Unterrichtung durch die Bundesregierung
Stellungnahme der Bundesregierung zu der Entschließung des Bundesrates zur Verordnung zum Erlass seearbeitsrechtlicher Vorschriften im Bereich der medizinischen Betreuung auf Seeschiffen

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Berlin, 24. Oktober 2019
Parlamentarischer Staatssekretär

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther

Sehr geehrter Herr Präsident,
namens der Bundesregierung übersende ich Ihnen als Anlage die Stellungnahme der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrates zu der "Verordnung zum Erlass seearbeitsrechtlicher Vorschriften im Bereich der medizinischen Betreuung auf Seeschiffen" auf BR-Drs. 120/ 14(B) vom 23. Mai 2014.

Mit freundlichen Grüßen
Enak Ferlemann

Siehe Drucksache 120/14(B) HTML PDF

Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen der Änderungen durch die Maritime-Medizin-Verordnung (Bundesrats-Drucksache 120/ 14(B))

I. Ausgangslage

1. Entschließung des Bundesrates

Der Bundesrat hat in seiner 22. Sitzung am 23. Mai 2014 beschlossen, die Bundesregierung aufzufordern, fünf Jahre nach Inkrafttreten der Maritimen-Medizin-Verordnung (MariMedV) einen Erfahrungsbericht über die Auswirkungen der neuen Regelungen sowie gegebenenfalls notwendige Korrekturmaßnahmen vorzulegen.

Dies gilt insbesondere für folgende Punkte:

2. Zugrundliegende rechtliche Änderungen

Durch das am 20. April 2013 in Kraft getretene Seearbeitsgesetz (SeeArbG) ist die Zuständigkeit für die Zulassung medizinischer Wiederholungslehrgänge auf die BG Verkehr übertragen worden (§ 109 Abs. 1 Satz 6).

In der MariMedV vom 21. August 2014 wurde die Zulassung medizinischer Wiederholungslehrgänge (§ 16), die Überwachung der Lehrgangsanbieter (§ 17), der Inhalt und die Durchführung der Lehrgänge (§§ 16,18, Anlage 4) und die Anforderungen an die Schulungsräume und medizinische Ausstattung zur Durchführung medizinische Wiederholungslehrgänge (§ 16, Anlage 5) konkretisiert.

Die Zuständigkeit für die Registrierung von Schiffsärzten durch die BG Verkehr ist in § 19 MariMedV geregelt.

Die Kontrollen der medizinischen Ausstattung nach § 109 Abs. 3 Satz 2 SeeArbG wurden auf den Reeder unter Mitwirkung einer öffentlichen Apotheke übertragen sowie das Verfahren in § 14 MariMedV konkretisiert.

II. Bericht zu den Auswirkungen der einzelnen Regelungen auf die Praxis

1. Zulassung medizinischer Wiederholungslehrgänge (§ 16 MariMedV)

1.1. Verfahren vor dem Inkrafttreten des SeeArbG und der MariMedV

Die Anerkennung von medizinischen Wiederholungslehrgängen lag nach § 2 Abs. 3 der Verordnung über die Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen (SchKrFürsV) in der Zuständigkeit der Länder. Das Anerkennungsverfahren war in der Richtlinie 6 des Arbeitskreises der Küstenländer für Schiffshygiene (Ak/Kü) vom 21. August 2008 konkretisiert.

Vor Anerkennung eines Lehrganges wurde durch die zuständige Landesbehörde die Qualifikation des bewerbenden Lehrgangsanbieters anhand der vorliegenden Richtlinie nebst Anlagen nach Aktenlage geprüft. Es lag im Ermessen der zuständigen Landesbehörde, sich hierzu eines Auditors zu bedienen, der die Einhaltung der Qualitätskriterien durch eine Ortsbegehung überprüfte und der zuständigen Behörde hierüber Bericht erstattete.

Die Anerkennung konnte mit Auflagen verbunden werden.

1.2. Zweck der Regelung

Durch die Vorgaben des § 16 MariMedV ist ein einheitliches, transparentes Zulassungsverfahren für die Anbieter medizinischer Wiederholungslehrgänge eingeführt worden.

Die Gleichbehandlung und Vergleichbarkeit der Anbieter durch die für schifffahrtsmedizinische Angelegenheiten zuständige Einrichtung des Bundes, dem Seeärztlichen Dienst der BG Verkehr, wird sichergestellt.

Der Seeärztliche Dienst der BG Verkehr ist nach DIN EN ISO 9001:2015 zertifiziert. 1.3. Verfahren

Nach Antragstellung übermittelt der Seeärztliche Dienst der BG Verkehr dem antragstellenden Anbieter zunächst Informationen über die Zulassungsanforderungen nach der MariMedV sowie einen Fragebogen.

