Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch

Der Bundesrat hat in seiner 950. Sitzung am 4. November 2016 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 (§§ 5 und 6 RBEG)

Die in der Abteilung 12 enthaltenen Verbrauchspositionen "andere Dienstleistungen für die Körperpflege", "Friseurdienstleistungen", "elektrische Geräte für die Körperpflege", "nichtelektrische Gebrauchsgüter für die Körperpflege", "Toilettenpapier, Papiertaschentücher und ähnliche Hygieneartikel" sowie "Körperpflegemittel, Duft- und Schönheitserzeugnisse" sollten aus der Abteilung 12 in die Abteilung 6 überführt werden.

Begründung:

Die Abteilungen 1 bis 6 (Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren; Bekleidung und Schuhe; Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung; Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände, laufende Haushaltsführung; Gesundheitspflege) betreffen das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige.

Dagegen wird mit den Abteilungen 7 bis 12 (Verkehr; Nachrichtenübermittlung; Freizeit, Unterhaltung, Kultur; Bildungswesen; Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen; Andere Waren und Dienstleistungen) das zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben Notwendige gesichert.

Die Verbrauchspositionen "andere Dienstleistungen für die Körperpflege", "Friseurdienstleistungen", "elektrische Geräte für die Körperpflege", "nichtelektrische Gebrauchsgüter für die Körperpflege", "Toilettenpapier, Papiertaschentücher und ähnliche Hygieneartikel" sowie "Körperpflegemittel, Duft- und Schönheitserzeugnisse" betreffen das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige und nicht die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Methodisch sind die genannten Verbrauchspositionen daher den Abteilungen 1 bis 6 und dort der Abteilung 6 zuzuordnen, die die Gesundheitspflege betrifft.

2. Zu Artikel 1 (§ 9 Absatz 1 RBEG) Artikel 3 Nummer 5 Buchstabe (§ 6b Absatz 2 Satz 5 BKGG)

Begründung:

Bei den Leistungen für Bildung und Teilhabe muss nach aktueller Rechtslage bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in allen Rechtskreisen - SGB II, SGB XII, AsylbLG und BKGG - ein Eigenanteil für ersparte Verbrauchsausgaben für Ernährung von einem Euro je Mittagessen berücksichtigt werden.

Da insbesondere im Schulbereich die tatsächliche Teilnahme am Mittagessen in einer unterschiedlichen Anzahl von Schultagen erfolgt, entsteht bei der getrennten Rechnungslegung durch den Essensanbieter sowie bei der Erstattung der nach § 34 Absatz 6 Satz 1 SGB XII und § 28 Absatz 6 Satz 1 SGB II entstandenen Mehraufwendungen durch die Schulämter monatlich ein erheblicher Verwaltungsaufwand. Die Geltendmachung und Einziehung dieses geringen Betrages steht in keinem Verhältnis zu dem dafür entstehenden Verwaltungsaufwand. In Berlin macht die nach § 34a Absatz 2 Satz 1 SGB XII und § 29 Absatz 1 Satz 1 SGB II als Sach- oder

Dienstleistung zu gewährende gemeinschaftliche Mittagsverpflegung mehr als 50 Prozent der insgesamt als Sach- oder

Dienstleistung zu gewährenden Leistungen für Bildung und Teilhabe (Lernförderung, eintägige Ausflüge und gemeinschaftliche Mittagsverpflegung) verbundenen Verwaltungskosten aus. Der Grund liegt in der unterschiedlichen Abrechnung und Einziehung des Eigenanteils in der Kindertagesbetreuung sowie an den unterschiedlichen Schulformen und der damit verbundenen unterschiedlichen Organisation der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in den jeweiligen Schulformen. So zum Beispiel sind mit den Essensanbietern bestehende Rahmen- oder auch Einzelverträge so anzupassen, dass die Leistungsberechtigten nur noch den Eigenanteil an diese zu zahlen haben. Es erfolgt eine getrennte Rechnungslegung durch den Essensanbieter und eine taggenaue Abrechnung des entstandenen Differenzbetrags mit den Schulämtern. Teilweise ist der Eigenanteil vor Ort in der Schule direkt beim Essensanbieter zu entrichten, der die Teilnahme taggenau dokumentiert und den Differenzbetrag mit den Schulämtern abrechnet.

Neben der aufwändigen Abrechnung der Leistung entsteht auch mit dem Einzug des Eigenanteils ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand, weil die leistungsberechtigten Eltern der mit der Entrichtung des Eigenanteils verbundenen Fürsorgepflicht gegenüber ihren Kindern nicht in hinreichendem Maße nachkommen. Die ausbleibende Entrichtung des geforderten Eigenanteils führt letztendlich trotz Übernahme der Mehraufwendungen nach § 34 Absatz 6 Satz 1 SGB XII und § 28 Absatz 6 Satz 1 SGB II durch den zuständigen Leistungsträger zu einem Ausschluss des Kindes von der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung. Die Kinder und Jugendlichen erleben diesen Ausschluss als reale Ausgrenzung und insofern als stigmatisierend.

Diese Erfahrungen decken sich auch mit den Ergebnissen aus dem im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstellten Bericht zur Evaluation des Bildungspakets vom Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen (SOFI). Auf der Grundlage der Daten des Statistischen Bundesamtes wurde festgestellt, dass die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung im Verhältnis zu den anderen Leistungen der Bildung und Teilhabe bei allen am Prozess Beteiligten (Leistungsberechtigten, Leistungsanbietern, Schul- und Kitaverwaltungen und Leistungsstellen) den weitaus größten Erfüllungsaufwand verursacht. Dem Bund wird daher der Wegfall der Eigenbeteiligung empfohlen.

Die in den jeweiligen Leistungsgesetzen maßgeblichen Regelungen sind daher zu streichen.

3. Zu Artikel 2 Nummer 1 (§ 8 Absatz 1 Satz 2 RBEG) Artikel 2 Nummer 1 ist zu streichen.

Begründung:

Personen, die in stationären Einrichtungen leben, erhalten auch in Zukunft die Regelbedarfsstufe 3. In der Eingliederungshilfe wird es ab dem Jahr 2020 rechtlich die Unterscheidung von stationären und ambulanten Wohnformen nicht mehr geben. In anderen Bereichen des SGB bleibt sie aber bestehen. Die besondere Schwierigkeit besteht darin, dass die Regelungen des vorliegenden Gesetzentwurfs mit den parallel laufenden Gesetzgebungsverfahren für das Dritte Pflegestärkungsgesetz (PSG III) und das Bundesteilhabegesetz (BTHG) kompatibel sein müssen. Solange diese Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen sind, gibt es Unwägbarkeiten über den endgültigen Inhalt von PSG III und BTHG. Eine Regelung im Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) hat sinnvollerweise erst nach dem Gesetzgebungsverfahren zum BTHG zu erfolgen.

