Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes

Der Bundesrat hat in seiner 847. Sitzung am 19. September 2008 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nr. 0.1 - neu - (§ 10 Abs. 5 Satz 2 und 3 - neu - und Absatz 7 StAG)

In Artikel 1 ist Nummer 1 folgende Nummer voranzustellen:

"0.1 § 10 wird wie folgt geändert:

Begründung

Im Interesse einer eindeutigen Rechtsgrundlage für eine originäre Aufgabenwahrnehmung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird § 10 Abs. 5 und 7 entsprechend ergänzt.

Die Durchführung des Einbürgerungskurses, für den eine Teilnahme nicht verpflichtend vorgeschrieben ist, und des Einbürgerungstests, dessen Nachweis mit Artikel 5 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.07.2007 (BGBl. I S. 1970) neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz (§ 10 Abs. 5) eingefügt worden ist, baut auf den mit dem Integrationskurs erworbenen Kenntnissen der Rechtsordnung, Kultur und Geschichte in Deutschland auf. Der für die Einbürgerung erforderliche Nachweis der über die Integrationskurskenntnisse hinausgehenden staatbürgerlichen Kenntnisse wird durch einen Einbürgerungstest erbracht, der bundesweit als standardisierter Test angeboten wird.

Bereits jetzt ist die technische Durchführung des Einbürgerungstests auf der Grundlage von Verwaltungsvereinbarungen der Länder mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge diesem weitestgehend übertragen worden.

Zuständig für die Durchführung des Integrationskurses ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, ggf. unter Einbindung privater oder öffentlicher Träger. Ziel der Änderung ist eine entsprechende Regelung zugunsten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bei Einbürgerungskurs und -test, um im Interesse eines bundeseinheitlichen Verfahrens die Frage der Zuständigkeit klar festzulegen.

Zudem wird eine Rechtsgrundlage für eine Gebührenerhebung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geschaffen.

Zur Zahlung ist der Ausländer verpflichtet.

2. Zu Artikel 1 Nr. 0.2 - neu - ( § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG)

In Artikel 1 ist Nummer 1 folgende Nummer voranzustellen:

Begründung

Der Wortlaut der derzeitigen Regelung stellt auf den Besitz des Reiseausweises (für Flüchtlinge) nach Artikel 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ab.

Zwar regelt ergänzend dazu § 73 Absatz 2 a Satz 4 des Asylverfahrensgesetzes, dass bis zur Bestandskraft des Widerrufs oder der Rücknahme der Anerkennung als Asylberechtigter die Verbindlichkeit der Entscheidung über den Asylantrag für Einbürgerungsverfahren entfällt. Gleichwohl ist der Ausländer so lange rechtmäßig im Besitz des Reiseausweises, wie die Asylanerkennung nicht bestandskräftig zurückgenommen ist. Erst dann hat er den Reiseausweis unverzüglich abzugeben.

In der Praxis bereitet diese Regelung Probleme, weil nach Auffassung einiger Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgericht Lüneburg 6 A 291/04 und Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht 13 LA 215/06) ein Anspruch auf Hinnahme von Mehrstaatigkeit unabhängig von einem eingeleiteten Widerrufs- oder Rücknahmeverfahren der Asylanerkennung allein deshalb bestehe, weil der Ausländer (noch) im Besitz des entsprechenden Reiseausweises sei. § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 des Staatsangehörigkeitsgesetzes stelle nicht auf den Status des Ausländers oder den Verfahrensstand eines evtl. Widerrufs- oder Rücknahmeverfahrens, sondern einzig auf den Besitz des Reiseausweises ab.

Die anderslautende Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (12 S 2430/05) erkennt einen Rechtsvorteil aus § 12 Abs. 1 Nr. 6 bis zur Bestandskraft des Widerrufs hingegen nicht an, weil der Staat das berechtigte Anliegen habe dass die Einbürgerungsvoraussetzungen möglichst dauerhaft erfüllt seien und nicht - möglicherweise bereits kurz nach der Einbürgerung - wieder entfielen.

Im Interesse eindeutiger und praktikabler staatsangehörigkeitsrechtlicher Regelungen ist deshalb eine gesetzliche Klarstellung im Staatsangehörigkeitsgesetz geboten.

3. Zu Artikel 1 Nr. 2 (§ 35 Abs. 2 StAG)

In Artikel 1 Nr. 2 ist § 35 Abs. 2 zu streichen.

Begründung

§ 35 Abs. 2 des Entwurfs ist zu streichen. Durch diese Bestimmung würde eine neue vom Ermessen losgelöste eigenständige Voraussetzung als Regel-Ausnahme-Kriterium eingeführt. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis wäre durch Verwaltungsgerichte in vollem Umfang überprüfbar. Die Entscheidung, ob hier kein Regel-, sondern ein atypischer Ausnahmefall vorliegt, kann jedoch letztlich nur durch eine umfassende Abwägung aller Umstände getroffen werden, wie sie üblicherweise im Rahmen der Ermessensentscheidung erfolgt. Die Frage der Staatenlosigkeit ist daher ohnehin im Rahmen des Ermessens nach § 35 Abs. 1 des Entwurfs zu prüfen. In diesem Rahmen wird das öffentliche Interesse, Staatenlosigkeit zu vermeiden, regelmäßig hinter dem Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten können.

