Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 zwecks Festlegung einer gemeinsamen Regelung für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter außergewöhnlichen Umständen KOM (2011) 560 endg.

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 514/04 (PDF) = AE-Nr. 042107 und AE-Nr. 110332

Brüssel, den 16.9.2011 KOM (2011) 560 endgültig 2011/0242 (COD)

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 zwecks Festlegung einer gemeinsamen Regelung für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter außergewöhnlichen Umständen

Begründung

Kontext des Vorschlags

1.1. Wahrung des Schengen-Systems - Stärkung des Raums ohne Kontrollen an den Binnengrenzen

Der Kontext dieses Vorschlags und Gründe für die darin enthaltenen Änderungen sowie die angestrebte Funktionsweise in der Praxis werden in der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen mit dem Titel "Wahrung des Schengen-Systems - Stärkung des Raums ohne Kontrollen an den Binnengrenzen" eingehend erläutert, die zusammen mit diesem Vorschlag angenommen wird.

Legislative Änderungen

Damit der erforderliche Rechtsrahmen geschaffen und der vom Europäischen Rat auf seiner Tagung vom 23./24. Juni vorgebrachten Forderung nach Einführung eines Mechanismus für kritische Situationen nachgekommen werden kann, muss der mit der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 eingeführte Schengener Grenzkodex geändert werden, der zum einen Regeln für die Kontrollen an den Außengrenzen festlegt und zum anderen die Aufhebung der Kontrollen an den Binnengrenzen und die Möglichkeit zur Wiedereinführung solcher Kontrollen in begrenzten Fällen vorsieht.

Da der freie Personenverkehr in einem Raum ohne Binnengrenzen eine zentrale Errungenschaft der Union ist, dessen Vorteile alle in diesem Raum lebenden Menschen genießen, sollte ein Beschluss auf Unionsebene gefasst werden, wenn diese Freizügigkeit durch einseitige und mitunter undurchsichtige nationale Entscheidungen beeinträchtigt werden könnte.

Generell sollte sich die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen auf einen Beschluss stützen, der von der Kommission nach Stellungnahme der Mitgliedstaaten im Rahmen des Prüfverfahrens gemäß der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren1, als Durchführungsrechtsakt vorgeschlagen und erlassen wird. In dem Beschluss ist im Einzelnen anzugeben, wo Grenzkontrollen an den Binnengrenzen ausnahmsweise für einen Zeitraum von 30 Tagen - maximal verlängerbar für sechs Monate - wiedereingeführt werden dürfen. Eine Verlängerung kommt aber nur in Betracht, wenn sich die Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen darauf stützt, dass im Rahmen des Schengener Evaluierungsmechanismus festgestellt wurde, dass ein Mitgliedstaat dauerhaft nicht in der Lage ist, seinen Abschnitt der EU-Außengrenze angemessen zu schützen.

Für den Fall unvorhersehbarer Ereignisse behalten die Mitgliedstaaten allerdings die Möglichkeit, einseitig Grenzkontrollen an den Binnengrenzen wiedereinzuführen, wenn sofortiges Handeln geboten ist. Eine solche Entscheidung tritt unmittelbar in Kraft und wird der Kommission, dem Europäischen Parlament und den anderen Mitgliedstaaten mitgeteilt. Unter solchen Umständen ist die Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen jedoch auf fünf Tage begrenzt. Die Kommission kann in diesem Falle alle Mitgliedstaaten konsultieren, um die Zweckmäßigkeit der getroffenen Maßnahme zu prüfen. Eine solche Konsultation hat keine aussetzende Wirkung für die Entscheidung des handelnden Mitgliedstaates. Erforderlichenfalls kann die Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen verlängert werden, doch dann muss sie sich auf einen Beschluss der Kommission stützen, der als Durchführungsrechtsakt im Wege des Dringlichkeitsverfahrens gemäß Artikel 8 der vorgenannten Verordnung (EU) Nr. 182/2011 erlassen wird.

Eine abgestimmte, EU-gestützte Reaktion würde dazu beitragen, dass dem gesamteuropäischen Interesse Rechnung getragen wird. Auf diese Weise könnten sowohl Situationen angegangen werden, in denen sich ein Mitgliedstaat kurzfristig einer ernsthaften, stark lokalisierten Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit ausgesetzt sieht, als auch Situationen, die weiterreichende und längerfristige Auswirkungen haben. In beiden Fällen ist eine abgestimmte europäische Reaktion gerechtfertigt, da jede Entscheidung über die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen - selbst innerhalb eines befristeten Zeitraums und eines begrenzten geographischen Gebiets - mit humanen und wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden ist, die über den betroffenen Mitgliedstaat hinausreichen. Ein abgestimmtes europäisches Vorgehen ist um so zwingender, wenn ein bestimmter Abschnitt der Außengrenze unerwartet unter starken Druck gerät, wenn ein Mitgliedstaat dauerhaft nicht in der Lage ist, seinen Abschnitt der Außengrenze zu kontrollieren oder Umstände auftreten, die eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit der Union oder eines Mitgliedstaates darstellen. Jede Entscheidung über die Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen hat unmittelbare Auswirkungen auf alle Reisenden und das gemeinsame Interesse aller Mitgliedstaaten.

Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen sollte nur als letztes Mittel eingesetzt werden, bis andere Maßnahmen zur Stabilisierung der Lage an dem betreffenden Abschnitt der Außengrenze entweder auf europäischer Ebene im Geiste der Solidarität und/oder auf nationaler Ebene ergriffen werden, um mit den gemeinsamen Vorschriften stärker konform zu gehen.

2. Ergebnisse der Konsultationen mit den Beteiligten Folgenabschätzung

In ihrer Mitteilung zur Migration2 zog die Kommission die Einführung eines Verfahrens in Erwägung, um auf europäischer Ebene im Wege eines Beschlusses zu bestimmen, welche Mitgliedstaaten im Ausnahmefall wieder Kontrollen an den Binnengrenzen einführen dürfen und über welchen Zeitraum. In der Mitteilung enthalten sind Überlegungen zur möglichen Schaffung eines Mechanismus, um auf außergewöhnliche Umstände reagieren zu können, u.a. durch ein auf EU-Ebene abgestimmtes Verfahren zur vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen, die jedoch nur als letztes Mittel in Betracht gezogen werden sollten.

Diese Überlegungen wurden sowohl vom Rat "Justiz und Inneres" auf seiner Tagung vom 12. Mai 2011 als auch vom Europäischen Rat auf seiner Tagung vom 23./24. Juni 2011 begrüßt, der sich dafür aussprach, dass ein Mechanismus "eingeführt werden [sollte], der - ohne das Prinzip des freien Personenverkehrs zu beeinträchtigen - unter außergewöhnlichen Umständen greifen soll, in denen die Schengen-Zusammenarbeit insgesamt gefährdet ist."

3. Rechtliche Aspekte des Vorschlags

Rechtsgrundlage des Vorschlags ist Artikel 77 Absätze 1 und 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

Dieser Vorschlag zielt auf die Änderung der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) ab, die auf der Grundlage der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, d.h. Artikel 62 Absatz 1 (Binnengrenzen) und Absatz 2 Buchstabe a (Außengrenzen) erlassen worden war.

4. Auswirkungen auf den Haushalt

Die vorgeschlagene Änderung hat keine Auswirkungen auf den Haushalt der Europäischen Union. 2011/0242 (COD)

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 zwecks Festlegung einer gemeinsamen Regelung für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter außergewöhnlichen Umständen

DAS Europäische Parlament der Rat der Europäischen Union - gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 77 Absätze 1 und 2, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, in Erwägung nachstehender Gründe:

Haben folgende Verordnung Erlassen:

Artikel 1

Die Verordnung (EG) Nr. 562/2006 wird wie folgt geändert:

(1) Die Artikel 23 bis 26 erhalten folgende Fassung:

Artikel 23
Allgemeiner Rahmen für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen

Artikel 23a
Kriterien für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen

Artikel 24
Bei der vorübergehenden Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen anzuwendendes Verfahren

Artikel 25
Besonderes Verfahren für Fälle, die sofortiges Handeln erfordern

Artikel 26
Besonderes Verfahren für Fälle mit anhaltend schwerwiegenden Mängeln

(2) Artikel 27 erhält folgende Fassung:

Artikel 27
Information der Gesetzgeber

Die Kommission und der betreffende Mitgliedstaat/die betreffenden Mitgliedstaaten unterrichtet/unterrichten das Europäische Parlament und den Rat möglichst frühzeitig über etwaige Gründe, die die Anwendung der Artikel 23 bis 26 auslösen könnten.

(3) Die Artikel 29 und 30 erhalten folgende Fassung:

Artikel 29
Bericht über die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen

Spätestens vier Wochen nach Aufhebung der Kontrollen an den Binnengrenzen legt der Mitgliedstaat, der die Kontrollen an seinen Binnengrenzen durchgeführt hat, dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission einen Bericht über die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen vor, in dem insbesondere die Kontrollen und die Wirksamkeit der wieder eingeführten Kontrollen an den Binnengrenzen dargestellt werden.

Artikel 30
Information der Öffentlichkeit

Die Kommission informiert die Öffentlichkeit, wenn ein Beschluss betreffend die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen gefasst wurde. Sie unterrichtet die Öffentlichkeit insbesondere über Anfang und Ende einer derartigen Maßnahme, es sei denn, übergeordnete Sicherheitsgründe stehen dem entgegen.

(4) Ein neuer Artikel 33a wird eingefügt:

Artikel 33a
Ausschussverfahren

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß den Verträgen unmittelbar in den Mitgliedstaaten.

Geschehen zu Brüssel am

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