Verordnungsantrag des Landes Baden-Württemberg
Entwurf einer ... Verordnung zur Änderung der fünfunddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
(Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung - 35. BImSchV)

A. Problem und Ziel

Erhebliche Anstrengungen der Bundesregierung, der Länder und der Kommunen haben zu einer signifikanten Reduzierung der Partikel- und Stickstoffoxidemissionen geführt. Trotz der Verbesserung der Luftqualität werden aber noch nicht in allen Gebieten die die zum Schutz der menschlichen Gesundheit festgelegten Grenzwerte eingehalten. Auch die von der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichteinhaltung der Grenzwerte für Feinstaub PM10 und Stickstoffdioxid und die aktuellen Gerichtsverfahren der Deutschen Umwelthilfe e.V. gegen mehrere Bundesländer wegen der Fortschreibung von Luftreinhalteplänen zeigen zusätzlichen Handlungsbedarf auf europäischer, nationaler und kommunaler Ebene für eine weitere Verringerung der Partikel- und der Stickstoffoxidemissionen nochmals auf.

Zur Senkung der Belastungen müssen Minderungsmaßnahmen in allen Verursacherbereichen und auf allen Handlungsebenen ergriffen werden. Die aktuelle 35. BImSchV (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge (Kfz) mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung) unterscheidet nicht zwischen Kfz mit konventionellen Verbrennungsmotoren der Schadstoffnormen Euro 4, 5, 6 bzw. IV, V, VI. Diesen Kfz sowie teilweise auch den mit offenen

Dieselrußpartikelfiltern nachgerüsteten Euro 3/ III-Fahrzeugen wird bisher einheitlich eine grüne Plakette zugeteilt. Da Euro 6/ VI Fahrzeuge aber vor allem weniger Stickstoffoxide emittieren, ist es erforderlich hier eine Unterscheidung zu treffen und auf eine schnellere Verbreitung von Euro 6/ VI Fahrzeugen hinzuwirken. Um für Fahrzeuge mit höheren Luftschadstoffemissionen Verkehrsverbote in Umweltzonen festlegen zu können, ist es erforderlich das Plakettensystem um eine zusätzliche Plakette zu erweitern. Die Festlegung von Verkehrsbeschränkungen auf der Grundlage einer neuen Plakette steht im Ermessen der unteren Verkehrsbehörden und ist nicht unmittelbare Folge des vorliegenden Verordnungsantrags.

Einige Regelungen der 35. BImSchV sind teilweise inhaltlich widersprüchlich und oder nicht mehr zeitgemäß. Daher wurden diesbezüglich Änderungen formuliert.

B. Lösung

Eindeutige Kennzeichnung besonders emissionsarmer Fahrzeuge mittels einer neuen Plakette.

C. Alternativen

Keine.

D. Finanzielle Auswirkungen

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand:

Die Kosten für die Herstellung und Vergabe der Plaketten werden durch Gebühren der Kfz-Halter kompensiert.

2. Vollzugsaufwand:

Die Neufassung der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung selbst verursacht keinerlei Vollzugsaufwand. Die Plakettenvergabe wird kostenmäßig kompensiert, soweit sie bei Verwaltungsbehörden nachgefragt wird. Die Ausweisung von Gebieten, für die Verkehrsverbote gelten sollen, richtet sich nach anderen Vorschriften und steht mit dem Entwurf dieser Kennzeichnungsverordnung nur mittelbar in Zusammenhang. Das gleiche gilt für die Anschaffung und Aufstellung notwendiger Verkehrszeichen für verkehrsbeschränkte Gebiete.

E. Sonstige Kosten

Halter von der Neuregelung betroffener Kfz, die bereits grüne Plaketten haben, müssen sich neue Plaketten anschaffen, wenn sie in ggf. betroffenen Gebieten fahren wollen. Die Kosten für eine Plakette sollten im einstelligen Euro-Bereich liegen.

