Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen

E. Sonstige Kosten

F. Bürokratiekosten

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 8. August 2008
Die Bundeskanzlerin

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust

Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen


mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Abs. 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 19.09.08

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Das Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 802-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 224 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407), wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung / Wesentlicher Inhalt

Das Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen 1952 ist auf die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Nachkriegszeit zugeschnitten. Seither hat sich die Tariflandschaft einerseits erheblich gewandelt, andererseits nimmt die Zahl der Wirtschaftszweige zu in denen die Tarifbindung erheblich zurückgegangen ist. Vor diesem Hintergrund hat sich der Koalitionsausschuss am 18. Juni 2007 u. a. auf eine Aktualisierung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes verständigt.

Das Gesetz dient künftig als Grundlage für Mindestarbeitsentgelte in Wirtschaftszweigen, in denen es entweder keine Tarifverträge gibt oder nur noch eine Minderheit von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen tarifgebunden beschäftigt wird. Zugleich wird die bisher mögliche Festsetzung "sonstiger Arbeitsbedingungen" ausgeschlossen.

Der Begriff des Wirtschaftszweiges ist weit zu verstehen; er umfasst Gewerbe und Tätigkeiten.

Der Grad der in einem Wirtschaftszweig vorhandenen Tarifbindung ist künftig einzige Voraussetzung für die Anwendung des Gesetzes. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn für einen Wirtschaftszweig keine Tarifverträge bestehen oder die an Tarifverträge für diesen Wirtschaftszweig gebundenen Arbeitgeber weniger als 50 Prozent der unter den Geltungsbereich dieser Tarifverträge fallenden Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigen. In Wirtschaftszweigen mit einer Tarifbindung von mindestens 50 Prozent können Tarifvertragsparteien die Aufnahme in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz beantragen.

Das bisherige Verfahren über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen wird modernisiert.

Hierfür wird der Hauptausschuss dauerhaft eingerichtet. Zusammensetzung und Verfahren des Hauptausschusses werden modernisiert und entbürokratisiert. Der Hauptausschuss setzt sich künftig aus einem Vorsitzenden und sechs weiteren Experten zusammen die in der Lage sind, die sozialen und ökonomischen Auswirkungen von Mindestarbeitsentgelten einzuschätzen. Die Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie Arbeitnehmerinnen sind berechtigt, jeweils zwei Mitglieder und deren Stellvertreter vorzuschlagen. Zwei weitere Mitglieder und deren Stellvertreter sowie der Vorsitzende und dessen Stellvertreter werden durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgeschlagen. Die Berufung der sechs Mitglieder und des Vorsitzenden und der Stellvertreter erfolgt durch die Bundesregierung. Der Hauptausschuss stellt durch Beschluss fest, ob in einem Wirtschaftszweig soziale Verwerfungen vorliegen und Mindestarbeitsentgelte festgesetzt geändert oder aufgehoben werden sollen. Bei den zu begründenden Beschlüssen hat der Hauptausschuss die sozialen und ökonomischen Auswirkungen zu berücksichtigen. Die Bundesregierung, die Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie die Landesregierungen können dem Hauptausschuss Vorschläge unterbreiten, in welchen Wirtschaftszweigen Mindestarbeitsentgelte festgesetzt, geändert oder aufgehoben werden sollen.

Die Fachausschüsse als Gremien der betroffenen Wirtschaftszweige werden so zusammengesetzt, dass sich divergierende Einzelinteressen nicht blockieren. Jeder Fachausschuss besteht daher künftig aus sechs Beisitzern, die je zur Hälfte den Kreisen der beteiligten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber angehören. Hinzu kommt ein unparteiischer Vorsitzender mit Stimmrecht, der von der Bundesregierung auf Vorschlag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales berufen wird. Die Fachausschüsse werden ebenso wie der Hauptausschuss durch eine Geschäftsstelle in ihrer Arbeit unterstützt.

Die von einem Fachausschuss in einem schriftlich begründeten Beschluss festgesetzten Mindestarbeitsentgelte können auf Vorschlag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durch eine entsprechende Rechtsverordnung der Bundesregierung festgesetzt werden.

Der Fachausschuss kann bei der Festlegung von Mindestarbeitsentgelten nach Art der Tätigkeit, Qualifikation der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie Regionen differenzieren.

