Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren

Der Bundesrat hat in seiner 875. Sitzung am 15. Oktober 2010 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 (Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die Einbeziehung von Ermittlungs- und Strafverfahren in den Anwendungsbereich des beabsichtigten Gesetzes über den Rechtschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren notwendig ist oder beschränkt werden sollte auf die Fälle, in denen es nicht zu einem gerichtlichen Verfahren kommt.

Begründung:

Das Anliegen des Gesetzentwurfs, gerade auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren entgegenzuwirken, ist berechtigt und grundsätzlich zu begrüßen.

Bereits nach der geltenden Rechtslage haben Strafgerichte und Staatsanwaltschaften eine unangemessene Verfahrensdauer unter Zugrundelegung der Grundsätze der sogenannten Vollstreckungslösung zu berücksichtigen. Der Gesetzentwurf geht mit § 199 Absatz 3 GVG-E hierüber nicht hinaus, auch wenn er behauptet, mit den in Aussicht genommenen Regelungen sowohl präventiv als auch kompensatorisch anzusetzen.

Der EGMR hat in seinem Urteil vom 8. Juni 2006 - 75529/01 (Sürmeli/Deutschland) - betont, dass einem präventiv wirkenden Rechtsbehelf vor rein kompensatorischen Vorschriften der Vorzug zu geben sei, dass aber auch eine Kombination beider Ansätze wirkungsvoll sein könne (Rnr. 100). Der Gesetzentwurf will mit den Regelungen sowohl präventiv als auch kompensatorisch ansetzen. Für den Bereich der Ermittlungs- und Strafverfahren dürfte ein präventiver Effekt dergestalt, dass einem Beteiligten ein effektives Mittel in die Hand gegeben würde, mit dem er die Beschleunigung eines Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens erreichen könnte, nicht gegeben sein. Auch dürfte auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden nicht mit einer schnelleren Entscheidungsfindung zu rechnen sein.

Angesichts der bereits bestehenden Möglichkeiten der Kompensation bzw. von Entschädigungsansprüchen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) besteht für den Bereich der strafrechtlichen Ermittlungs- und Gerichtsverfahren keine Notwendigkeit für eine Entschädigungsregelung. Es bestehen hier schon ausreichende Formen einer Wiedergutmachung im Sinne des § 198 Absatz 2 Satz 2 GVG-E. So wird eine der Justiz zuzurechnende Verfahrensverzögerung zugunsten des Beschuldigten berücksichtigt und insbesondere durch das Strafvollstreckungsmodell ausreichend kompensiert.

Anders als der Gesetzentwurf suggerieren möchte, ist eine Entschädigungslösung auch im Jugendstrafverfahren nicht notwendig. Grundsätzlich ist auch in Jugendstrafverfahren eine unangemessene Verfahrensdauer unter Zugrundelegung der Grundsätze der sogenannten Vollstreckungslösung zu berücksichtigen. Während sichso der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs bisher die Frage stellte, ob von der aus Erziehungsgründen erforderlichen Strafe zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ein bezifferter Abschlag vorgenommen werden dürfe, sei nunmehr danach zu fragen, ob es dem Erziehungsgedanken widerstreite, einen Teil der Strafe als Entschädigung für vollstreckt zu erklären (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 -, BGHSt 52, 124). Der 2. Strafsenat des BGH hat erst kürzlich unter Hinweis auf den Beschluss des 3. Strafsenats vom 4. November 2008 - 3 StR 336/08 - (StV 2009, 80) deutlich gemacht, dass die kompensierende Anwendung des Vollstreckungsmodells auch bei Verhängung von Jugendstrafe grundsätzlich zulässig ist (BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - 2 StR 278/09). Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll ein Anspruch aus § 198 GVG-E gleichwohl in bestimmten Konstellationen, namentlich in Fällen der Verhängung einer Jugendstrafe, die aufgrund des Erziehungsgedankens nicht vollstreckt wird, des Freispruchs sowie der Einstellung des Verfahrens in Betracht kommen. Doch auch in diesen Fällen erscheinen Entschädigungsregelungen wegen immaterieller Nachteile angesichts bereits vorgesehener Ansprüche im StrEG - jedenfalls für den Fall der Freiheitsentziehung entbehrlich. Für darüber hinausgehende Entschädigungsregelungen besteht trotz des Umstandes, dass die sogenannte Vollstreckungslösung und die Entschädigungsansprüche nach dem StrEG nur dem Beschuldigten zugute kommen, nicht aber sonstigen von einem Strafverfahren betroffenen Personen, kein Bedürfnis.

