Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
Erste Verordnung zur Änderung der Regelsatzverordnung

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternative

D. Finanzielle Auswirkungen

E. Sonstige Kosten

Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
Erste Verordnung zur Änderung der Regelsatzverordnung

Der Chef des Bundeskanzleramtes Berlin, den 29. August 2006

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Harry Carstensen

Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu erlassende


mit Begründung und Vorblatt.
Ich bitte, die Zustimmung des Bundesrates aufgrund des Artikels 80 Absatz 2 des Grundgesetzes herbeizuführen.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas de Maiziere

Erste Verordnung zur Änderung der Regelsatzverordnung

Vom ...

Auf Grund des § 40 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. 1 S. 3022, 3023), der durch ...vom ... geändert worden ist, in Verbindung mit § 1 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes vom 16. August 2002 (BGBl. 1 S. 3165) und dem Organisationserlass vom 22. November 2005 (BGBl. 1 S. 3197) verordnet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen:

Artikel 1
Änderung der Regelsatzverordnung

Artikel 2
Inkrafttreten

Der Bundesrat hat zugestimmt.

Begründung

Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Änderung der Verordnung

Dem Bemessungssystem in der Sozialhilfe liegt - auf Grund eines Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz aus dem Jahr 1989 - seit 1990 das Statistikmodell zu Grunde, das mit dem Gesetz zur Reform des Bundessozialhilfegesetzes vom 23. Juli 1996 gesetzlich verankert wurde. Danach hat die Regelsatzbemessung Stand und Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen. Grundlage dafür sind die statistisch ermittelten Verbrauchsausgaben von Haushalten in unteren Einkommensgruppen; Datengrundlage ist die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS). Die erforderliche nähere Ausgestaltung dieses Bemessungssystems erfolgte mit der Regelsatzverordnung (RSV) vom 3. Juni 2004. Die derzeitige Regelsatzbemessung erfolgte sowohl für den Westen als auch für den Osten auf der Grundlage der Verbrauchsstruktur Deutschland West. Die erstmalige Festsetzung der Regelsätze durch die Länder auf der Grundlage dieser Regelsatzverordnung erfolgte zum 1. Januar 2005. Im Westen wurde der Eckregelsatz unter Zugrundelegung der dortigen Verbrauchsausgaben auf 345 Euro festgesetzt, mit Ausnahme in Bayern, das als Landesregelsatz einen Mindestregelsatz von 341 Euro festgesetzt hat. Im Osten wurde der Eckregelsatz auf Grund der dortigen Verbrauchsausgaben und unter Berücksichtigung der Regelung in § 28 Abs. 2 Satz 3 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch einheitlich auf 331 Euro festgesetzt.

Mit dem Vorliegen der Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 war der Verordnungsgeber gesetzlich verpflichtet, die Regelsatzbemessung zu überprüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln (§ 28 Abs. 3 Satz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch).

Der Verordnungsgeber hat die Regelsatzbemessung an Hand der Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 überprüft.

Im Rahmen der Überprüfung an Hand der EVS 2003 wurde insbesondere die Vergleichbarkeit der EVS 2003 mit der EVS 1998 überprüft. Dabei zeigte sich, dass es Verschiebungen sowohl zwischen den einzelnen Abteilungen als auch innerhalb der Abteilungen gibt. So wurden beispielsweise alkoholische Getränke sowie Tabakwaren von der Abteilung 01 in die bisher als nicht regelsatzrelevant eingestufte Abteilung 02 verschoben, die Einzelposition "Gewerbliche Nutzung von Kutschen u.a. von Tieren bezogenen Fahrzeugen" wurde aus der Abteilung 09 in die Abteilung 07 verschoben.

Die Verschiebungen in der EVS 2003 ließen sich fast ausnahmslos rechnerisch in die Systematik der EVS 1998 zurückführen, da es sich nicht um Änderungen im Verbraucherverhalten handelt, sondern lediglich um statistische Änderungen, die verordnungsrechtlich nicht relevant waren.

