Beschluss des Bundesrates
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über strafrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums

Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens zur Ahndung der Verletzung geistigen Eigentums

KOM (2005) 276 endg.; Ratsdok. 11245/05

Der Bundesrat hat in seiner 814. Sitzung am 23. September 2005 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:

Der Bundesrat weist darauf hin, dass für die vorgeschlagene Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums keine Zuständigkeit der EG besteht. Die geplante Richtlinie definiert in Artikel 3 eine Straftat und in Artikel 4 die zu erlassenden Sanktionen. Die in Artikel 95 EGV normierte Binnenmarktkompetenz ermächtigt die Gemeinschaft nicht zum Erlass von strafrechtlichen Bestimmungen.

Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang auf seine entsprechenden Stellungnahmen vom 23. Mai 2003 (BR-Drucksache 179/03(Beschluss) PDF ) zu dem Vorschlag für eine Richtlinie über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen, einschließlich strafrechtlicher Sanktionen, für Verschmutzungsdelikte und vom 13. Juli 2001 (BR-Drucksache 390/01(Beschluss) ) zu dem Vorschlag einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt (KOM (2001) 139 endg.). Zu Letzterem hat auch der Rat mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass die

Gemeinschaft nicht über eine Kompetenz für den Erlass dieser Richtlinie verfügt (vgl. Erwägungsgrund Nr. 7 des Rahmenbeschlusses 2003/80/JI des Rates vom 27. Januar 2003 über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht, Abl. EG (Nr. ) L 20 vom 25. Februar 2003, S. 55).

Der Bundesrat weist ferner darauf hin, dass der vorgeschlagene Rahmenbeschluss ohne die Richtlinie in der vorliegenden Form nicht selbstständig erlassen werden kann, da eine untrennbare inhaltliche Verflechtung der Regelungsvorhaben besteht.

In inhaltlicher Hinsicht merkt der Bundesrat Folgendes an:

Der Richtlinienvorschlag sieht in Artikel 4 Abs. 1 Buchstabe b Nr. i "Geldstrafen" auch für juristische Personen vor. Sofern damit Kriminalstrafen gemeint sind (anders wohl Artikel 2 des Rahmenbeschlussvorschlags), ist dies abzulehnen. Das deutsche Recht enthält aus guten Gründen keine Kriminalstrafe gegen juristische Personen und Personenverbände. Dem wird in einer Vielzahl von europäischen Rechtsakten auch Rechnung getragen, indem danach auch Sanktionen nichtstrafrechtlicher Art genügen.

Gleichfalls abzulehnen ist Artikel 4 Abs. 2 des Richtlinienvorschlags. Ein hinreichender Anlass für einen derart tiefen Eingriff in die nationalen Sanktionensysteme ist nicht ersichtlich. Den Mitgliedstaaten muss die Wahl bleiben, mit welchen Maßnahmen und auf welchem Rechtsgebiet sie der Unternehmensdelinquenz entgegenwirken. Sofern der Vorschlag dahin zu verstehen sein sollte, dass die dort genannten Maßnahmen im Strafrecht zu normieren sind, ist ferner darauf hinzuweisen, dass das deutsche Strafrecht Sanktionen der in Artikel 4 Abs. 2 Buchstabe b bis f genannten Art nicht kennt. Im Hinblick auf Handhaben vorrangig im Zivil- und Wirtschaftsverwaltungsrecht hat sich hierfür bislang auch kein Bedürfnis ergeben.

Gravierende Bedenken bestehen auch gegen Artikel 2 des Rahmenbeschlussvorschlags. Mindesthöchstgeldstrafen, wie sie in Artikel 2 Abs. 2 vorgeschlagen werden, sind mit dem in Deutschland geltenden Tagessatzsystem nicht vereinbar. Soweit von "nichtstrafrechtlichen Geldstrafen" die Rede ist, ist klarzustellen, dass nicht strafrechtliche Sanktionen gemeint sind.

In Artikel 2 Abs. 1 des Rahmenbeschlussvorschlags ist zum Ausdruck zu bringen, dass eine Mindesthöchststrafe gemeint ist ("... im Höchstmaß von mindestens ..."). Artikel 2 Abs. 3 des Rahmenbeschlussvorschlags bedarf es nicht.

Problematisch könnte unter bestimmten Umständen auch die Regelung in Artikel 4 des Rahmenbeschlussvorschlags sein, wonach die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen sollen, dass die betroffenen Inhaber von Rechten am geistigen Eigentum oder ihre Vertreter sowie Sachverständige an von gemeinsamen Ermittlungsgruppen durchgeführten Untersuchungen mitwirken können. Dies gilt allerdings nicht für die Teilnahme von Sachverständigen im Ermittlungsverfahren. Unbedenklich wären auch über die einem Verletzten in den §§ 406d ff. StPO eingeräumten Befugnisse nicht hinausgehende Mitwirkungsrechte.

Bedenken bestehen jedoch dann, wenn dem Anzeigeerstatter oder von ihm beauftragten Personen die Teilnahme an Durchsuchungen gestattet werden soll. Zwar ist nach den Bestimmungen der StPO der Kreis der Personen, die bei einer Durchsuchung zugegen sein dürfen, nicht fest umrissen. So ist es nicht nur nicht verboten, sondern in Einzelfällen sogar geboten, den Anzeigeerstatter oder von ihm beauftragte Personen bei Durchsuchungen hinzuzuziehen, wenn z.B. Diebesgut identifiziert werden muss. Unzulässig wäre die Teilnahme solcher Personen nach deutschem Recht jedoch, wenn dadurch das den Ermittlungsbehörden obliegende Gebot der Unparteilichkeit verletzt würde. Dies ist der Fall, wenn zwei Unternehmen in einem Wettbewerbsverhältnis stehen und Inhaber oder Angestellte eines der Unternehmen verdächtig sind, zum Nachteil des anderen Unternehmens einen Verstoß gegen Wettbewerbsgesetze begangen zu haben (vgl. OLG Hamm, NStZ 1996, 326 f.). Hier besteht die Gefahr, dass die Mitarbeiter der Anzeigeerstatterin bei der Durchsuchung möglicherweise Geschäftsgeheimnisse der "beschuldigten" Mitbewerberin erfahren können, was einen Verstoß gegen die in Artikel 14 GG grundrechtlich gewährleistete Wettbewerbsfreiheit darstellen könnte. Eine derartige Konstellation dürfte in Fällen der Verletzung des geistigen Eigentums nicht selten vorkommen.

Soweit der Rahmenbeschlussvorschlag im Übrigen Regelungen zur Gerichtsbarkeit und Koordinierung der Strafverfolgung enthält (vgl. Artikel 5), merkt der Bundesrat erneut an, dass ein besonderes Augenmerk auf die Kohärenz mit entsprechenden Regelungen in anderen Rechtsinstrumenten der EU zu legen sein wird (vgl. BR-Drucksache 154/05(B) HTML PDF ).