Empfehlungen der Ausschüsse - 825. Sitzung des Bundesrates am 22. September 2006
Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes
(Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz)

A.

Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nr. 2 (§ 8a Abs. 2 Satz 1 und Absatz 3 Nr. 1 BVerfSchG)

In Artikel 1 Nr. 2 ist § 8a wie folgt zu ändern:

Begründung:

Zu Buchstabe a

Es sollte im Gesetzeswortlaut des Satz 1 selbst klargestellt werden, dass für die Auskunftsbefugnisse "tatsächliche Anhaltspunkte" für eine schwerwiegende Gefahr für die in § 3 Abs. 1 genannten Schutzgüter und nicht, wie der Gesetzeswortlaut nahe legt, eine tatsächlich vorliegende schwerwiegende Gefahr für die in § 3 Abs. 1 genannten Schutzgüter erforderlich sind. Der Verweis in der Begründung, wonach über § 4 BVerfSchG stets "tatsächliche Anhaltspunkte" als Datenerhebungsvoraussetzung ausreichen und deshalb an dieser Stelle nicht mehr genannt werden müssen, ist nicht nachvollziehbar. Auch an anderen Stellen des Gesetzes werden immer wieder die "tatsächlichen Anhaltspunkte" explizit genannt.

Zu Buchstabe b

Auskünfte müssen bereits bei Personen möglich sein, bei denen "nur" Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie die schwerwiegende Gefahr fördern. Auch Personen, bei denen die Verfolgung der schutzgutgefährdenden Ziele nicht auf Dauer angelegt ist und die allenfalls geringfügig beitragen, leisten einen Beitrag, der zu einer schwerwiegenden Gefahr für wichtige Allgemeingüter führen kann. Es muss auf die Wirkung einer Tätigkeit und nicht auf deren Dauer abgestellt werden. Die in der Nummer 1 vorgenommene Beschränkung auf Zielpersonen, die die schwerwiegende Gefahr nachdrücklich fördern kann - ohne Not - zu gefährlichen Aufklärungslücken führen. Sie ist daher zu streichen.

2. Zu Artikel 1 Nr. 4 Buchstabe b (§ 17 Abs. 3 Satz 1 BVerfSchG)

In Artikel 1 Nr. 4 Buchstabe b sind in § 17 Abs. 3 Satz 1 nach den Wörtern "des Bundesamtes für Verfassungsschutz" die Wörter ", der Verfassungsschutzbehörden der Länder" einzufügen.

Begründung:

Die Möglichkeit mittels Ausschreibung zur verdeckten Registrierung Erkenntnisse zu grenzüberschreitenden Verkehren mit Ausgangs- und Zielpunkt in Deutschland zu erlangen, muss auch den Verfassungsschutzbehörden der Länder eröffnet werden. Die Feststellung von Reisebewegungen ist gerade im Bereich des Islamismus zur effektiven Aufgabenerfüllung oft unverzichtbar. Der Gesetzentwurf sieht die Möglichkeit einer Ausschreibung zur verdeckten Registrierung bislang nur für das Bundesamt für Verfassungsschutz - neben MAD und BND - vor. Der damit für die Verfassungsschutzbehörden der Länder zur Erlangung entsprechender Erkenntnisse erforderliche Umweg über das BfV verursacht einen unnötigen Bürokratieaufwand. ...

3. Zu Artikel 1 Nr. 5 (§ 18 Abs. 1a BVerfSchG)

In Artikel 1 ist Nummer 5 wie folgt zu fassen:

"5. § 18 Abs. 1a wird wie folgt geändert:

Begründung:

Zu Buchstabe a Doppelbuchstabe aa

Die Änderung ist redaktioneller Art, ausgelöst durch das Zuwanderungsgesetz vom 30.07.2004 (BGBl I S. 1950). Mit dessen Verkündung wurde aus dem bisherigen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Zu Buchstabe a Doppelbuchstabe bb

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muss verpflichtet werden, auch den Verfassungsschutzbehörden der Länder unmittelbar Auskünfte zu erteilen. Nach dem durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz neu eingefügten § 18 Abs. 1a BVerfSchG ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nur verpflichtet, dem Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen zu übermitteln, die für die Verfassungsschutzbehörden von Relevanz sein können, nicht jedoch den Landesverfassungsschutzbehörden. Diese Einschränkung, die im ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung für das Terrorismusbekämpfungsgesetz II nicht vorgesehen war, ist nicht nachvollziehbar. Sie führt zu unnötigen zeitlichen Verzögerungen für die Erkenntnisübermittlungen aus Asylverfahren an die Landesverfassungsschutzbehörden, die auf die Informationsübermittlung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz angewiesen sind. Eine Weiterleitung der vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gewonnenen Erkenntnisse über evtl. islamistische Aktivitäten von Asylbewerbern an die Verfassungsschutzbehörden der Länder muss ohne zeitraubenden Umweg über das Bundesamt für Verfassungsschutz sichergestellt werden.

Zu Buchstabe b

Entspricht der Regierungsvorlage zu Artikel 1 Nr. 5.