Im zweiten Schritt prüft der Seeärztliche Dienst die entsprechenden Nachweise über die berufliche Qualifikation der Lehrkräfte und die Zuordnung der Lehrinhalte nach Anlage 4 MariMedV anhand des vom Anbieter eingereichten Lehrplans.

Liegen alle erforderlichen Unterlagen vor, wird ein Besichtigungstermin mit der jeweiligen Ausbildungseinrichtung vereinbart. Die Schulungsräume werden von Mitarbeitern des Seeärztlichen Dienstes begangen und die medizinische Ausstattung nach Anlage 5 MariMedV kontrolliert.

Der Seeärztliche Dienst stellt eine auf fünf Jahre befristete Zulassungsurkunde aus, sobald die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind und der Anbieter die Zulassungsgebühr gezahlt hat.

1.4. Erfahrungen

Das vom Verordnungsgeber vorgesehene Verfahren für die Zulassung von medizinischen Wiederholungslehrgängen wurde vom Seeärztlichen Dienst bereits kurz nach Inkrafttreten der MariMedV in die Praxis umgesetzt.

Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des SeeArbG waren 11 Wiederholungslehrgänge nach § 2 Absatz 3 SchKrFürsV zugelassen.

Seit dem Inkrafttreten der MariMedV hat sich die Zahl der Zulassungen wie folgt entwickelt:

Anträge insgesamt: 15
Davon positiv beschieden: 13
Davon abgelehnt: 0
Davon zurückgezogen: 2
Noch offen mangels Entscheidungsreife: 0

Derzeit sind folgende Anbieter für die Durchführung von medizinischen Wiederholungslehrgängen zugelassen (Stand: 01.03.2019):

1.5. Bewertung

Mit der Verlagerung der Zulassung medizinischer Wiederholungslehrgänge von den Ländern zum Bund ist ein einheitliches und transparentes Zulassungsverfahren etabliert worden. Statt verschiedener Stellen ist jetzt nur noch eine einzige Einrichtung - der Seeärztliche Dienste der BG Verkehr - für die Zulassung verantwortlich. Vor diesem Hintergrund hat das seinerzeit neue Verfahren bei den Lehrgangsanbietern eine breite Akzeptanz erfahren.

Die Anzahl der Anbieter ist seit dem Inkrafttreten des SeeArbG und der MariMedV leicht gestiegen. Die Anzahl der großen Lehrgänge (40 Unterrichtstunden) hat seit 2015 zugenommen. Die Anzahl der kleinen Lehrgänge (16 Unterrichtsstunden), die 2015 sechs und aktuell 14 Lehrgänge umfasst, hat in den letzten fünf Jahren geschwankt.

2. Überwachung der Anbieter von medizinischen Wiederholungslehrgängen (§ 17 MariMedV)

2.1. Verfahren vor dem Inkrafttreten des SeeArbG und der MariMedV

Die Maßnahmen zur Qualitätssicherung waren in der Richtlinie 6 des Arbeitskreises der Küstenländer für Schiffshygiene (AkKü) vom 21. August 2008 konkretisiert.

Die Evaluationsergebnisse sollten über die zuständige Landesbehörde dem AkKü zur länderübergreifenden Bewertung zugeleitet werden. Es lag im Ermessen der zuständigen Landesbehörde, sich für die Einhaltung der Qualitätskriterien eines Auditors zu bedienen, der der zuständigen Behörde hierüber Bericht erstattet.

2.2. Zweck der Regelung

Mit § 17 MariMedV soll die Qualität der medizinischen Wiederholungslehrgänge kontinuierlich sichergestellt werden. Hierzu werden die Anbieter von medizinischen Wiederholungslehrgängen durch die BG Verkehr regelmäßig überprüft.

Es soll gewährleistet werden, dass die Lehrinhalte effektiv vermittelt werden und umgesetzt werden können.

Die gesetzlichen Anforderungen sollen nicht nur zum Zeitpunkt der Antragstellung, sondern dauerhaft vorliegen und jederzeit überprüft werden dürfen.

2.3. Verfahren

Die Maßnahmen zur Qualitätssicherung umfassen:

2.4. Erfahrungen

Bei den Überprüfungen der Schulungsräume, der Qualifikationen der Lehrkräfte, der Unterrichtsmaterialien und Lehrgangspläne und bei den Überprüfungen vor Ort wurde in einem Fall ein festgelegter Praxisbestandteil des Lehrplans nicht berücksichtigt. Nach persönlicher Rücksprache mit dem Anbieter wurde dieser Mangel sofort abgestellt. Ansonsten ergaben sich im Überprüfungszeitraum keine Auffälligkeiten.