Verordnungsantrag des Landes Baden-Württemberg
Entwurf einer ... Verordnung zur Änderung der fünfunddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung - 35. BImSchV)

Staatsministerium Baden-Württemberg
Stuttgart, 19. Oktober 2016
Staatsminister und Chef der Staatskanzlei

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stanislaw Tillich

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung von Baden-Württemberg hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Entwurf einer ... Verordnung zur Änderung der fünfunddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung - 35. BImSchV)

mit dem Ziel zu übersenden, die Zuleitung gemäß Artikel 80 Absatz 3 Grundgesetz an die Bundesregierung zu beschließen.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 23 Absatz 3 in Verbindung mit § 15 Absatz 1 und § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 950. Sitzung des Bundesrates am 4. November 2016 aufzunehmen und sie anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus-Peter Murawski

Entwurf einer ... Verordnung zur Änderung der fünfunddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung - 35. BImSchV)

Vom ...

Auf Grund des § 40 Abs. 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. November 2014 (BGBl. I S. 1740) geändert worden ist, verordnet die Bundesregierung nach Anhörung der beteiligten Kreise:

Artikel 1
Änderung der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung

Die Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung vom 10. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2218), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 5. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2793) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In § 2 Abs. 2 Satz 1 wird die Zahl 4 durch die Zahl 5 ersetzt.

2. § 3 Abs. 1 wird wie folgt geändert:

3. § 4 wird wie folgt geändert:

4. § 6 wird wie folgt geändert:

5. Anhang 1 Plakettenmuster (zu § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1) wird wie folgt geändert:

6. Anhang 2 Zuordnung der Kraftfahrzeuge zu den Schadstoffgruppen (zu § 2 Abs. 2) wird wie folgt geändert:

7. Anhang 3 Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht nach § 2 Abs. 1 (zu § 2 Abs. 3) wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung:

Erhebliche Anstrengungen der Bundesregierung, der Länder und der Kommunen haben zu einer signifikanten Reduzierung der Partikel- und Stickstoffoxidemissionen geführt. Trotz der Verbesserung der Luftqualität werden aber noch nicht in allen Gebieten die die zum Schutz der menschlichen Gesundheit festgelegten Grenzwerte eingehalten. Auch die von der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichteinhaltung der Grenzwerte für Feinstaub PM10 und Stickstoffdioxid und die aktuellen Gerichtsverfahren der Deutschen Umwelthilfe e.V. gegen mehrere Bundesländer wegen der Fortschreibung von Luftreinhalteplänen zeigen zusätzlichen Handlungsbedarf auf europäischer, nationaler und kommunaler Ebene für eine weitere Verringerung der Partikel- und der Stickstoffoxidemissionen nochmals auf.

Zur Senkung der Belastungen müssen Minderungsmaßnahmen in allen Verursacherbereichen und auf allen Handlungsebenen ergriffen werden. Die aktuelle 35. BImSchV unterscheidet nicht zwischen Kfz mit konventionellen Verbrennungsmotoren der Schadstoffnormen Euro 4, 5, 6 bzw. IV, V, VI. Diesen Kfz sowie teilweise auch den mit offenen

Dieselrußpartikelfiltern nachgerüsteten Euro 3/ III-Fahrzeugen wird bisher einheitlich eine grüne Plakette zugeteilt. Da Euro 6/ VI Diesel-Fahrzeuge aber vor allem hinsichtlich Stickstoffoxide weniger emittieren, ist es verursachergerecht hier eine Unterscheidung zu treffen und auf eine schnellere Verbreitung von Euro 6/ VI Fahrzeugen hinzuwirken. Um für Fahrzeuge mit höheren Luftschadstoffemissionen Fahrverbote in Umweltzonen festlegen zu können, ist es erforderlich das Plakettensystem um mindestens eine zusätzliche Plakette zu erweitern. Fremdzündungsmotoren emittieren Technikbedingt deutlich weniger Luftschadstoffe als Dieselmotoren. Kfz mit Fremdzündungsmotoren sollen daher ab Euro 3 die blaue Plakette zugeteilt bekommen. Als einfache und europakonforme Lösung können besonders emissionsarme Fahrzeuge mittels einer neuen (blauen) Plakette eindeutig gekennzeichnet werden.