Für Leistungsberechtigte in der Eingliederungshilfe soll ab dem Jahr 2020 die Regelbedarfsstufe 2 an die Stelle der Regelbedarfsstufe 3 treten. Hiermit ist im Ergebnis nicht - wie zu vermuten ist - eine Besserstellung, sondern eine Schlechterstellung zu befürchten, da diese Leistungsberechtigten derzeit zur Sicherstellung des notwendigen Lebensunterhaltes in Einrichtungen Leistungen in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 zuzüglich eines Barbetrages und zuzüglich einer monatlichen Bekleidungspauschale erhalten. Die Regelbedarfsstufe 2 beträgt ab dem Jahr 2017 laut Gesetzesentwurf aber nur 368,00 Euro. Aus Sicht der Länder darf es für diesen Personenkreis nicht zu Verschlechterungen im Vergleich zu den aktuell gewährten Leistungen kommen.

4. Zu Artikel 3 Nummer 3a - neu - (§ 31 Absatz 1 Nummer 3 SGB XII) Artikel 6 Nummer 2a - neu - (§ 24 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 SGB II)

Begründung:

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Gesetzentwurf für Sehhilfen, die als therapeutische Mittel und Geräte im Sinne der Abteilung 6 der EVS 2013 - Gesundheitspflege - klassifiziert sind, Leistungen in einer Höhe festlegt, die eine Deckung der (Anschaffungs-)Kosten für eine Sehhilfe aus dem jeweiligen Regelsatz nahezu ausschließt und bei Weitem nicht auskömmlich sind.

Deshalb fordert er, Maßnahmen zur Sicherstellung des existenznotwendigen Bedarfs an Sehhilfen bzw. Vorkehrungen zu treffen, um der hier drohenden Unterdeckung entgegenzuwirken.

Um eine Bedarfsunterdeckung zu vermeiden, sind die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, die die Berücksichtigung von Ausgaben für Sehhilfen als einmalige Bedarfe ermöglichen. Hierzu bedarf es einer Ausweitung der Anwendungsbereiche von § 24 Absatz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und des § 31 Nummer 3 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch.

5. Zu Artikel 3 Nummer 4 (§ 33 Absatz 1 Satz 1 SGB XII)

In Artikel 3 Nummer 4 § 33 Absatz 1 ist Satz 1 wie folgt zu fassen:

"Um die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine angemessene Alterssicherung zu erfüllen, können die erforderlichen Aufwendungen als Bedarf anerkannt werden."

Begründung:

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Umwandlung des Absatzes 1 von einer Kann- in eine Muss-Vorschrift ist abzulehnen, da sie zur Folge hätte, dass die Träger der Sozialhilfe immer verpflichtet wären, bei Vorliegen der Voraussetzungen jegliche Beiträge zur Alterssicherung zu übernehmen. Dies würde zu erheblichen Mehraufwendungen der Träger der Sozialhilfe führen. Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung, nach der die Übernahme der Beiträge, die nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der Alterssicherung stünden, ausgeschlossen werden könnten, käme nicht mehr zum Tragen. Sodann wären nach der beabsichtigten Neuregelung auch solche Beiträge zu übernehmen, die auf Verträgen beruhen, die nach Beginn der Leistungsberechtigung zustande kämen. Des Weiteren ist - wie bei der geplanten Änderung des § 32 SGB XII kein Grund ersichtlich, weswegen eine bislang im Sozialhilferecht nicht vorgesehene Verfahrensweise, die zunächst die Bereinigung des Einkommens bzw. die Bestimmung des zu berücksichtigenden Einkommens und anschließend des Bedarfs vorsieht, eingeführt werden sollte. Gründe, die für die beabsichtigte Neuregelung sprechen, sind weder ersichtlich noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen.

6. Zu Artikel 3 Nummer 5 Buchstabe a1- neu - ( § 34 Absatz 3 SGB XII) Artikel 6 Nummer 3 Buchstabe a - neu - (§ 28 Absatz 3 Satz 1, 2 SGB II)

Begründung:

Eine Erhöhung des Schulbedarfspakets ist erforderlich, da ohne eine hinreichende Deckung der Aufwendungen zur Erfüllung schulischer Pflichten hilfebedürftigen Kindern nach Feststellung des Bundesverfassungsgerichts der Ausschluss von Lebenschancen droht.

Seit 2009 wird die Leistung für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf in pauschalierter Form mit einem Bedarf von 100 Euro im Jahr berücksichtigt. Die damalige Ermittlung des Pauschalbetrags beruhte lediglich auf Erfahrungswerten aus der Praxis und wurde weder im Rahmen des RBEG im Jahr 2011 noch bei dem aktuellen Gesetzesverfahren auf eine mögliche Unterdeckung des Bedarfs hin überprüft. Eine Fortschreibung des Betrages in den Jahren von 2012 bis 2016 ist nicht erfolgt. Ferner ist nicht hinreichend dargelegt, aus welchen einzelnen Bestandteilen sich der persönliche Schulbedarf tatsächlich zusammensetzt. Die damalige Gesetzesbegründung hat nur in Ansätzen auf die daraus zu deckenden Bedarfe hingewiesen.

Die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf dient über das Schuljahr hinweg regelmäßig zur Deckung der mit einem geordneten Schulbesuch erforderlichen Bedarfe, insbesondere der Anschaffung von Gegenständen für den persönlichen Ge- und Verbrauch. Hierzu gehören neben dem Schulranzen, der Schultasche, dem Sportbeutel und der Federtasche alle Schreib-, Rechen- und Zeichenmaterialien. Im laufenden Schuljahr gegebenenfalls erforderliche Ersatzbeschaffungen sind ebenfalls aus der Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf zu decken. Die Position "Schreibwaren, Zeichenmaterial und übrige Verbrauchsgüter" bleiben bei Kindern und Jugendlichen von 6 bis unter 18 Jahren mit Verweis auf die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf als nicht regelbedarfsrelevant unberücksichtigt.

Im Mai 2016 wurde in Zusammenarbeit mit der für das Schulwesen zuständigen Senatsverwaltung in Berlin anlässlich einer Anfrage des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zur Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf die Pauschale in die einzelnen Bestandteile aufgegliedert und mit entsprechenden Beträgen hinterlegt. Hierbei erfolgte die Zusammensetzung der Pauschale nach den Vorgaben der Schulverwaltung, die diese für einen geordneten Schulbesuch erforderlich halten. Es erfolgte bei der Ermittlung der Preise ein Rückgriff auf Ausstattungsgegenstände von einfacher bis mittlerer Qualität.

Hierbei wurde festgestellt, dass für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf ein Betrag im Jahr in Höhe von 150 Euro erforderlich ist, um den mit dem Schulbesuch notwendigen Bedarf zu decken.

Dieser Betrag wird bestätigt durch die Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD zu den Schulbedarfskosten in Niedersachsen (http://www.ekd.de/si/publikationen/texte.html).