Für den Fall des Inkrafttretens der geplanten Vorschriften steht zu befürchten,

dass es in einer Vielzahl von Verfahren zu Verzögerungen und zu erheblicher Mehrarbeit für die Strafverfolgungsbehörden käme. So sind gerade in staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren prozesstaktische Verzögerungsrügen zu erwarten. Ungeachtet dessen, dass die Verfahrensbeschleunigungspflicht in Strafverfahren vorrangig dem Beschuldigten gegenüber gelten dürfte, steht zu befürchten, dass (auch) Rügen von solchen Verfahrensbeteiligten erhoben werden insbesondere Anzeigeerstattern -, die nicht ausschließlich sachliche Anliegen verfolgen. Daran dürfte auch die geplante Regelung in § 198 Absatz 3 Satz 2 GVG-E, wonach eine Wiederholung der Rüge frühestens nach sechs Monaten möglich ist, nichts ändern, da durch den Zusatz "außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist" eine Möglichkeit eröffnet ist, die Rüge unter Berufung auf eben diese Ausnahme zu einem früheren Zeitpunkt zu erheben. Rechtsanwälte, die Verfahrensbeteiligte vertreten, werden zudem häufig vorsorglich die Rüge erheben (müssen), um nicht selbst in Haftung genommen zu werden. Auch wenn im Ausgangsverfahren eine Pflicht zur förmlichen Entscheidung über die Verzögerungsrüge nicht besteht, wird die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren jeden Beteiligten, der die Rüge erhebt, stets bescheiden müssen, was zu erheblicher Mehrarbeit führen wird. Zudem dürften sich die Dezernentinnen und Dezernenten nunmehr verpflichtet fühlen, den zeitlichen Ablauf des Verfahrens zu dokumentieren, was ebenfalls zu Mehrbelastungen führt und die eigentliche Ermittlungsarbeit verzögert.

Die Rügemöglichkeit im Ermittlungs- oder Strafverfahren führt zu einer Verzögerung, was nicht nur kontraproduktiv wäre, sondern dem Beschleunigungsgebot, welches nicht nur in Haftsachen besteht, widerspräche.

Trotz § 199 Absatz 3 Satz 2 GVG-E kann es zu widersprüchlichen Entscheidungen kommen, wenn das Strafgericht hinsichtlich eines Beschuldigten eine Verfahrensverzögerung festgestellt hat und nunmehr ein anderer Verfahrensbeteiligter Entschädigungsansprüche geltend macht und das Entschädigungsgericht nicht an die Feststellungen des Strafgerichts hinsichtlich der festgestellten Verfahrensverzögerung gebunden ist.

2. Zu Artikel 1 (§ 198 Absatz 1 Satz 1 GVG)

In Artikel 1 § 198 Absatz 1 Satz 1 sind das Wort "unangemessener" durch das Wort "überlanger" und die Wörter "wird entschädigt." durch die Wörter "erhält eine angemessene Entschädigung, wenn dies notwendig ist." zu ersetzen.

Begründung:

Statt der vorgesehenen umfassenden Entschädigung der materiellen Schäden nach den Regeln der §§ 249 ff. BGB ist ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung zu gewähren.

Der vorgesehene Entschädigungsanspruch ist kein aus einem Verschulden oder einer Gefährdungshaftung resultierender Schadenersatzanspruch. Hierdurch unterscheidet er sich insbesondere von der Amtshaftung nach § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 GG, die daneben weiterhin möglich bleibt.

Die Anwendung der §§ 249 ff. BGB auf Ansprüche, die nicht Schadenersatzansprüche sind, ist indessen mit den Grundsätzen des deutschen Schadenersatzrechts nicht vereinbar. Schon nach dem Wortlaut des § 249 Absatz 1 BGB beanspruchen die Bestimmungen der §§ 249 ff. BGB Geltung allein für Schadenersatzansprüche. Dementsprechend werden diese Bestimmungen nach herrschender Meinung beispielsweise auf Enteignungsentschädigungen, Entschädigung aufgrund enteignungsgleichen Eingriffs und Aufopferung nicht angewendet, vgl. etwa BGHZ 39, 198 <200>; 41, 354 <358>; 67, 190 <192>.