Auf Grund dieser Überprüfung hat der Verordnungsgeber sich für eine Weiterentwicklung der Regelsatzbemessung mit den Zielen:

Der Verordnungsgeber hält aus sozialpolitischen Gründen getrennte und ihrer Höhe nach unterschiedliche Regelsätze in Ost und West nicht mehr für gerechtfertigt. Der Ombudsrat für die Grundsicherung für Arbeitsuchende hatte in seinem Zwischenbericht vom 29. Juni 2005 für das Arbeitslosengeld II darauf hingewiesen, dass die niedrigere Regelleistung in den neuen Ländern nicht mit dem Hinweis auf niedrigere Nettoeinkommen, geringere Lebenshaltungskosten und unterschiedliches Verbraucherverhalten zu rechtfertigen sei. Mit dem Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl. I. S. 558) wurden daraufhin die Regelleistungen für erwerbsfähige Hilfebedürftige (Arbeitslosengeld II) für die neuen Länder wie in den alten Ländern auf 345 Euro angehoben.

Die Begründung, dass Verbrauchsstruktur und Konsumverhalten nicht nur in Ost und West, sondern innerhalb des gesamten Bundesgebietes Unterschiede aufweisen, trifft für die Sozialhilfe ebenfalls zu.

Wenn jedoch auf getrennte und in ihrer Höhe unterschiedliche Regelsätze in Ost und West verzichtet werden soll, ist es konsequent, bei der Regelsatzbemessung nicht weiter auf die Verbrauchsstruktur Westdeutschland abzustellen, sondern auf die gesamtdeutsche Verbrauchsstruktur. Bei einer gesamtdeutschen Verbrauchsstruktur werden die Struktur der Ausgaben aller Haushalte in Deutschland berücksichtigt und die tatsächlichen Lebensverhältnisse in Deutschland abgebildet. Allerdings erlaubt die Festsetzung der Regelsätze durch die Länder in gewissem Umfang die Berücksichtigung regionaler Unterschiede (z.B. § 28 Abs. 2 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch).

Die Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe hat ergeben, dass sich das Verbraucherverhalten geändert hat. Dies hat eine Überprüfung der geltenden Regelsatzbemessung an Hand der Verbrauchsausgaben der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 gezeigt. So haben sich beispielsweise die regelsatzrelevanten Verbrauchsausgaben in der Abteilung 07 (Verkehr) in größerem Umfang reduziert.

Im Zusammenhang mit der Neubemessung der Regelsätze wurde auch - soweit vertretbar - auf normative Setzungen des Verordnungsgebers verzichtet und von Schätzungen und Abschlägen Abstand genommen. Damit wird der bisherigen Kritik wegen mangelnder Nachvollziehbarkeit, Widerspruch zum Statistikmodell etc. begegnet. Bei einer Reihe von Positionen hat der Verordnungsgeber auch weiterhin von seinem Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht.

Künftig wird das Statistische Bundesamt nur eine einheitliche gesamtdeutsche Auswertung der EVS vorlegen. Legen die Länder bei der Regelsatzfestsetzung diese Auswertung zu Grunde, ergibt sich auf Grund der Neubemessung ein einheitlicher gesamtdeutscher Regelsatz von 345 Euro. Den Ländern bleibt es weiterhin wie bisher überlassen, bei der Festsetzung der Regelsätze neben der Berücksichtigung landesspezifischer Besonderheiten auch regionale Auswertungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zu Grunde zu legen, die zu unterschiedlichen Leistungen in den einzelnen Ländern führen können.

Da die Sozialhilfe Referenzsystem für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ist, gilt die neue Bemessung auch für die Regelleistungen (§ 20 Abs. 4 Satz 2 SGB Il).

II. Auswirkungen der Verordnung

Durch die Verordnungsänderung selbst entstehen für die öffentlichen Haushalte und für die Wirtschaft keine zusätzlichen Kosten. Die grundsätzlichen Vorschriften erfolgen im Gesetz, wo die entsprechenden Kostenfolgen dargestellt werden.

Als Folge der Verordnung sind Auswirkungen auf Lohnnebenkosten nicht zu erwarten, so dass zusätzliche Belastungen für Beitragszahler nicht entstehen. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau sind nicht zu erwarten.