Diese kommt zu dem Ergebnis, dass die durchschnittlichen Schulbedarfskosten ohne Verleihgebühr über alle 10 Schuljahre und für alle Schulformen nach Abzug der Regelbedarfspositionen Bücher und Broschüren, Bekleidung/Schuhe und Datenverarbeitung/Software bei 153 Euro pro Jahr liegen. Vielfach liegen die Beträge auch höher. Auch die im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durchgeführte Evaluation der bundesweiten Inanspruchnahme und Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen e.V. (SOFI) kommt zu dem Ergebnis, dass die Summe von 100 Euro pro Schuljahr in der Regel nicht ausreichend sei, um die Kosten für den Schulbedarf zu decken. Sie empfiehlt daher, die Leistungshöhe für den Schulbedarf nach oben an die tatsächlichen Bedarfe anzupassen.

7. Zu Artikel 3 Nummer 6 (§ 35 Absatz 6 - neu - SGB XII)

In Artikel 3 ist Nummer 6 wie folgt zu fassen:

'6. Dem § 35 werden folgende Absätze angefügt:

Begründung:

Durch die Neufassung in § 22 Absatz 10 SGB II durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 26. Juli 2016 (BGBl. Seite 1824) ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze (Bruttowarmmiete) unter Berücksichtigung sowohl des Unterkunfts- als auch des Heizungsbedarfs bei der Prüfung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung auf ihre Angemessenheit im SGB II rechtlich ermöglicht worden.

In einer Vielzahl von Kommunen existiert ein einheitliches schlüssiges Konzept und Regelwerk zur Bestimmung angemessener Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 35 SGB XII sowie § 22 SGB II. Die Option zur Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze sollte daher auch in § 35 SGB XII eröffnet werden, um die Möglichkeit eines einheitliches Regelwerks und der Verwaltungsvereinfachung auch insoweit gesetzlich zu unterlegen.

8. Zu Artikel 3 Nummer 6a - neu - (§ 38 Absatz 1, Absatz 2 - neu - SGB XII) Nummer 9 (§ 42 Nummer 4, 5 und 6 - neu - SGB XII) Nummer 17a - neu - (§ 82 Absatz 4 SGB XII)

Artikel 3 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Es bestehen laufende Einnahmen, die erst nachschüssig zum Ende des Monats ausgezahlt werden. Von besonderer Bedeutung in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sind hier insbesondere die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 118 Absatz 1 Satz 1 SGB VI. Nach dem in der Sozialhilfe durch gefestigte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geltenden Zuflussprinzip, dem zufolge Einnahmen im Monat ihres Zuflusses zu berücksichtigen sind, sind auch solche Einnahmen, die nachschüssig ausgezahlt werden, auf Leistungen der Sozialhilfe im Zuflussmonat anzurechnen.

Folge ist, dass Personen, die zum ersten Mal in den Rentenbezug (zum Beispiel Altersrente) gelangen, bis zum Eingang ihrer ersten Rentenzahlung (am Ende eines laufenden Monats) für diesen Monat in der Regel fast vollkommen ohne Einkünfte sind und ihren laufenden Bedarf bis zum Eingang der ersten Rente nicht decken können. Aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die am Ende des Monats zufließende Rente als Einkommen für den laufenden Monat anzurechnen, sodass bei Berechnung eines möglichen Sozialhilfeanspruchs keine oder nur geringfügige Sozialhilfeleistungen erbracht werden können. Der Bedarf für Nahrung, Miete, Strom und so weiter bis Ende des Monats bleibt damit in den meisten Fällen ungedeckt. Eine eindeutige Rechtsgrundlage, die den Trägern der Sozialhilfe ermöglicht, eine Leistung bis zur ersten Rentenzahlung zu erbringen, fehlt. Es besteht eine im Auslegungswege nicht zu schließende Regelungslücke. Entscheidungen von Trägern der Sozialhilfe, die in der Vergangenheit durch eine Beihilfe oder Darlehen den Betroffenen helfen wollten, sind vom Bundesrechnungshof im Rahmen seiner Prüfungen im Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beanstandet worden. Auch der Bundesrechnungshof sieht den Bedarf für eine gesetzliche Regelung bzw. Klarstellung.

Den betroffenen Menschen muss eine bedarfsgerechte und existenzsichernde Hilfe gegeben und auch der Praxis vor Ort eine rechtsfehlerfreie Entscheidung ermöglicht werden.

Mit den Änderungen soll das Problem gelöst werden. Dabei werden drei Varianten der möglichen Bedarfsunterdeckung im ersten Zuflussmonat einer derartigen laufenden Einnahme unterschieden und in den Regelungen berücksichtigt:

An dem Grundsatz, dass Einnahmen im Zuflussmonat zu berücksichtigen sind, wird festgehalten. Die neuen Sätze 2 bis 6 in § 82 Absatz 4 SGB XII lassen jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz zu.

Leistungsfälle, die unter den Punkt 1 fallen, werden durch die Regelungen der in § 82 Absatz 4 SGB XII neugefassten Sätze 2 und 3 aufgefangen. Die am Ende des Monats zufließende Einnahme wird in diesen Fällen erst ab dem nächsten Monat angerechnet. Darüber hinaus ist der Leistungsberechtigte verpflichtet, vorher alle sonstigen bereiten Mittel zur Bedarfsdeckung einzusetzen.

Leistungsfälle nach Punkt 2 sollen sowohl für den Bereich des Dritten als auch des Vierten Kapitels des SGB XII mithilfe der Regelungen in § 38 Absatz 2 - neu - SGB XII und § 42 Nummer 6 - neu - SGB XII gelöst werden.

§ 82 Absatz 4 SGB XII besitzt hier lediglich klarstellenden Charakter.

Die Regelung des § 38 Absatz 2 - neu - SGB XII ist als Kann-Vorschrift ausgeformt, damit in Einzelfällen eine Leistungsgewährung auch als Beihilfe ermöglicht werden soll. In Betracht käme hier beispielsweise der Fall, dass die laufende Einnahme nur geringfügig höher als der laufende Bedarf ist.

Leistungsfälle nach Punkt 3 werden durch § 82 Absatz 4 Satz 5 - neu - gelöst. Satz 6 - neu - entspricht inhaltlich der derzeitigen Regelung in § 82 Absatz 4 SGB XII.

9. Zu Artikel 3 Nummer 6a - neu - bis 6c - neu - (Überschrift Sechster Abschnitt des Dritten Kapitels, § 39b - neu - und § 39c - neu -SGB XII) Nummer 13 (§ 44 Absatz 3 Satz 1, Absatz 5 - neu - SGB XII) Nummer 14, 15 und 16 (§ 44a, 44b, 44c SGB XII)

Artikel 3 ist wie folgt zu ändern:

Folgeänderung:

In Artikel 3 Nummer 1 Inhaltsverzeichnis sind nach Buchstabe a folgende Buchstaben a1 und a2 einzufügen:

'a1) Die Angabe zur Überschrift des Sechsten Abschnitts des Dritten Kapitels wird wie folgt gefasst:

"Sechster Abschnitt Einschränkung von Leistungsberechtigung und -umfang; Verfahrensbestimmungen"

a2) Nach der Angabe zu § 39a werden folgende Angaben eingefügt:

" § 39b Vorläufige Entscheidung
" § 39c Aufrechnung, Verrechnung" '

Begründung:

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht Verfahrensregelungen nur für das Vierte Kapitel SGB XII vor. Die Länder lehnen diese umfangreiche Regelung nur für wenige Anwendungsfälle ab. Der Anwendungsbereich muss deutlich ausgeweitet werden. Nur so lässt sich für die Praxis eine derartige Regelung begründen. Um ein Auseinanderdriften der Sozialhilfe zu vermeiden, sollten hierzu etwaige Verfahrensvorschriften jedoch sowohl für das Dritte als auch für das Vierte Kapitel SGB XII gelten. Der Anwendungsbereich wird damit erweitert und für beide Kapitel einheitlich geregelt.