Die Anwendung der §§ 249 ff. BGB auf den vorliegenden Entschädigungsanspruch ist auch in der Sache nicht geboten. Es ist nicht nachvollziehbar, dass eine Person, die durch staatliches Handeln einen materiellen Schaden erleidet, grundsätzlich nur bei einer schuldhaften Amtspflichtverletzung (subsidiär) Schadenersatz nach den Regeln der §§ 249 ff. BGB zu erlangen vermag, bei einer durch die Rechtsprechung verursachten oder ihr zurechenbaren Verzögerung des Verfahrens aber unabhängig von diesen Voraussetzungen ohne Weiteres nach den §§ 249 ff. BGB der volle Schaden zu ersetzen ist.

Die Gewährung eines nach den §§ 249 ff. BGB zu bemessenden Schadenersatzes ist auch durch die Rechtsprechung des EGMR nicht geboten. Der EGMR fordert in seinem Urteil vom 8. Juni 2006 - 75529/01 (Sürmeli/Deutschland) -, NJW 2006, 2389 - lediglich einen wirksamen, ausreichenden und zugänglichen Rechtsbehelf gegen die überlange Dauer von Verfahren, wobei die Wirksamkeit von der Höhe der Entschädigung abhängen kann (a.a. O. Rnr. 101). Dabei wird der Rechtsbehelf als "wirksam" angesehen, wenn mit ihm eine angemessene Abhilfe für bereits eingetretene Verletzungen erlangt werden kann (a.a. O., Rnr. 99). Der EGMR selbst gewährt in seiner Rechtsprechung zu Artikel 41 EMRK Entschädigung nach billigem Ermessen, die in der Regel mit den Grundsätzen übereinstimmt, die nach deutschem Recht für die Entschädigung bei Enteignung, enteignungsgleichem Eingriff und Aufopferung gelten. Dabei sieht die Regelung des Artikels 41 EMRK eine gerechte Entschädigung vor, wenn dies notwendig ist, so dass es sinnvoll ist, diese Einschränkung auch im deutschen Recht zu verankern.

Es ist deshalb in Anlehnung an § 906 Absatz 2 Satz 2 BGB eine angemessene Entschädigung vorzusehen. Bei der Bemessung dieser Entschädigung kann dann - ähnlich wie in den Fällen der Enteignung, des enteignungsgleichen Eingriffs und der Aufopferung neben der Höhe des entstandenen Schadens auch berücksichtigt werden, wie schwerwiegend die Verzögerung war und ob die Schäden unmittelbar oder lediglich mittelbar durch die Verzögerung verursacht worden sind.

Um eine Doppelung des Wortes "angemessen" zu vermeiden, ist zugleich das Wort "unangemessen" durch das in der Gesetzesüberschrift ohnehin gebrauchte - Wort "überlang" zu ersetzen.

3. Zu Artikel 1 (§ 198 Absatz 1 Satz 2 GVG)

In Artikel 1 § 198 Absatz 1 Satz 2 sind der abschließende Punkt zu streichen und die Wörter "unter Berücksichtigung der jeweiligen Prozessordnung." anzufügen.

Begründung:

Im Hinblick auf die Besonderheiten der Verfahrensordnungen der Fachgerichtsbarkeiten, für die der 17. Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend anzuwenden ist, ist die Ergänzung geboten, um unmittelbar im Gesetz weitere Gesichtspunkte zu verankern, die bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens" heranzuziehen sind. So könnte den verfahrensrechtlichen Besonderheiten der Amtsermittlung sowie den unterschiedlich gestalteten Instanzenzügen Rechnung getragen werden.

4. Zu Artikel 1 (§ 198 Absatz 2 Satz 1, 2 GVG)

Artikel 1 § 198 Absatz 2 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die in § 198 Absatz 2 Satz 1 GVG-E vorgesehene Beweislastumkehr fügt sich nicht in die Systematik des deutschen Schadenersatzrechts ein. Dieses sieht den Ersatz immaterieller Schäden nur in Ausnahmefällen vor ( § 253 Absatz 1 BGB), insbesondere bei Verletzung höchstpersönlicher Güter wie Körper, Gesundheit, Freiheit und sexueller Selbstbestimmung (§ 253 Absatz 2 BGB). Die Gewährung eines immateriellen Schadenersatzes für eine bloße zeitliche Verzögerung in einem gerichtlichen Verfahren fällt daher ohnehin aus dem bisher gesetzlich geregelten Rahmen. Eine Umkehr der Beweislast würde das Regel-Ausnahme-Verhältnis zusätzlich in Frage stellen. Die Regelung zur Beweislastumkehr sollte daher gestrichen werden, zumal die Aussicht auf Ersatz eines nicht nachweisbedürftigen immateriellen Schadens einen ungewollt hohen Anreiz schafft, von der Verzögerungsrüge und dem anschließenden Entschädigungsverfahren Gebrauch zu machen, obwohl diese gemäß der bisherigen Rechtsprechung des EGMR nur in wenigen Ausnahmefällen Erfolg haben dürften.

