Antrag des Landes Hessen
Entwurf eines Gesetzes zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel
(Hochfrequenzhandelsgesetz)

Punkt 35 der 903. Sitzung des Bundesrates am 23. November 2012

Der Bundesrat möge zu dem Gesetzentwurf wie folgt Stellung zu nehmen:

Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 3 Absatz 4 Satz 1 BörsG) Nummer 7 (§ 19 Absatz 8a - neu - BörsG) Nummer 7a - neu - (§ 19a - neu - BörsG) Nummer 8 (§ 22 Absatz 1 Satz 1 BörsG)

Artikel 2 (Änderungen des Kreditwesengesetzes) Artikel 3 Nummer 1 (§ 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 WpHG) Nummer 2 (§ 2a Absatz 1 Nummer 8, 9 und 12 WpHG) Nummer 3a - neu - (§ 4a Absatz 1 Nummer 3 - neu - WpHG)

Begründung:

Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen im Wesentlichen die Ersetzung der im Regierungsentwurf vorgesehenen Erlaubnispflicht für Hochfrequenzhandel im KWG durch zusätzliche Anforderungen an die Zulassung von unmittelbaren und mittelbaren Marktteilnehmern, die algorithmischen Handel betreiben, an den Börsen sowie zusätzliche Eingriffsbefugnisse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Eine effektive und zielgerichtete Aufsicht durch die BaFin und die jeweiligen Börsenaufsichtsbehörden der Länder ist durch die einzuführenden zusätzlichen Anforderungen an unmittelbare und mittelbare Handelsteilnehmer der Börsen (§§ 19 und 19a BörsG), durch die Kennzeichnungspflicht für den algorithmischen Handel ( § 16 Absatz 2 BörsG) und die entsprechenden Eingriffsrechte gegenüber den handelnden Unternehmen ( § 4a Absatz 1 WpHG und § 3 Absatz 5 Nummer 4 BörsG) gesichert. Eine zusätzliche Erlaubnispflicht nach dem KWG vermag an dieser Stelle keine Verbesserung der Aufsichtsqualität zu leisten, führt aber zu schwerwiegenden und unerwünschten Nachteilen für den Finanzplatz Deutschland. Diese Nachteile ergeben sich zum einen aus den von der Bundesregierung in ihrem Entwurf angegebenen hohen Kosten einer KWG-Erlaubnis und den Folgekosten. Letztere ergeben sich vor allem aus den dann geltenden Vorschriften des KWG, die auf die Sicherung der Solvenz eines Instituts und den Schutz der diesem anvertrauten Kundengelder gerichtet sind, das heißt aus Anforderungen, die mit dem Regelungsziel des Gesetzentwurfs in keinem Zusammenhang stehen. Für deutsche Handelsteilnehmer, die bisher keine KWG-Erlaubnis benötigten - regelmäßig handelt es sich dabei um kleine und mittlere Unternehmen - ist jeweils von jährlichen Zusatzkosten von 50 000 bis 150 000 Euro auszugehen.

Zum anderen darf eine Erlaubnis nach dem KWG nur erteilt werden, wenn der Antragsteller seinen Sitz im Inland hat (§ 33 Absatz 1 Nummer 6) oder zumindest über eine inländische Zweigniederlassung verfügt (§ 53 Absatz 1 Satz 1). Ausgenommen sind lediglich Institute mit Sitz in der EU, die den so genannten europäischen Pass in Anspruch nehmen können. Dies hat zur Folge, dass ein nicht unerheblicher Teil der derzeitigen unmittelbaren und vor allem der mittelbaren Teilnehmer am Börsenhandel in Deutschland gezwungen wäre, zumindest eine Zweigniederlassung in Deutschland zu gründen, um die erforderliche KWG-Erlaubnis beantragen zu können. Angesichts der damit verbundenen Kosten besteht eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die betroffenen Unternehmen keine Zweigniederlassung errichten, sondern sich vom Finanzplatz Deutschland abwenden werden. Bereits die unmittelbaren Teilnehmer der Frankfurter Wertpapierbörse (beispielsweise mit Sitz in den USA, der Schweiz, Hongkong, Singapur sowie EU-ansässige, die nicht den europäischen Pass in Anspruch nehmen können), die von diesen negativen Folgen getroffen würden, repräsentieren nach Angaben der Deutschen Börse knapp 20 Prozent des Handelsvolumens an der Börse. An der Eurex Deutschland liegt deren Marktanteil danach noch darüber. Nicht absehbar, aber mit Sicherheit erheblich ist das Handelsvolumen von mittelbaren Marktteilnehmern, von denen erst recht zu erwarten ist, dass sie sich vom Finanzplatz Deutschland zurückziehen.