Der im Gesetzentwurf neueingeführte § 44a SGB XII-E fordert, dass die Voraussetzungen nach § 41 Absatz 2 (Altersgrenze) und Absatz 3 (dauerhafte volle Erwerbsminderung) SGB XII bereits feststehen müssen und lediglich die Feststellung "weiterer Voraussetzungen" wie zum Beispiel der Höhe der Geldleistung noch längere Zeit benötigt.

Derartige Fälle sind eher selten und rechtfertigen nicht die komplizierte Neuregelung des § 44a SGB XII-E. Eine vorläufige Entscheidung zugunsten einer frühen, rechtmäßigen Entscheidung gegenüber dem Leistungsempfänger sollte - für beide Kapitel - auch dann möglich sein, wenn dem Leistungsempfänger Leistungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dem Grunde nach zustehen, die Feststellung der Voraussetzungen aber noch längere Zeit dauern wird. Diese Fälle treten in der Praxis insbesondere bei der Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung häufig auf, da der Rentenversicherungsträger hierfür in der Regel medizinische Gutachten einholen muss und dann rückwirkend die dauerhafte volle Erwerbsminderung feststellt. Aufgrund vorliegender ärztlicher Gutachten bzw. Berichte ist allerdings eine dauerhafte Erwerbsminderung mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen.

10. Zu Artikel 3 Nummer 10 (§ 42a Absatz 3 Satz 1 und 2 SGB XII)

In Artikel 3 Nummer 10 § 42a Absatz 3 sind Satz 1 und Satz 2 wie folgt zu fassen:

"Lebt eine leistungsberechtigte Person zusammen mit mindestens einem Elternteil, mit mindestens einem volljährigen Geschwisterkind oder einem volljährigen Kind in einer Wohnung im Sinne von Absatz 2 Satz 2 und sind diese Mieter oder Eigentümer der gesamten Wohnung (Mehrpersonenhaushalt), sind für die leistungsberechtigte Person diejenigen Aufwendungen für Unterkunft als Bedarf anzuerkennen, der ihrem nach der Zahl der Bewohner zu bemessenden Anteil an den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung entspricht, die für einen entsprechenden Mehrpersonenhaushalt als angemessen gelten. Satz 1 gilt nicht, wenn die leistungsberechtigte Person aufgrund einer mietvertraglichen Vereinbarung zur Zahlung eines Mietzinses verpflichtet ist; in diesem Fall sind die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bis zu dem Betrag als Bedarf anzuerkennen, der für einen Einpersonenhaushalt angemessen ist, soweit der von der leistungsberechtigten Person zu zahlende Mietzins zur gesamten Wohnungsmiete in einem angemessenen Verhältnis steht."

Begründung:

Die im Gesetzentwurf in § 42a Absatz 3 und 4 SGB XII-E vorgesehenen Spezialnormen differenzieren die Unterkunftskosten bei erwachsenen Menschen, die zusammen mit anderen Personen in einer Wohnung im Sinne von § 42a Absatz 2 Satz 2 SGB XII-E leben danach, ob sie einem Mehrpersonenhaushalt oder einer Wohngemeinschaft zugehörig sind.

Für die Berücksichtigung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung bei Leistungsberechtigten, die zusammen mit mindestens einem Elternteil, mit mindestens einem volljährigen Geschwisterkind oder einem volljährigen Kind in einer Wohnung im Sinne von Absatz 2 Satz 2 (Mehrpersonenhaushalt) leben ist nach Absatz 3 die Differenzmethode und für alle anderen Leistungsberechtigten, die zusammen mit anderen Personen in einer Wohnung im Sinne von Absatz 2 Satz 2 (Wohngemeinschaft) leben, ist nach Absatz 4 die Kopfteilmethode anzuwenden. Die in der Vergangenheit angewandte Kopfteilmethode hat sich in der Verwaltungspraxis sehr bewährt und kann problemlos auf den in Absatz 3 bezogenen Personenkreis übertragen werden. Die neben der bewährten Kopfteilmethode zusätzlich neu eingeführte Differenzmethode ist überflüssig und entspricht nicht den Grundsätzen von Verwaltungsökonomie. Es gibt keine bedarfssystematische Begründung für die vorgenommene Trennung der Personenkreise.

Der Personenkreis nach Absatz 3, in der Mehrzahl handelt es sich um erwachsene Leistungsberechtigte mit Behinderung, darf nicht bei der Bemessung der anteiligen Unterkunfts- und Heizkostenbedarfe schlechter gestellt werden als die Personengruppe nach Absatz 4.

11. Zu Artikel 3 Nummer 17a - neu - (§ 48 Satz 2 SGB XII)

In Artikel 3 ist nach Nummer 17 folgende Nummer 17a einzufügen:

Begründung:

Klarstellung des gesetzlich Gewollten.

Mit der auftragsweisen Versorgung durch die Krankenkassen nach § 264 SGB V stellt der Sozialhilfeträger den Leistungsanspruch nach dem Fünften Kapitel SGB XII sicher. Der Sozialhilfeträger prüft mit der Anmeldung bei den Krankenkassen die Anspruchsvoraussetzungen nach dem Fünften Kapitel SGB XII und trägt mit dem Aufwendungsersatz an die Krankenkassen letztlich die Kosten. Die organisatorische Bereitstellung der einzelnen Leistungen durch die Krankenkassen ändert nichts daran, dass es sich im Verhältnis zwischen Sozialhilfeträger und Leistungsberechtigten um Leistungen nach dem Fünften Kapitel SGB XII handelt (so auch Bundessozialgericht vom 17. Juni 2008 - B 1 KR 30/07 R), und damit die Vorschriften des SGB XII - insbesondere Kapitel 11 und 12 SGB XII - Anwendung finden.

12. Zu Artikel 4 (§ 32 Absatz 1 SGB XII)

In Artikel 4 § 32 Absatz 1 sind die Wörter "anzuerkennen, soweit sie das um Absatzbeträge nach § 82 Absatz 2 Nummer 1 bis 3 bereinigte Einkommen übersteigen." durch das Wort "anzuerkennen." zu ersetzen.

