Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel
(Hochfrequenzhandelsgesetz)

903. Sitzung des Bundesrates am 23. November 2012

Der federführende Finanzausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zum Gesetzentwurf allgemein:

Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich eine Eindämmung von missbräuchlichen Handelspraktiken im Hochfrequenzhandel.

Der Bundesrat bittet allerdings, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob und in welchem Maße gesetzliche Mindesthaltefristen für gehandelte Finanzinstrumente auch geeignet sein können, erkannten missbräuchlichen Handelspraktiken entgegenzuwirken.

2. Zu Artikel 1 Nummer 2a - neu - (§ 4 Absatz 5a - neu - BörsG)

In Artikel 1 ist nach Nummer 2 folgende Nummer 2a einzufügen:

"2a. In § 4 wird nach Absatz 5 folgender Absatz 5a eingefügt:

Begründung:

Der Börsenaufsichtsbehörde sollte neben den bestehenden Befugnissen zur Rücknahme und zum Widerruf einer Börsenerlaubnis auch die Befugnis eingeräumt werden, eine erteilte Börsenerlaubnis nachträglich mit Auflagen zu versehen oder bestehende Auflagen nachträglich zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies zur Sicherstellung der Erreichung des Zwecks der Erlaubnis oder der Erfüllung der Aufgaben der Börse oder der Börsenaufsichtsbehörde erforderlich ist. Die künftige Entwicklung und Veränderung der konkreten Umstände, denen Börse und Börsenträger unterworfen sind, lässt sich im Zeitpunkt der Erlaubniserteilung nicht voraussehen. Nach Erteilung einer Börsenerlaubnis können sich die Umstände in einer Weise ändern, dass nachträglich der Erlass von Auflagen oder die Änderung oder Ergänzung bestehender Auflagen durch die Börsenaufsichtsbehörde notwendig wird, um entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Die Erlaubnisse oder Genehmigungen der heute in Deutschland betriebenen Börsen sind zum großen Teil vor Jahrzehnten erteilt worden. Seither haben sich nicht nur die Strukturen der Finanzmärkte, sondern die wirtschaftlichen Gegebenheiten des Standorts Deutschland zum Teil nicht unerheblich verändert. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass sich ein vollständiger oder teilweiser Widerruf der Börsenerlaubnis als untauglich erweisen kann, wenn sich kein anderer geeigneter Börsenträger findet. Daher sollte die Börsenaufsichtsbehörde zur nachträglichen Festsetzung von Auflagen und zur nachträglichen Änderung oder Ergänzung bestehender Auflagen befugt sein, um im Einzelfall auf veränderte Umstände angemessener und flexibel reagieren zu können. Veränderte Umstände können sich beispielsweise ergeben, wenn der Börsenträger (Trägergesellschaft) eine Sitzverlegung ins Ausland beschließt. Dadurch können die Erreichung des Zwecks der Erlaubnis, die Erfüllung der Aufgaben der Börse oder der Börsenaufsichtsbehörde beeinträchtigt werden. Als weitere Beispiele für eine potenzielle Notwendigkeit nachträglicher Anpassungen der Börsenerlaubnis kommen die Eingliederung des Börsenträgers in einen Börsenkonzern mit einer Holding über der Trägergesellschaft oder auch Veränderungen des Marktumfelds durch neue EU-Regulierung in Betracht. Im Hinblick auf die Befugnis zum nachträglichen Erlass von Auflagen findet sich im Kapitalmarktrecht eine vergleichbare Regelung insbesondere im Depotgesetz. § 1 Absatz 3 Satz 2 DepotG ermöglicht es, die Anerkennung eines Kreditinstituts als Wertpapiersammelbank auch nachträglich im Interesse des Anlegerschutzes von der Erfüllung von Auflagen abhängig zu machen.