Die Ausbildungseinrichtungen übermittelten die Beurteilungsbögen der Teilnehmer der medizinischen Wiederholungslehrgänge ordnungsgemäß und fristgerecht, die Rückmeldung der Ergebnisse durch die BG Verkehr erfolgte innerhalb von zwei Wochen.

Von der Möglichkeit, Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge im Freitext der Beurteilungsbögen anzugeben, machten Teilnehmer in vielen Fällen Gebrauch. Die häufigsten Themen waren hierbei die Gestaltung des Unterrichts, das herausgegebene Lehrmaterial (Skript, Mappe, etc.) und der Seefahrtbezug. Diese wurden den Anbietern ebenfalls detailliert mitgeteilt und besprochen.

Die Kontrolle des Wissens der Lehrgangsteilnehmer findet stichprobenartig oder anlassbezogen statt.

Die Qualität der Lehrgänge wurde durch die Teilnehmer (Kapitäne sowie mit der medizinischen Versorgung an Bord beauftragte Schiffsoffiziere) beurteilt.

Von 2015 bis 2018 wurden insgesamt 211 Lehrgänge durchgeführt. Es wurden insgesamt 2.165 Fragebögen ausgewertet. Alle zugelassenen Ausbildungseinrichtungen erreichten regelmäßig sehr gute bis gute Evaluationsergebnisse.

Die Ergebnisse im Einzelnen:

Im Überwachungszeitraum 2015-2018 wurde die Qualität der Lehrgänge von den Lehrgangsteilnehmern durchgehend mit der Schulnote 1,5 bewertet.

Die Qualifizierung der Dozenten wurde im gleichen Zeitraum zu 77% mit sehr gut, 21% mit gut und 2% mit befriedigend, der Bezug der Lehrganginhalte zur Seefahrt zu 53% mit sehr gut, 40% mit gut, 6% mit befriedigend und 1% mit ausreichend beurteilt.

2.5. Bewertung

Die Effektivität der Überwachung der Lehrgangsanbieter sowie die Effektivität der Maßnahmen zur Qualitätssicherung durch die BG Verkehr sind durch die guten bis sehr guten Ergebnisse der kontinuierlichen Evaluation nachgewiesen.

Die durchgängig guten Ergebnisse aller Lehrgänge zeigen, dass die vom Verordnungsgeber vorgesehene Standardisierung des Überwachungsverfahrens richtig war.

3. Inhalt und Durchführung der medizinischen Wiederholungslehrgänge (§ 18, Anlage 4, Anlage 5 MariMedV)

3.1. Verfahren vor dem Inkrafttreten des SeeArbG und der MariMedV

Vor dem Inkrafttreten der MariMedV waren der Gegenstand, die Inhalte, die Raumausstattung und Unterrichtsmaterialien der Lehrgänge in der Richtlinie 6 des Arbeitskreises der Küstenländer für Schiffshygiene (AkKü) vom 21. August 2008 definiert.

3.2. Zweck der Regelung

Die MariMedV schreibt einheitliche Vorgaben zur Sicherstellung der Versorgung von erkrankten oder verunfallten Personen an Bord vor. Das erforderliche wesentliche Wissen wird an die Kapitäne und nautischen Offiziere vermittelt.

Es muss sichergestellt sein, dass die Kapitäne und Offiziere mit denselben Hilfsmitteln, Anleitungen, und Dokumenten geschult werden, wie sie sie in der Praxis auch an Bord vorfinden.

Da auch nicht deutschsprachige Kapitäne und Schiffsoffiziere für die Versorgung erkrankter/verunfallter Personen an Bord zuständig sind, können die Lehrgänge auch in englischer Sprache angeboten werden.

3.3. Verfahren

Nach den Vorgaben der MariMedV muss der theoretische Teil des Lehrgangs von einem Arzt durchgeführt werden. Der praktische Teil des Lehrgangs kann auch von Gesundheits- und Krankenpflegern, von Rettungsassistenten oder von Notfallsanitätern übernommen werden. Die Qualifikationen der Personen, die die theoretischen und praktischen Inhalte vermitteln, werden vom Seeärztlichen Dienst der BG Verkehr überprüft.

Die Ausbildungsinhalte und die Zuordnung zum theoretischen und praktischen Unterricht ergeben sich aus der Anlage 4 der MariMedV.