Begründung:

Mit der beabsichtigten Neuregelung in § 32 Absatz 1 SGB XII soll ohne einen ersichtlich triftigen Grund eine bislang im Sozialhilferecht nicht vorgesehene Verfahrensweise, die zunächst die Bereinigung des Einkommens bzw. die Bestimmung des zu berücksichtigenden Einkommens und anschließend des Bedarfs vorsieht, eingeführt werden. Die Neuregelung ist zudem zu verwaltungsaufwändig und würde erhebliche Änderungen der Sozialhilfesoftware erfordern. Des Weiteren käme es hierdurch auch zu einer Verwerfung mit dem bestehenden Rentenauskunftssystem. Unter Berücksichtigung dessen, dass die geplante Änderung auch laut Gesetzesbegründung keine Auswirkungen auf die Höhe des festzustellenden Bedarfs und somit auch des Zahlungsanspruchs hat, bedarf es der Neuregelung nicht und ist sie abzulehnen.

13. Zu Artikel 6 Nummer 01 - neu - (§ 7 Absatz 4b - neu - SGB II)

In Artikel 6 ist der Nummer 1 folgende Nummer 01 voranzustellen: '01. In § 7 SGB II wird nach Absatz 4a folgender Absatz 4b eingefügt:

Begründung:

Der Gesetzgeber hatte bei Erlass des Integrationsgesetzes die Intention, dass Verstöße gegen eine Wohnsitzauflage auch im SGB II leistungsrechtliche Konsequenzen haben.

Allerdings reicht die in der Gesetzesbegründung zum Integrationsgesetz in den Blick genommene Sanktionsvorschrift des § 7 Absatz 4a SGB II nicht aus. Ein Leistungsausschluss kommt danach nur in Betracht, wenn der erwerbsfähige Leistungsberechtigte für das Jobcenter nicht erreichbar ist. Aufgrund der Erreichbarkeits-Anordnung der Bundesagentur für Arbeit ist entscheidend, dass der Leistungsberechtigte sich im Nahbereich des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhält und in der Lage ist, den Leistungsträger täglich und ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen. Ein auswärtiger Aufenthalt ist unschädlich, wenn der Leistungsberechtigte bis maximal 75 Minuten pro einfache Strecke bzw. 2,5 Stunden für Hin- und Rückweg zum Träger benötigt.

Zudem regelt die bezeichnete Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur Sanktionen für erwerbsfähige Personen, nicht aber für die mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden, nicht erwerbsfähigen Personen. Durch diese Vorschrift können folglich nicht alle Verstöße gegen eine Wohnsitzauflage leistungsrechtlich sanktioniert werden.

Ob das mit Erlass des Integrationsgesetzes gewünschte Ergebnis auch durch bloße Auslegung der Zuständigkeitsnorm (§ 36 Absatz 2 SGB II) rechtssicher erreicht werden kann, ist zweifelhaft.

Die Aufsicht führenden Stellen (Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie die zuständigen Obersten Landesbehörden) sind sich zwar darüber einig, dass im Falle des Verstoßes gegen die Wohnsitzauflage bei keinem Jobcenter eine örtliche Zuständigkeit begründet wird. Folglich kommen keine allgemeinen, sondern nur vorläufige Leistungen für einen Übergangszeitraum von bis zu sechs Wochen in Betracht.

Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die Sozialgerichte die Auslegung des § 36 SGB II anders bewerten.

Daher sollte der Gesetzgeber den von ihm gewünschten Leistungsausschluss bei einem Verstoß gegen eine Wohnsitzauflage klarstellend und eindeutig regeln.

Der hier formulierte § 7 Absatz 4b SGB II-E orientiert sich in seinem Wortlaut eng an § 23 Absatz 5 SGB XII. Dieser Leistungsausschluss im Bereich der Sozialhilfe wurde in der jetzigen Form im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum Integrationsgesetz normiert und ist dem nunmehr vorgeschlagenen vergleichbar.

Hinsichtlich der Formulierung des § 7 Absatz 4b SGB II-E im Einzelnen wird auf die Gesetzesbegründung des Integrationsgesetzes zu § 23 Absatz 5 SGB XII verwiesen (BT-Drucksache 18/8615, Seite 34 f.).

Ein weiterer vergleichbarer Leistungsausschluss findet sich auch in § 11 Absatz 2 AsylbLG.

14. Zu Artikel 6 Nummer 4 (§ 65 Absatz 1 Satz 1 SGB II)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren § 65 Absatz 1 Satz 1 SGB II dahingehend zu erweitern, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld bei einer Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften in Form von Sachleistungen erfüllt werden kann, soweit er sich

Begründung:

Die bisherige Regelung des § 65 Absatz 1 Satz 1 SGB II ermöglicht in Gemeinschaftsunterkünften ohne Selbstversorgungsmöglichkeit den Leistungsberechtigten Sachleistungen nur für Ernährung einschließlich Haushaltsenergie zu gewähren.

Die Einschränkung auf Gemeinschaftsunterkünfte ohne Selbstversorgungsmöglichkeit sowie die nur kombiniert berücksichtigungsfähige Sachleistung von Ernährung und Haushaltsenergie entspricht nicht den Gegebenheiten der Praxis.

So wird Haushaltsenergie an Leistungsbezieher nach dem SGB II, die in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind, stets als Sachleistung erbracht und sollte, um Doppelleistungen zu vermeiden, als solche auf den Leistungssatz angerechnet werden können, unabhängig von einer Selbstversorgungsmöglichkeit in der Unterkunft.

15. Zur Anrechnung betrieblicher und privater Vorsorge

Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit - vorwiegend aus rentenpolitischer, aber auch aus Sicht der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung -, Einkünfte aus betrieblicher und privater Altersvorsorge teilweise von einer Anrechnung auf die Grundsicherung freizustellen.

Das Niveau der gesetzlichen Rente - gemessen am Verhältnis der verfügbaren Standardrente zum verfügbaren Durchschnittsentgelt vor Steuern - wird nach den aktuellen Prognosen von derzeit 47,8 Prozent bis 2030 weiter auf 44,3 Prozent zurückgehen.

Die zur Schließung der dadurch entstehenden Versorgungslücke gedachte kapitalgedeckte Altersvorsorge hat bislang nicht in ausreichendem Maße Verbreitung gefunden.

Studien zufolge sorgen insbesondere Haushalte mit geringem Einkommen zu wenig vor. Eigene Sparanstrengungen können jedoch regelmäßig nur erwartet werden, wenn sie dem Sparer auch selbst zugutekommen.

Der Bundesrat unterstützt daher im Zusammenhang mit der aktuellen Rentendiskussion vorgetragene Forderungen nach einer teilweisen Anrechnungsfreiheit.

Er ist der Auffassung, dass für den betroffenen Personenkreis, der im Alter oft auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen wäre, zukünftig durch eine teilweise Nichtanrechnung ein wirksamer Anreiz zur Eigenvorsorge gesetzt werden kann.

Werden die Möglichkeiten der Vorsorge stärker genutzt, wird nicht nur die leistungsorientierte Alterssicherung gestärkt, sondern auch die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ihrem Charakter als Auffangsystem entsprechend entlastet, da spätere Bedürftigkeit vermieden oder vermindert wird.