Mit dem Absehen von der Beweislastumkehr wird zudem sichergestellt, dass eine überlange Verfahrensdauer nicht automatisch einen immateriellen Schaden des Betroffenen impliziert. Infolgedessen dürften sich auch die durch die Neuregelung verursachten Belastungen der Haushalte von Bund und Ländern reduzieren.

5. Zu Artikel 1 (§ 198 Absatz 3 Satz 2 GVG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die Intention des Gesetzgebers klarstellend in den Gesetzeswortlaut aufgenommen werden sollte, wonach es grundsätzlich unschädlich sein soll, wenn die Verzögerungsrüge nach dem in § 198 Absatz 3 Satz 2 GVG-E genannten Zeitpunkt eingelegt wird, solange bei Würdigung der Gesamtumstände das Verhalten des Betroffenen nicht eher ein "Dulde und Liquidiere" darstelle.

Begründung:

In der Begründung zum Referentenentwurf hieß es noch, dass ein Entschädigungsanspruch nur in Betracht komme, soweit die Verzögerungsrüge rechtzeitig zu dem in § 198 Absatz 3 Satz 2 GVG-E genannten Zeitpunkt erhoben wurde, und dass die Entschädigung für den davor liegenden Zeitraum ausgeschlossen sei. Aus dem Regelungstext ergab sich das jedoch nicht. Bei insoweit nahezu unverändertem Wortlaut soll nach der Begründung des nunmehr vorliegenden Entwurfs eine verspätet erhobene Rüge dagegen grundsätzlich den Entschädigungsanspruch für die Zeit vor Erhebung der Rüge nicht mehr ausschließen, es sei denn, eine Würdigung der Gesamtumstände lasse das Verhalten des Betroffenen eher als ein "Dulde und Liquidiere" erscheinen. Die von der Bundesregierung nunmehr bevorzugte Auslegung des § 198 Absatz 3 GVG-E ergibt sich nicht aus dem Regelungstext und lässt sich auch nicht ohne Weiteres aus der Gesetzessystematik herleiten. Dies gilt umso mehr, als der nur in der Begründung zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers nicht allein maßgeblich ist für die Auslegung eines Gesetzes und die richterliche Rechtsfortbildung. Eine Klarstellung erscheint daher angebracht.

6. Zu Artikel 1 (§ 198 Absatz 5 Satz 1 GVG)

In Artikel 1 § 198 Absatz 5 Satz 1 sind die Wörter "frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge" durch die Wörter "erst nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens" zu ersetzen.

Begründung:

Die Möglichkeit einer Entschädigungsklage während des laufenden Verfahrens birgt die Gefahr von (weiteren) Verzögerungen, und zwar auch für den Fall, dass durch das Entschädigungsgericht lediglich die Akten zur Entscheidung über eine Aussetzung des Entschädigungsverfahrens (§ 201 Absatz 3 GVG-E) angefordert werden. Die Erhebung einer Entschädigungsklage sollte daher erst nach Abschluss des zugrunde liegenden Verfahrens möglich sein.

Der Entwurf sollte darauf begrenzt werden, den Ersatz eventuell durch unangemessen lange Verfahren entstandener Schäden zu ermöglichen. Nach der Rechtsprechung des EGMR ist es ausreichend, wenn ein nachträglicher, restitutiver Rechtsbehelf geschaffen wird, vgl. Urteil vom 8. Juni 2006, - 75529/01 (Sürmeli/Deutschland) -, Rnr. 99; Urteil vom 2. September 2010, - 46344/06 (Rumpf/Deutschland) -, Rnr. 53.

Die zu treffende Regelung sollte sich auf das gesetzgeberisch absolut Notwendige beschränken und darf die Gerichte nicht noch weiter belasten. Es besteht kein Anlass zu einer Übererfüllung der Vorgaben des EGMR. Vielmehr sollte zur Vermeidung zusätzlicher Verzögerungen durch das neu einzuführende Verfahren dieses auf einen nachträglichen Rechtsschutz beschränkt werden.

Als Folgeänderung wäre die Aussetzungsmöglichkeit in § 201 Absatz 3 Satz 1 GVG-E zu streichen.