III. Gleichstellungspolitische Auswirkungen (Gender Mainstreaming)

Die Gleichstellung der Geschlechter wird beachtet. Die Änderungen differenzieren nicht nach Geschlecht. Mit der Neuregelung, dass bei zusammen lebenden Ehe- oder Lebenspartnern jeder künftig 90 vom Hundert des Eckregelsatzes erhält, werden auch Genderaspekte berücksichtigt.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung der Regelsatzverordnung)

Zu Nr. 1 (§ 2 Abs. 2)


Abteilung 01 und 02 (Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren und Ähnliches):
Die in der Nummer 1 neu aufgenommene Abteilung 02 trägt dem Umstand Rechnung, dass die bisher in der Abteilung 01 mitenthaltenen Güter alkoholische Getränke und Tabakwaren mit der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 in die Abteilung 02 übernommen wurden und aus Gründen der Vergleichbarkeit mit der EVS 1998 eine Rückrechnung erfolgte. Der regelsatzrelevante Anteil von 96 vom Hundert bleibt - wie in der bisherigen Regelsatzverordnung - unverändert.


Abteilung 03 (Bekleidung und Schuhe):
Die Ausgaben in Abteilung 03 werden vollständig berücksichtigt. Zum einen werden regelsatzrelevante Einzelpositionen wieder einzeln ausgewiesen; zum anderen wird wegen der Schwierigkeiten, den Abschlag für Bekleidung und Schuhe nachvollziehbar zu beziffern, darauf verzichtet und jeweils ein Anteil von 100 vom Hundert angesetzt. Dadurch ergibt sich ein Anteil für diese Abteilung von 100 vom Hundert, anstelle von 89 vom Hundert bisher.


Abteilung 04 (Wohnung, Energie, Wohnungsinstandsetzung):
Nicht im Regelsatz berücksichtigt werden die Leistungen für Wohnung und Heizung, die den größten Anteil der Ausgaben dieser Abteilung ausmachen und von den Sozialhilfeträgern erbracht werden. Der bei der Position "Strom" schon bisher gegebene Abschlag von 15 vom Hundert wird beibehalten, um entsprechende Ausgaben für Heizungsstrom, die nicht getrennt erfasst werden können, zu berücksichtigen. Der regelsatzrelevante Anteil bleibt wie bisher bei 8 vom Hundert, trotz der Veränderungen im Verbraucherverhalten und des Übergangs zu einer gesamtdeutschen Verbrauchsstruktur.


Abteilung 05 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände):
2003 entsprechen die regelsatzrelevanten Positionen der Abteilung 05 inhaltsgleich denen der EVS 1998. Ebenso wird bei Möbeln und Einrichtungsgegenständen ein Abschlag von 20 vom Hundert vorgenommen, da dazu auch Ausgaben gehören, die nicht zum notwendigen Bedarf zu zählen sind. Auf Grund der Änderungen im Verbraucherverhalten und wegen des Übergangs auf eine gesamtdeutsche Verbrauchsstruktur ergibt sich ein regelsatzrelevanter Anteil von 91 vom Hundert gegenüber 87 vom Hundert bisher.


Abteilung 06 (Gesundheitspflege):
Die in Abteilung 06 enthaltenen regelsatzrelevanten Ausgaben werden wie bisher vollständig anerkannt. Die Abteilung enthält darüber hinaus eine Reihe von Positionen, die nicht zum notwendigen Bedarf gehören.
Anstelle des bisherigen Prozentsatzes von 64 vom Hundert ergeben sich auf Grund der Veränderung des Verbraucherverhaltens und des Übergangs zu einer gesamtdeutschen Verbrauchsstruktur 71 vom Hundert.


Abteilung 07 (Verkehr):
Auf Grund der Abgrenzung in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 konnten die regelsatzrelevanten Ausgaben für die Einzelposition "Zubehör für Fahrräder" nur geschätzt werden. Durch die Neuabgrenzung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 werden diese Ausgaben nun wieder getrennt ausgewiesen. Diese Einzelposition wird nunmehr vollständig berücksichtigt, wie die anderen regelsatzrelevanten Positionen (Kauf von Fahrrädern, fremde Verkehrsdienstleistungen). Auf Grund der Veränderungen im Verbraucherverhalten - stärkerer Wechsel vom ÖPNV zum Individualverkehr - und des Übergangs zu einer gesamtdeutschen Verbrauchsstruktur reduziert sich der regelsatzrelevante Anteil von 37 vom Hundert auf 26 vom Hundert.