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, dem aufgezeigten Handlungsbedarf im Rahmen der anstehenden Reformen der Alterssicherung Rechnung zu tragen.

16. Zu den Regelbedarfen für Kinder und Jugendliche

Der Bundesrat sieht die von der Bundesregierung im vorliegenden Gesetzentwurf verwendete Berechnungsmethode für die Ermittlung der Regelbedarfe für Kinder und Jugendliche nach dem SGB II und SGB XII aus folgendem Grund kritisch:

Die Regelsätze für Kinder und Jugendliche sind wissenschaftlich nicht belastbar ermittelt, weil nur eine sehr geringe Anzahl von Haushalten mit Kindern ausgewertet werden konnte. Hinzu kommt die hohe Anzahl der nur unsicher erfassten Ausgabenpositionen.

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Berechnungsmethode zur Bestimmung der Höhen der Regelbedarfe für Kinder und Jugendliche nach dem SGB II und SGB XII entsprechend weiterzuentwickeln und dabei auf eine valide Datengrundlage zu stellen.

Begründung:

Maßstab für die Bemessung der Regelleistungen von Kindern und Jugendlichen im SGB II und SGB XII muss das menschenwürdige Existenzminimum sein (Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1 GG) und daher den Gesamtbedarf für den Lebensunterhalt von Kindern und Jugendlichen berücksichtigen. Nur so kann erreicht werden, dass jedes Kind die gleichen Start- und Entwicklungschancen hat - und zwar unabhängig von der Einkommenssituation seiner Eltern.

Die Ermittlung der Referenzgruppe gründet sich auf der Auswertung von Familienhaushalten mit einem Kind jeweils aus den untersten 20 Prozent der Haushalte. Familienhaushalte mit mehreren Kindern und gegebenenfalls zusätzliche Bedarfen sind nicht erfasst. Dabei kommt das angewandte Statistikmodell in seiner Aussagekraft an seine Grenzen, da die jeweiligen

Beträge nur auf einer sehr dünnen, teilweise nicht mehr statistisch belastbaren Datenbasis ermittelt werden. Wie der Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 28. September 2016 zu der schriftlichen Frage im September 2016, Arbeitsnummer 35 zu entnehmen ist, basieren die ermittelten Regelbedarfssätze insbesondere der Regelbedarfsstufen 4 bis 6 zumeist auf einer Stichprobenfallzahl ab 25 bis unter 100 Haushalten in den Referenzgruppen, oftmals sogar einer Stichprobenfallzahl unter 25 Haushalten. Die Ergebnisse sind damit - statisch betrachtet - nicht ausreichend valide, weil mit einem relativen Standardfehler von 10 bis 20 Prozent gerechnet werden muss.

17. Zum Barbetrag für Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, die in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe wohnen

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf sicherzustellen, dass Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, die in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe wohnen, auch zukünftig einen Geldbetrag zur freien Verfügung haben, der zumindest dem heutigen Barbetrag entspricht.

Begründung:

Für Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen der Eingliederungshilfe, die in den heutigen stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe leben und zusätzlich Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beziehen, tritt ab dem Jahr 2020 die Regelbedarfsstufe 2 an die Stelle der Regelbedarfsstufe 3. Gleichzeitig entfallen für diesen Personenkreis - im Zuge der durch das Bundesteilhabegesetz vorgesehenen Trennung von Fach- und existenzsichernden Leistungen - der Barbetrag sowie die Bekleidungspauschale.

Heute erhalten Leistungsberechtigte zur Sicherstellung des notwendigen Lebensunterhaltes in Einrichtungen Leistungen in Höhe von 461,58 Euro (Regelsatz der Regelbedarfsstufe 3 in Höhe von 324,00 Euro zuzüglich eines Barbetrages in Höhe von 109,08 Euro zuzüglich einer monatlichen Bekleidungspauschale in Höhe von zum Beispiel 28,50 Euro, vergleiche § 27b SGB XII).

Die Regelbedarfsstufe 2 beträgt ab dem Jahr 2017 laut Gesetzesentwurf aber nur 368,00 Euro. Dieser Regelsatz wird direkt an die Leistungsberechtigten ausgezahlt. Von dem Satz sind alle durch die Regelbedarfe abgedeckten Bedarfe zu finanzieren, unter anderem Ernährung und Bekleidung, aber auch für Körperpflegeprodukte, Stromkosten, Freizeitaktivitäten, Internet- und Telefonanschluss.

Erheblichen Anlass zur Sorge gibt der Vergleich der aktuell und zukünftig zur Verfügung stehenden Mittel zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes. Es steht zu befürchten, dass die Leistungsberechtigten in stationären Einrichtungen durch das Bundesteilhabegesetz künftig nicht finanziell besser sondern schlechter gestellt werden.

Dies gilt umso mehr, als gerade der in Einrichtungen lebende Personenkreis oftmals so schwer behindert ist, dass er zum einen keine Möglichkeit hat, eine andere Wohnform zu wählen, und zum anderen keine relevanten Einkünfte aus Erwerbstätigkeit erzielt werden können; die Betroffenen profitieren daher nicht von den im Bundesteilhabegesetz vorgesehenen Verbesserungen bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen.

Aus Sicht des Bundesrates darf es für diesen Personenkreis nicht zu Verschlechterungen im Vergleich zu den aktuell gewährten Leistungen kommen.

Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, die in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe wohnen, müssen auch zukünftig einen Geldbetrag zur freien Verfügung haben, der zumindest dem heutigen Barbetrag entspricht.

18. Zum Gesetzentwurf insgesamt

Der vorliegende Gesetzentwurf nimmt einige von den Ländern in der Vergangenheit erhobene Forderungen auf, während andere Forderungen keinen Eingang in den Gesetzentwurf gefunden haben. Der Gesetzentwurf nennt in seiner Begründung neben dem Handlungsauftrag aus § 28 SGB XII als Grundlage die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus den Jahren 2010 und 2014 und die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) aus den Jahren 2014 und 2015 zu den Regelbedarfen und Regelsätzen. Der Gesetzesbegründung ist nicht zu entnehmen, dass die Vorgaben des BVerfG in vollem Umfang Berücksichtigung gefunden haben. Insbesondere fehlt auch mit Blick auf die moderate Erhöhung der Regelsätze und die Herausnahme zahlreicher Verbrauchspositionen im Rahmen der Sonderauswertungen eine eingehende Auseinandersetzung mit der Feststellung des BVerfG, der im Jahr 2012 geltende Regelbedarf bewege sich "an der Grenze dessen, was zur Sicherung des Existenzminimums verfassungsrechtlich erforderlich ist" (vergleiche BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. Juli 2014 010/12 (PDF) u.a. Rn. 121). Inwieweit den Leistungsberechtigten mit den nunmehr ermittelten Regelsätzen tatsächlich Spielraum zur Verfügung steht, Unterdeckungen bei einer Position durch andere Bedarfspositionen auszugleichen, bleibt offen.