Die jetzige Kennzeichnung der Fahrzeuge in der 35. BImSchV ist primär auf die Partikelemissionen und somit auf die Reduzierung der Feinstaubbelastung ausgerichtet, eine weitergehende Differenzierung im Hinblick auf niedrige NOx-Emissionen erfolgt nicht. Die - von der Einrichtung der Umweltzone beschleunigte - Erneuerung des Fahrzeugbestands und die damit verbundene Abnahme älterer Fahrzeuge lässt die jetzige Regelung auf absehbare Zeit ins Leere laufen. Zur Bewältigung der NO₂ Problematik kann die gegenwärtige Regelung in Zukunft kaum noch beitragen.1

Gerade in besonders belasteten kleinräumigen Gebieten, in denen empfindliche Bevölkerungsgruppen, einschließlich Kinder, wohnen oder sich über längere Zeit aufhalten, könnten Verkehrsverbote für Fahrzeuge, denen die neue Plakette nicht zugeteilt würde, einen wichtigen Beitrag zur frühzeitigeren Einhaltung des NO₂ Jahresmittelgrenzwerts leisten.

Eine notwendige Ausweitung des Kreises der ausgabeberechtigten Stellen unter Schaffung expliziter gesetzlicher (Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes) und untergesetzlicher Regelungen zur Beleihung Privater mit der Aufgabe der Ausgabe von Plaketten wird nicht gesehen. Im Gegenteil werden immer weniger Fahrzeuge zu plakettieren sein, so dass eine Beschränkung auf die Zulassungsbehörden oder die nach Landesrecht sonst zuständigen öffentlichen Stellen ausreichend erscheint.

Es gab vereinzelt die Fälle, dass eine Plakette, die zu Unrecht an einem Fahrzeug angebracht war, aufgrund einer Mängelberichtsanzeige der Polizei wieder entfernt werden musste. Es ist mittlerweile bekannt, dass auch bei den Plaketten nach 35. BImSchV ein großes Missbrauchspotential besteht.

Es stellte sich daher die Frage nach der zuständigen Behörde und der Rechtsgrundlage bei einer solchen Maßnahme.

Die 35. BImSchV enthält keine entsprechende Regelung. Um Rechtssicherheit zu schaffen, soll eine entsprechende Regelung in die § 35. BImSchV aufgenommen werden und die Ausgabestellen dazu berechtigt werden fehlerhafte Plaketten wieder entfernen zu dürfen.

Schließlich sind die generellen Ausnahmen im Anhang 3 zum Teil inhaltlich widersprüchlich und oder nicht mehr zeitgemäß, so z.B. § 1 Abs. 1 Satz 2 und § 2 Absatz 3, da im Anhang 3 Kraftfahrzeuge von den Verboten befreit werden, die im Geltungsbereich des § 1 nicht enthalten sind (z.B. mobile Maschinen und Zweiräder). Dort wird die Gültigkeit der 35. BImSchV nur für Fahrzeugklassen M und N ausgeführt. Eine Erweiterung dieses Geltungsbereiches im Anhang 3 ist daher nicht erforderlich.

Für Fahrzeuge mit rotem Händler- und Kurzzeitkennzeichen und für Versuchs- und Erprobungsfahrzeuge soll anstelle von Allgemeinverfügungen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung eine generelle Ausnahme von der Kennzeichnungspflicht vorgesehen werden. Diesem Ansatz liegt ein Konsens in dem Abstimmungsprozess zwischen Bund und Ländern zur Vereinheitlichung der Ausnahmeregelungen von Verkehrsverboten in Umweltzonen, der in der 17. Legislaturperiode zwischen Bund und Ländern geführt wurde, zu Grunde.

Für Menschen mit beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder mit vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen soll aus rechtssystematischen Gründen eine generelle Ausnahme in Anhang 3 der 35. BImSchV geregelt werden. Nr. 3 zu Zeichen 270.1 StVO bestimmt:

"Von dem Verbot der Verkehrsteilnahme sind zudem Kraftfahrzeuge zur Beförderung schwerbehinderter Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder mit vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie blinde Menschen ausgenommen." Es scheint daher sinnvoll sich bei der Definition an dieser Personengruppe zu orientieren.