Ihm werden für die Festlegung Kriterien an die Hand gegeben, die ihm eine sachgerechte Entscheidung über die Festsetzung von Mindestarbeitsentgelten ermöglichen.

II. Gesetzgebungskompetenz

Dem Bund steht nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 12 des Grundgesetzes eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Arbeitsrecht zu. Diese Regelungskompetenz erstreckt sich auf die Festsetzung von Mindestarbeitsentgelten für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen werden die erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen.

III. Gesetzesfolgen

Mittelfristig könnten Teile der deutschen Wirtschaft mittelbar mit Kosten belastet werden.

Je größer der Anteil der Güter (Waren und Dienstleistungen) mit erwarteten Einzelpreiserhöhungen an den Vorleistungen in anderen Wirtschaftsbereichen, desto stärker ist diese mittelbare Belastung. Soweit es den Unternehmen in den mittelbar betroffenen Wirtschaftszweigen gelingt die gestiegenen Vorleistungskosten wiederum an ihre Kunden weiterzugeben kann es zu weiteren Einzelpreiserhöhungen kommen. Infolge des Vorleistungscharakters für die Produktion weiterer Güter, die u. U. ihrerseits Vorleistungen für die Produktion anderer Güter darstellen, können die erwarteten Einzelpreiserhöhungen weitere - im Vergleich zum Primärimpuls aber schwächere - Preiseffekte bei den entsprechenden gewerblichen Abnehmern auslösen, bis diese Preiseffekte auf der Endverbraucherstufe auslaufen.

Die Festlegung von Mindestarbeitsentgelten kann zudem unmittelbare und mittelbare Auswirkungen auf das Angebot und die Nachfrage auf den Arbeitsmarkt, die Motivation der Beschäftigten sowie die Arbeitsproduktivität und damit weitere Rückwirkungen auf Kosten und Preise haben. Außerdem können sich Rückwirkungen auf die Höhe der an Beschäftigte und an Arbeitslose zu gewährenden Transferleistungen ergeben. Diese Effekte lassen sich nicht eindeutig beziffern.

IV. Bürokratiekosten

Das vorliegende Änderungsgesetz beschränkt sich auf eine Modernisierung des geltenden Mindestarbeitsbedingungengesetzes. Es werden keine neuen Informations- und Auskunftspflichten geschaffen.

V. Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung

Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung sind durch das Gesetzgebungsverfahren selbst nicht zu erwarten. Da das Gesetz jedoch die Festsetzung von Mindestarbeitsentgelten insbesondere im Niedriglohnsektor ermöglicht, der traditionell einen hohen Frauenanteil und einen eher unterdurchschnittlichen Organisationsgrad aufweist, ist davon auszugehen dass das Gesetz derzeit noch bestehenden geschlechtsspezifischen Ungleichheiten bei der tatsächlichen Höhe der Entlohnung entgegenwirken wird.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Gesetzes)

Zu Nummer 1 (Kurzbezeichnung)

Das Gesetz erhält eine amtliche Kurzbezeichnung.

Zu Nummer 2 (Abschnitt 1)

Das Gesetz zur Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen aus dem Jahr 1952 ermöglicht die Festsetzung von Entgelten und sonstigen Arbeitsbedingungen. Sonstige Arbeitsbedingungen sind Gegenstand anderer arbeitsrechtlicher Gesetze wie z.B. des Bundesurlaubsgesetzes oder des Arbeitszeitgesetzes. Vor diesem Hintergrund erfolgt eine Begrenzung des Gesetzes auf die Festsetzung von Mindestarbeitsentgelten. Die Überschrift des Ersten Abschnitts ist entsprechend angepasst.

Zu Nummer 3 (§ 1 Abs. 2)

Mit dem Gesetz zur Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen von 1952 bestand die Hoffnung, dass allein die Existenz des Gesetzes einen Ansporn darstellen könnte, "repräsentative Koalitionen" zu gründen und Tarifverträge abzuschließen, um so eine Anwendung des Gesetzes und damit eine staatliche Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen zu verhindern (Fitting, RdA 1952, 5, 9; Herschel, BArbBl. 1952, 36, 39). Die Koalitions-und Tariflandschaft hat sich seither erheblich gewandelt. Die bislang in den Buchstaben a) bis c) des Absatzes 2 enthaltenen, inzwischen zeitlich überholten Anwendungsvoraussetzungen werden künftig durch die einzige Anwendungsvoraussetzung ersetzt, dass für einen Wirtschaftszweig Tarifverträge entweder nicht bestehen oder - im Fall ihres Bestehens - die an die betreffenden Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber insgesamt nicht mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in diesem Wirtschaftsbereich beschäftigen.

