Gesetzesantrag der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen
Entwurf eines Gesetzes zum besseren Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm

A. Zielsetzung

§ 29b Absatz 2 Luftverkehrsgesetz aus dem Jahr 1971 verpflichtet die Luftfahrtbehörden und die Flugsicherungsorganisation, lediglich auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken. Diese Vorgabe reicht für einen sachgerechten Lärmschutz der Bevölkerung bei wachsenden Flugbewegungszahlen, insbesondere in den Nachtstunden, nicht mehr aus. Es ist insoweit notwendig, dem Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm bei der Planung und Festlegung von Flugverfahren sowie in der betrieblichen Praxis ein größeres Gewicht beizumessen.

Im Rechtsetzungsverfahren zur Festlegung oder Änderung von Flugverfahren auf der Grundlage des § 32 Absatz 4 Nummer 8 des Luftverkehrsgesetzes wird die Öffentlichkeit nur über die Beratungstätigkeit der Fluglärmkommission eingebunden. Dies ist zur Sicherstellung eines transparenten Verfahrens und der Schaffung von Akzeptanz bei der von Fluglärm betroffenen Bevölkerung unzureichend. Daher soll ein entsprechendes Beteiligungsverfahren eingeführt werden.

Schließlich sollen mit dieser Gesetzesänderung die Bürgerinnen und Bürger, die im Umfeld von Flugplätzen leben, wo Kunstflüge mit motorgetriebenen Luftfahrzeugen stattfinden, besser vor den hiervon ausgehenden Fluglärmbelastungen geschützt werden.

B. Lösung

Änderung des § 29b Absatz 2 Luftverkehrsgesetz mit dem Ziel, generell den Fluglärmschutz insbesondere bei der Erarbeitung und Festlegung von Flugverfahren im Rahmen der Abwägung angemessen zu berücksichtigen. Ausdrückliche Festschreibung einer Gewichtungsvorgabe für die Nachtzeit in § 29b Absatz 2 Luftverkehrsgesetz entsprechend der geltenden Regelung in § 29b Absatz 1 Satz 2 Luftverkehrsgesetz.

Implementierung eines transparenten Verfahrens mit Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung sowie Festschreibung der Beteiligung der Fluglärmkommission über die Maßgaben des § 32b Luftverkehrsgesetz hinaus bei der Festlegung und wesentlichen Änderung von Flugverfahren durch entsprechende Ergänzung von § 32 Absatz 4 Nummer 8 Luftverkehrsgesetz.

Änderung des § 14 Absatz 2 Luftverkehrs-Ordnung durch Aufnahme einer zusätzlichen Abstandsregelung von "2.000 m zur nächstgelegenen zusammenhängenden Wohnbebauung" und Einführung einer differenzierenden Regelung im Hinblick auf den motorisierten bzw. nichtmotorisierten Kunstflug (Anhebung der zulässigen Höhe).

C. Alternativen

Keine.

D. Finanzielle Auswirkungen

Durch die vorgesehene Beteiligungsregelung bei der erstmaligen Festlegung bzw. wesentlichen Änderung von Flugverfahren können dem Bund auf Verwaltungsebene, insbesondere durch die Erfassung und Auswertung der Stellungnahmen, Mehrkosten entstehen.

Unmittelbare finanzielle Auswirkungen für die Länder und Gemeinden sind nicht zu erwarten. Sofern betroffene Gemeinden und Träger öffentlicher Belange von ihrem Beteiligungsrecht im Rechtsetzungsverfahren zur erstmaligen Festlegung bzw. wesentlichen Änderung von Flugverfahren Gebrauch machen, kann es aber zu einem größeren Verwaltungs- und Personalaufwand kommen.

E. Sonstige Kosten

Durch die Änderung des Luftverkehrsgesetzes ergeben sich unmittelbar keine zusätzlichen Kosten für die Wirtschaft. Soweit die verstärkte Berücksichtigung von Lärmschutzbelangen bei der Festlegung von Flugverfahren bzw. der wesentlichen Änderung von Flugverfahren sowie bei der Erteilung von Flugverkehrskontrollfreigaben beispielsweise zu veränderten An- und Abflugrouten führt, kann dies im Einzelfall zu Mehrkosten für die Luftverkehrswirtschaft führen, die im Interesse des Lärmschutzes hinzunehmen sind.