7. Zu Artikel 1 (§ 198 Absatz 5 Satz 3 - neu - bis 8 - neu - GVG)

Dem Artikel 1 § 198 Absatz 5 sind folgende Sätze anzufügen:

"Mangelt es an einem der in den Sätzen 1 und 2 bestimmten Erfordernisse, so ist die Klage als unzulässig zurückzuweisen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Das Gericht kann die Klage durch einstimmigen Beschluss abweisen, wenn sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Gerichts nicht erfordert. Das Gericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Klage und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Kläger binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 5 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 6 enthalten sind. Der Beschluss ist nicht anfechtbar."

Begründung:

Um missbräuchlichen Entschädigungsklagen und der damit verbundenen übermäßigen Belastung der Gerichte vorzubeugen, ist die Möglichkeit einer Zurückweisung durch Beschluss zu eröffnen, wobei entsprechend § 522 Absatz 2 ZPO im Fall der Zurückweisung wegen fehlender Erfolgsaussicht Einstimmigkeit vorauszusetzen ist.

8. Zu Artikel 1 (§ 198 Absatz 5a - neu - GVG)

Nach Artikel 1 § 198 Absatz 5 ist folgender Absatz 5a einzufügen:

(5a) Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Entschädigungsklage ist der Anspruch nicht übertragbar."

Begründung:

Eine Übertragbarkeitund damit gemäß § 851 Absatz 1 ZPO eine Pfändbarkeit der Entschädigungsforderung sollte ebenso wie im Fall des § 13 Absatz 2 StrEG ausgeschlossen sein, solange nicht rechtskräftig über die Entschädigungsklage entschieden ist, um einen der Rechtspflege abträglichen Handel mit dem Anspruch zu verhindern (vgl. Stenografisches Protokoll der 84. Sitzung des Deutschen Bundestages am 9. Dezember 1970, S. 4706-4708, OLG Hamm, Beschluss vom 7. Februar 1975 - 14 W 76/74 -, NJW 1975, 2075; LG Stuttgart, Beschluss vom 14. Februar 1980 - 15 O 213/79 -, MDR 1980, 590).

9. Zu Artikel 1 (§ 198 Absatz 6 Nummer 1 GVG)

In Artikel 1 § 198 Absatz 6 Nummer 1 ist das Wort "ist" durch die Wörter "sind das Verfahren zur Durchsetzung des Anspruchs nach Absatz 1 sowie" zu ersetzen.

Begründung:

Das Entschädigungsverfahren selbst sollte vom Anwendungsbereich des Entschädigungsanspruchs ausgeschlossen sein. Eine "Endloskette" von Entschädigungsverfahren muss vermieden werden.

10. Zu Artikel 1 (§ 198 Absatz 6 Nummer 2 GVG)

In Artikel 1 § 198 Absatz 6 Nummer 2 sind der abschließende Punkt durch ein Komma zu ersetzen und die Wörter "soweit sie nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind." anzufügen.

Begründung:

In § 198 Absatz 6 Nummer 2 des Entwurfs sind in der Legaldefinition für Verfahrensbeteiligte, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Entschädigung für einen infolge der unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens erlittenen Nachteil verlangen können, die Verfassungsorgane sowie die Träger öffentlicher Verwaltung und sonstige öffentliche Stellen ausgenommen. Anders als noch im Referentenentwurf vom 15. März 2010 ist aber keine Unterausnahme mehr für Körperschaften vorgesehen, die wie beispielsweise Kommunen in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Diese Unterausnahme sollte wieder in den Gesetzentwurf aufgenommen werden. Das Argument, dass dem Staat kein Entschädigungsanspruch gegen sich selbst zustehen soll, greift bei Selbstverwaltungsangelegenheiten nicht, da die betreffende Körperschaft in diesem Fall eine (insbesondere bei den Kommunen auch verfassungsrechtlich geschützte) eigenständige Rechtsposition geltend macht. Hinsichtlich des oben genannten Entschädigungsanspruchs infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens tritt eine Körperschaft, die im Ausgangsrechtsstreit ihr Selbstverwaltungsrecht geltend gemacht hat, dem Staat wie ein außen stehender Dritter gegenüber.

