Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes und anderer Gesetze

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes und anderer Gesetze

Der Bayerische Ministerpräsident München, den 1. Juli 2005

An den

Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich den in der Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten

Ich bitte, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Abs. 2 GOBR auf die Tagesordnung der 813. Sitzung am 8. Juli 2005 zu setzen.


Mit freundlichen Grüßen

Dr. Edmund Stoiber

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes und anderer Gesetze

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrats das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II)

Das Zweite Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954, 2955), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. November 2004 (BGBl. I S. 2902), wird wie folgt geändert:

§ 7 Absatz 1 Sätze 2 und 3 werden durch die folgenden Sätze 2 und 3 ersetzt:

Artikel 2
Änderung des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern(FreizügG/EU)

Das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) vom 30.Juli 2004 (BGBl. I S. 1950, 1986) wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII)

Das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9.Dezember 2004 (BGBl. I S. 3305), wird wie folgt geändert:

Artikel 4

Begründung

A. Allgemeiner Teil

B. Besonderer Teil

1. Zu Artikel 1 ( § 7 Absatz 1 SGB II)

In § 7 ist die Anspruchsberechtigung für Leistungen nach dem SGB II geregelt. Die im allgemeinen Teil dargestellten Ausschlusstatbestände wurden daher in § 7 Absatz 1 und nicht in § 8 Absatz 2 aufgenommen. Auf diese Weise wird auch klargestellt, dass nicht besondere Anforderungen an die Erwerbsfähigkeit von Ausländern gestellt werden sollen, sondern ein gänzlicher Ausschluss der Leistungsberechtigung normiert wird.

Der bisherige Verweis auf § 8 Absatz 2 entfällt. Die in § 8 Absatz 2 näher bestimmte besondere Voraussetzung der Erwerbsfähigkeit von Ausländern fließt bereits über § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 in die Prüfung der Leistungsberechtigung ein. Eine in Anlehnung an § 30 SGB I für den Bereich des SGB II entwickelte Begriffsbestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts kann auch auf Ausländer übertragen werden. Durch den Verweis auf § 8 Absatz 2 in der geltenden Fassung wurde der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts für Ausländer ohne ausreichende sachliche Rechtfertigung besonders definiert. Durch die Streichung der besonderen Definition des gewöhnlichen Aufenthalts für Ausländer soll insbesondere auch vermieden werden, dass an die Annahme des gewöhnlichen Aufenthalts von Ausländern geringere Anforderungen gestellt werden, als bei deutschen Staatsangehörigen. Der gewöhnliche Aufenthalt von EU-Bürgern der herkömmlichen Mitgliedstaaten ist nach der bisherigen Definition beispielsweise in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts und für den Zeitraum ihrer Arbeitssuche immer gegeben.

Der bisherige Satz 3 in § 7 Absatz 1 entfällt, da ihm durch den Verweis auf das FreizügG/EU kein eigenständiger Regelungsgehalt mehr verbleibt.

Zu den einzelnen Nummern im neuen Satz 2:
a) Zu Satz 2 Nr. 1

§ 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 setzt die in Artikel 24 Absatz 2 der EU-Freizügigkeits-Richtlinie eingeräumte Möglichkeit in deutsches Recht um, den Bezug von Leistungen nach dem SGB II während der ersten drei Monate des Aufenthalts eines EU-Bürgers generell auszuschließen. Ausgenommen werden als Arbeitnehmer oder Selbständige freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, sowie Familienangehörige solcher Personen.

b) Zu Satz 2 Nr. 2

§ 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 setzt darüber hinaus die in Artikel 24 Absatz 2 der EU-Freizügigkeits-Richtlinie eingeräumte Möglichkeit in deutsches Recht um, den Bezug von Leistungen nach dem SGB II während der Zeit der Arbeitssuche für einen längeren Zeitraum als drei Monate auszuschließen. Soweit ein Leistungsausschluss über einen längeren Zeitraum als drei Monate normiert werden soll, ist dies allerdings nur möglich, wenn und solange die Aufenthaltsberechtigung allein auf der Arbeitssuche beruht, da die Möglichkeit des Ausschlusses von Sozialhilfeleistungen mit der privilegierten aufenthaltsrechtlichen Stellung von Arbeitssuchenden korrespondiert. Vor diesem Hintergrund wird der Leistungsausschluss auf den Fall beschränkt, dass sich das Aufenthaltsrecht allein auf der Arbeitssuche begründet. Der Leistungsausschluss ist damit nicht ohne zeitliche Begrenzung vorgesehen; eine zeitliche Obergrenze bildet jedenfalls das nach fünfjährigem ununterbrochenen Aufenthalt begründete Recht auf Daueraufenthalt (vgl. § 2 Abs. 5 FreizügG/EU).

c) Zu Satz 2 Nr. 3

Der bisher in § 7 Absatz 1 Satz 2 HS. 2 geregelte Ausschluss für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wird ohne inhaltliche Änderungen in eine neue Ziffer 3 aufgenommen.

d) Zu Satz 3

Satz 3 regelt eine Ausnahme vom Leistungsausschluss nach Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 für Personen, denen der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland aus völkerrechtlichen, humanitären und politischen Gründen erlaubt wird. Von der Ausnahmeregelung des Satzes 3 werden Personen nicht erfasst, die abgesenkte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten (vgl. § 7 Satz 2 Nr. 3). Eine entsprechende Regelung ist für das SGB XII vorgesehen.

