Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes

Der Bundesrat hat in seiner 847. Sitzung am 19. September 2008 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat hält an seiner früheren Auffassung fest, dass im Telekommunikationsbereich als Ergänzung zu einer Ex-Ante-Regulierung auch eine effiziente Ex-Post-Regulierung im Sinn einer sektorspezifischen Missbrauchsaufsicht durch die Bundesnetzagentur notwendig ist. Der Bundesrat wiederholt daher seine Bitte, im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Regelung vorzusehen, die sicherstellt, dass die Vorschriften zur nachträglichen Regulierung von Entgelten nach § 38 TKG und zu den Missbrauchsverfahren nach § 42 TKG auch ohne den Abschluss eines förmlichen Marktanalyse- und Marktdefinitionsverfahrens greifen.

Der Bundesrat hat wiederholt, letztmalig im Zusammenhang mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (BR-Drs. 275/07(B) HTML PDF vom 8. Juni 2007), darauf hingewiesen dass die Bundesnetzagentur keine ausreichende Eingriffsbefugnisse für den Fall hat, dass kein förmliches Marktanalyse- und Markdefinitionsverfahren nach den §§ 10 und 11 TKG abgeschlossen ist. Die Rechtsprechung des VG Köln belegt, dass hier eine Regelungslücke in der Systematik des Regulierungsregimes vorliegt, die im Interesse einer schnellen, marktgerechten und damit effizienten Regulierung geschlossen werden sollte.

Die Bundesregierung hat sich zum damaligen Zeitpunkt in ihrer Gegenäußerung (BT-Drs. 016/5846 vom 27. Juni 2007) sachlich nicht dagegen ausgesprochen, sondern lediglich auf die Kurzfristigkeit und die Sachfremde zur Zielsetzung für die damalige TKG-Änderung hingewiesen. Da das Problem aber weiterhin existiert und in der Praxis relevant ist, sollte nunmehr eine Regelung erfolgen.

Davon unberührt bleiben die Fälle, bei denen die sektorspezifische Missbrauchskontrolle des TKG vollständig aufgehoben ist und die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle des GWB gilt.

2. Zu Artikel 1 Nr. 6a - neu - ( § 98 TKG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Regelungen für die Weitergabe von Standortdaten zum Zweck der Ortung von Mobilfunkgeräten bei Diensten mit Zusatznutzen gemäß § 3 Nr. 5 TKG gegen missbräuchliche Ortung verbessert werden können.

Begründung

Durch eine Ortung können Aufenthaltsort und Bewegungsmuster von nahezu Jedermann ermittelt werden, was einen weiten und tiefen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte darstellt.

Die Ortung von Mobiltelefonen wird als Dienstleistung von zahlreichen Unternehmen angeboten. Dabei sind die Voraussetzungen, nach denen der Auftrag für eine Ortung des Mobiltelefons zu erteilen ist, unterschiedlich:

Einige Anbieter führen eine Ortung erst dann durch, wenn der Auftrag über die zu ortende Nummer durch persönliche Unterschrift des betroffenen Mobilfunkkunden bestätigt wird. Bei anderen ist eine persönliche, schriftliche Anmeldung nicht erforderlich. Für die Freischaltung des Ortungsservices reicht es aus, dass über die zu ortende Mobilfunknummer nur einmal per SMS (short message service) die Zustimmung zur Ortung an den Anbieter gesandt wird.

Durch eine einmalige SMS als Auftragserteilung, kann eine missbräuchliche Anmeldung nicht ausgeschlossen werden, da der kurzzeitige Besitz des betroffenen Mobiltelefons beziehungsweise der entsprechenden SIM-Karte ausreicht um die erforderliche Kurznachricht abzusenden.

Derzeit bestehen keine ausreichenden Schutzvorkehrungen und Sanktionsmöglichkeiten, um den berechtigten Inhaber vor einer solchen widerrechtlichen Überwachung zu schützen.

3. Zu Artikel 1 Nr. 9 und 10 (§ 142 Abs. 1 Satz 1 und § 144 TKG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu überprüfen, inwieweit die ursprünglich vorgesehene Anrechenbarkeit der auf die aufgehobene TK-Lizenzgebührenverordnung gezahlten Gebühren auf den nunmehr wegfallenden Telekommunikationsbeitrag nicht auch auf die nach § 142 TKG zu zahlenden Gebühren gemäß der weiteren Gebührentatbestände übertragen werden kann.

Die neuen Gebührentatbestände in § 142 TKG werden als Ersatz für den ursprünglich vorgesehenen und nunmehr wegfallenden Telekommunikationsbeitrag nach § 144 TKG eingeführt. Mit dem Wegfall des Telekommunikationsbeitrags entfällt diese Anrechnungsmöglichkeit der auf die aufgehobene TK-Lizenzgebührenverordnung bezahlten Gebühren ersatzlos. Die Gründe hierfür sind in der Begründung nicht schlüssig dargelegt. Im Übrigen haben die davon betroffenen Unternehmen auf diese Anrechnungsmöglichkeit bei entsprechenden Zahlungen vertraut. Insofern erscheint eine Anrechenbarkeit geboten.