Die Länder sind entgegen ihrer Bitte bei der Erstellung des Gesetzentwurfs nicht frühzeitig beteiligt worden. Aufgrund der sehr späten Vorlage des Gesetzentwurfs werden die Träger der Sozialhilfe bzw. die Kommunen und Länder gezwungen sein, innerhalb kürzester Zeit das Gesetz in der Verwaltungspraxis umzusetzen. Dies hätte mit Blick auf die Komplexität und die Bedeutung des Gesetzes für die existenzsichernden Leistungen vermieden werden müssen.

Das Zusammenspiel der Regelungen im Gesetzentwurf zu den Regelungen im Entwurf des Bundesteilhabegesetzes ist einer abschließenden Prüfung zu unterziehen, um Nachteile für Menschen mit Behinderungen auszuschließen. Dabei ist sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen ab dem Jahr 2020 bei der Trennung von Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen nicht schlechter gestellt werden als im Status quo.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht Verfahrensregelungen nur für das Vierte Kapitel SGB XII vor. Zur weiteren Sicherstellung der Sozialhilfe als Referenzsystem, sollten Verfahrensvorschriften jedoch sowohl für das Dritte als auch für das Vierte Kapitel SGB XII sowie für das SGB II gelten.

Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren sicherzustellen, dass:

Begründung:

Zu Buchstabe a:

Die Bundesregierung zieht weiterhin Haushalte mit sogenannten Aufstockern und verdeckt Armen zur Ermittlung der Regelbedarfe heran. Es besteht hier ein methodisches Problem, das der Bund bislang nicht gelöst hat. Das BVerfG hat den Gesetzgeber in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2010 ausdrücklich dazu verpflichtet, sein Bedarfsermittlungssystem stetig fortzuentwickeln und bei der Auswertung künftiger Einkommens- und Verbrauchsstichproben darauf zu achten, dass Haushalte, deren Nettoeinkommen unter dem Niveau der existenzsichernden Leistungen liegen, aus den Referenzgruppen ausgeschieden werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Bund diesem Auftrag in dem geforderten Umfang nachgekommen ist.

Zu Buchstabe b:

Für die Unterscheidung der Regelbedarfsstufen 1, 2 und 3 für Erwachsene fehlt bislang eine schlüssige Begründung. Im Gegensatz zu den bisher geltenden Definitionen knüpft die Neufassung der Regelbedarfsstufen und ihre Abgrenzung voneinander laut der Gesetzesbegründung nicht mehr an die alleinige oder gemeinschaftliche Haushaltsführung, sondern daran an, ob die Leistungsberechtigten in Privathaushalten und damit in Wohnungen oder außerhalb von Wohnungen leben und an den Umstand, ob Erwachsene allein oder in einer Mehrpersonenkonstellation in einer Wohnung leben und im Falle der Mehrpersonenkonstellation, ob sie als Paar zusammenleben. Einerseits wird laut Begründung nicht mehr an die alleinige oder gemeinschaftliche Haushaltsführung angeknüpft, andererseits aber ausschließlich bei Paaren ein geringerer Bedarf durch gemeinsames Wirtschaften unterstellt. Die besondere Behandlung von Paaren ist noch nicht hinreichend begründet.

Zu Buchstabe c:

Mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) keine ausreichende Grundlage für die Feststellung des Bedarfs für Haushaltsstrom darstellt, da sie auf Angaben zu Stromausgaben beruht, die in einer nicht unerheblichen Anzahl von Fällen lückenhaft sind, und somit an einer Untererfassung der Stromkosten leiden. Des Weiteren findet keine Berücksichtigung, dass die Kosten und somit Ausgaben für Haushaltsstrom in den vergangenen Jahren eklatant gestiegen sind. Während beispielhaft der monatliche Regelsatz in der Regelbedarfsstufe 1 für Alleinstehende zwischen den Jahren 2005 und 2016 um rund 19 Prozent angehoben wurde, verteuerten sich laut aktueller Studien im gleichen Zeitraum die Strompreise um durchschnittlich 46 bis 62 Prozent. Eine Unterdeckung des Bedarfs für Energiekosten ergibt sich hieraus zwangsläufig.

Zu Buchstabe d:

Der Bundesrat sieht die Gefahr der Unterdeckung von existenzsichernden Bedarfen bei atypischen Bedarfen, wie zum Beispiel der sogenannten "Weißen Ware". In der Abteilung 5 der EVS 2013 - Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände, laufende Haushaltsführung - liegen die Bedarfe im Gesetzentwurf 2016 unterhalb der ausgewiesenen Bedarfe des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes von 2011. In seiner Entscheidung aus 2014 hat das BVerfG den Gesetzgeber aufgefordert sicherzustellen, dass Unterdeckungen von existenzsichernden Bedarfen, die entstehen, wenn ein Bedarf deutlich höher ist, als der im Regelbedarf berücksichtigte Betrag, tatsächlich vermieden werden. Das BVerfG sieht die Gefahr einer Unterdeckung nach der vorliegenden Berechnungsweise des Regelbedarfs bei den langlebigen Gebrauchsgütern für den Haushalt. Die Gewährung eines Darlehens zur Finanzierung der "Weißen Ware" ist nicht zielführend, da hierdurch das monatliche Budget eines Leistungsberechtigten aus dem Regelbedarf durch die Rückzahlungsverpflichtung eingeschränkt wird. Dies hat eine weitere Unterdeckung des Gesamtbedarfs zur Folge.

Zu Buchstabe e:

Der Gesetzentwurf klassifiziert Sehhilfen als therapeutische Mittel und Geräte im Sinne der Abteilung 6 der EVS 2013 - Gesundheitspflege - und berücksichtigt hierfür durchschnittliche regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgaben in einer Höhe, die eine Deckung der (Anschaffungs-)Kosten für eine Sehhilfe aus dem jeweiligen Regelsatz nahezu ausschließt. In diesem Zusammenhang fordert das Bundessozialgericht mit seiner Entscheidung vom 23. Juli 2016 (B 3 KR 21/15 R) den Gesetzgeber auf zu klären, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Krankenkassen sich an der Versorgung mit Sehhilfen zumindest zu beteiligen haben.

Zu Buchstabe f:

Entgegen der bisherigen wertenden Entscheidung des Gesetzgebers sind Verkehrsausgaben für Kraftfahrzeuge bei der Bemessung des Regelsatzes zu berücksichtigen. Ein Verweis auf den öffentlichen Personennahverkehr ist insbesondere in dünn besiedelten Flächenländern nicht sachgerecht, da dort oftmals der existenznotwendige Mobilitätsbedarf tatsächlich nur mit einem eigenen Kraftfahrzeug gedeckt werden kann. Der öffentliche Personennahverkehr ist inzwischen in vielen Regionen auf die Zeiten der Schülerbeförderung beschränkt, notwendige Verrichtungen wie der Einkauf des täglichen Bedarfs, Besuche von Arztpraxen oder auch Behördengänge, sind dabei oftmals nur sehr schwer zu erledigen.

