Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes über den Zugang zu digitalen Geodaten
(Geodatenzugangsgesetz - GeoZG)

Der Bundesrat hat in seiner 847. Sitzung am 19. September 2008 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

Zu § 14

In § 14 sind die Wörter "ohne Zustimmung des Bundesrates" durch die Wörter "mit Zustimmung des Bundesrates" zu ersetzen.

Begründung

Nach der Begründung zu § 14 GeoZG-E habe die zuletzt noch ergänzte Angabe "... ohne Zustimmung des Bundesrates ..." nur deklaratorischen Charakter, da keine Fallkonstellation des Artikels 80 Abs. 2 GG vorliege. Der Gesetzentwurf erweckt nach § 2 Abs. 1 GeoZG-E zunächst den Eindruck, dass sich die Regelungen ausschließlich an geodatenhaltende Stellen des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts richten, wodurch die Länder entsprechende Länderregelungen für ihre Zuständigkeitsbereiche schaffen müssen, um die Richtlinie vollständig in nationales Recht umzusetzen. Die Verpflichtung hierzu ergibt sich aus § 5 Abs. 1 bis 3 GeoZG-E.

§§ 6, 7 und 8 GeoZG-E regeln jedoch nicht nur die erforderliche Schnittstelle (Interoperabilität) für den Austausch der Daten zwischen Kommunen, Ländern und Bund, sondern geben für alle beteiligten Akteure auch die Inhalte und deren Ausgestaltung exakt vor. Zur weiteren Ausgestaltung dieser Inhalte ist jeweils eine Verordnungsermächtigung nach § 14 GeoZG-E vorgesehen. Durch diese Möglichkeit der Feinjustierung greift der Bund unmittelbar in die Arbeitsinhalte und Verfahren der Länder sowie der Kommunen ein, wodurch sich neben der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit dieser Verordnungen auch die des Konnexitätsprinzips aufdrängt.

Im Übrigen bestehen erhebliche Zweifel, ob hier eine Gesetzgebungskompetenz nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) vorliegt, wie in der Begründung des Gesetzentwurfs unter A 4. ausgeführt wird.

Das Europäische Parlament und der Rat begründen die Notwendigkeit der INSPIRE-Richtlinie in den Erwägungsgründen 1 bis 4 ausschließlich mit umweltpolitischen Notwendigkeiten.

Danach muss die gemeinschaftliche Umweltpolitik ein hohes Schutzniveau anstreben und dabei die unterschiedlichen Gegebenheiten in den verschiedenen Regionen der Gemeinschaft berücksichtigen. Zudem würden Informationen, einschließlich Geodaten, für die Festlegung und Durchführung dieser Politik (Anm.: nämlich der Umweltpolitik) und anderer Gemeinschaftspolitiken benötigt, bei denen gemäß Artikel 6 des Vertrags die Erfordernisse des Umweltschutzes einbezogen werden müssen. Um eine solche Einbeziehung zu ermöglichen, müsse eine Koordinierung zwischen Nutzern und Anbietern der Informationen gegeben sein, damit Informationen und Kenntnisse aus verschiedenen Sektoren kombiniert werden können.

Gemäß dem sechsten Umweltaktionsprogramm, das mit dem Beschluss Nr. 1600/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates angenommen wurde, wäre umfassend dafür zu sorgen, dass die Umweltpolitik der Gemeinschaft in integrativer Weise betrieben wird. Einige Probleme bestünden bei der Verfügbarkeit, Qualität, Organisation, Zugänglichkeit und gemeinsamen Nutzung von Geodaten, die für die Erfüllung der Ziele des sechsten Umweltaktionsprogramms erforderlich wären.

Die Probleme bei der Verfügbarkeit, Qualität, Organisation, Zugänglichkeit und gemeinsamen Nutzung von Geodaten beträfen in gleicher Weise zahlreiche Bereiche der Politik und Information und nahezu alle Verwaltungsebenen. Die Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft (INSPIRE) solle die Entscheidungsfindung in Bezug auf politische Konzepte und Maßnahmen, die direkte oder indirekte Auswirkungen auf die Umwelt haben können, unterstützen.

Wirtschaft im Sinne von Artikel 74 Abs. 1 Nr. 11 GG erfasst jedoch vorwiegend wirtschaftsregulierende und wirtschaftslenkende Normen des öffentlichen und des privaten Wirtschaftsrechts. Abgrenzungsfragen zu anderen Kompetenztiteln stellen sich natürlich in besonderem Maße für Nummer 11. Hier gelten nach der Literatur und der Rechtsprechung die allgemeinen Grundsätze kompetenzrechtlicher Qualifikation (Artikel 70 GG). Die kompetenzrechtliche Qualifikation eines Gesetzes hängt von der jeweils dort benannten Kompetenzmaterie ab. Diese ist im Fall des Geodatenzugangsgesetzes, welches unzweifelhaft die INSPIRE-Richtlinie in nationales Recht umsetzt, nach der INSPIRE-Richtlinie dem Umweltschutz und der Umweltinformation zuzuordnen.

Umweltbezogene Vorschriften fallen nur dann unter Nummer 11, wenn sie der Gefahrenvorsorge in spezifischen Wirtschaftsbereichen (z.B. Anlagengenehmigungsrecht) dienen und nicht wirtschaftsunabhängig für jedermann gelten (vgl. Maunz in Maunz-Dürig, Artikel 74 Rdn. 151 ff;

Sachs, Artikel 74 Rdn. 52). Aber genau das ist hier der Fall, denn die bereitzustellenden Geodaten haben nur zu einem kleinen Teil Wirtschaftsbezug. Im Übrigen entstammen sie den verschiedensten öffentlichen Bereichen (Katasterdaten, öffentliche Infrastrukturdaten wie Verkehrsnetze, Boden, Koordinatenreferenzsysteme, geographische Daten, geologische Daten, Naturschutzgebiete, Umweltüberwachung, Trinkwasserschutzgebiete, Katastrophenschutz sowie der kommunalen Selbstverwaltung (Gebäudebestand § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe o) der Gesundheitsfürsorge (Gesundheit und Sicherheit § 4 Abs. 4 Nr. 4 Buchstabe r) und der Daseinsvorsorge (§ 4 Abs. 4 Nr. 4 Buchstabe s) und sollen auch der breiten Öffentlichkeit einschließlich interessierten Verbänden (wie Umweltverbänden) zur Verfügung stehen.

Infolgedessen liegt hier eine Mischkompetenz unterschiedlicher Kompetenztitel vor. Kann ein Gesetz gleichzeitig auf unterschiedliche Kompetenztitel innerhalb des Artikels 74 Abs. 1 GG gestützt werden, mit unterschiedlichen Folgen hinsichtlich der Erforderlichkeitsklausel des Artikels 72 GG, dann spricht dies für eine Zustimmungsbedürftigkeit durch die Länder. Insofern ergibt sich aus der Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes auch eine solche für die dazugehörenden Rechtsverordnungen nach Artikel 80 Abs. 2 GG.