In der Anlage 4 wurden berücksichtigt:

Bei der Zulassung medizinischer Wiederholungslehrgänge weist der Seeärztliche Dienst der BG Verkehr die Lehrgangsanbieter auf die Verbindlichkeit der Anlage 4 MariMedV hin.

Die Vermittlung der Lehrgangsinhalte muss nach § 18 Absatz 2 MariMedV auf der Grundlage der vom Ausschuss für medizinische Ausstattung in der Seeschifffahrt festgelegten Unterlagen für Aufzeichnungen (z.B. dem Krankenbuch) sowie der medizinischen Anleitungen (z.B. "Anleitung zur Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen" oder "Leitfaden für medizinische Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Unfällen mit gefährlichen Gütern (MFAG)")) erfolgen.

Damit ist sichergestellt, dass die Kapitäne und Offiziere mit denselben Hilfsmitteln, Anleitungen, und Dokumenten geschult werden, wie sie sie in der Praxis auch an Bord vorfinden.

Der Seeärztliche Dienst der BG Verkehr überprüft die Umsetzung der Inhalte der Anlage 4 in den Lehrplänen. Die Verwendung der vom Ausschuss für medizinische Ausstattung in der Seeschifffahrt festgelegten Unterlagen, medizinischen Anleitungen und Hilfsmittel nach Anlage 5 der MariMedV wird ebenfalls kontrolliert.

Wegen der Möglichkeit nach der Schiffsbesetzungsverordnung, unter bestimmten Voraussetzungen auch nichtdeutsche Schiffsoffiziere an Bord deutschflaggiger Schiffe einzusetzen, besteht nach § 18 Absatz 3 MariMedV die Möglichkeit, medizinische Wiederholungslehrgänge auch in englischer Sprache durchzuführen.

Die Begrenzung der Teilnehmerzahl bei medizinischen Wiederholungslehrgängen auf 18 Personen dient einer effektiven Vermittlung der Wissensinhalte in Kleingruppen. Die Teilnehmerzahlen werden durch die Rücksendung der Beurteilungsbögen durch die Anbieter und bei stichprobenartigen Besuchen überprüft.

3.4. Erfahrungen

Die Lehrgangsinhalte wurden und werden von den Anbietern der medizinischen Wiederholungslehrgänge in die Lehrpläne umgesetzt. Seit Inkrafttreten der MariMedV wurde nur in einem Fall ein festgelegter Praxisbestandteil des Lehrplans nicht berücksichtigt. Nach persönlicher Rücksprache mit dem Anbieter wurde dieser Mangel sofort abgestellt.

Die praktischen und theoretischen Anteile der Lehrgänge wurden gemäß den von den Dozenten geforderten Qualifikationen durchgeführt sowie die festgelegten Unterlagen und medizinischen Anleitungen genutzt.

Der Seeärztliche Dienst der BG Verkehr stellte am 23.11.2017 den staatlichen Ausbildungsstätten für Nautiker in Deutschland (Fach- und Fachhochschulen) die Konzeption und die Inhalte des § 18 und der Anlagen 4 und 5 MariMedV vor. Die Teilnehmer der Sitzung waren sich einig, dass es geboten sei, die Inhalte der medizinischen Erstausbildung für Nautiker sowie die Ausstattung der Schulungsräume an die Vorgaben für die medizinischen Wiederholungslehrgänge anzugleichen. Die Ständige Arbeitsgemeinschaft der Küstenländer für das Seefahrtbildungswesen (StAK) hat das Besprechungsergebnis in eine Empfehlung übernommen.

3.5. Bewertung

Die durch die MariMedV geänderten Vorgaben zum Inhalt und der Durchführung der Lehrgänge wurden von den Lehrgangsanbietern zügig und ohne Probleme übernommen. Das Konzept einheitlicher Vorgaben zum Inhalt der Durchführung und der medizinischen Ausstattung der medizinischen Wiederholungslehrgänge und die Kontrolle durch die BG Verkehr hat sich bewährt. Die fachliche Anerkennung und Qualität dieses Verfahrens zeigt sich dadurch, dass die Inhalte auch für die medizinische Erstausbildung an den seemännischen Ausbildungsstätten übernommen werden sollen.

4. Registrierung von Schiffsärzten (§ 19 MariMedV)

4.1. Verfahren vor dem Inkrafttreten der MariMedV

Die Voraussetzungen für eine Tätigkeit als Schiffsarzt waren in § 15 Absatz 4 der SchKrFürsV geregelt. Nach Vorstellung bei der zuständigen Landesbehörde, der Vorlage des Berechtigungsnachweises sowie des Seediensttauglichkeitszeugnisses wurde eine Bescheinigung ausgestellt.

