Absatz 3 StPO-E.

Wird gemäß § 397a Absatz 1 oder 2 StPO ein Rechtsanwalt als Beistand bestellt oder beigeordnet, hat er gemäß § 45 Absatz 3 RVG einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse. Dieser Vergütungsanspruch erfasst gemäß § 48 Absatz 6 RVG auch Tätigkeiten, die er vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung oder Beiordnung erbracht hat. Für Ansprüche des bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts gegen den Nebenkläger oder den Verurteilten gelten hingegen die Beschränkungen des § 53 RVG.

Wird gemäß § 397b Absatz 1 StPO-E für mehrere Nebenkläger nur ein Rechtsanwalt als Beistand beigeordnet oder bestellt, steht der Vergütungsanspruch aus § 45 Absatz 3 RVG nach geltendem Recht nur diesem zu. Die übrigen Rechtsanwälte der Nebenkläger hätten mangels Bestellung oder Beiordnung keinen Vergütungsanspruch aus § 45 Absatz 3 RVG, auch wenn sie im Vertrauen auf eine spätere Bestellung oder Beiordnung bereits tätig geworden sind. Allerdings würden auch die Beschränkungen des § 53 RVG für die übrigen Rechtsanwälte der Nebenkläger nicht gelten.

Um dieses Ergebnis zu vermeiden, stellt § 53a Satz 1 RVG-E den aufgrund der Bündelung mehrerer Nebenklagevertretungen nicht als Beistand bestellten oder beigeordneten

Rechtsanwalt vergütungsrechtlich einem bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt gleich, sofern das Gericht gemäß § 397b Absatz 3 StPO-E feststellt, dass die Voraussetzungen für eine Bestellung oder Beiordnung als Beistand vorgelegen haben. In der Folge erhält der nicht als Beistand bestellte oder beigeordnete Rechtsanwalt einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse, der dem Vergütungsanspruch entspricht, den er gemäß § 45 Absatz 3 RVG im Fall seiner Bestellung oder Beiordnung gehabt hätte. In zeitlicher Hinsicht erfasst der Anspruch nur solche Tätigkeiten, die der Rechtsanwalt vor dem Zeitpunkt erbracht hat, zu dem für den von ihm vertretenen Nebenkläger ein anderer Rechtsanwalt als Beistand bestellt oder beigeordnet wurde. Ab diesem Zeitpunkt hat der Rechtsanwalt kein schützenswertes Vertrauen mehr darauf, dass er für die von ihm erbrachten Tätigkeiten aus der Staatskasse vergütet wird. Die in § 53a Satz 1 RVG-E angeordnete Gleichstellung bewirkt zudem, dass für den nicht als Beistand bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt auch die Beschränkungen des § 53 RVG gelten.

§ 53a Satz 2 RVG-E bestimmt, gegen welche Gebietskörperschaft sich der Anspruch des Rechtsanwalts richtet. Die Regelung orientiert sich an § 45 Absatz 3 RVG.

Die nach § 53a RVG-E aus der Landeskasse zu erstattenden Vergütungen an Rechtsanwälte sind Auslagen nach Nummer 9007 KV GKG. Als Auslagen der Staatskasse sind sie damit gemäß § 464a StPO Kosten des Verfahrens, die der Angeklagte im Fall der Verurteilung nach § 465 StPO zu tragen hat.

Zu Artikel 8 (Einschränkung eines Grundrechts)

Die Vorschrift trägt dem in Artikel 19 Absatz 1 Satz 2 GG enthaltenen Zitiergebot Rechnung.

Zu Artikel 9 (Inkrafttreten)

Die Neuregelungen sollen insgesamt am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten. Aufgrund der Befristung der Neuregelung in § 100a Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe j StPO-E soll Artikel 2 fünf Jahre nach der Verkündung dieses Gesetzes in Kraft treten, um insoweit den früheren Rechtszustand wiederherzustellen.

Artikel 4 soll ebenfalls fünf Jahre nach Verkündung dieses Gesetzes in Kraft treten.