2. Zu Artikel 2 (§ 2 Absatz 3 FreizügG/EU)

a) Zu Satz 2

Die bisherige Regelung der Aufrechterhaltung einer Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer oder Selbständiger im Falle der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit wird entsprechend Artikel 7 Absatz 3 lit. b EU-Freizügigkeits-Richtlinie nur insofern aufrechterhalten, als die wirtschaftliche Betätigung länger als 12 Monate angedauert hat. Im Übrigen erfolgen sprachliche Anpassungen.

b) Zu Satz 3

Der neu angefügte Satz 3 erkennt eine zeitlich befristete Weitergeltung der Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger für den Fall an, dass die unfreiwillige Arbeitslosigkeit nach einjähriger oder kürzerer wirtschaftlicher Betätigung eingetreten ist. Entsprechend den Vorgaben der EU-Freizügigkeits-Richtlinie wird eine Weitergeltung der Freizügigkeitsberechtigung (als Arbeitnehmer oder Selbständiger) nach § 2 Absatz 1 nur für weitere sechs Monate festgeschrieben. Dies führt insbesondere dazu, dass während des Fortgeltungszeitraums die Anspruchsberechtigung für Leistungen nach dem SGB II nicht gemäß Artikel 24 Absatz 2 der EU-Freizügigkeitsrichtlinie ausgeschlossen werden kann. Nach Ablauf der Sechsmonatsfrist endet die aufrechterhaltene Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger. Originär erlangte Freizügigkeitsrechte nach § 2 Absatz 1, wie insbesondere das Freizügigkeitsrecht als Arbeitssuchender, bleiben von dieser zeitlich begrenzten Fortgeltung unberührt. Folge ist aber, dass mit dem Ende der Fortgeltung der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II auf Grundlage der EU-Freizügigkeits-Richtlinie für den Zeitraum der Arbeitssuche (§ 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II n. F.) zulässig wird.

3. Zu Artikel 3

a) Zu Nr. 1

§ 23 SGB XII enthält Sonderregelungen für Leistungen an Ausländer. Zu den einzelnen Absätzen:

(1) Zu Absatz 1

Nach der bisherigen Regelung können Ausländer schon dann, wenn sie sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten, Leistungen der Sozialhilfe erhalten. Die deutschen Transferleistungssysteme dürfen aber nicht zur Ermöglichung von illegalen Aufenthalten beitragen. Satz 1 stellt deshalb nicht mehr auf den tatsächlichen, sondern auf einen rechtmäßigen Aufenthalt ab. Bei einem nicht rechtmäßigen Aufenthalt besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Sozialhilfe. Satz 2 ist dem bisherigen Abs. 3 Satz 2 nachgebildet und stellt die zwingend notwendige medizinische Versorgung sicher; im Übrigen darf nur die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe gewährt werden. Üblicherweise wird dies die Hilfe sein, die zur Rückkehr in das Heimatland erforderlich ist. Die Gewährung des soziokulturellen Existenzminimums ist nicht erforderlich, da sich ein nicht rechtmäßiger Aufenthalt nicht verfestigen sol1.

(2) Zu Absatz 2

Absatz 2 greift den Gedanken des bisherigen Absatzes 3 Satz 1 auf, dass Ausländer, die in das Bundesgebiet eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, keinen Anspruch auf Leistungen haben. Diese Vorschrift hat sich bisher als wenig praktikabel erwiesen, weil es dem Träger der Sozialhilfe in aller Regel nicht möglich ist, den geforderten Nachweis zu führen. Absatz 2 Satz 1 enthält deshalb eine Umkehr der Beweislast. Künftig muss der Hilfe suchende Ausländer glaubhaft machen, dass er bei seiner Einreise nicht die Absicht hatte, seinen Aufenthalt zu Lasten der deutschen Transferleistungssysteme zu finanzieren.

Es wird kein strikter Nachweis gefordert; es genügt vielmehr die Glaubhaftmachung. Eine Glaubhaftmachung wird sicher nicht vorliegen, wenn der Ausländer auf Befragen nicht darlegen kann, welche realistischen Gedanken er sich zur Bestreitung seines Lebensunterhalts in Deutschland ohne Inanspruchnahme von Transferleistungen gemacht hat.

Um keinen überflüssigen Verwaltungsaufwand zu erzeugen, ist die Glaubhaftmachung nur auf Verlangen des Sozialhilfeträgers erforderlich. Damit kann dieser gezielt die Fälle näher betrachten, bei denen der Verdacht auf Einreise zum Zweck der Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen nicht von vorne herein ausgeschlossen ist.

Satz 2 greift den bisherigen Absatz 3 Satz 2 auf.