4.2. Zweck der Regelung

Im Vergleich zur SchKrFürsV wurden die fachlichen Anforderungen an Schiffsärzte erhöht und vorhandene Regelungen konkretisiert.

Im Gegensatz zu Tätigkeiten von Ärzten an Land, bei denen eine konsiliarische Rücksprache mit Kollegen problemlos möglich ist, sind Schiffsärzte oft über längere Zeiträume auf sich allein gestellt. Um eine effektive Behandlung an Bord sicherzustellen, sind besondere fachliche Qualifikationen Voraussetzung. Hierbei muss ein breites Spektrum therapeutischer Kenntnisse, insbesondere der Notfallmedizin, sicher beherrscht und durch entsprechende Facharztbezeichnungen, Zusatzbezeichnungen und Fachkundenachweise nachgewiesen werden. Des Weiteren ist für eine effektive Behandlung an Bord die Kenntnis der nautischen, räumlichen und umweltbedingten Gegebenheiten an Bord unabdingbar. Diese Kenntnisse werden durch ein vierwöchiges Praktikum an Bord erworben.

4.3. Verfahren

Für eine Registrierung als Schiffsarzt müssen der BG Verkehr nach § 19 Absatz 2 MariMedV folgende Unterlagen vorgelegt werden:

Sind anhand der vorgelegten Unterlagen die Anforderungen erfüllt und wird die Gebühr bezahlt, erfolgt die Registrierung durch die BG Verkehr.

4.4. Erfahrungen

Die Einführung des geänderten Verfahrens zur Registrierung von Schiffsärzten gestaltete sich problemlos. Anträge von Ärzten ohne die gesetzlich vorgegebenen Fachgebietsbezeichnungen (§ 19 Absatz 2 MariMedV) wurden nicht gestellt.

Alle Bewerber konnten mit den entsprechenden Unterlagen die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen nachweisen. Es mussten keine Unterlagen nachgefordert werden. Es wurde lediglich eine Anfrage zu Anbietern von vierwöchigen "Praktika" auf einem Seeschiff gestellt. Die Möglichkeit einer Mitfahrgelegenheit zur Erfüllung dieser Voraussetzung stellt jedoch kein Problem dar. Die Mehrheit der Antragsteller verfügen bereits bei Antragstellung über einen Nachweis einer vierwöchigen praktischen Erfahrung auf einem Seeschiff.

Ein Bewerber wurde nicht registriert, da kein Nachweis vorlag, dass er auf einem Kauffahrteischiff unter deutscher Flagge als Schiffsarzt tätig werden wird oder bereits tätig ist.

Registrierungen von Schiffsärzten durch die BG Verkehr (Stand: 01.03.2019):

Anträge insgesamt: 22
Davon positiv beschieden: 16
Davon abgelehnt: 0
Davon zurückgezogen: 2
Noch offen mangels Entscheidungsreife: 4

4.5. Bewertung

Alle Bewerber, die bei der BG Verkehr einen Antrag auf Registrierung als Schiffsarzt stellten, erfüllten die Anforderungen. Zwei Bewerber waren bereits vor Inkrafttreten der neuen Regelungen als Schiffsarzt tätig. Es wurde ein Antrag abgelehnt (vgl. oben stehende Ausführungen). Da die Registrierung nur für Kauffahrteischiffe unter deutscher Flagge erforderlich ist, sind die Fallzahlen erwartungsgemäß gering. Die Anzahl der registrierten Schiffsärzte orientiert sich an dem aktuellen Bedarf.

5. Betriebseigene Kontrollen der medizinischen Ausstattung (§ 14 MariMedV)

5.1. Verfahren vor dem Inkrafttreten des SeeArbG und der MariMedV

Bis zum Inkrafttreten der MariMedV wurde die medizinische Ausstattung von unter deutscher Flagge fahrenden Schiffen jährlich durch Ärzte der Hafenärztlichen Dienste (Landesbehörden) in deutschen Häfen kontrolliert.

In ausländischen Häfen war vorgesehen, dass die deutschen Auslandsvertretungen (Botschaften und Konsulate) die Überprüfung vornehmen sollten. Angesichts des heute üblichen 24-Stunden-Schiffsbetriebes in der internationalen Schifffahrt, der nur kurzen Hafenliegezeiten und der häufig dezentral gelegenen Hafenterminals, reichten die üblichen Geschäftszeiten deutscher Konsulate im Regelfall nicht aus, um die Überprüfung der Bordapotheke durch Konsularbeamte durchzuführen (vgl. Gesetzesbegründung zu § 109 Absatz 3 SeeArbG, BT-Drs. 17/10959, Seite 100).