11. Zu Artikel 1 (§ 199 Absatz 1, 4 - neu - GVG)

Artikel 1 § 199 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Es bestehtauch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR - kein Anlass, in Ermittlungs- und Strafverfahren auch anderen Beteiligten als dem Beschuldigten und dem Adhäsionskläger nach § 403 StPO einen Entschädigungsanspruch gemäß § 198 Absatz 1 GVG-E zuzubilligen. Das Beschleunigungsgebot des Artikels 5 Absatz 3 und des Artikels 6 Absatz 1 Satz 1 EMRK sowie des Artikels 14 Absatz 3 Buchstabe c des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (BGBl. 1973 II, S. 1533) ist, soweit Ermittlungs- und Strafverfahren inmitten stehen, lediglich als Recht des Beschuldigten verbürgt. Darüber hinaus ist lediglich demjenigen Verletzten und seinem Erben, der gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch im Strafverfahren geltend macht (vgl. § 403 StPO), mit Blick darauf, dass es sich hier um eine Streitigkeit in Bezug auf "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" im Sinne des Artikels 6 Absatz 1 Satz 1 EMRK handelt, ein Entschädigungsanspruch gemäß § 198 Absatz 1 GVG-E zuzubilligen.

12. Zu Artikel 1 (§ 201 Absatz 1 Satz 4 GVG) Artikel 1 § 201 Absatz 1 Satz 4 ist zu streichen.

Begründung:

Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Präsidenten der Gerichte und ihre ständigen Vertreter von der Mitwirkung bei Entscheidungen über Entschädigungsansprüche nach § 198 GVG-E zwingend ausgeschlossen sein sollen. Die Vorschrift könnte im Sinne eines Misstrauens gegenüber den Präsidenten der Gerichte und ihren ständigen Vertretern missverstanden werden, zumal derartige gesetzliche Bestimmungen zur Verhinderung der Entscheidungsmitwirkung der Gerichtsspitze unüblich sind. Die Entwurfsbegründung zu § 201 Absatz 1 Satz 4 GVG-E führt zu Recht aus, dass es für den neuen Entschädigungsanspruch auf eine Pflichtverletzung des mit der Sache befassten Richters nicht ankomme. Der Entschädigungsanspruch besteht neben und unabhängig von der Dienstaufsicht des Gerichtspräsidenten über die seinem Gericht zugeordneten Richter. Bei der Entscheidung über den Entschädigungsanspruch ist daher eine Verflechtung mit den Aufgaben der Dienstaufsicht nicht zu befürchten. Es sollte deshalb wie auch ansonsten dem Geschäftsverteilungsplan des jeweils zuständigen Gerichts überlassen bleiben, die Besetzung des für Entschädigungsklagen zuständigen Spruchkörpers zu regeln. Ein Bedarf für die vorliegende gesetzliche Regelung besteht jedenfalls nicht.

13. Zu Artikel 1 (§ 201 Absatz 1 Satz 5 - neu - bis 7 - neu - GVG)

Dem Artikel 1 § 201 Absatz 1 sind folgende Sätze anzufügen:

"Die Landesregierungen werden ermächtigt, in Ländern, in denen mehrere Oberlandesgerichte bestehen, durch Rechtsverordnung die Zuständigkeit weiterer Oberlandesgerichte für deren Bezirk oder eines anderen Oberlandesgerichts zu bestimmen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung nach Satz 5 durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. Die Länder können die Zuständigkeit eines Oberlandesgerichts für einzelne Bezirke oder das gesamte Gebiet mehrerer Länder bestimmen."

Begründung:

Länder, in denen mehrere Oberlandesgerichte bestehen, sollten die Möglichkeit haben, die Zuständigkeit desjenigen Oberlandesgerichts für die Entschädigungsklage vorzusehen, das auch für die Berufung bzw. Revision gegen die Urteile des jeweiligen Gerichts zuständig ist. Insoweit sollte ein Gleichlauf hergestellt werden können. Eine zu große Nähe zu dem "angegriffenen" Gericht ist dabei ebenso wenig zu befürchten wie eine zu sehr divergierende Rechtsprechung: Dem örtlich zuständigen Oberlandesgericht wird auch ansonsten eine unparteiische Entscheidung über Berufung oder Revision zugetraut; es ist nicht einzusehen, warum dies bei einer Entscheidung über die Entschädigungsklage anders zu beurteilen sein sollte. Eine divergierende Rechtsprechung wird bereits durch die Möglichkeit der Revision nach § 201 Absatz 2 Satz 3 GVG-E ausreichend verhindert.

Ferner sollten Länder, in denen mehrere Oberlandesgerichte bestehen, die Möglichkeit haben, statt des Oberlandesgerichts am Sitz der Regierung ein anderes Oberlandesgericht als zuständig zu bestimmen, um einem gegebenenfalls bestehenden Ungleichgewicht bei der Verteilung von Zuständigkeitskonzentrationen entgegen zu wirken.