3. Zu Artikel 1 Nummer 2b - neu - (§ 6 Absatz 2 und 4 BörsG)

In Artikel 1 ist nach Nummer 2a folgende Nummer 2b einzufügen:

"2b. § 6 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Zu Buchstabe a:

Durch Absatz 2 Satz 1 wird der beabsichtigte Erwerb der bedeutenden Beteiligung oder ihre Erhöhung dem Erfordernis der Genehmigung durch die Börsenaufsichtsbehörde unterstellt. Satz 2 enthält einen Ermessenstatbestand im Hinblick auf die Versagung der Genehmigung, wobei die Versagungsvoraussetzungen der Nummer 1 und 2 den in § 6 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 BörsG geltender Fassung normierten Voraussetzungen entsprechen. Durch die Einführung eines Genehmigungserfordernisses und die Verknüpfung mit einem Ermessenstatbestand, der die Versagungsgründe normiert, wird der Börsenaufsichtsbehörde die Möglichkeit eröffnet, die Genehmigung als Grundverwaltungsakt mit Nebenbestimmungen nach § 36 VwVfG zu versehen. Im Rahmen der Ermessensausübung ist beispielsweise zu prüfen, ob der Erlass von Auflagen als milderes Mittel gegenüber der Versagung der Genehmigung in Betracht kommt. Der Börsenaufsichtsbehörde wird damit ein Instrumentarium an die Hand gegeben, das ihr ermöglicht, hinreichend flexibel und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu reagieren. Demgegenüber lässt die geltende Fassung des § 6 Absatz 2 Satz 1 BörsG, der lediglich die Untersagung als Handlungsmöglichkeit umfasst, die Festsetzung von Nebenbestimmungen nicht zu, denn die Regelung sieht den Erlass eines Grundverwaltungsakts, der Voraussetzung für die Festsetzung von Nebenbestimmungen wäre, nicht vor.

Die Sätze 4 und 5 entsprechen inhaltlich den bisherigen Sätzen 2 und 3 des § 6 Absatz 2 BörsG.

Zu Buchstabe b:

Es handelt sich um Folgeänderungen zu den Änderungen unter Buchstabe a.

4. Zu Artikel 1 Nummer 6 ( § 17 Absatz 4 BörsG)

In Artikel 1 Nummer 6 ist § 17 Absatz 4 wie folgt zu fassen:

(4) Unbeschadet des § 26a hat die Börse für die übermäßige Nutzung der Börsensysteme, insbesondere durch unverhältnismäßig viele Auftragseingaben, -änderungen und -löschungen, separate Gebühren zu erheben, sofern nicht der Börsenträger hierfür bereits separate Entgelte verlangt. Die Höhe dieser Gebühren oder Entgelte muss so bemessen sein, dass einer übermäßigen Nutzung im Sinne des Satzes 1 und der damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Systemstabilität oder die Marktintegrität wirksam begegnet wird."

Begründung:

Die Börsen in Deutschland erheben von ihren Nutzern öffentlichrechtliche Gebühren. Es ist dagegen nach dem BörsG nicht erforderlich und auch nicht durchgängig der Fall, dass der jeweilige Börsenträger daneben zusätzliche Entgelte für die Nutzung von Handelssystemen etc. von den Handelsteilnehmern erhebt oder zu diesen überhaupt in zivilrechtlichen Vertragsbeziehungen steht.

Dies führt zum einen dazu, dass die im Entwurf vorgesehene Festlegung der Börsenträger auf die Erhebung privatrechtlicher Entgelte zur Verhinderung der übermäßigen Systemnutzung wegen des erforderlichen vertraglichen Einverständnisses der Handelsteilnehmer nur schwer umsetzbar ist. Eine einseitige Festsetzung durch die Börse kann grundsätzlich nur im Wege einer öffentlichrechtlichen Gebühr erfolgen.