Zu Nummer 4 (§ 2)

Zu Buchstabe a

Die Einfügung in Absatz 1 stellt klar, dass der Hauptausschuss wegen seiner zentralen Aufgabenstellung als ständiges Gremium eingerichtet wird.

Zu Buchstabe b

Die Vorschrift regelt die Zusammensetzung des Hauptausschusses aus einem Vorsitzenden und sechs weiteren ständigen Mitgliedern. Die Anzahl der weiteren Mitglieder wird von bislang zehn auf sechs reduziert.

Aus der umfassenden Aufgabenstellung des Ausschusses folgt die Notwendigkeit einer entsprechenden Qualifikation seiner Mitglieder. Dieses Erfordernis wird im neu eingefügten Absatz 2 Satz 3 ausdrücklich klargestellt (Fähigkeit, umfassend die sozialen und ökonomischen Auswirkungen von Mindestarbeitsentgelten einzuschätzen).

Zu Buchstabe c

Der neu gefasste Absatz 3 trägt der Reduzierung bei der Anzahl der Mitglieder durch eine Konzentration auf eine Beteiligung der Spitzenorganisationen Rechnung. Die Spitzenorganisationen der Arbeitgeber sowie der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind berechtigt, jeweils zwei Mitglieder und deren Stellvertreter vorzuschlagen. Zwei weitere Mitglieder und deren Stellvertreter sowie der Vorsitzende und dessen Stellvertreter werden durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgeschlagen. Die Berufung der sechs Mitglieder und des Vorsitzenden und der Stellvertreter erfolgt durch die Bundesregierung.

Für den Fall, dass ein Spitzenverband sein Vorschlagsrecht nicht ausübt, geht das Vorschlagsrecht auf das Bundesministerium für Arbeit und Soziales über. Ein solcher Fall der Nichtausübung liegt auch dann vor, wenn der Verband sein Vorschlagsrecht nicht rechtzeitig ausübt.

Eine Regelung zur Einberufung des Ausschusses wird entbehrlich, da der Hauptausschuss wegen seiner zentralen Aufgabenstellung nunmehr als ständiges Gremium eingerichtet wird. Die Vorschrift wird zudem um eine Regelung über die Beschlussfähigkeit ergänzt.

Zu Buchstabe d

In Satz 2 wird die Weisungsfreiheit der Mitglieder und des Vorsitzenden bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ausdrücklich festgeschrieben. Nach Satz 3 finden zugunsten der Ausschussmitglieder die für die ehrenamtlichen Richter der Arbeitsgerichte geltenden Vorschriften über Aufwandsentschädigung und Reisekostenerstattung Anwendung. Der neu eingefügte Satz 4 stellt ein weiteres Element dar, um die Unabhängigkeit der Ausschussmitglieder sicherzustellen.

Zu Nummer 5 (§ 3)

Zu Absatz 1

Die neue Fassung der Vorschrift trägt in Satz 1 der zentralen Stellung des Hauptausschusses im Verfahren besser Rechnung und übernimmt die Vorgaben für die Qualifikation der Ausschussmitglieder zugleich als Vorgabe für die Ausschussarbeit. Der Hauptausschuss prüft jeweils das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 und stellt durch Beschluss fest, ob in einem Wirtschaftszweig soziale Verwerfungen vorliegen und Mindestarbeitsentgelte festgesetzt geändert oder aufgehoben werden sollen. Dabei hat er u. a. auch die in der betreffenden Branche bestehenden Lohn- und Tarifstrukturen einzubeziehen.

Bei seiner Entscheidung hat der Hauptausschuss die sozialen und ökonomischen Auswirkungen zu berücksichtigen.

Der neue Satz 2 schreibt für den Beschluss des Hauptausschusses eine schriftliche Begründung vor. Nur auf einer solchen formalisierten inhaltlichen Grundlage ist die anschließende eigenständige Prüfung und Entscheidung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über die vom Hauptausschuss für erforderlich gehaltene Festsetzung von Mindestarbeitsentgelten möglich.