Es sollte zudem auch die Möglichkeit bestehen, dass mehrere Länder für ihr Gebiet die Zuständigkeit eines Oberlandesgerichts bestimmen können. Ob dies im Wege des Staatsvertrags oder auf andere Weise, etwa durch Verwaltungsvereinbarung erfolgt, muss dabei dem jeweiligen Landesverfassungsrecht überlassen bleiben.

14. Zu Artikel 1a - neu - (Änderung der Zivilprozessordnung)

Nach Artikel 1 ist folgender Artikel 1a einzufügen:

'Artikel 1a
Änderung der Zivilprozessordnung

§ 41 der Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 43 1; 2007 I S. 178 1), die zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Begründung:

Mit der Ergänzung des § 41 ZPO wird erreicht, dass den Spruchkörpern der Entschädigungsgerichte in Verfahren, in denen Entschädigungen wegen unangemessener Dauer von Gerichtsverfahren geltend gemacht werden, keine Richter angehören, die an dem beanstandeten Verfahren in dem Rechtszug mitgewirkt haben, dessen überlange Dauer Grundlage des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ist. Damit wird - ähnlich wie mit der in Artikel 2 des Gesetzentwurfs vorgeschlagenen Regelung des § 97c Absatz 2 BVerfGG-E - dem Anschein mangelnder Unvoreingenommenheit und ansonsten zu erwartenden Befangenheitsgesuchen vorgebeugt.

15. Zu Artikel 4 (Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob der Gesetzentwurf hinreichend eindeutige Bestimmungen zur Zuständigkeit der Anwaltsgerichtshöfe für Entschädigungsklagen gegen die Länder wegen überlanger Gerichtsverfahren bei den Anwaltsgerichten und Anwaltsgerichtshöfen und das in diesen Verfahren anzuwendende Verfahrensrecht enthält, ob auch für diese Verfahren Gerichtskosten erhoben werden sollen und ob die im Gesetzentwurf vorgesehene Entschädigungsregelung auf sämtliche Verfahren der Anwaltsgerichtsbarkeit erstreckt werden soll.

Begründung:

Die Anwaltsgerichte und die Anwaltsgerichtshöfe sind eigenständige staatliche Gerichte für besondere Sachgebiete.

Für anwaltsgerichtliche Verfahren und Verfahren in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen sehen die §§ 112g und 116 Satz 3 BRAO-E eine entsprechende Anwendbarkeit der Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes vor.

Ohne die Anwaltsgerichtsbarkeit in diesem Zusammenhang ausdrücklich zu erwähnen, wird in der Begründung des Gesetzentwurfs (BR-Drs. 540/10 (PDF) , S. 21) ausgeführt, dass sich aus der entsprechenden Anwendbarkeit der Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes ergebe, dass die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Entschädigungsklagen bei der jeweiligen Gerichtsbarkeit liege, die in diesen Verfahren ihr jeweiliges Verfahrensrecht anzuwenden habe.

Es bestehen jedoch Bedenken, ob sich aus der vorgesehenen Regelung in den §§ 112g und 116 Satz 3 BRAO-E mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass für Entschädigungsklagen gegen die Länder wegen überlanger Verfahren bei den Anwaltsgerichten oder Anwaltsgerichtshöfen anstelle der Oberlandesgerichte die Anwaltsgerichtshöfe zuständig sind. Diese Bedenken bestehen insbesondere vor dem Hintergrund dessen, dass die Entscheidung über Entschädigungsansprüche nicht zu den derzeitigen Aufgaben der Anwaltsgerichtsbarkeit zählt. Zudem sollten Zuständigkeitsregelungen stets möglichst eindeutig sein.

Der Bundesrat bittet daher, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die Zuständigkeit für Entschädigungsklagen gegen die Länder wegen Verzögerungen bei den Anwaltsgerichten oder Anwaltsgerichtshöfen nicht ausdrücklich in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) geregelt werden sollte.

Zudem ist zu prüfen, ob nicht eine eindeutige Regelung zu dem in diesen Verfahren anzuwendenden Verfahrensrecht getroffen werden sollte, zumal in anwaltsgerichtlichen Verfahren und in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen unterschiedliches Verfahrensrecht anzuwenden ist. Während das anwaltsgerichtliche Verfahren in Anlehnung an das Strafverfahren geregelt ist (vgl. § 116 Satz 2 BRAO), gelten für verwaltungsrechtliche Anwaltssachen grundsätzlich die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (vgl. § 112c BRAO).