Abteilung 08 (Nachrichtenübermittlung):
Die bislang nur teilweise berücksichtigten Ausgaben der Einzelposition "Kauf von Telefon-, Telefaxgeräten, Mobilfunktelefonen, Anrufbeantwortern" sowie für "Kommunikationsdienstleistungen - Telefon, Fax, Telegramme", "Kommunikationsdienstleistungen - Internet/Onlinedienste" werden nunmehr vollständig als regelsatzrelevant anerkannt, da sich die Abschläge nicht nachvollziehbar beziffern lassen. Mobilfunkdienstleistungen sind nicht gleichzeitig neben Festnetzleistungen regelsatzrelevant. Auf Grund des geänderten Verbraucherverhaltens, des Verzichts von Abschlägen und des Übergangs zu einer gesamtdeutschen Verbrauchsstruktur ergibt sich ein Prozentsatz von 75 vom Hundert.


Abteilung 09 (Freizeit, Unterhaltung und Kultur):
Auf Grund der Abgrenzung in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 konnten die regelsatzrelevanten Ausgaben für "Sportartikel", "Topfpflanzen- und Schnittblumen sowie für den "Besuch von Sport- und Kulturveranstaltungen bzw. -einrichtungen" nur geschätzt werden. Durch die Neuabgrenzung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 werden diese Ausgaben nun wieder getrennt ausgewiesen. Bei den Ausgaben für "Rundfunk-, Fernseh- und Datenverarbeitungsgeräte, Spielwaren" und Ausgaben für "sonstige Freizeit- und Kulturdienstleistungen" entfallen die normativ vorgenommenen Abschläge. Die Einzelpositionen werden nunmehr zu 100 vom Hundert berücksichtigt. Diese Veränderungen sowie die des Verbraucherverhaltens und bei der Verbrauchsstruktur für Deutschland führen zu einem Prozentsatz von 55 vom Hundert.


Abteilung 11 (Beherbergungs- und Gaststättenleistungen):
Wie bisher wird der Nahrungsmittelanteil an den Verpflegungsdienstleistungen mit 33 vom Hundert als notwendiger Bedarf angesehen. Da die Abteilung auch nicht regelsatzrelevante Positionen enthält, ergibt sich unter Berücksichtigung von Änderungen im Verbraucherverhalten und der gesamtdeutschen Verbrauchsstruktur ein Anteil von 29 vom Hundert (bisher 30 vom Hundert).


Abteilung 12 (Andere Waren und Dienstleistungen):
Die regelsatzrelevanten Positionen der Abteilung 12 in der EVS 2003 entsprechen inhaltsgleich denen in der EVS 1998. Auch die Abschläge bei den Positionen "Finanzdienstleistungen" und "andere Dienstleistungen" von 75 vom Hundert wurden beibehalten. Unter Berücksichtigung der Änderungen im Verbraucherverhalten und bei der gesamtdeutschen Verbrauchsstruktur ergibt sich ein Anteil von 67 vom Hundert anstatt wie bisher 65 vom Hundert.

Zu Nr. 2 (§ 3)

Mit der Neuregelung, dass bei zusammen lebenden Ehe- oder Lebenspartnern jeder künftig 90 vom Hundert des Eckregelsatzes erhält, werden Genderaspekte berücksichtigt. Gleichzeitig wird damit eine einheitliche Verfahrenspraxis bei sog. Mischfällen (Zweites Buch Sozialgesetzbuch und Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch) gewährleistet. Im Übrigen entspricht die Änderung einer Forderung der Praxis.

Zu Nr. 3 (§ 5)

Die Regelung ist durch Zeitablauf gegenstandslos geworden.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten der Verordnung zum 1. Januar 2007.