F. Bürokratiekosten

Informationspflichten für Bürgerinnen und Bürger sowie die Verwaltung werden nicht eingeführt, geändert oder aufgehoben.

Gesetzesantrag der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen
Entwurf eines Gesetzes zum besseren Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm

Die Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz
Mainz, 16. November 2015

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stanislaw Tillich

Sehr geehrter Herr Präsident,
zur Aufnahme in die Tagesordnung der 939. Sitzung des Bundesrates am 27. November 2015 übersende ich zwei Initiativen zum Lärmschutz - "Entwurf eines Gesetzes zum besseren Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm" und "Lärmschutz an Schienenwegen verbessern".

Die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen haben beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Entwurf eines Gesetzes zum besseren Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm zuzuleiten.

Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat weiterhin beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates "Lärmschutz an Schienenwegen verbessern" * zuzuleiten.

Ich bitte Sie, die Vorlagen gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 939. Sitzung des Bundesrates am 27. November 2015 aufzunehmen und sie anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Malu Dreyer

Entwurf eines Gesetzes zum besseren Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Luftverkehrsgesetzes

Das Luftverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Mai 2007 (BGBl. I S. 698), das zuletzt durch Artikel 567 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 29b Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

(2) Die Luftfahrtbehörden und die Flugsicherungsorganisation haben den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm angemessen zu berücksichtigen und auf den Schutz vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken. Dies gilt insbesondere für die Erarbeitung und Festlegung von Flugverfahren. Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen."

2. In § 32 Absatz 4 Nummer 8 wird der Punkt am Ende durch ein Semikolon ersetzt und folgender Satzteil angefügt:

"soweit es sich um die erstmalige Festlegung oder um eine wesentliche Änderung handelt, ist neben der Beteiligung der nach § 32b gebildeten Kommission eine angemessene Beteiligung der betroffenen Gemeinden und der in ihren Aufgaben berührten Träger öffentlicher Belange sowie der Öffentlichkeit sicherzustellen."

Artikel 2
Änderung der Luftverkehrs-Ordnung

§ 14 Absatz 2 Satz 1 der Luftverkehrs-Ordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. März 1999 (BGBl. I. S. 580), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung zur Anpassung nationaler Regelungen an die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 vom 26. September 2012 zur Festlegung gemeinsamer Luftverkehrsregeln und Betriebsvorschriften für Dienste und Verfahren der Flugsicherung und zur Änderung der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 1035/2011 sowie der Verordnungen (EG) Nr. 1265/2007, (EG) Nr. 1794/2006, (EG) Nr. 730/2006, (EG) Nr. 1033/2006 und (EU) Nr. 255/2010 (BGBl. I. S. 1894) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:

"Kunstflüge in Höhen von weniger als 450 m (1.500 Fuß) über Grund und Wasser, bei motorisiertem Kunstflug in Höhen von weniger als 600 m (2.000 Fuß) sowie über Flughäfen, Menschenansammlungen, Städten sowie anderen dicht besiedelten Gebieten und in einem Abstand von weniger als 2.000 m zur nächstgelegenen zusammenhängenden Wohnbebauung sind verboten."

Artikel 3
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung:

Zu Artikel 1 Nummer 1

Die Luftfahrtbehörden und die Flugsicherungsorganisation werden nunmehr wie Flugplatzunternehmer, Luftfahrzeughalter und Luftfahrzeugführer (§ 29b Absatz 1 Luftverkehrsgesetz) verpflichtet, insbesondere auch bei der Erarbeitung und Festlegung von Flugverfahren nicht lediglich auf die Vermeidung von unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken, sondern generell den Fluglärm zu reduzieren. Fluglärm unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle ist nun aufgrund gesetzlicher Vorgaben angemessen, d.h. entsprechend seinem Gewicht, im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen.

Die Flugsicherungsorganisation hat auch im praktischen Flugbetrieb den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm zu berücksichtigen. Durch das Wort "insbesondere" wird klargestellt, dass sich die betreffenden Vorgaben nicht auf "die Erarbeitung und Festlegung von Flugverfahren" beschränken. Dies gilt auch gerade deshalb, weil Flugverkehrskontrollfreigaben nach der Regelung in § 27a Abs. 1 Luftverkehrs-Ordnung Vorrang vor Flugverfahren haben.

Dabei ist insgesamt auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen, wobei das Ziel der Sicherheit des Luftverkehrs stets vorrangig bleibt.