Arzneimittel, die im Ausland beschafft wurden, mussten nach Anlaufen des ersten deutschen Hafens durch deutsche Arzneimittel ersetzt werden (§ 18 Absatz 2 Satz 3 und 4 SchKrFürsV).

5.2. Zweck der Regelung

Durch § 14 MariMedV werden die nach § 109 Absatz 3 Satz 2 SeeArbG vorgeschriebenen betriebseigenen Kontrollen der medizinischen Ausstattung durch den Reeder konkretisiert.

Der Gesetzgeber hatte das bisherige Verfahren durch das SeeArbG geändert, um insbesondere Lücken bei der Überprüfung im Ausland zu schließen (siehe obenstehend) und Synergien zu den flaggenstaatlichen Überprüfungen im Rahmen des Seearbeitsrechts zu nutzen. Die betriebseigene Kontrolle der medizinischen Ausstattung durch den Reeder fügt sich nahtlos in die Anforderungen des International Safety-Management-Codes (ISM-Codes) ein, der regelmäßige Eigenkontrollen in allen sicherheitsrelevanten Bereichen fordert und darüber entsprechende Nachweise zu führen (vgl. Gesetzesbegründung zu § 109 Absatz 3 SeeArbG, BT-Drs. 17/10959, Seite 100).

5.3. Verfahren

Bei der Lieferung und Ergänzung der medizinischen Ausstattung für ein deutschflaggiges Schiff in einem deutschen Hafen ist die beauftragte Apotheke verpflichtet, die Arzneimittel ordnungsgemäß in den Apothekenschrank an Bord einzusortieren (§ 14 Absatz 1 MariMedV). Damit wird die betriebseigene Kontrolle, die in der Regel durch einen Schiffsoffizier durchgeführt wird, wirksam unterstützt (vgl. BR-Drs. 120/14 (PDF), Seite 109f.).

Die Beschaffung von Arzneimitteln im Ausland darf nur unter Mitwirkung einer deutschen öffentlichen Apotheke erfolgen. Damit soll die hohe Qualität von Arzneimitteln und Medizinprodukten in jedem Fall sichergestellt werden.

Die seearbeitsrechtlichen Überprüfungen nach § 129 SeeArbG (Flaggenstaatkontrolle) werden von 34 ausgebildeten und qualifizierten Inspektoren der Dienststelle Schiffssicherheit der BG Verkehr wahrgenommen. Die Inspektoren werden regelmäßig aus- und weitergebildet. Die Regelungen zur medizinischen Betreuung an Bord sind Bestandteil jeder seearbeitsrechtlichen Überprüfung. Die Überprüfungen werden standardisiert nach einer Prüfliste Seearbeitsgesetz und dem Leitfaden Seearbeitsgesetz (aktueller Stand: 4/2018) durchgeführt.

5.4. Erfahrungen

a) Überprüfungen der medizinischen Ausstattung:

Seit dem Inkrafttreten der MariMedV wurden durch die Inspektoren der Dienststelle Schiffssicherheit der BG Verkehr folgende Überprüfungen nach dem Seearbeitsgesetz durchgeführt:

2014: 335
2015: 131
2016: 294
2017: 291
2018: 201

Die festgestellten Mängel werden in den jeweiligen Überprüfungsberichten dokumentiert. Für die Mängel werden entsprechende Maßnahmen und Fristen zur Abstellung festgelegt. Die Mängelabstellung wird durch die Dienststelle Schiffssicherheit der BG Verkehr überwacht.

In Bezug auf die medizinische Ausstattung wurden dabei im Einzelnen folgende Mängel auf Kauffahrteischiffen unter deutscher Flagge festgestellt (alphabetisch nach Schiffsnamen geordnet):