4. Zu Artikel 7a - neu - (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 Vereinsgesetz)

Nach Artikel 7 ist folgender Artikel 7a einzufügen:

Begründung:

Die Schwelle der gegenwärtig nach dem Vereinsgesetz bestehenden Verbotsmöglichkeiten von Ausländervereinen und ausländischen Vereinen muss abgesenkt werden. Vereinsverbote stellen ein essentielles Instrumentarium dar, um konspirative Strukturen, die der logistischen Planung von Anschlägen dienen, frühzeitig zerschlagen und bereits der konspirativen Vorbereitung terroristischer Aktionen entgegenwirken zu können. Die durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz in § 14 Abs. 2 VereinsG geschaffenen erweiterten Verbotsmöglichkeiten von Ausländervereinen und ausländischen Vereinen schöpfen den verfassungsrechtlich gegebenen Spielraum nicht aus. Ein Ausländerverein muss bereits verboten werden können wenn er extremistische Bestrebungen verfolgt und damit Interessen Deutschlands - und nicht nur erhebliche Interessen Deutschlands, wie in § 14 Abs. 2 Nr. 1 VereinsG geregelt - beeinträchtigt oder gefährdet.

5. Zu Artikel 9a - neu - (§ 72 Abs. 1 Satz 2 SGB X)

Nach Artikel 9 ist folgender Artikel 9a einzufügen:

Begründung:

Nach dem bisherigen Wortlaut der Vorschrift dürfen zwar die Namen und Anschriften der derzeitigen und früheren Arbeitgeber der betroffenen Person, nicht aber die jeweiligen Beschäftigungszeiten übermittelt werden. Dies ist nicht nachvollziehbar und führt in der Praxis zu Problemen. Die Übermittlung der jeweiligen Beschäftigungszeiten wird unter Berufung auf den Wortlaut der Vorschrift teils verweigert. Die dann erforderlichen Ermittlungen hinsichtlich dieser Daten bei allen Arbeitgebern des Betroffenen erhöhen nicht nur den Aufwand der Behörden (Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel zur Informationsgewinnung bei Privaten), sondern intensivieren damit auch den Eingriff in rechtliche Interessen des Betroffenen deutlich. Darüber hinaus erschwert ein solches Vorgehen grundsätzlich die Geheimhaltung der Ermittlungen.

6. Zu Artikel 10 I Nr. 1 Buchstabe a ( § 3 Abs. 1 BVerfSchG)

In Artikel 10 I Nr. 1 ist Buchstabe a zu streichen.

Begründung:

Mit der Ergänzung des Aufgabenkatalogs in § 3 Abs. 1 BVerfSchG um die Beobachtung völkerverständigungswidriger Bestrebungen (Nr. 4) sollte eine eindeutige gesetzliche Grundlage zur Beobachtung von Bestrebungen geschaffen werden, die sich, wie etwa die in Deutschland lebenden Taliban oder "Hizb Allah", gegen politische Gegner im Ausland richten und deren Gewaltanwendung oder entsprechende Vorbereitungshandlungen in Deutschland, die zugleich Auswirkungen auf die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland haben, nicht oder nur sehr schwer nachzuweisen sind und damit nicht von der Beobachtungsaufgabe des § 3 I Nr. 3 BVerfSchG (inländische Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der BRD gefährden) umfasst sind. Die Notwendigkeit die Beobachtung derartiger Bestrebungen auf eine einwandfreie Grundlage zu stellen, besteht über 2012 hinaus fort. Die erneute Befristung ist daher zu streichen.

7. Zu Artikel 10 I Nr. 1 Buchstabe b, Nummer 2, Nummer 4 bis 8 und II bis VI

In Artikel 10 sind I Nr. 1 Buchstabe b, Nummer 2, Nummer 4 bis 8 sowie II bis VI zu streichen.

Begründung:

Das Terrorismusbekämpfungsgesetz und das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz zielen darauf ab, die Instrumentarien der Sicherheitsbehörden angesichts der weltweiten Bedrohung durch den islamisch fundamentalistisch orientierten internationalen Terrorismus zu verbessern. Die Terroranschlagspläne aus Großbritannien und erstmals auch aus Deutschland von August bzw. Juli dieses Jahres machen deutlich, dass auch fast fünf Jahre nach den Anschlägen von New York die Gefährdungslage durch den internationalen Terrorismus weiterhin erhöht ist. Da nicht davon auszugehen ist, dass die weltweite Bedrohung durch den Terrorismus ab 2012 nicht mehr besteht, müssen die neu geschaffenen Instrumentarien den Sicherheitsbehörden dauerhaft und nicht wiederum nur befristet zur Verfügung stehen.

8. Zu Artikel 10 I Nr. 3 ( § 8a BVerfSchG)

In Artikel 10 I ist Nummer 3 zu streichen.

Begründung:

Insbesondere die durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz neu geschaffenen Auskunftsbefugnisse gegenüber Banken, Luftfahrtunternehmen, Post-, Telekommunikations- und Teledienstleistern sind wichtige zusätzliche Instrumente, um die weltweiten Kontaktnetze von Terroristen aufzuhellen. Da nicht davon auszugehen ist, dass die weltweite Bedrohung durch den islamisch fundamentalistisch orientierten internationalen Terrorismus ab 2012 nicht mehr besteht, ist eine erneute Befristung der bereits jetzt bewährten Auskunftsbefugnisse abzulehnen.

9. Zu Artikel 10 VII (§ 36 StVG)

In Artikel 10 ist VII zu streichen.

Begründung:

Die durch den Gesetzentwurf nunmehr auch für die Nachrichtendienste geschaffene Möglichkeit, Fahrzeug- und Halterdaten aus dem Zentralen Fahrzeugregister automatisiert abzurufen, die sowohl der Beschleunigung in Eilfällen und damit einer Steigerung der Effizienz der Aufgabenwahrnehmung als auch der Beseitigung von Fehlerquellen (etwa unklare Schreibweisen) im Rahmen des herkömmlichen Verfahrens dient, muss den Nachrichtendiensten, wie anderen Behörden auch, dauerhaft eingeräumt werden. Die entsprechende Befristung ist daher aufzuheben.

B.