Zum anderen sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Erlöse bei manchen Börsen rein öffentlichrechtlich über Gebühren anfallen und daneben lediglich optional durch zusätzliche private Entgelte beim Träger. Es muss daher der Gestaltung durch die Börse und ihren Träger überlassen bleiben, ob auf privatrechtlicher Grundlage Entgelte verlangt oder öffentlichrechtliche Gebühren erhoben werden nach Maßgabe einer satzungsrechtlichen Bestimmung durch den Börsenrat.

5. Zu Artikel 1 Nummer 11 - neu - (§ 39 Absatz 1 Satz 2 - neu - BörsG)

Dem Artikel 1 ist folgende Nummer 11 anzufügen:

"11. Dem § 39 Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:

"Die Geschäftsführung widerruft die Zulassung, wenn der Emittent seine Pflichten nach § 37v Absatz 1 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes in zwei aufeinander folgenden Fällen auch nach einer von der Geschäftsführung gesetzten angemessenen Frist nicht erfüllt." "

Begründung:

Die Nichterfüllung von im WpHG geregelten Emissionsfolgepflichten kann zunächst durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Rahmen von Ordnungswidrigkeitenverfahren geahndet werden. Daneben kann die Geschäftsführung die Zulassung der zum Handel zugelassenen Wertpapiere unter den Voraussetzungen des § 39 Absatz 1 BörsG widerrufen. Durch die Neuregelung werden einige nach derzeitiger Rechtslage bestehende offene Rechtsfragen beseitigt.

Nach derzeitiger Rechtslage ist nicht mit hinreichender Sicherheit geklärt, ob unter "Pflichten aus der Zulassung" auch solche Pflichten zu verstehen sind, die nicht im BörsG oder aufgrund des BörsG geregelt sind - beispielsweise im WpHG geregelte. Durch die Neuregelung wird klargestellt, dass die Bestimmung sich auch auf Emissionsfolgepflichten bezieht, die nicht im BörsG oder aufgrund des BörsG geregelt sind. Die Entscheidung über den Widerruf der Zulassung von Amts wegen nach § 39 Absatz 1 BörsG steht bisher im Ermessen der Geschäftsführung der Börse. Bei der Ausübung ihres Ermessens hat die Geschäftsführung unter anderem die Schutzgüter des ordnungsgemäßen Börsenhandels und des Anlegerschutzes abzuwägen gegen die Interessen des Emittenten und von dessen Aktionären am Erhalt der Zulassung. Da es sich bei dem Widerruf der Zulassung um eine einschneidende Maßnahme mit Ultima-Ratio-Charakter handelt, dürfte diese regelmäßig nur dann frei von Ermessensfehlern sein, wenn vorher die sonstigen Mittel, die zur Verfügung stehen, um den betreffenden Emittenten zur Einhaltung seiner Pflichten zu veranlassen, ausgeschöpft wurden. Dies bedeutet, dass derzeit ein Widerruf der Zulassung regelmäßig erst dann verhältnismäßig sein dürfte, wenn vorher ein Verfahren vor dem Sanktionsausschuss der Börse gegen den betroffenen Emittenten wegen der Verletzung seiner Zulassungsfolgepflichten durchgeführt wurde. Die Neuregelung stellt klar, dass in dem dort genannten Fall ein Widerruf auch ohne vorhergehende minderschwere Maßnahmen erfolgen kann.

Die Beschränkung auf die Emissionsfolgepflicht nach § 37v Absatz 1 Satz 1 WpHG erfolgt, da allein deren Verletzung als so schwerwiegend angesehen werden kann, dass diese ein "automatisches" Delisting rechtfertigt. Ein Delisting bei sonstigen Pflichtverletzungen im Rahmen einer Ermessensentscheidung bleibt nach wie vor möglich.

Es wird davon ausgegangen, dass die BaFin als für die Überwachung der Einhaltung der Zulassungsfolgepflichten zuständige Behörde über die ohnehin bestehenden Unterrichtungspflichten nach § 6 Absatz 2 Wertpapierhandelsgesetz und § 8 Absatz 1 Börsengesetz hinaus auch die jeweils betroffenen Börsen über ihre diesbezüglichen Erkenntnisse zeitnah und umfassend unterrichtet.