SchiffsnameSchiffsnummerBesichtigungsdatumFestgestellte Mängel
AQUAFAUNA004810014.11.2017Die medizinische Ausstattung entsprach nicht den gesetzlichen Vorgaben. Statt des vorhandenen Verzeichnisses "C1" ist für das Schiff das Verzeichnis "B1 + Notfalltasche" vorgeschrieben.
BALTIC TAUCHER II018665126.11.2014Es fehlte der vorgeschriebene Apothekenschrank an Bord für die medizinische Ausstattung.
BERGHAUS004695723.01.2018Die Nachweise der Apothekenkontrolle der letzten 5 Jahre waren nicht an Bord. Es war nur der letzte Nachweis vorhanden.
EVERT SNOEK015769406.10.2017Es fehlte der vorgeschriebene Apothekenschrank an Bord für die medizinische Ausstattung.
HENRIETTE014778806.06.2017Die letzte Überprüfung der Apothekenausrüstung war vor mehr als 12 Monaten.
HENRIETTE014778806.06.2017Die Nachweise der Apothekenkontrolle der letzten 5 Jahre waren nicht an Bord. Es war nur der letzte Nachweis vorhanden.
IRIS005323610.09.2014Es wurde kein ärztliches Berichtsformular geführt.
JACOB GRIETJE017510214.11.2014Die medizinische Ausstattung entsprach nicht den gesetzlichen Vorgaben. Statt des vorhandenen Verzeichnisses "C" ist für das Schiff das Verzeichnis "B" vorgeschrieben.
JOANNA BORCHARD018011429.11.2016Der Nachweis über die jährliche betriebseigene Überprüfung der medizinischen Ausstattung an Bord unter Mitwirkung einer öffentlichen Apotheke war am 12.11.2016 abgelaufen.
JURIE VAN den BERG006109307.11.2014Der Nachweis über die betriebsinterne Überprüfung der medizinischen Ausstattung war nicht an Bord vorhanden.
LITTORINA003526227.02.2015Die medizinische Ausstattung entsprach nicht den gesetzlichen Vorgaben. Statt des vorhandenen Verzeichnisses "C2" ist für das Schiff das Verzeichnis "B" vorgeschrieben.
LITTORINA003526221.02.2017Die medizinische Ausstattung entsprach nicht den gesetzlichen Vorgaben. Für das Schiff ist das Verzeichnis "B1 + Notfalltasche" vorgeschrieben.
LOTTA AUERBACH0696714.06.2014Der Nachweis über die betriebsinterne Überprüfung der medizinischen Ausstattung war nicht an Bord vorhanden. Der Apothekenschrank an Bord war in einem unzureichenden Zustand.
NORTHSTAR013898320.04.2015Der Nachweis über die betriebsinterne Überprüfung der medizinischen Ausstattung war nicht an Bord vorhanden.
ORTEGAL DOS003367718.07.2017Es fehlte der vorgeschriebene Apothekenschrank an Bord für die medizinische Ausstattung.
ORTEGAL TRES003520318.07.2017Es fehlte der vorgeschriebene Apothekenschrank an Bord für die medizinische Ausstattung.
PESORSA CUATRO000122816.03.2017Es fehlte der vorgeschriebene Apothekenschrank an Bord für die medizinische Ausstattung.
PESORSA DOS003278616.03.2017Es fehlte der vorgeschriebene Apothekenschrank an Bord für die medizinische Ausstattung.
SCHALL002155516.09.2014Der Nachweis über die betriebsinterne Überprüfung der medizinischen Ausstattung war nicht an Bord vorhanden.
STUBBENHUK014523804.02.2015Die medizinische Ausstattung wurde nicht
betriebsintern geprüft.
TAUCHER O.WULF 3002098225.09.2014Es wurde kein ärztliches Berichtsformular geführt.

b) Beschaffung von Medikamenten im Ausland unter Mitwirkung schiffsausrüstender Apotheken:

Seit dem Jahr 2000 bis heute hat sich der Handelsschifffahrtsbestand unter deutscher Flagge mehr als halbiert. Hiervon sind vor allem die weltweit fahrenden (Container-) Schiffe (auszurüsten nach dem Verzeichnis "A"), in geringerem Maße die Schiffe in der Europäischen Fahrt (auszurüsten mit dem Verzeichnis "B"), betroffen.

Handelsschiffsbestand in Disposition deutscher Reeder und Schifffahrtsgesellschaften (ab 100 BRZ)

JahrInsgesamt
in deutscher
Disposition
Deutsche Flagge
(einschl. ISR)
nur ISR
(dt. Zweitregister)
Bareboat (fremde
Flagge gern. §7
FLRG dt. Register)
Fremde Flagge (fremdes Register)
Anzahlin 1.000 BRZAnzahlin 1.000 BRZAnzahlin 1.000
BRZ
Anzahlin 1.000
BRZ
Anzahlin 1.000 BRZ
20002.01023.0396926.6053935.7168818.8054377.629
20052.64743.6495519.0813248.4101.63224.6574649.911
20093.55076.34062415.23144114.8282.82358.0331033.076
20103.71683.66157115.52740215.0053.03464.9981113.137
20113.79889.13153015.55138315.2353.15570.4161133.164
20123.67189.14244813.65230613.4373.11772.6661062.824
20133.47786.41139512.21524711.9342.95570.8801273.316
20143.24481.98036811.21321210.8742.70366.4781734.289
20153.01578.06435110.2981929.8302.49763.6691674.097
20162.82372.7853309.5091808.5642.30058.2241935.051
20172.51265.5613269.1501838.5952.01751.4021695.056