Zusammenfassend werden mit der Gesetzesänderung die Flugsicherungsorganisation und das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung verpflichtet, den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm insgesamt sowohl bei der Planung und Festlegung als auch beim praktischen Betrieb der Flugverfahren verstärkt zu berücksichtigen.

Die besondere Verpflichtung der Flugsicherungsorganisation, auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken, bleibt erhalten.

Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist nunmehr infolge der gesetzlichen Klarstellung explizit auch bei den Entscheidungen, die § 29b Abs. 2 Luftverkehrsgesetz unterfallen, in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen.

Zu Artikel 1 Nummer 2

Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung legt die Flugverfahren durch Rechtsverordnung fest (§ 27a Absatz 2 Satz 1 Luftverkehrs-Ordnung). Für die erstmalige Festlegung und eine wesentliche Änderung der Flugverfahrensverordnungen sieht die Neuregelung ein angemessenes Verfahren zur Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung vor. Durch dieses Verfahren sollen die Transparenz und die Anzahl der zu Beteiligenden erhöht werden. Die Wesentlichkeit einer Flugverfahrensänderung ist mit Blick auf die berührten Rechte der Flugplatzanrainer zu beurteilen. Dabei können insbesondere die Zahl der durch eine Flugverfahrensänderung zusätzlich belasteter Personen, das Ausmaß der Zusatzbelastung oder die besondere Empfindlichkeit von Einrichtungen oder von Personengruppen von Bedeutung sein. Bisher ist nur die Fluglärmkommission beratend beteiligt. Eine Beteiligung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger findet nach derzeitiger Rechtslage nicht statt. Die Fluglärmkommission hat als Gremium aus den wesentlich betroffenen Gemeinden und weiteren Akteuren eine zentrale Funktion bei der gemeinsamen Bewertung oder Empfehlung von An- und Abflugverfahren und Beratung des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung. Die Schaffung von Transparenz und Beteiligung für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger durch die zuständige Behörde ist hiervon unabhängig zu sehen. Die Beratung durch die Fluglärmkommission wird daher durch eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ergänzt.

Neben der angemessenen Beteiligung der betroffenen Gemeinden und der in ihren Aufgaben berührten Träger öffentlicher Belange sowie der Öffentlichkeit wird durch die Neufassung des § 32 Abs. 4 Nr. 8 Luftverkehrsgesetz die entsprechende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Beteiligung der Fluglärmkommission umgesetzt (Urteil vom 12.11.2014, Az.: 4 C 3713, Rn 13 UA) .

Die Beteiligung findet nur bei einer erstmaligen Festlegung oder einer wesentlichen Änderung von Flugverfahren statt. Geht es um Änderungen von Flugverfahren, die keine lärmrelevanten Auswirkungen haben, welche die Geringfügigkeitsschwelle überschreiten, werden Rechte oder Aufgabenbereiche nicht berührt. Flugverfahrensentscheidungen dieser Art sind auch für den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm irrelevant. In diesem Fall ist ein Beteiligungsverfahren nicht durchzuführen.

Die Kriterien für wesentliche Änderungen von Flugverfahren können durch Rechtsverordnung festgelegt werden, deren Ermächtigung in § 32 Absatz 4 Luftverkehrsgesetz enthalten ist.

Zu Artikel 2

Mit der Neufassung von § 14 Absatz 2 Satz 1 Luftverkehrs-Ordnung wird zusätzlich eine Abstandsregelung von "2.000 m zur nächstgelegenen zusammenhängenden Wohnbebauung" aufgenommen. Diese Regelung soll der Verbesserung der Sicherheit und des Lärmschutzes dienen.

Zusätzlich wird bei der erforderlichen Mindesthöhe zwischen motorisiertem und nichtmotorisiertem Kunstflug unterschieden. Eine Differenzierung der Kunstflüge nach der Art ihrer Durchführung mit motorgetriebenen Luftfahrzeugen und sonstigen ist erforderlich, um einen umfassenderen Schutz vor Fluglärm zu erreichen und den Sicherheitsbelangen gerecht zu werden. Motorgetriebene Luftfahrzeuge verursachen bei Kunstflügen einen deutlich höheren Lärmpegel als im Reiseflug.

Zu Artikel 3

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

* siehe Drucksache 551/15 (PDF)