Zu Absatz 2

Der neue Satz 1 ersetzt die bislang im Absatz 1 enthaltene Möglichkeit eines verfahrenseinleitenden Impulses des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durch ein Vorschlagsrecht der Bundesregierung; die Vorschrift verdeutlicht, dass es sich nur um einen Vorschlag handelt. Ergänzend wird ein entsprechendes Vorschlagsrecht den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie den Landesregierungen eingeräumt.

Zu Nummer 6 (§ 4)

Zu Buchstabe a

Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung an den neuen § 1 Abs. 2.

Zu Buchstabe b

Satz 1 enthält eine redaktionelle Anpassung an den neuen § 1 Abs. 2. Gemäß Satz 2 findet das für den Hauptausschuss geltende Erfordernis einer schriftlichen Begründung für Beschlüsse des Fachausschusses entsprechende Anwendung. Nach dem neuen Satz 3 erhält der Hauptausschuss Gelegenheit, sich zu der Entscheidung des Fachausschusses zu äußern.

Zu Buchstabe c

Absatz 3 bestimmt, dass die Rechtsverordnung zur Festsetzung der Mindestarbeitsentgelte künftig von der Bundesregierung erlassen wird. Das bislang für den Erlass der Rechtsverordnung zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales behält ein eigenständiges Prüfungsrecht insoweit, als es die vom Fachausschuss vorgeschlagenen Mindestarbeitsentgelte in eigener Verantwortung prüft. Stimmt es dem Vorschlag des Fachausschusses zu so schlägt es der Bundesregierung die Verabschiedung einer Rechtsverordnung vor stimmt es dem Vorschlag nicht zu, so unterbleibt mangels positiven Vorschlags des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eine Festsetzung. Der Vorschlag des Fachausschusses kann nur unverändert in die Rechtsverordnung übernommen werden; es besteht keine Möglichkeit zur inhaltlichen Abweichung. Die Bundesregierung kann die Rechtsverordnung befristen.

Bei den Änderungen des Absatzes 4 handelt es sich in Satz 1 um eine redaktionelle Folgeänderung zu den Nummern 2 und 6 Buchstabe a). Darüber hinaus wird das Arbeitsortsprinzip durch Bezugnahme auf den Beschäftigungsort gesetzlich normiert.

Satz 2 eröffnet dem Fachausschuss die Möglichkeit, durch die Festsetzung verschiedener Mindestarbeitsentgelte angemessene und für notwendig erachtete Differenzierungen vorzunehmen.

Auf diese Art und Weise können Unterschiede in Bezug auf die ausgeübte Tätigkeit (üblich ist beispielsweise zwischen schweren und leichten Tätigkeiten zu unterscheiden wie z.B. in der Fleischindustrie), das Qualifikationsniveau (z.B. gelernt/ungelernt) oder regionale Besonderheiten berücksichtigt werden. Dies hat sich bei der Erstreckung von Tarifverträgen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz bewährt. Die Festsetzung eines gesamten Lohngitters ist nicht möglich.

Satz 3 stellt sicher, dass der Fachausschuss bei der Festlegung der untersten Grenze der Entgelte die dem Gesetz zugrunde liegenden Ziele berücksichtigt. Die Entscheidung des Fachausschusses muss daher insbesondere geeignet sein, angemessene Arbeitsbedingungen zu schaffen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten sowie sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu erhalten.

Die durch den Fachausschuss festgesetzten Mindestarbeitsentgelte stellen künftig vorbehaltlich der Übergangsregelung des § 8 Abs. 2 die ausnahmslose Bindungswirkung für alle im In- oder im Ausland ansässigen Arbeitgeber sicher, die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Geltungsbereich der Mindestentgeltsätze beschäftigen. Das Mindestarbeitsbedingungengesetz in seiner durch dieses Gesetz geänderten Fassung ist eine Rechtsvorschrift über Mindestentgeltsätze im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes in der geltenden Fassung (zukünftig § 2 Nr. 1 des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen - Arbeitnehmer-Entsendegesetz - AEntG), die auch von ausländischen Arbeitgebern im Fall einer Entsendung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen nach Deutschland zwingend zu beachten ist.