Dem im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung erstellten Ergebnisbericht "Mobilität in Deutschland 2008" (ein aktuellerer Bericht liegt derzeit noch nicht vor) ist zu entnehmen, dass immerhin 78 Prozent der nicht erwerbstätigen Personen über 14 Jahren täglich bzw. zumindest an ein bis drei Tagen pro Woche ein Kraftfahrzeug benutzen, der vergleichbare Wert für erwerbstätige Personen liegt bei 91 Prozent. Ein weiterer Ausschluss entsprechender Haushalte bei der Berechnung der regelbedarfsrelevanten Ausgaben in der Abteilung 07 "Verkehr" negiert offensichtlich die Lebenswirklichkeit in besonderem Maße.

Zudem ist im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes für Menschen mit Behinderungen (BTHG) die Stärkung der sogenannten Sozialen Teilhabe zur Ermöglichung einer individuellen Lebensführung sowie zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vorgesehen. In diesem Zusammenhang zeigen die dortigen Leistungen zur Mobilität das gewandelte Verständnis eines Kraftfahrzeugs zur Befriedigung des existenznotwendigen Mobilitätsbedarfs in unserer Gesellschaft.

Zu Buchstabe g:

Das als Leistung des Bildungs- und Teilhabepakets eingeführte sogenannte "Schulbedarfspaket" trat an die Stelle der zum 1. Januar 2009 eingeführten "Zusätzlichen Leistung für die Schule". Bereits diese belief sich auf einen Betrag von 100 Euro jährlich. Es ist anhand des Gesetzentwurfes nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber sich mit der Frage auseinandergesetzt hat, inwieweit der Betrag von 100 Euro noch bedarfsdeckend ist. Dasselbe gilt für die Höhe der Teilhabeleistung, die seit Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets unverändert 10 Euro im Monat beträgt. Das BVerfG hat bereits in seinem Beschluss vom 23. Juli 2014 festgestellt, dass dieser Betrag knapp bemessen sei. Insbesondere aufgrund der Ausweitung der Anwendbarkeit der Vorschrift auf Fahrtkosten durch den Beschluss des BVerfG vom 23. Juli 2014 bestehen erhebliche Zweifel an der Auskömmlichkeit der Leistung.

Zu Buchstabe h:

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 16. Juli 2014 (IV ZR 55/14) klargestellt, dass die Versicherungspflicht nach § 193 VVG keine Auffangregelung darstellt, wenn eine Versicherungspflicht nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 SGB V in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wegen des Bezugs laufender Leistungen nach dem SGB XII nach § 5 Absatz 8a SGB V scheitert.

Damit wird es auch zukünftig Personen geben, die aufgrund eines Leistungsbezugs nach SGB XII im Krankheitsfall nicht über eine Mitgliedschaft in der GKV oder der PKV abgesichert sind. Insbesondere am Beispiel der Haftentlassenen ist deutlich geworden, dass es bei diesen Fallkonstellationen vielfach vom Zufall abhängt, ob eine Versicherungspflicht in der GKV oder ein Betreuungsverhältnis über § 264 Absatz 2 bis 7 SGB V begründet werden kann.

Mit Antritt der Haft erhält der Strafgefangene freie Heilfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz. Die freie Heilfürsorge endet sofort mit dem Aussetzen des Haftbefehls oder der (vorzeitigen) Beendigung der Haft. Werden Leistungen nach dem SGB XII einen Tag nach Beendigung der Haft beantragt, greift die Pflichtversicherung nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 SGB V. Erfolgt die Antragstellung während der Inhaftierung oder am Tag der Haftentlassung, ist die Pflichtversicherung nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 SGB V verwirkt.

Der zahlenmäßig als eher klein einzuschätzender Personenkreis der Haftentlassenen ist von dieser Regelungskonstellation besonders dann betroffen, wenn zum Beispiel in Fällen einer geplanten Rehabilitationsmaßnahme eine vorzeitige Haftentlassung in Betracht kommt, aber der konkrete Haftentlassungstermin erst bei Nachweis einer Aufnahmezusage durch eine Fachklinik festgelegt werden kann. Die Aufnahmezusage ihrerseits ist abhängig vom Nachweis eines Kostenträgers. Noch in der Haft gestellte Anträge werden wegen der nach dem Justizvollzugsgesetz geregelten Zuständigkeit der Heilfürsorge zurückgewiesen. Aber auch bei einem regulären Haftende muss verhindert werden, dass der betroffene Personenkreis zunächst sich selbst überlassen bleibt, in alte Verhaltensmuster zurückfällt und eine dringend benötigte Rehabilitationsmaßnahme nicht in Anspruch nehmen kann. Der Zeitpunkt der Antragstellung auf Sozialhilfe darf daher nicht ausschlaggebend sein, ob jemand Krankenhilfe nach dem SGB XII erhält, in die GKV aufgenommen wird oder sich privat krankenversichern muss.

Zu Buchstabe i:

Bei der aktuellen Rechtslage werden umgangsgeprägte Bedarfe nicht angemessen berücksichtigt: Kinder getrennt lebender Eltern, die sich in Wahrnehmung ihres Umgangsrechts länger als einen Tag im Haushalt des umgangsberechtigten Elternteils aufhalten, bilden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit diesem für die Dauer des Umgangs eine temporäre Bedarfsgemeinschaft. Beziehen beide Elternteile existenzsichernde Leistungen, müssen für einzelne Wochentage des Aufenthalts beim umgangsberechtigten Elternteil diesem die Grundsicherungsleistungen für das Kind zuerkannt und im Gegenzug beim sorgeberechtigten Elternteil wiederum in Abzug gebracht werden. Dies erfordert eine sehr verwaltungsaufwändige Leistungsberechnung und führt zu umfangreichen Leistungsbescheiden, die für die Berechtigten nur schwer nachvollziehbar sind.

Darüber hinaus lässt das Rechtsinstitut der temporären Bedarfsgemeinschaft außer Betracht, dass der Aufenthalt eines Kindes in zwei Haushalten zu besonderen Bedarfslagen führt, die bei einer Aufteilung des Sozialgeldes nicht hinreichend berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere in Bezug auf Fixkosten, die auch während tageweiser Abwesenheiten des Kindes entstehen, aber bei einer Aufteilung des Sozialgeldes anteilig entfallen. Des Weiteren ergeben sich in der Bedarfsgemeinschaft des umgangsberechtigten Elternteils typische Mehrbedarfe, wie beispielsweise für Freizeitgestaltung, die über das Sozialgeld hinausgehen. Eine Bedarfsunterdeckung ist nach aktueller Rechtslage somit nicht ausgeschlossen. Um zukünftig die umgangsgeprägten Bedarfe in beiden Bedarfsgemeinschaften adäquat zu berücksichtigen und positive Anreize zur Wahrnehmung des Umgangsrechts zu setzen, bedarf es der Einführung eines Mehrbedarfs für den umgangsberechtigten Elternteil ohne Kürzung des Sozialgeldes in der Bedarfsgemeinschaft des sorgeberechtigten Elternteils. Gleichzeitig würde eine solche Regelung zu einer Verwaltungsvereinfachung in den Jobcentern beitragen.