Beschluss des Bundesrates
Entschließung des Bundesrates "Lärmschutz an Schienenwegen verbessern"

Der Bundesrat hat in seiner 940. Sitzung am 18. Dezember 2015 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.

Anlage
Entschließung des Bundesrates "Lärmschutz an Schienenwegen verbessern"

Begründung:

Es ist allgemein politischer Konsens, dass die Akzeptanz für Mobilität und die weitere Modernisierung der Infrastruktur wie auch für Verkehrszuwächse entscheidend davon abhängen, dass die Lärmbelastung reduziert wird. Denn der Lärm durch Schienengüterverkehr nimmt trotz teilweise bereits erfolgter Lärmsanierung insbesondere auf stark befahrenen Bestandsstrecken wie etwa dem Mittelrheintal, welche nicht unter den Anwendungsbereich der Verkehrslärmschutzverordnung fallen, zum Teil immer noch gesundheitsgefährdende Ausmaße an. Es werden Spitzenpegel bis über 105 dB(A) in der Nacht in Wohngebieten ermittelt, bei weit über 100 Güterzugdurchfahrten pro Nacht. Die ermittelten nächtlichen Mittelungspegel liegen auch nach Abschluss der Lärmsanierung und weiterer Maßnahmen zum aktiven Schallschutz zum Teil über 25 dB(A) über den Grenzwerten der Lärmvorsorge und dem von der WHO empfohlenen Minimal-Ziel, das zum Schutz der Gesundheit kurzfristig erreicht werden sollte. Auch die Grenzwerte der Lärmsanierung werden um über 20 dB(A) überschritten. Die prognostizierten Zuwachsraten für den Güterverkehr auf der Schiene bis zum Jahre 2025 liegen bei bis zu 50 Prozent.

Die Bundesregierung hat erklärt, den Schutz vor Verkehrslärm deutlich verbessern zu wollen. In Bezug auf den Schienenverkehrslärm sollen unter anderem ab 2020 nur noch mit lärmmindernden Bremsbelägen ausgerüstete Güterwagen durch Deutschland fahren dürfen.

2016 soll zudem die Umrüstung von Güterwagen evaluiert werden. Sind zu diesem Zeitpunkt nicht mindestens 50 Prozent der in Deutschland verkehrenden Güterwagen umgerüstet, sollen noch in dieser Legislaturperiode ordnungsrechtliche Maßnahmen auf stark befahrenen Güterstrecken umgesetzt werden. Explizit genannt werden hierbei Nachtfahrverbote.

In der Broschüre "Lärmschutz im Schienenverkehr" des BMVI (Stand Mai 2014) kündigt Bundesverkehrsminister Dobrindt die "umgehende" Veranlassung ordnungsrechtlicher Maßnahmen bei Nichterreichen der Umrüstquote im Jahre 2016 an.

Ein Durchfahrtsverbot ab 2020, insbesondere aber vorgelagerte nächtliche Betriebsbeschränkungen nach einer Evaluierung 2016, sind nach Auffassung des Bundesrates nur umsetzbar, wenn die rechtlichen Grundlagen hierzu frühzeitig geschaffen werden. Zum einen wird hierdurch Planungssicherheit beim Eisenbahnsektor hergestellt und die notwendige Vorbereitungszeit gewährt, zum anderen wird der Prozess der Umrüstung durch gesetzlich verankerte Beschränkungen beschleunigt. Bis dato - Ende 2015 - liegen die notwendigen rechtlichen Regelungen jedoch noch nicht vor.

Nach Aussagen der EU-Kommission sind entsprechende nationale Regelungen grundsätzlich mit EU-Recht vereinbar. Die Bundesregierung wird daher gebeten, die angekündigten rechtlichen Vorschriften ohne weiteren Zeitverlust zu erarbeiten. Die Verabschiedung einer nationalen Regelung erscheint auch deshalb dringend geboten, da ein öffentlich bekanntes Schreiben von EU-Verkehrskommissarin Bulc an Bundesverkehrsminister Dobrindt vom Juni diesen Jahres erkennen lässt, dass man auf EU-Ebene Betriebsbeschränkungen für laute Güterwagen frühestens ab 2022 ins Auge fasst. Dieser Absicht ist entgegenzutreten. Die bisherigen Maßnahmen kommen angesichts der hohen Lärmbelastung an vielen Strecken bereits viel zu spät.