Zu erwägen wäre daher eine Regelung, wonach die Anwaltsgerichtshöfe über Entschädigungsklagen wegen überlanger Gerichtsverfahren nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten zu entscheiden haben.

Der Gesetzentwurf enthält keine Gebührenregelungen für Entschädigungsklagen gegen die Länder wegen überlanger Verfahren vor den Anwaltsgerichten und den Anwaltsgerichtshöfen. Da der Gesetzentwurf für Entschädigungsklagen vor den ordentlichen Gerichten und den Fachgerichten die Erhebung von Gerichtskosten vorsieht, ist es geboten, auch für die Anwaltsgerichtsbarkeit eine entsprechende Regelung zu treffen und die §§ 192 ff. BRAO sowie die Anlage zur BRAO entsprechend zu ergänzen.

Nach der Systematik der BRAO zählen Verfahren über den Antrag auf Entscheidung des Anwaltsgerichts über die Rüge gemäß § 74a Absatz 1 BRAO und Verfahren auf Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs gegen die Androhung oder Festsetzung eines Zwangsgeldes gemäß § 57 Absatz 3 BRAO weder zu den anwaltsgerichtlichen Verfahren noch zu den verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen. Es wird daher um Prüfung gebeten, ob die vorgesehene Entschädigungsregelung bei überlangen Gerichtsverfahren auch auf diese Verfahren erstreckt werden soll.

16. Zu Artikel 5 Nummer 2 (§ 9 Absatz 2 Satz 2 ArbGG), Artikel 6 Nummer 3 ( § 202 Satz 2 SGG), Artikel 7 (§ 173 Satz 1a VwGO), Artikel 8 (§ 155 Satz 2, 3 FGO), Artikel 5 bis 8 allgemein

Begründung:

Dass die Entscheidung über Entschädigungsansprüche wegen unangemessener Verfahrensverzögerung ausweislich der Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs bei der jeweils betroffenen Gerichtsbarkeit liegen soll, verdient Zustimmung. Indes erscheint zweifelhaft, ob dies im Regelungstext hinreichend klar zum Ausdruck kommt. Entsprechende Klarstellungen erscheinen angezeigt.

Unklar sind auch die Regelungen über das bei den Fachgerichtsbarkeiten anzuwendende Verfahren und die Besetzung der mit diesen Verfahren befassten Spruchkörper. Die sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs ergebende Absicht, die jeweiligen Gerichte nach "ihrer" Verfahrensordnung entscheiden zu lassen, kommt im Gesetzestext nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck.

Zudem stellen sich zahlreiche Folgefragen. Diese betreffen etwa die Erforderlichkeit der Einbeziehung ehrenamtlicher Richter in Verfahren über Entschädigungsansprüche wegen unangemessener Verfahrensverzögerung sowie die Geltung des Anwaltszwangs im arbeitsgerichtlichen, im sozialgerichtlichen und bei Zugrundelegung der vorgeschlagenen Änderung von Artikel 8 - im finanzgerichtlichen Verfahren. Weiter bleibt etwa unklar, ob § 87a Absatz 2 und 3 VwGO sowie § 79a Absatz 3 und 4 FGO Anwendung finden.

Ferner sollte Artikel 8 dahingehend geändert werden, dass auch im Bereich der Finanzgerichtsbarkeit der Rechtsschutz bei überlanger Verfahrensdauer durch das zuständige Obergericht des Landes sichergestellt wird, wenn es um Verzögerungen bei Gerichten dieses Landes geht. Die Finanzgerichte sind ebenso wie die Oberlandesgerichte, Oberverwaltungsgerichte, Landessozialgerichte und die Landesarbeitsgerichte Obergerichte der Länder ( § 2 FGO). Während der Gesetzentwurf für die anderen Gerichtsbarkeiten eine Zuständigkeit der Obergerichte begründet, wenn die Verzögerung bei Gerichten des Landes Gegenstand des Verfahrens ist, soll abweichend der Bundesfinanzhof über Verzögerungen bei den Finanzgerichten der Länder entscheiden. Eine Begründung für diese Ungleichbehandlung enthält der Gesetzentwurf nicht. Um unnötige Unterschiede in den Verfahrensordnungen zu vermeiden, sollte für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land auch in der Finanzgerichtsbarkeit die Zuständigkeit des Obergerichts des Landes begründet werden.

Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat bittet daher, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens parallel auch über die genannten Gesetzentwürfe des Bundesrates zu beraten und zu entscheiden.