Darüber hinaus sind die Voraussetzungen, bei deren Erfüllung ein nach KWG erlaubnispflichtiger Sachverhalt vorliegt so weit gefasst, dass nicht nur der Hochfrequenzhandel im eigentlichen Sinne erfasst wird, sondern nahezu jegliche Nutzung von Algorithmen zum Handel von Finanzinstrumenten. Prinzipiell jeder Algorithmus reagiert in "Sekundenbruchteilen" auf Marktpreisänderungen oder sonstige Parameter durch Auslösen programmierter Handelsaktivitäten, da Algorithmen gerade zu diesem Zweck im Börsenhandel genutzt werden. Hochfrequenzhandel stellt eine Unterform des algorithmischen Handels dar. Die mit dem Entwurf verfolgte Absicht, allein den Hochfrequenzhandel erlaubnispflichtig zu machen, nicht aber die Nutzung von Algorithmen im Allgemeinen, würde wegen der im Falle eines Verstoßes gegen die Erlaubnispflicht drohenden strafrechtlichen Sanktion (§ 54 KWG) eine dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot genügende trennscharfe Abgrenzung des Hochfrequenzhandels vom allgemeinen algorithmischen Handel erfordern. Dieses dürfte kaum möglich sein. Um nicht eine kaum vertretbare Erlaubnisbedürftigkeit der Nutzung von Handelsalgorithmen allgemein einzuführen - wie durch die Fassung des Regierungsentwurfs allerdings geschehen - bleibt nur die Möglichkeit, von einer Regelung im KWG abzusehen.

Durch die Streichung der Notwendigkeit einer KWG-Erlaubnis und die gleichzeitige Einführung erhöhter Anforderungen an unmittelbare und mittelbare Marktteilnehmer an den Börsen, die algorithmischen Handel betreiben, werden die dargestellten negativen Folgen für den Finanzplatz Deutschland vermieden. Das mit dem Gesetzentwurf verfolgte Ziel einer deutlich verschärften Aufsicht über den algorithmischen Handel wird dadurch sowie durch die zusätzlich einzuführenden Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse der BaFin in keiner Weise beeinträchtigt, sondern umfassend gewährleistet. Es werden andererseits keine Anforderungsprofile in Bezug auf die Marktteilnehmer eingeführt, die gegebenenfalls bei einer Umsetzung einer künftigen Überarbeitung der EU-Finanzmarktrichtlinie grundsätzlich geändert werden müssten. Aus diesen Gründen sind die Vorschriften des KWG zu streichen und der Artikel 2 entfällt. Die Vorschriften des WpHG mit Bezug auf die Erlaubnispflicht nach KWG entfallen daher ebenfalls. Erhalten bleiben die Vorschriften des WpHG mit der Definition des algorithmischen Handels und den inhaltlichen Anforderungen an die Unternehmen.

Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Sanktionen im Falle von Verstößen gegen das Order-Transaktionsverhältnis (Artikel 1 Nummer 7 des Entwurfs) sind zu streichen. Es erscheint zweifelhaft, ob das Ruhen der Zulassung und der Widerruf der Zulassung eines Börsenteilnehmers aufgrund eines Verstoßes gegen § 26a angesichts der Artikel 12 und 14 Grundgesetz in der Praxis jemals in rechtmäßiger Weise angeordnet werden könnte. Es sind darüber hinaus keine Gründe ersichtlich, weshalb in Bezug auf eine Verletzung des Order-Transaktionsverhältnisses von den allgemein geltenden Sanktionsmechanismen des § 22 BörsG abgewichen werden sollte. § 22 BörsG sieht bei Verstößen gegen börsenrechtliche Bestimmungen die Durchführung eines Sanktionsverfahrens vor. Ohne die Durchführung eines Sanktionsverfahrens, wäre das Ruhen der Zulassung oder deren Widerruf stets als unverhältnismäßig anzusehen. Zur Wahrung der von der Bundesregierung beabsichtigten Sanktionierung von Verstößen gegen den geplanten § 26a BörsG ist der § 22 BörsG geeignet. Um eine wirksame Abschreckung durch drohende Sanktionen nach § 22 BörsG auch im Hinblick auf Verstöße gegen § 26a BörsG zu gewährleisten, ist das maximal zu verhängende Ordnungsgeld auf 2 Millionen Euro zu erhöhen.