Entsprechend Artikel 4 Abs. 3 der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. EG 1997 Nr. L 18 S. 1) (Entsenderichtlinie) ergreift jeder Mitgliedstaat die geeigneten Maßnahmen, damit die Informationen über die Mindestentgeltsätze allgemein zugänglich sind. Dies wird unter Berücksichtigung der Regelung des § 8 Abs. 2 über eine Veröffentlichung auf der Homepage des Deutschen Verbindungsbüros für Entsendefragen sichergestellt.

Die dem Fachausschuss an die Hand gegebenen Kriterien sind zugleich geeignet, die Festsetzung von zwingenden Mindestarbeitsentgelten bei einer gleichzeitigen Verdrängung niedriger dotierter Tarifverträge verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Im Verhältnis zu Mindestarbeitsentgelten kommen ungünstigere Tarifverträge künftig nicht mehr zur Anwendung, sofern sie nicht unter die Übergangsregelung des § 8 Abs. 2 fallen. Der mit der Verdrängung bestehender Tarifverträge verbundene Eingriff in die Tarifautonomie ist grundsätzlich statthaft, wenn er hinreichend gewichtigen Gemeinwohlbelangen dient, denen gleichermaßen verfassungsrechtlicher Rang gebührt. Als verfassungsrechtlich legitimierte Regelungszwecke benennt das Bundesverfassungsgericht u. a. folgende Ziele:

Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine Begrenzung des Grundrechts der Koalitionsfreiheit werden im Mindestarbeitsbedingungengesetz durch die in Satz 2 genannten Kriterien konkretisiert.

Mit der Aufnahme dieser Kriterien macht der Gesetzgeber von seinem Einschätzungs- und Prognosevorrang Gebrauch, der ihm im Rahmen der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit zukommt. Es ist vornehmlich seine Sache, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele unter Beachtung der Gesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will (BVerfG vom 20. März 2007, 1 BvR 1047/05). Der Verordnungsgeber hat den Beschluss des Fachausschusses vor Erlass der Rechtsverordnung auf seine Verhältnismäßigkeit zu überprüfen und dabei seinerseits einen Einschätzungs-und Prognosespielraum.

Zu Nummer 7 (§ 5)

Die Änderungen des Absatzes 1 folgen der neuen Konzeption für die Besetzung des Hauptausschusses. Die Anzahl der Beisitzer der Fachausschüsse wird zur Straffung des Verfahrens auf insgesamt sechs begrenzt. Die Regelungen zur Beschlussfähigkeit und zur Möglichkeit, sich eine Geschäftsordnung zu geben, gelten für die Fachausschüsse entsprechend. Dies wird durch die Inbezugnahme des neuen § 2 Abs. 4 bewirkt (siehe oben Nummer 4 Buchstabe c).

Zu Nummer 8 (§ 6)

Zu Buchstabe a

Satz 1 legt fest, dass die Berufung der Beisitzer der Fachausschüsse nunmehr durch die Bundesregierung auf Vorschlag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erfolgt.

In Satz 2 wird das Verfahren zur Berufung des Vorsitzenden parallel zu dem entsprechenden neuen Verfahren für den Hauptausschuss geregelt. Dies wird durch die Inbezugnahme des neuen § 2 Abs. 3 Satz 1 bewirkt.

Zu Buchstabe b

Bei Buchstabe b handelt es sich um eine sprachliche Klarstellung.

Zu Buchstabe c

Die bislang in Absatz 4 enthaltene Regelung über die ehrenamtliche Tätigkeit und die erforderliche Entschädigung wird durch einen Verweis auf die entsprechende Vorschrift für die Mitglieder des Hauptausschusses in § 2 Abs. 5 ersetzt. Zugleich wird auf die für den Hauptausschuss eingeführten Regelungen über die Weisungsfreiheit seiner Mitglieder Bezug genommen.

Zu Nummer 9 (§ 7)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Nummer 2.

Zu Nummer 10 (§ 8)

Zu Buchstabe a

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Nummer 2.

Zu Buchstabe b
Zu Absatz 2

Die in der Normenhierarchie höher stehenden Regelungen einer Rechtsverordnung über Mindestentgeltsätze gehen grundsätzlich tarifvertraglichen Regelungen vor, die zuungunsten des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin von der Rechtsverordnung abweichen.