4. Zu Artikel 2 Nr. 2 Buchstabe b (§ 40 Abs. 1 Satz 4 TKG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen ob zum Schutze der Verbraucher vor untergeschobenen Verträgen bei der Betreibervorauswahl eine Festlegung der Beweislast dahingehend ausreichend ist, dass der Anbieter, zu dem hin der Wechsel erfolgt, im Streitfalle den Beweis für die Änderung entweder durch die Vorlage entsprechender Willenserklärungen des Kunden in Textform oder mit Hilfe eines entsprechenden Voice Files erbringen kann.

Begründung

Es besteht ein Bedürfnis, die Verbraucher vor ungewollten Änderungen der von ihnen gewählten Betreibervorauswahl zu schützen. Die Einführung eines Textformerfordernisses für die Einrichtung oder Änderung der Betreibervorauswahl erscheint zur Erreichung dieses Ziels aber nicht angemessen. Da es sich bei der Betreibervorauswahl um ein Massengeschäft handelt, kommt es durch die Textform zu einer unangemessenen Zusatzbelastung der betroffenen Anbieter. Eine deutlich weniger starke Belastung der betroffenen Anbieter würde erreicht, wenn diese im Streitfalle den Wechsel beweisen müssten und hierfür auch Sprachaufzeichnungen (Voice Files) neben der Textform zugelassen wären.

5. Zu Artikel 2 Nr. 3 Buchstabe b ( § 66a Satz 6 TKG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen ob Diensteanbieter, die nicht zugleich Mobilfunkanbieter sind, in der Praxis einer Verpflichtung zur Angabe von Mobilfunkpreisen tatsächlich auch nachkommen können.

Begründung

Diensteanbieter, die nicht zugleich Mobilfunkanbieter sind, haben nicht ohne weiteres Zugang zu Mobilfunktarifen. Es ist einem solchen Diensteanbieter nicht zumutbar, alle Tarife aller Mobilfunkanbieter dauerhaft zu verfolgen und Preisangaben für eine Vielzahl von Tarifen zu machen. Wenig sinnvoll erscheint auch die Alternative, einen Mindest- oder Durchschnittspreis für Mobilfunkpreise anzugeben. Auch in diesem Fall wären dauerhafte Marktbeobachtungen notwendig. Eine Verpflichtung zu Preisangaben für Mobilfunkdienste könnte deshalb nur für Mobilfunkanbieter oder Mobilfunkdiensteanbieter realisierbar sein.

6. Zu Artikel 2 Nr. 4 Buchstabe c ( § 66d Abs. 3 TKG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen ob eine Ermächtigung der Bundesnetzagentur zur Festschreibung von Preisobergrenzen sachgerechter ist als eine gesetzliche Festlegung im TKG.

Begründung

Ungeachtet bestehender Preisfestlegungen im TKG erscheint die Festlegung einer konkreten Preisobergrenze in einer abstraktgenerellen Regelung wie dem TKG grundsätzlich systemfremd und sollte überprüft werden. Notwendige Preisanpassungen können im Gesetzgebungsverfahren nicht flexibel und zeitnah umgesetzt werden. Bei einer Festsetzung der Preisobergrenzen durch die Bundesnetzagentur kann demgegenüber schneller auf Marktveränderungen reagiert werden.

7. Zu Artikel 2 Nr. 4 Buchstabe c (§ 66d Abs. 3 Satz 1 TKG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie zum Zwecke der Transparenzverbesserung im Bereich der Anrufe von Feste-Kosten-Diensten aus dem Mobilfunk eine Lösung gefunden werden kann, die sowohl rechtlich zulässig und ordnungspolitisch richtig ist, als auch den Verbraucherinteressen dient.

Begründung

Für eine exante Regulierung von Endkundenpreisen im Mobilfunk gibt es derzeit keine Rechtsgrundlage. Eine verbraucherpolitisch gewünschte Verbesserung der Transparenz im Zusammenhang mit Anrufen von Feste-Kosten-Diensten insbesondere aus dem Mobilfunk, erfordert klare und zügige Abstimmungsverfahren mit den anbietenden Unternehmen. Kernelemente der Lösung sollten unternehmerische Handlungsparameter sein. So sollte jedes Unternehmen die Freiheit behalten, nach betriebswirtschaftlich festgelegten Kriterien seine Endkundenpreise zu setzen. Beispielsweise könnten die relevanten Unternehmen diese Preise für einen geeigneten Zeitraum konstant halten und die sich aus diesen Preisen ergebende Höchstgrenze kommunizieren.