4. Zu Artikel 1 Nr. 2 (§ 35 Abs. 5 Satz 2 StAG)

In Artikel 1 Nr. 2 ist § 35 Abs. 5 Satz 2 zu streichen.

Begründung

§ 35 Abs. 5 Satz 2 des Entwurfs ist überflüssig und missverständlich. Er könnte so verstanden werden, dass bei fehlender Täuschungsbeteiligung des Dritten kein Ermessensspielraum mehr für eine Rücknahme bleibt, da eine Abwägung mit der Beteiligung an einer Täuschung dann nicht möglich ist. Die genannten Umständen müssen zudem bereits in der umfassenden Ermessensprüfung nach Satz 1 angemessen berücksichtigt werden.

5. Zu Artikel 1 Nr. 3 - neu - (§ 42 - neu - StAG)

In Artikel 1 ist nach Nummer 2 folgende Nummer anzufügen:

"3. Nach § 41 wird folgender § 42 eingefügt:"

§ 42 Strafvorschriften

Begründung

Mit der vorgeschlagenen Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes soll die Möglichkeit geschaffen werden, Täuschungsverhalten in staatsangehörigkeitsrechtlichen Verfahren wie Einbürgerungsverfahren, Verfahren zur Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises oder Verfahren zur Genehmigung der Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit auf der Grundlage einer fachspezifischen Regelung strafrechtlich zu ahnden.

Der Vorschlag lehnt sich an die Regelung im Aufenthaltsgesetz an, nach der u. a. unrichtige oder unvollständige Angaben oder darauf basierende Urkunden zum Zwecke der Beschaffung eines Aufenthaltstitels strafbewehrt sind. Im Asylverfahrensgesetz ist die Anleitung oder Unterstützung zu unvollständigen oder unrichtigen Angaben im Asylverfahren ebenfalls mit Strafe bedroht.

Die Strafvorschrift soll die mit diesem Gesetz eingeführte fachspezifische Rücknahmeregelung des § 35 ergänzen.

Es besteht ein Bedürfnis, auch im Einbürgerungsverfahren falsche Angaben unter Strafe zu stellen. Mit der Einbürgerung, aber auch mit der Beibehaltungsgenehmigung sowie der Staatsangehörigkeitsfeststellung, werden sämtliche den deutschen Staatsangehörigen zustehenden staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten verliehen oder bestätigt. Diesen Statusentscheidungen kommt im Hinblick auf die damit verbundenen Rechtsfolgen eine besondere Bedeutung zu. Es wäre ein Wertungswiderspruch, falsche Angaben zur Erlangung eines ausländerrechtlichen Aufenthaltstitels oder einer Anerkennung im Asylverfahren unter Strafe zu stellen, nicht jedoch falsche Angaben zur Erlangung der weitergehenden Rechte, die mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit verbunden sind.

Die mit den allgemeinen strafgesetzlichen Regelungen zur Verfügung stehenden Instrumentarien sind in aller Regel nicht geeignet bzw. reichen nicht aus, die in staatsangehörigkeitsrechtlichen Verfahren begangenen Täuschungshandlungen zu sanktionieren. Da Einbürgerung, Beibehaltungsgenehmigung oder Staatsangehörigkeitsfeststellung Statusvorteile verleihen oder erhalten, aber an sich keinen Vermögenswert darstellen, werden durch Täuschungshandlungen in diesen Verfahren keine auf der Vermögensverfügung des Getäuschten beruhende Schäden entstehen; somit können derartige Täuschungshandlungen nicht unter den Betrugstatbestand des Strafgesetzbuchs subsumiert werden.

Auch die Tatbestandsmerkmale der Urkundenfälschung sowie der mittelbaren Falschbeurkundung dürften in aller Regel nicht erfüllt sein, weil beispielsweise die sog. schriftliche Lüge nicht von § 267 StGB erfasst wird und § 271 StGB nur auf diejenigen Erklärungen anzuwenden ist, die von dem besonderen Schutzbereich und der erhöhten Beweissicherung der öffentlichen Urkunde umfasst sind.

Ein strafrechtlicher Schutz des Interesses des Staates, einen unredlichen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu verhindern, ist deshalb nach geltendem Recht weitestgehend nicht durchsetzbar. Gezieltes Fehlverhalten, das auf den unrechtmäßigen Erwerb der mit der deutschen Staatsangehörigkeit verbundenen Statusvorteile abzielt, muss daher - neben der Rücknahme der durch die Täuschung erlangten Rechtsposition - zusätzlich mit Strafe bedroht werden.

6. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren den Gesetzentwurf auf weitere dringend erforderliche Folgeregelungen zu überprüfen und zu ergänzen.

Dringend erforderlich ist insbesondere eine Regelung der Fragen, welchen aufenthaltsrechtlichen Status ein von der Rücknahme Betroffener nach der Rücknahme erhält und wie die Zeit des Inlandsaufenthalts zwischen Einbürgerung und Rücknahme rechtlich einzuordnen ist.