Quellen: Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Verband Deutscher Reeder (VDR)

Die Mehrzahl der Schiffe unter deutscher Flagge fahren in der Europäischen Fahrt und werden mit dem Verzeichnis "B" ausgerüstet. Diese Schiffe laufen regelmäßig deutsche Häfen an. Für diese Schiffe stellt die Aus- und Nachrüstung mit Arzneimitteln in Deutschland kein Problem dar. Demzufolge stellt der Anteil an Arzneimitteln, die im Ausland gekauft wurden, nur einen geringen Anteil dar.

Für Schiffe in der weltweiten Fahrt (Verzeichnis "A"), die selten deutsche Häfen anlaufen, ist durch die Mitwirkung einer deutschen Apotheke die hohe Qualität der Arzneimittelversorgung an Bord sichergestellt. Der Verordnungsgeber hat bereits 2014 darauf hingewiesen, dass das deutsche Arzneimittelgesetz an Bord von deutschflaggigen Kauffahrteischiffen gilt - und zwar unabhängig davon, ob Schiffe nur im Ausland operieren oder nicht (BR-Drs. 120/14 (PDF), Seite 110).

5.5. Bewertung

Die Zentralisierung der Überwachungsaufgaben auf die BG Verkehr hat sich bewährt. Die Überprüfung der medizinischen Ausstattung ist Teil der seearbeitsrechtlichen Flaggenstaatkontrolle, die in dem weitreichenden Umfang seit Inkrafttreten des Seearbeitsgesetzes 2013 durchgeführt wird. Ein wesentlicher Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass eine verantwortliche Stelle die Schiffe sowohl überprüft als auch die Beseitigung möglicher festgestellter Mängel überwacht.

Durch die flaggenstaatlichen Überprüfungen nach dem SeeArbG, die im Ausland in der Regel durch Besichtiger anerkannter Organisationen (Klassifikationsgesellschaften) durchgeführt werden, ist eine nach gesetzlich vorgegebenen Fristen durchgeführte Kontrolle auch der medizinischen Ausstattung sichergestellt. Eine solche regelmäßige Überprüfung im Ausland konnte vorher durch das Personal der deutschen Auslandsvertretungen nicht sichergestellt werden.

Die vergleichsweise geringe Zahl festgestellter Mängel bei der Überprüfung der medizinischen Ausstattung deutschflaggiger Schiffe deckt sich mit den Erfahrungen der BG Verkehr bei der Überprüfung von Schiffen unter ausländischer Flagge (Hafenstaatkontrolle). Inspektoren der Dienststelle Schiffssicherheit der BG Verkehr führten von 2014 bis 2018 insgesamt 1.252 Hafenstaatenkontrollen durch, bei denen immer auch die medizinische Ausstattung kontrolliert wurde. Insgesamt wurde die medizinische Ausstattung in nur 21 Fällen beanstandet, das entspricht 1,7% der Kontrollen.

Auch die Regelungen zu den betriebseigenen Kontrollen der medizinischen Ausstattung haben sich bewährt. Die Kombination aus der Verantwortlichkeit des Reeders und der mitwirkenden Apotheke stellt sicher, dass die medizinische Ausstattung an Bord den rechtlichen Vorgaben entspricht.

Die geänderten Vorgaben der MariMedV haben zudem zu einer Entbürokratisierung und Kostenentlastung für die Reeder gesorgt. Bis zum Inkrafttreten der MariMedV mussten Arzneimittel, die im Ausland beschafft wurden, nach Anlaufen des ersten deutschen Hafens durch deutsche Arzneimittel ersetzt werden. Diese Regelung wurde durch die MariMedV gestrichen; durch die Mitwirkung einer deutschen Apotheke ist eine gleichbleibend hohe Arzneimittelqualität an Bord gewährleistet ist. Gleiches gilt für die Änderung der Verwaltungspraxis, nach der bei einer behördlichen Kontrolle der medizinischen Ausstattung solche Arzneimittel nicht mehr ersetzt werden müssen, die weniger als 12 Monate haltbar sind, hat zu einer Kostenentlastung ohne Einbuße der Qualität der medizinischen Betreuung an Bord geführt.