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Absatz 1 NKRG: NKR-Nr. 4970 [BMJV]: Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des oben genannten Regelungsvorhabens geprüft.

I. Zusammenfassung

Bürgerinnen und BürgerKeine Auswirkungen
WirtschaftKeine Auswirkungen
Verwaltung (Länder)
Einmaliger Erfüllungsaufwandrund 5,3 Mio. Euro
Jährlicher Erfüllungsaufwandrund 1,6 Mio. Euro
Weitere Kosten (Entlastung Länder)Verringerung der jährlichen Kosten für die gerichtliche Beiordnung von Rechtsanwälten für Nebenkläger um geschätzt rund 2,5 Mio. Euro
Das Ressort hat den Erfüllungsaufwand und die Weiteren Kosten nachvollziehbar dargestellt. Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) erhebt im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen in dem vorliegenden Regelungsentwurf.
Ausdrücklich zu bedauern ist jedoch, dass fast alle Landesverwaltungen der mit ihrer Beteiligung durch das BMJV verbundenen Bitte um eine Einschätzung zur voraussichtlichen Entlastung von Beiordnungskosten nicht nachgekommen sind. Der NKR geht davon aus, dass es möglich gewesen wäre, eine solche Einschätzung aus vorangegangenen Haushaltsansätzen abzuleiten.

II. Im Einzelnen

Mit dem Regelungsentwurf will das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) die "Praxistauglichkeit des Strafverfahrens steigern". Hierzu ist u.a. vorgesehen,

II.1. Erfüllungsaufwand

Die genannten Neuregelungen haben keine kostenmäßigen Auswirkungen auf Bürger und Wirtschaft.

Die Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes für DNA-fähiges Tatortmaterial hat für Bürger und Unternehmen keine Kostenfolgen, ruft jedoch bei der Verwaltung sowohl einmaligen, als auch laufenden Erfüllungsaufwand hervor.

Verwaltung (Länder)

Bei der Verwaltung dagegen rufen sie sowohl einmaligen, als auch laufenden Erfüllungsaufwand hervor, den das BMJV gut nachvollziehbar ermittelt bzw. abgeschätzt hat.

II.2. Weitere Kosten

Die Beiordnung eines Rechtsanwalts für den Nebenkläger (Verletzten) in einem Strafverfahren löst Mehrkosten im Kernbereich richterlicher Erkenntnistätigkeit aus. Wenn mehreren Nebenklägern mit gleichgelagerten Interessen künftig nicht mehr jeweils ein Anwalt beigeordnet wird, ist eine Entlastung der Justiz zu erwarten.

Zu Abschätzung dieser Entlastung standen dem Ressort Angaben aus nur einem, allerdings großen, Bundesland zur Verfügung. Die übrigen Bundesländer sind der Bitte um Mitteilung substantiierter Angaben hierzu nicht nachgekommen.

Das ihm verfügbare Datenmaterial hat das BMJV nachvollziehbar ausgewertet und auf dieser Grundlage bundesweit 12.300 Beiordnungsfälle mit einem Kostenaufwand von 24,6 Millionen Euro (2018) ermittelt. Unter der Annahme, dass die Neuregelung zum Rückgang von 10 Prozent der Beiordnungen führt, ergibt sich eine Entlastung der Justiz von jährlich rund 2,5 Millionen Euro.

III. Ergebnis

Das Ressort hat den Erfüllungsaufwand und die Weiteren Kosten nachvollziehbar dargestellt. Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) erhebt im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen in dem vorliegenden Regelungsentwurf. Ausdrücklich zu bedauern ist jedoch, dass fast alle Landesverwaltungen der mit ihrer Beteiligung durch das BMJV verbundenen Bitte um eine Einschätzung zur voraussichtlichen Entlastung von Beiordnungskosten nicht nachgekommen sind.

Der NKR geht davon aus, dass es möglich gewesen wäre, eine solche Einschätzung aus vorangegangenen Haushaltsansätzen abzuleiten.

Dr. Ludewig Dr. Holtschneider
Vorsitzender Berichterstatter