Dies gilt nicht für abweichende Entgeltregelungen in einem Tarifvertrag nach dem Tarifvertragsgesetz, der vor dem 16. Juli 2008 (Zeitpunkt des Kabinettbeschlusses) abgeschlossen worden ist. Die Übergangsregelung schützt das Vertrauen der Tarifvertragsparteien auf den Bestand ihrer vor dem Stichtag abgeschlossenen Tarifverträge. Vorrang genießen zudem Tarifverträge, mit denen die Tarifvertragsparteien ihren bestehenden Tarifvertrag nach Satz 1 ablösen oder in einem unmittelbaren zeitlichen Anschluss an dessen Ablauf durch einen Folgetarifvertrag ersetzen.

Bestehende Tarifverträge gehen während ihrer Laufzeit den festgesetzten Mindestarbeitsentgelten vor. Gleiches gilt während der jeweiligen Laufzeit dieser Tarifverträge, wenn nicht tarifgebundene Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages auf dessen Entgeltsätze arbeitsvertraglich Bezug nehmen.

Zu Absatz 3

Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen können nach Satz 1 auf ihren Anspruch auf Zahlung des Mindestarbeitsentgeltes im Wege eines gerichtlichen Vergleichs verzichten. Sie sollen damit vor den besonderen Gefahren, die mit einem außergerichtlichen Vergleich einhergehen können, geschützt werden. Satz 2 regelt ergänzend, dass eine Verwirkung des Anspruchs auf ein Mindestarbeitsentgelt ausgeschlossen ist und Ausschlussfristen unzulässig sind. Der Zweck von Mindestarbeitsentgelten würde unterlaufen, wenn der Anspruch durch Verzicht, Verwirkung oder den Ablauf von Ausschlussfristen untergehen könnte.

Zu Nummer 11 (§ 9)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Nummer 2.

Zu Nummer 12 (§ 10)

Die umfassende Aufgabenstellung der Ausschüsse bedarf der fachlichen und technischen Hilfestellung durch Expertise für die Entscheidungsfindung und Vor- und Nachbereitung der Ausschusssitzungen. Diese Aufgabe wird einer beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales angesiedelten Geschäftsstelle zugewiesen, die u. a. auch einen umfassenden Zugriff auf das dortige amtliche Tarifregister benötigt. Die Geschäftsstelle ist mit den erforderlichen Personal- und Sachmitteln auszustatten.

Die bislang in § 10 geregelte Möglichkeit einer Delegation auf einzelne Bundesländer entfällt.

Zu Nummer 13 (Zweiter Abschnitt)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Nummer 2.

Zu Nummern 14 - 18

Es handelt sich um Folgeänderungen zu Nummer 2.

Zu Nummer 19 (§ 16)

Die Beschäftigungswirkungen von nach diesem Gesetz festgesetzten Mindestarbeitsentgelten, insbesondere ihre Wirkung auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sowie die Schaffung angemessener Arbeitsbedingungen sind zu evaluieren. Der gewählte Untersuchungszeitraum erlaubt die Analyse der Wirkungen von Mindestarbeitsentgelten unter wechselnden ökonomischen Rahmenbedingungen und ist erforderlich, um die Verfügbarkeit einer breiten Datenbasis sicherzustellen.

Der bisherige § 16 fällt ersatzlos weg. Die für das Verfahren unerlässlichen Verfahrensregelungen für die Ausschüsse sind nunmehr im Gesetz geregelt. Die Regelung sonstiger Detailfragen des Verfahrens der Ausschüsse bedarf keiner staatlichen Norm, sondern wird den Ausschüssen in eigener Verantwortung übertragen (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 2 neu und § 5 Abs. 1 Satz 3 neu).

Zu Nummer 20 (Aufhebung der §§ 17 und 18)

Die bisher in § 17 enthaltene Berlin-Klausel ist gegenstandlos. Die Inkrafttretensregelung des § 18 ist verbraucht.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Artikel 2 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

->

Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (BMAS)

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des o.g. Gesetzes auf Bürokratiekosten, die durch Informationspflichten begründet werden, geprüft.

Mit dem vorliegenden Entwurf werden keine Informationspflichten für Unternehmen, Bürger und Verwaltung eingeführt, geändert oder aufgehoben.

Der Nationale Normenkontrollrat hat daher im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrags keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

Dr. Ludewig Kreibohm
Vorsitzender Berichterstatter