Seitens des Eisenbahnsektors in Deutschland ist ein generelles Verbot ab 2020 inzwischen allgemein akzeptiert und wird im Hinblick auf die notwendige Umrüstung älterer Güterwagen als umsetzbar eingestuft. Dem Bahnsektor würde durch eine weitere Verzögerung völlig unnötig die Möglichkeit eingeräumt, Umrüstungen weiter hinauszuzögern, Halter, die bereits umgerüstet oder Neuanschaffungen getätigt haben, würden benachteiligt. Gleichwohl sind langfristig betrachtet einheitliche europäische Regelungen anzustreben, so dass für den transeuropäischen Schienengüterverkehr einheitliche Bedingungen herrschen. Zumindest sollten die Pläne Deutschlands zur Lärmminderung auf deutschen Strecken von der Kommission akzeptiert und möglichst unterstützt werden.

Die unmittelbare Förderung der Umrüstung durch den Bund wie auch das von der DB Netz AG angewandte lärmabhängige Trassenpreissystem bieten bislang keinen ausreichenden Anreiz zur zügigen Umrüstung, weil die nach der Umrüstung entstehenden betrieblichen Mehrkosten (zusätzliche Inspektionen, häufigeres Abdrehen der Radsätze, erhöhter Radsatzbedarf) nicht gefördert werden. Im engmargigen SGV führt dies zu einer zurückhaltenden Umrüstung. Eine Einbeziehung auch dieser betrieblichen Mehrkosten in das Anreizsystem würde die Umrüstung deutlich beschleunigen.

Darüber hinaus bedarf es eines wirksamen lärmabhängigen Bonussystems für die Ausschöpfung des Stands der Lärmminderungstechnik bei Fahrzeugen, auch auf europäischer Ebene. Dieses sollte mit einer staatlichen Förderung verbunden werden, um die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs nicht zu beeinträchtigen. Mit dem Bonussystem sollte hierbei nicht alleine auf die Vorgaben der TSI-Lärm abgestellt werden, die den tatsächlichen Stand der Lärmminderungstechnik bekanntermaßen nicht widerspiegeln. Auch vor dem Hintergrund der langen Lebensdauer von Schienenfahrzeugen sollten Trassenpreissysteme vielmehr Anreize setzen, lärmarme Techniken weiterzuentwickeln und einzusetzen, die über die bloße Einhaltung der Grenzwerte der TSI-Lärm hinausgehen.

Mit der europäischen Umgebungslärmrichtlinie, welche im Bundes-Immissionsschutzgesetz national umgesetzt wurde, existiert ein Instrument, mit dem schädlicher Umgebungslärm zu erfassen und durch Lärmaktionspläne mit konkreten lokalen und überregionalen Maßnahmen wirksam zu reduzieren ist. Die Zuständigkeit zur Durchführung der Lärmaktionsplanung an Haupteisenbahnstrecken des Bundes mit Maßnahmen in Bundeshoheit liegt seit dem 1. Januar 2015 beim Eisenbahn-Bundesamt und ist Bundesangelegenheit. Die Möglichkeiten, die dieses Instrument bietet, sind auszuschöpfen.

Um sowohl die Umrüstquoten fortlaufend, als auch die Geräuschentwicklung der Güterfahrzeuge über die Lebensdauer sowie die Fortschritte beim Bahnlärmschutz insgesamt nachvollziehbar und objektiv zu ermitteln und zukünftige Betriebsbeschränkungen und Fahrzeugzustände überwachen zu können, ist ein flächendeckendes Netz mit Dauermessstationen erforderlich. Die dadurch geschaffene Transparenz ist ein wichtiges Element, um die Akzeptanz für Mobilität und die weitere Modernisierung der Bahninfrastruktur zu erhalten.

Menschen sind häufig nicht nur dem Lärm eines Verkehrsweges ausgesetzt. Aus Gründen des Gesundheitsschutzes besteht daher die Notwendigkeit einer verkehrsträgerübergreifenden Betrachtung aller Verkehrslärmquellen. Der Gesamtlärm von Straßen und Schienen muss als Grundlage für Lärmschutzmaßnahmen herangezogen werden.