(3) Zu Absatz 3

Absatz 3 entspricht dem bisherigen Absatz 1. Im Zusammenspiel mit der Grundsatznorm des neuen Absatzes 1 ergibt sich jedoch nun, dass die Leistungen nur zu erbringen sind, wenn der Aufenthalt des Ausländers rechtmäßig ist.

(4) Zu Absatz 4

Absatz 4 Satz 1 setzt die in der EU-Freizügigkeitsrichtlinie eingeräumte Möglichkeit in deutsches Recht um, den Bezug von Sozialhilfe während der ersten drei Monate des Aufenthalts eines EU-Bürgers generell auszuschließen. Was für EU-Bürger gilt, muss natürlich ebenso für sonstige Ausländer gelten.

Satz 2 weist klarstellend auf den Vorrang internationalen und europäischen Rechts (wie etwa der EU-Freizügigkeitsrichtlinie) sowie internationaler und europäischer Abkommen hin.

Satz 3 trifft eine Ausnahme von Satz 1 für Personen, denen der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen erlaubt wird. Nicht erfasst werden von dieser Ausnahmeregelung Personen, die abgesenkte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten (vgl. § 23 Abs. 5 SGB XII). Eine entsprechende Regelung ist für das SGB II vorgesehen.

(5) Zu Absätze 5 und 6

Absatz 5 und Absatz 6 entsprechen wörtlich den bisherigen Absätzen 2 und 4.

(6) Zu Absatz 7

Absatz 7 entspricht dem bisherigen Absatz 5.

(7) Zu Absatz 8

Nach bisherigem Recht können Ausländer Leistungen der Sozialhilfe erhalten, ohne dass sie eine Gegenleistung erbringen müssen, obwohl sie hierzu grundsätzlich in der Lage wären. Denn die Regelungen zur Verpflichtung zu gemeinnütziger Tätigkeit wie sie das BSHG bisher vorsah, sind im Hinblick auf die neue Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) entfallen. EU-Ausländer aus den neuen Beitrittsländern könnten damit Transferleistungen ohne jede Gegenleistung beziehen und wären damit besser gestellt als arbeitsfähige Deutsche. Nach Absatz 8 können daher Ausländer, die arbeitsfähig sind, denen jedoch die Aufnahme einer Beschäftigung nicht erlaubt ist oder erlaubt werden kann, zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden. Dies entspricht dem Grundsatz des "Fördern und Fordern". Die Folgen der Verweigerung einer angebotenen gemeinnützigen Tätigkeit ergeben sich aus § 39 SGB XII: Verminderung der Leistung in mehreren Stufen bis hin zum Wegfall der Leistung.

b) Zu Nr. 2:

Mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch hatte der Gesetzgeber beabsichtigt, die bisherige Einkommensschonregelung des § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG in das neue SGB XII (§ 82 Abs. 4) zu übertragen. Die Heranziehung zu den Kosten sollte grundsätzlich auf die Einsparungen für den Lebensunterhalt begrenzt werden, wenn eine Person in einer teilstationären oder stationären Einrichtung lebt. Dies ist jedoch nicht gelungen, da der insoweit eindeutige Wortlaut des § 82 Abs. 4 SGB XII die Schonregelung auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel SGB XII begrenzt. Dies bedeutet, dass diese Schonregelung für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht gilt und insoweit der volle Mitteleinsatz gefordert werden kann.

Der Bund vertritt zwar die Auffassung, dass im Wege der Interpretation die Einkommensschonregelung auch auf die Leistungen der Grundsicherung erstreckt werden könne. Dagegen spricht allerdings der Wortlaut des § 82 Abs. 4 SGB XII. Insbesondere spricht die derzeitige Anrechnungspraxis verschiedener Sozialhilfeträger, die dazu führt, dass manche Zuhause lebende Ehepartner auf das Sozialhilfeniveau zurückfallen, für die Notwendigkeit gesetzgeberischen Handelns. Dies wird auch von der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger (BAGüS) betont. Rechtsaufsichtlich kann das Verhalten der Sozialhilfeträger nicht beanstandet werden, da der Gesetzeswortlaut für sie spricht und die Rechtslage zumindest höchst unklar ist.

Zur Klarstellung und aus Gründen der Gleichbehandlung ist daher § 82 Abs. 4 SGB XII um die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu ergänzen. Diese Gesetzesänderung ist dringlich. Es kann nicht hingenommen werden, dass seit 01.01.2005 betroffene Ehepaare zum Teil 500 € oder mehr zusätzlich bezahlen müssen und auf das Sozialhilfeniveau verwiesen werden. Dies stößt bei den Betroffenen auf Unverständnis und war vom Gesetzgeber letztlich nicht gewollt. Aus diesem Grund soll die Änderung auch rückwirkend zum 01.01.2005 in Kraft treten (vgl. Artikel 4).

4. Zu Artikel 4:

Inkrafttreten

Das Gesetz soll am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten. Abweichend hiervon soll Artikel 3 Ziffer 2 mit Wirkung vom 01. Januar 2005 in Kraft treten.