6. Zu Artikel 2 Nummer 5 ( § 64p KWG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Geltung der im Kreditwesengesetz vorgesehenen Erlaubnispflicht für den mittels algorithmischer Handelssysteme durchgeführten Eigenhandel bis zum Inkrafttreten entsprechender einheitlicher europäischer Regelungen aufgeschoben werden sollte.

Ansonsten würde Handelsteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums der Zugang zu deutschen Börsen und Handelsplattformen faktisch verwehrt. Sie wären gezwungen, wie Händler aus Nicht-EWR-Staaten eine Niederlassung in Deutschland zu gründen, um eine entsprechende Erlaubnis bei der Bundesanstalt beantragen zu können. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass sie eher auf ausländische Handelssysteme ausweichen werden, statt diesen Aufwand zu betreiben. Eine solche Handelsverlagerung könnte den Finanzstandort Deutschland dauerhaft schwächen.

Eine Lösung kann nur eine harmonisierte europäische Regulierung des Hochfrequenzhandels bringen, wie sie mit der Überarbeitung der Finanzmarktrichtlinie ("MiFID II") angestrebt wird. Auf dieser Grundlage wäre eine gegenseitige Anerkennung der nationalen aufsichtsrechtlichen Zulassungen ("EU-Pass") möglich.

Ein zeitlicher Aufschub würde auch ermöglichen, praktikable Lösungen dafür zu finden, wie die Erlaubnispflicht für lediglich mittelbar am Hochfrequenzhandel beteiligte Handelsteilnehmer effektiv durchgesetzt und kontrolliert werden kann.

7. Zu Artikel 3 Nummer 6 (§ 33 Absatz 1a Satz 5 WpHG)

In Artikel 1 Nummer 6 ist in § 33 Absatz 1a Satz 5 der Punkt am Ende durch die Wörter "; es sei denn, es betreibt Market-Making-Tätigkeiten im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe k der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps (ABl. L 86 vom 24.3.2012, S. 1)." zu ersetzen.

Begründung:

Im Rahmen von Market-Making-Tätigkeiten wird dadurch Liquidität gespendet, dass Aufträge von Anlegern durch speziell mandatierte Handelsteilnehmer ausgeführt werden, ohne dass auf der Gegenseite eine entsprechende Order eines anderen Anlegers vorhanden sein muss. Diese Tätigkeiten dienen damit unmittelbar der Funktionsfähigkeit der Märkte. Bei der Mehrheit der an den Börsen gehandelten Finanzinstrumente kommt ein Handel überhaupt erst durch diese spezielle Tätigkeit zustande. Wie bereits in der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps erfolgt (Artikel 17 Absatz 2, Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe k, Erwägungsgrund 26), ist es daher auch vorliegend sachgerecht, eine Ausnahme für all diejenigen zu schaffen, die in Form des Eigenhandels, z.B. als Designated Sponsor mit der Finanzdienstleistung oder mit Aufgabegeschäften als Liquiditätsspender tätig sind und die in keinerlei Weise zur Finanzkrise beigetragen haben. Die Einführung der umfassenden Dokumentationspflicht kann die Fähigkeit der Market-Maker, für Liquidität zu sorgen, erheblich einschränken und die Effizienz der Märkte erheblich beeinträchtigen. Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben wäre es notwendig, die vielfachen Parameter ihrer Programme zur Erstellung von Offerten (so genannte Quote Engine, Price Machine, Taxgenerator) auf ihre jeweiligen Marktgegebenheiten einzustellen, was angesichts der Fülle der gehandelten Produkte kaum möglich ist. Es ist auch sachlich nicht notwendig, denn diese Marktteilnehmer sind besonders vertraglich dem Träger des Handelsplatzes verpflichtet und unterliegen einer Kontrolle.